Industriegleise im Fabrikviertel Darmstadt
Das Industriestammgleis „B“
entlang der Mainzer Straße und der Kirschenallee
1872 wurde in der damaligen Blumenthalstraße, der heutigen Kasinostraße, ein erstes Industriestammgleis gelegt. Westlich davon entstand im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts eine neue Werkstätten- und Industrielandschaft, das sogenannte Fabrikviertel. Nach jahrelangem Klagen erhielten einige dieser Unternehmen entlang der Landwehrstraße 1894 einen eigenen Gleisanschluß seitens der Main-Neckar-Eisenbahn. Die Geschichte der Erschließung des Fabrikviertels mit Gleisanlagen wird gesondert dargestellt.
Von den Mitte der 1950er Jahre noch rund dreißig Anschlußgleisen sind nur wenige übrig geblieben. 2023 werden nur noch die Autologistik am ehemaligen Bahnbetriebswerk, Hofmann-Rieg und Evonik an der Kreuzung Mainzer und Landwehrstraße mit der Kirschenallee, sowie am Nordbahnhof Merck angefahren. Ob Donges wenigstens ab und zu noch bedient wird, ist mir nicht bekannt; deren (hier besprochenes) Zufahrtsgleis auf der Nordseite der Mainzer Straße ist jedenfalls noch befahrbar.
Zum Zwecke der Darstellung habe ich den Industriestammgleisen fiktive Buchstaben von A bis H zugewiesen. Sie tauchen daher weder in zeitgenössischen Planungen noch in Plänen und Dokumenten auf. Für das hier vorgestellte Gleis in der Mainzer Straße verwende ich den Buchstaben „B“. Die hiermit hergestellte Verbindung zum Güterbahnhof wurde 1912 gebaut.
Das Industriestammgleis „B“ auf OpenStreetMap.
Auf dem Lageplan von 1906 befindet sich dieses Stammgleis bei [⇒ H3], auf der Übersichtskarte zum Fabrikviertel ist es mit dem Buchstaben „B“ bezeichnet.
Das Gleis „B“ beginnt an der Rampe zu den Bahngleisen, quert die Mainzer Straße und verläuft anschließend parallel zum Straßenraum derselben. Bis etwa 1970 spaltete es sich an der „Spinne“ in das nach Osten zur Landwehrstraße verlaufende Gleis „C“ und in das nach Süden am östlichen Rand der Kirschenallee verlaufende Gleis, das auf dem Betriebsgelände der Herdfabrik Roeder und der Maschinenfabrik Goebel endete.
Die Rampe
Die Gleiskurve, welche die Verbindung zum Güterbahnhof herstellt, wurde bei der Verlegung des Darmstädter Hauptbahnhofs vom Steubenplatz zum heutigen Standort zwischen 1907 und 1912 (hier eher 1912) angelegt. Zunächst wurde damit allein das Industriestammgleis „B“ auf der Nordseite der damals noch Weiterstädter Straße genannten Mainzer Straße angebunden, welches in die Landwehrstraße fortgeführt wurde. 1912 beschloß die Darmstädter Stadtverordnetenversammlung, auch auf der Südseite ein Stammgleis herzustellen, um weitere Industriebetriebe anzulocken. Zwei Jahre später wurde ein drittes Gleis beschlossen, das in Richtung Pallaswiesen- und Gräfenhäuser Straße verlaufen sollte. Damit wurde im Prinzip der Zustand hergestellt, wie wir ihn heute vorfinden.
Bild 1: Rampe des Zuführungsgleises vom nördlichen Gleisvorfeld (des Hauptbahnhofs) her. Links die Gerätesammelstelle, nach dem Zweiten Weltkrieg auch Bahnmeisterei, dahinter die ehemalige Turmwagenhalle, heute ebenfalls eine Event-Location. Hinter der Mauer links lag das Anschlußgleis von Reinhardt & Co. Aufnahme vom Dezember 2009.
Bild 2: Lange Jahre, nachdem das Gebäude als Bahnmeisterei gedient hat, wurde es als Bürogebäude mit integrierter Partylocation vermarktet. Der Name des Eventtempels wechselt alle paar Jahre, aber den Kindern, die hier verkehren, wird es häufig zu langweilig. Dann vergehen sie sich an Mülltonnen, Straßenschildern und Handweichen; und lassen natürlich überall ihren Müll liegen. Ganz wie die Erwachsenen. Aufnahme vom Mai 2012.
Bild 3: In der Gegenrichtung blicken wir auf die Mainzer Straße. Das Gleis „F“ biegt am Wohnhaus nach links ab, der zweite Weichenhebel wurde passend gestellt. Aufnahme vom Mai 2009.
An der Kunstmeile
Das, was wir heute noch sehen können, ist erst im Verlauf der Betriebsjahre erwachsen. Als das vom Main-Neckar-Bahnhof ausgehende Industriestammgleis 1893/94 gebaut wurde, gab es viele der späteren Anschließer noch nicht. Es ist nicht einmal klar, ob das Gleis schon von Anfang an weit in die damalige Weiterstädter Straße hinein gezogen worden ist. Vermutlich wird erst um die Jahrhundertwende eine Werkhalle dort errichtet worden sein, wo bald darauf die Gebrüder Lutz Aktiengesellschaft ihr Zweigwerk hatte. Das Adreßbuch für 1901 weist erstmals mit einem C. W. Textor aus Frankfurt am Main einen Eigentümer auf und als Bewohner (vermutlich des Pförtnerhäuschens) einen namentlich genannten Fabrikarbeiter. Erst im Adreßbuch für 1907 werden die Gebrüder Lutz als Eigentümer genannt; der Fabrikarbeiter ist weiterhin derselbe.
Abbildung 4: Urzustand des Gleises „B“ nach einer städtischen Flurkarte vom März 1908; vollständig auf der Webseite von Kristof Doffing [online]. Quelle: Stadtarchiv Darmstadt ST 51 Nr. 124, N.W.IV.2.
Auf der Flurkarte von 1908 können wir an der „Spinne“, die erst noch im Entstehen ist, die Einmündung des Gleises „C“ mit dessen Anschließern erkennen. Nach Norden führt ein erstes Teilstück der Kirschenallee („K“) zur Hofmöbelfabrik Alter („A“). „1“ ist das damalige Gleisende bei der Maschinenfabrik der Gebrüder Lutz („2“). An der Spinne hatte sich Georg Donges eine Fabrik hinstellen lassen (oder glaubt ihr, er hat dabei selbst Hand angelegt? – „3“). Die Seifenfabrik von August Jacobi stand bei „4“ und das Gleis bog ein bei einem mir unbekannten Anschließer („5“), auch wenn das Adreßbuch natürlich Namen ausspuckt.
Bild 5: Die ältere Straßenpflasterung ist nunmehr Teil des Straßenplanums und wird durch eine Asphaltdecke abgeschlossen. Bei Bauarbeiten kommt der vorherige Zustand wieder zutage, so auch hier beim Kanalbau in der Mainzer Straße im August 2012.
Bild 6: Im April 2013 wurde das Haus Mainzer Straße 83 abgebrochen. Damals war noch nicht abzusehen, was hier rund zehn Jahre später hochgezogen wurde. Unter dem Container liegt das Gleis „D“.
Bild 7: Um die an vielerlei Orten ausgelagerten Bestände des Hessischen Landesmuseums, des Stadtarchivs und anderer Institutionen zusammenzuführen, wurde 2021 mit dem Bau eines Kunstdepots begonnen. Im April 2023 sollte der Umzug vollzogen sein. Aufnahme vom August 2022.
Bild 8: Direkt neben dem Neubau zweigt(e) das Industriestammgleis „D“ Richtung Pallaswiesenstraße ab. Aufnahme vom März 2011.
Lokomobile
Das Anschlußgleis der Gebrüder Lutz A.-G. muß schon 1904 bestanden haben, denn auf einer in selbigem Jahr angefertigten Flurkarte des Vermessungsamtes Darmstadt ist es eingezeichnet. Die Frage ist hier eher, seit wann es dort gelegen hat und wer dort mit dem Industriestammgleis zur Main-Neckar-Eisenbahn angebunden wurde; Textor oder Lutz? Das Adreßbuch ist hierbei nur eingeschränkt eine Hilfe. Einerseits nennt es unter der Anschrift Weiterstädter Straße (oder Weg, das wechselt zuweilen) Nummer 71 erst 1907 die Gebrüder Lutz A.-G. als Eigentümer; aber es spricht nichts dagegen, daß die Gesellschaft schon zuvor das Gelände gepachtet hatte. Andererseits wird das Zweiggeschäft der Gesellschaft bis 1910 in der Pallaswiesenstraße 72 geführt und erst ab 1911 in der Weiterstädter Straße 71 (1912 neu numeriert als Nummer 81).
Abbildung 9: Eine weitere Flurkarte, diesmal von 1904, zeigt die etwas eigenwillige Gleiskonstruktion auf dem Lutz'schen Werksgelände; vollständig auf der Webseite von Kristof Doffing [online]. Quelle: Stadtarchiv Darmstadt ST 51 Nr. 132/64.
Bild 10: Etwa dort, wo einst die Gebrüder Lutz ihre Lokomobile und Dreschmaschinen montieren ließen, steht heute der gelbe Klotz der BuchPartner GmbH. Hinweise auf eine frühere Bebauung sind verschwunden. Aufnahme vom April 2011.
Nach 1904 wird zwischen dem Wohnhaus, das auf der Flurkarte von 1904 mit der Nummer 71 versehen ist, und der etwa in Nord-Süd-Achse verlaufenden Halle eine weitere Halle erbaut werden. Möglicherweise ist es dieselbe Halle, für die 1912 ein Dispens von einer Bestimmung des Ortsbaustatuts erteilt wurde.
Jean Lutz, seine Söhne und Nachfolger
Abbildung 11: Werbeanzeige der Fa. Gebrüder Lutz im Nachtrag zum Adressbuch der Stadt Darmstadt für 1890 [online ulb darmstadt].
1858 oder 1859 machte der 1825 oder 1826 geborene Mechanikus Johannes „Jean“ Lutz eine eigene Schlosserwerkstatt in der Darmstädter Altstadt auf. Mitte der 1860er Jahre nennt er sich Maschinenfabrikant. Ende 1869 oder Anfang 1870 zieht er seine Werkstatt an den Landwehrweg, der bald darauf als Landwehrstraße ins neu erschlossene Fabrikviertel führt. Seine Fabrik mit den Hausnummern 38, 40 und 42 scheint auch in der Wirtschaftskrise der 1870er und 1880er Jahre zu laufen, inzwischen als Maschinen- und Holzdrahtfabrik. 1885 oder 1886 übernehmen seine beiden Söhne Jacob und Julius die Fabrik. Jean Lutz stirbt am 14. Januar 1889. Doch bald darauf, am 1. Oktober 1889, verläßt Julius die gemeinsame Lutz'sche Maschinenfabrik und ein Jan van den Arend aus Frankfurt am Main wird Teilhaber.
Gegen Jean Lutz werden zwei sehr verschiedene Kriminalprozesse geführt. Im April 1870 wird er nach achtwöchiger Untersuchungshaft vom Vorwurf der Verführung zur Unzucht freigesprochen. Im Oktober 1877 wird er vor dem Darmstädter Appellhof in zweiter Instanz wegen Hehlerei im „bekannten Kupferröhrendiebstahl“ zu drei Monaten und vierzehn Tagen Haft verurteilt.
Julius Lutz besitzt nach der Trennung von seinem Bruder Jacob eine Maschinenfabrik und Eisengießerei in der Pallaswiesenstraße 90. 1897 scheint er sich auf Fahrräder spezialisiert zu haben, denn nunmehr heißt seine Werkstatt Unicum Fahrradwerke und Maschinenfabrik vormals Julius Lutz mit dem Geschäftsführer Carl Oppenheimer aus Mannheim. Dieses Geschäft läuft nur einige Jahre, denn im Januar 1905 befindet sich die Fabrik in Liquidation und das Inventar wird veräußert.
Jacob (auch Jakob) Lutz führte zusammen mit Jan van den Arend die Maschinenfabrik und Kesselschmiede seines Vaters an der Landwehrstraße weiter. 1901 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Jakob Lutz war allein vetretungsberechtigter Vorstand, den Aufsichtsrat bildeten Jan van den Arend, Louis Röder (Eigentümer der in Darmstadt beheimateten Herdfabrik), der Bankbeamte Wilhelm Pfarrius (für die an der Gesellschaft beteiligte Bank für Handel und Industrie in Darmstadt) und der Rechtsanwalt Karl Kleinschmidt.
Mitte der 1930er Jahre wurde das Unternehmen abgewickelt. Das Darmstädter Adressbuch von 1935 führt neu eine Metallgießerei und Armaturenfabrik namens Carl Eckert Nachf. ein, die einem Diplomingenieur namens H. Schreiner gehört zu haben scheint. Mit dem Adressbuch für 1940 wird ein Eigentümerwechsel erkennbar, denn die Ecke Kirschenallee und Landwehrstraße beheimatete Motorenfabrik (Modag) übernimmt das vormalige Gelände der Gebrüder Lutz. Die mir bekannten Gleisanschlußpläne aus der 2. Hälfte der 1950er Jahre führen den einst vorhandenen Anschluß nicht mehr auf.
Brücken bauen
Der zweite Anschließer an das nördliche Industriestammgleis entlang der Mainzer Straße war (ist?) das Stahlbauunternehmen Donges. Das Unternehmen geht auf eine kleine Schlosserei von Georg Theodor Donges (1843–1923) zurück, deren Anfängen ich der Einfachheit Ulrich Eisenbach erzählen lasse:
„1872 erwirbt der 29-jährige Schlosser Georg Theodor Donges die Schlosserei Geyer in der Bleichstraße 5 in Darmstadt und betreibt dort eine Bau- und Kunstschlosserei, die schnell wächst und ihr Fabrikationsprogramm ausweitet. Als Donges nach mehreren Umzügen 1897 eine neue Fabrik mit Gleisanschluss an der heutigen Mainzer Straße 55 errichtet, zählt das Unternehmen bereits 200 Angestellte. Es beschäftigt sich zu dieser Zeit vor allem mit Stahlhochbauten, Hallen und Brücken, führt aber auch weiterhin traditionelle Schlosser- und Kunstschmiedearbeiten aus.“
Abbildung 12: Annonce der Darmstädter Eisenbauanstalt Georg Donges im Darmstädter Adreßbuch für 1908 [online ulb darmstadt]. Gezeigt wird der Bau der Maschinenhalle der Technischen Universität Darmstadt.
Abbildung 13: Plan des Gleisanschlusses von Donges an der Mainzer Straße von 1958. Der Plan ist auf Donges zugeschnitten; so ist das Stammgleis „C“ ist weggelassen. Die Waggons wurden zum Wiegen auf der Gleiswaage mittels einer Spillanlage herauf- und heruntergezogen. Die Tragfähigkeit der Waage betrug 50 Tonnen.
Abbildung 14: Plan der Anschlußgleise 1 (vorne) und 4 (hervorgehoben) von 1963. Der Grund für die Neuanlage der beiden Gleise ist nicht angegeben.
Im Verlauf der 1950er und 1960er Jahre erhielt Donges insgesamt vier Gleisanschlüsse. Zwei davon befanden sich an der Mainzer Straße, zwei weitere wurden über das Industriestammgleis „F“ sozusagen hinterrücks angebunden. Die beiden Gleisanschlüsse an der Mainzer Straße dienten der Zustellung von beladenen Waggons.
„Historische“ Bilder des Gleisanschlusses Donges
Ulrich Eisenbach veröffentlicht in seinem Darmstadt-Buch von 2021 einige Aufnahmen aus dem Unternehmensarchiv der Donges Steeltec GmbH, welche die Gleisanlagen von Donges aus verschiedenen Zeiten zeigen.
Bild 15: Sichtbarer Rest des alten Anschlußgleises 1 (des Plans von 1963) auf dem Werksgelände. Aufnahme vom April 2009.
Bild 16: Das Anschlußgleis 4 im Dezember 2014.
Anlieferungen gab es ab etwa 2010 nur noch sporadisch; ob nach 2013 noch welche stattgefunden haben, entzieht sich meiner Kenntnis. Das Stammgleis wurde seitens der Stadt Darmstadt als dessen Betreiberin instand gehalten und 2009 noch einmal ertüchtigt, doch Donges ging eigene Wege. Stahl wird fast nur noch per LKW angefahren und die großen fertigen Brückenteile per Schwertransport auf der Straße zum Bestimmungsort versandt. Ein am 18. Dezember 2006 zwischen Donges und der Bahn-Tochter Railion (heute DB Cargo) unterzeichneter Vertrag sah den Bau eines Railports auf dem Gelände des Güterbahnhofs vor, auf dem der für Donges angelieferte Stahl zwischengelagert und bei Bedarf per LKW zum Werk einige hundert Meter weiter transportiert werden solle.
Bild 17: Auf dem Railport am Güterbahnhof wird möglicherweise ein LKW für Donges beladen. Aufnahme vom September 2015.
Bild 18: Eine Rangierlokomotive verläßt am 16. September 2013 mit zwei entladenenen Rungenwaggons das Donges-Werksgelände.
Bild 19: Die Einfahrt zu Donges wird mittels einer Gleissperre gesichert. Aufnahme vom April 2013.
Der Anschluß Jakobi und ???
Die Seifenfabrik von August Jacobi (Jakobi) befand sich seit Mitte der 1870er Jahre im Zwickel zwischen der Landwehr- und der Weiterstädter Straße. Von dem auf der Nordseite der Weiterstädter Straße geführten Industriestammgleis wurde 1898 eine Verlängerung zwecks Anbindung der Seifenfabrik abgezweigt. 1916 wurde die Seifenfabrik von Röhm und Haas übernommen. Erst um 1970 herum dürfte der schon lange zuvor auf ein einziges Gleis reduzierte Anschluß mit dem Gleis auf der Südseite der Mainzer Straße verbunden worden sein; so auch der heutige Zustand.
Abbildung 20: Die Gegend rund um die „Spinne“ und die dort vorhandenen Gleisanlagen zeigt die städtische Flurkarte N.W.IV.12. von 1906. Quelle: Stadtarchiv Darmstadt Bestand 51 Nr. 132/63;. vollständig wiedergegeben auf der Webseite von Kristof Doffing [online].
Bild 21: Im Dezember 1954 drückt eine unbekannte Lokomotive mehrere Wagen eines Güterzuges durch das damalige Haupttor der Firma Röhm & Haas. Der Lastkraftwagen der benachbarten Firma Eisen-Rieg muß auf der Kirschenallee warten. Im Vordergrund liegt der „Rest“ des Jakobi-Gleises, das noch mit dem nördlichen Industriestammgleis verbunden ist. Zur Verfügung gestellt von Evonik Industries AG, Konzernarchiv.
Bild 22: Die Einfahrt zur Evonik im Mai 2013. nach links zum ehemaligen Jakobi-Gleis.
Bild 23: Sogar die Gleiskurve zum Abschluß des Gleises in das Werksgelände hinein ist noch vorhanden, hier mit zwei zwischengeparkten Kesselwaggons. Aufnahme vom Januar 2013.
Es gibt keinen Hinweis darauf. wem der Anschluß am Gleisende um 1900 „offiziell“ zugeordnet war. Das Adreßbuch nennt für 1902 bis 1909 für das Anwesen Weiterstädter Straße (oder Weg, das wechselt) 4–6 die Dampfschreinerei von Leopold Sperb, der hier von seinen Arbeitern auch Rolläden und Parkett herstellen ließ. Danach fiel das Gelände an die neu angesiedelte chemische Fabrik von Otto Röhm und Otto Haas.
Entlang der Kirschenallee
Bild 24: Luftbild des Werksgeländes der damaligen Röhm GmbH im Frühjahr oder Sommer 1977. Quelle: Evonik Industries AG, Konzernarchiv.
Wenn wir die Aufnahme genauer betrachten, sehen wir auf dem Werksgelände unterhalb der Bürogebäude eine Diesellokomotive mit einigen Waggons auf dem soeben besprochenen hinteren gebogenen Gleis rangieren.
Außerhalb des Werksgeländes ist mittig am oberen Bildrand eine Brachfläche erkennbar. Hier stand der in den 1870er Jahren erbaute Bahnhof der Hessischen Ludwigsbahn, der als solcher 1912 aufgegeben wurde. Danach waren hier verschiedene städtische Äter und Behörden untergebracht. Er wurde beim alliierten Bombenangriff auf Darmstadt im September 1944 zerstört und 1955 abgetragen. Jahrzehnte später entstand hier das Landessozialgericht.
Links oben ist ein Teil der zweiten sogenannten Zeppelinhalle sichtbar, die anfangs der 1920er Jahre mit Bauteilen einer tatsächlichen Luftschiffhalle aus der Umgebung von Allenstein in Ostpreußen durch die Bahnbedarf A.-G. erbaut wurde. Diese Halle ist kurze Zeit nach dieser Aufnahme am 29. Oktober 1977 abgebrannt und wurde ebenfalls abgetragen. Es entstand eine Ansammlung von kleineren Bürogebäuden.
Die Kirschenallee, welcher wir uns jetzt zuwenden, verläuft auf dem Bild von links unten nach rechts oben.
An der „Spinne“ überquerte das von der Nordseite der Mainzer Straße herkommende Industriestammgleis sowohl die Mainzer Straße als auch die Landwehrstraße mit ihrer Fortsetzung als Landwehrweg und abschließend die Kirschenallee. Solange sich der Automobilverkehr in Grenzen hielt, war das gleichzeitige Queren dreier Straßen durch eine längere Rangiereinheit wohl mit entsprechendem Personalaufwand machbar. Vermutlich als das Gleis „C“ in der Landwehrstraße stillgelegt wurde, nutzte man die Gelegenheit zur Entlastung der Kreuzung und verknüpfte nunmehr das südliche Stammgleis „A“ mit dem nach Süden führenden Gleis. Informationen, wann dies geschah, gar Pläne hierfür, kenne ich nicht.
Das Gleis entlang der Kirschenallee wurde im März 1918 zugunsten der Anschließer Roeder und Goebel genehmigt. Beide müssen kriegswichtige Betriebe gewesen sein, denn Eisen und Stahl für einen privaten Gleisanschluß waren damals knapp. Goebel baute in der Endphase des Ersten Weltkrieges Flugzeugmotoren. Das Gleis wird wohl noch 1918 fertiggestellt worden sein. Da es sich in gewisser Weise um einen verlängerten Privatgleisanschluß gehandelt hat, taucht dieses Gleis in den Darmstädter Stadtplänen der 1920er Jahre nicht auf.
Bild 25: Das Gleis in der Kirschenallee. Aufnahme vom Juni 2011.
Bild 26: Das Gleis in der Kirschenallee. Aufnahme vom Februar 2015.
Bild 27: Am 27. November 2007 wurden drei Straßenbahntriebwagen in der Kirschenallee auf Güterwaggons verladen, von wo aus sie in das rumänische Iași gelangt sind.
Bild 28: Die Bachgangpforte war ein weiterer Zugang zum Werksgelände an der Kirschenallee. Hier ist eine heute nicht mehr vorhandene Weiche sichtbar. Aufnahme (vermutlich) vom 6. November 1970, Evonik Industries AG, Konzernarchiv.
Abbildung 29: Gleisanschlußplan der Firma Nold von 1960. Die Verbindungskurve von der Straßenbahnstrecke in der Bismarckstraße in dir Kirschenallee ist noch nicht eingezeichnet.
Aus der Bedienungsanweisung vom 1. März 1960:
„Der Anschluß dient der Zuführung der Wagen für die Firma J. Nold – Kohlengroßhandlung – und der Mitbenutzerin Firma (Olex, Deutsche Petroleumsverkaufsgesellschaft m b H, Darmstadt. Das Anschlußgleis beginnt an der Anschlußweiche A im Industriestammgleis, verläuft nach einem S-Bogen in südlicher Richtung, führt nach 36 m durch ein 4,40 m breites Holztor in das Anschlußgelände und endet ohne besonderen Gleisabschluß an einer östlich vom Anschlußgleis gelegenen Seitenrampe. Innerhalb des Geländes ist ein zweites 4,55 m breites Eisentor angebracht. Das Gleis hat eine nutzbare Länge von 87 m und liegt von Weiche A auf eine Länge von 40 m in einem Gefälle von 1:571, anschließend auf eine Länge von 88 m in einer Steigung von 1:783. Die Übergabestelle liegt zwischen den beiden Toren. Das 1. Tor ist wegen seines geringen Abstandes vom Gleis mit besonderem Gefahrenanstrich – Ne 8 – gekennzeichnet.“
Dieser Anstrich war weiß und sollte vor allem die an den Güterwaggons hängenden Rangierer warnen. Die Bedienungsfahrt wurde im Güterbahnhof Darmstadt für alle Nebenanschließer des Industriestammgleises zusammengestellt und den einzelnen Nutzern sodann „bunt zugeführt“.
Bild 30: Zwei undatierte Aufnahmen des Geländes von Eisen Rieg zeigen nebenbei den Gleisanschluß Nold, einmal mit und einmal ohne Güterwaggons. Freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Hofmann-Rieg Stahlhandel GmbH.
Bild 31: Direkt an der Bachgangpforte.
Zwischen der Bachgangpforte und der Bismarckstraße wurde 1961 das Industriestammgleis für die Übergabe von Straßenbahntriebwagen hergerichtet. Die HEAG hatte am 8. Dezember 1960 beim Regierungspräsidium Darmstadt den Bau dieses Anschlußgleises beantragt, um hierüber im April 1961 neue sechsachsige Straßenbahn-Gelenktriebwagen für den Einrichtungsverkehr auf Spezialwaggons (SSlmas) anliefern zu lassen. Die Oberpostdirektion wies darauf hin, daß das Anschlußgleis 39 Meter von der Baufluchtlinie der Bismarckstraße enden solle, aber erst nach 58 Metern ein Erdkabel der Bundespost das vorhandene Industriegleis kreuze; und erhob deshalb auch keinen Einwand. Der Bau durch die Bahnbedarf-Rodberg GmbH in Darmstadt zog sich aus unbekannten Gründen länger hin, möglicherweise aufgrund von Bedenken der Bundesbahn, so daß die Abnahme dieses Anschlußgleises erst am 9. August 1961 erfolgen konnte. Die Probefahrt eines Straßenbahn-Triebwagens, der von einem Unimog gezogen wurde, führte zu keiner Beanstandung, so daß das Regierungspräsidium am 11. August 1961 seine Zustimmung zur Eröffnung des Betriebs dieser Anlage erteilte.
Hierbei wurde zwischen das vorhandene normalspurige Gütergleis ein schmalspuriges Straßenbahngleis gelegt, welches kurz vor der Bismarckstraße nach rechts abbog und in das Richtungsgleis der Straßenbahn zum Hauptbahnhof einmündete. Zwischen 1961 und 2007 war dies eine elegante Lösung, die mit der Eisenbahn angelieferten neuen Straßenbahnen ungestört aufzugleisen und ins Depot zu ziehen; oder umgekehrt. Für den Straßenbahnregelverkehr war die Kreuzung immer eine etwas holprige Angelegenheit, wenn er das Gütergleis zu Roeder und Goebel zu queren hatte. Irgendwann um 2000 wurde die Gleiskurve und damit auch die zugehörige Weiche in der Bismarckstraße aufgegeben. Bei der vollständigen Neuverlegung der Straßenbahnschienen zwischen Dornheimer Weg und der Feuerwache 2013/16 wurde auch die bisherige Kreuzung beseitigt. Die folgende Aussage können wir einfach unkommentiert so stehen lassen::
„Die im Bestand im Knotenbereich Kirschenallee vorhandene Schienenkreuzung mit dem Industriegleis wird vorerst nicht wieder hergestellt. Es ist jedoch bautechnisch sichergestellt, dass die Kreuzung bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt wieder hergestellt werden kann.“
Dies würde jedoch voraussetzen, daß das Gewerbegebiet südlich der Bismarckstraße wieder einen Gleisanschluß benötigen könnte; und das ist sehr unwahrscheinlich. Folgerichtig ist von irgendeiner Art Vorleistung nach Ende der Umbauarbeiten auch nichts zu erkennen.
Bild 32: Die Übergabestelle für die Straßenbahn in der Kirschenallee. Aufnahme vom August 2011.
Bild 33: Die Kreuzung von Straßenbahn und Gütergleis in der Bismarckstraße. Die Rumpelstelle wurde entschärft. Aufnahme vom November 2009.
Bild 34: Im November 1988 paßte Jörn Schramm den Triebwagen 33 ab, während am Hoftor 360 535 darauf wartet, mit einigen Waggons herausfahren zu dürfen.
Nach der Verladung mehrerer Straßenbahnen im November 2007 wurde das Stammgleis in der Kirschenallee nicht mehr genutzt.
Roeder und Goebel
Die Anfänge der Herdfabrik Roeder liegen in einer kleinen Schlosserei in der Bleichstraße. Philipp Roeder entdeckte ine Marktlücke und begann mit der Herstellung schmiedeeiserner Kochherde. Ende der 1870er Jahre erwarb er eine Freifläche im Westen der Stadt und baute seine Ofen- und Herdproduktion aus; schon gegen Ende der 1880er Jahre hatten seine fleißigen Arbeiter hunderttausend Kochherde hergestellt. Im Ersten Welrkrieg konnte er den Bedarf an Feldküchen befriedigen und im Nationalsozialismus fühlten sich mehrere NS-Organisationen bei ihm zu Hause.
1864 übernahm Georg Goebel die seit rund zwei Jahrzehnten bestehende Werkstatt seines Schwiegervaters Peter Gandenberger. Auch er entdeckte eine Marktlücke und ließ in seiner Fabrik neuartige Fahrkartendruckmaschinen herstellen und begründete so den Erfolg des Unternehmens. Auch ihn zog es an eine Freifläche im Westen der Stadt; und so kam es, daß Roeder und Goebel (noch als Gandenbergersche Maschinenfabrik) in direkter Nachbarschaft Friedensware und Kriegsinstrumente produzierten. In den 1920er Jahren schaffte es der Quereinsteiger Wilhelm Köhler, das Unternehmen finanziell auf gesunde Füße zu stellen und technologisch voranzubringen.
Mit dem 1918 gebauten Industriestammgleis waren sie direkt an das Eisenbahnnetz angebunden, auch wenn schon 1912 der neu errichtete Güterbahnhof geradezu direkt vor der jeweiligen Haustüre stand.
Abbildung 35: Gleisanschlußplan für Goebel 1955.
Nach dem Queren der Bismarckstraße verschwand das Industriestammgleis auf dem Gelände der Herdfabrik Roeder, von dem ein Abzweig auf das Gelände der Gandenbergerschen Maschinenfabrik Goebel geleitet wurde. Während die Gleise auf dem Werksgelände von Goebel heute noch zu sehen sind, ist die Fortführung des Industriestammgleises längst verschwunden. Dieses verlief nämlich weiter gen Süden, durch das heutige Parkhaus an der Mornewegstraße hindurch (und am damaligen Arbeitsamt vorbei), kreuzte die Mornewegstraße und endete zwischen der Mornewegstraße und der Rheinstraße. Von dieser südlichen Verlängerung liegt mir kein Anschlußplan vor; auf dem obigen Plan ist sie jedoch angedeutet.
Manchmal steht das Tor offen und dann können wir einen Blick auf die noch vorhandenen Gleise erhaschen. Ansatzweise zu erkennen ist die Weichenanlage. Links geht es zum Umfahrgleis, in der Mitte weiter zum Roeder-Gelände hinter der Mornewegstraße und nach rechts zu Goebel. Als Roeder sein Werk in den 1960ern schloß, waren die beiden linken Gleise überflüssig geworden.
Bild 36: Einfahrt in das Goebel-Werksgelände. Aufnahme vom April 2013.
Bild 37: Die Weiche wurde von der Darmstädter Bahnbedarf A.-G. wohl in den 1920er Jahren geliefert. Aufnahme vom Mai 2016.
Bild 38: Selbst die Doppelkreuzungsweiche scheint noch im gepflasterten Innenhof zu liegen. Aufnahme vom September 2014.
Bild 39: Kurz vor Erreichen der Mornewegstraße endet das Gleis. Aufnahme vom Parkplatz des benachbarten Mongolengrills im November 2009.
Auszug aus der Dienstanweisung vom 8. Juli 1955, gültig ab dem 1. Februar 1956.
„Von der Anschlußweiche R1, die an das südliche Ende des Industriestammgleises in der Kirschenallee anschließt, verläuft der Anschluß in südlicher Richtung, führt durch ein Tor zum Werkhof der Anschließerin und teilt sich 25 m hinter der Gleissperre in der doppelten Kreuzungsweiche G in ein 32 m langes Zustellgleis und ein 30 m langes Abholgleis. Außerdem ist in nördlicher Richtung ein 90 m langes Werkgleis an die Anschlußweiche G angeschlossen, über dem sich ein Bockkran befindet.
Das Zustellgleis ist mit einem Prellbock abgeschlossen, das Abholgleis ist ohne festen Gleisabschluß und das Krangleis endet an einem mit Steckbolzen festgehaltenen Eisenträger, der nach Bedarf entfernt werden kann, da das Gleis in einer Werkstraße liegt. Jedoch reicht das Abholgleis 3 m weit auf das Grundstück des Arbeitsamtes Darmstadt. Es ist an der Eigentumsgrenze durch ein 4,4 m breites Holztor (Tor 2) getrennt. […]
Die Anschlußweichen R1 und G sind Handweichen. Sie sind ohne Abhängigkeit und frei bedienbar. Wegen des Gefälles zur Bismarckstraße hin ist hinter dem Tor, 25 m vor der Weiche G, eine handbediente Gleissperre (Sperrbalken) eingebaut. Die Gleissperre ist in der Grundstellung geschlossen und darf nur bei der Anschlußbedienung geöffnet werden. Das Werksgelände der Anschließerin ist eingezäunt und mit einem 4,80 m breiten Tor (Tor 1) versehen.“
Auf dem Goebel-Plan von 1955 ist noch ein weiteres Gleis zu erkennen. Es beginnt in der Nähe des schon erwähnten Bockkrans, verläuft parallel zur Bismarckstraße und berührt hierbei zwei Werkhallen. Dieses Gleis war ursprünglich mittels einer Drehscheibe angebunden. Zusätzlich verliefen auf dem Werksgelände mehrere Schmalspurgleise (für handgeschobene Transporte). Das Gelände des Arbeitsamts, in welches das Abholgleis hineinragte, gehörte (vermutlich) bis 1945 zu Goebel, wurde anschließend für die US-Administration requiriert und gelangte über den Umweg der Bundesanstalt für Arbeit wohl erst in den 1970er Jahren wieder in das Eigentum des Unternehmens zurück.
Bild 40: Auf dem asphaltiertzen Weg neben dem Grünstreifen müßte das Gleis innerhalb der Herdfabrik Roeder weiter verlaufen sein. Das Parkhaus im Bildhintergrund müssen wir uns wegdenken, denn an dieser Stelle verlief das Roeder-Gleis über die Mornewegstraße. Aufnahme vom November 2009.
Bild 41: Verwaltungsgebäude der Herdfabrik Roeder an der Rheinstraße. Aufnahme vom Juli 2011.
Bilder und Dokumente zu Roeder und Goebel
Bei der ULB Darmstadt ist die „Denkschrift zum 50jährigen Geschäftsjubiläum der Firma Erste Darmstädter Herdfabrik und Eisengießerei Gebrüder Roeder Darmstadt“ zum Zeitraum von 1866 bis 1916 als Digitalisat verfügbar.
Abbidlung 42: Hat heute nur noch geringen Sammlerwert: eime Aktie der Gebrüder Roeder A.-G. von 1928.
Gerd Simons hatte einmal eine schöne Dokumentation zur Geschichte von Goebel online. Es scheint, als habe er sich von der Datenschutzgrundverordnung ins Bockshorn jagen lassen. Dennoch sind noch einige Bildspuren vorhanden, die wiederum andere Probleme aufwerfen. Die nachfolgenden (ziemlich kryptischen) Links auf einzelne Bilder führen auf einen Bilderspeicher in der Cloud von web.de. Damit einher geht die Möglichkeit, daß der Bilderhoster nicht nur so freundlich ist, Bilder zu speichern, sondern auch die Gelegenheit nutzt, das Surfverhalten beim Aufruf zu protokollieren, zu analysieren und mit passender aufdringlicher Werbung zu korrelieren. Daten anzuzapfen und abzugreifen gehört zum Geschäftsmodell. Dies als Caveat zu den folgenden Links.
- Die Gleisanlagen von Goebel 1920.
- Das Goebel-Fabrikgelände mit den Gleisanlagen 1922.
- Die Doppelkreuzungsweiche auf dem Goebel-Gelände 1924.
- Ein Normalspur- und Schmalspurgleis auf dem Goebel-Werksgelände 1924.
- Dasselbe kriegszerstört 1944.
Die Lage der Herdfabrik Roeder [⇒ L11] und des Goebel-Geländes [⇒ L12] auf einem älteren Plan.
Das Ende der Herdfertigung der Gebrüder Roeder AG kam Mitte der 1960er Jahre.
„Schon im Jahre 1964 wies das Unternehmen bei einem Kapital von etwas über 3 Millionen Mark einen Verlust von knapp 1,1 Millionen Mark aus. Im letzten Jahr wurde im Zuge einer Reorganisation die Gießerei geschlossen, das Gießereigelände verkauft. Aber die Erwartungen auf einen steigenden Umsatz – er betrug 1964 nicht ganz 17,8 Millionen Mark – erfüllten sich nicht. Selbst unter Berücksichtigung des Buchgewinns aus dem Geländeverkauf mit ungefähr 1,3 Millionen Mark wird daher die Bilanz 1965, so gestand der Aktionärsbrief ein, ‚wieder einen empfindlichen Verlust‘ ausweisen.“
Goebel scheint in den 1980er Jahren noch gut gelaufen zu sein, konnte aber wohl den Modernisierungsschub der 1990er Jahre nicht umsetzen und wurde 2000 insolvent. Das Unternehmen wurde in zwei Teile aufgespalten und 2020 die Produktion in Darmstadt eingestellt.
Bild 45: Der gußeiserne Sockel mit der Bronzeschale eines 1944/45 verschwundenen Kandelabers auf dem Roeder-Gelände an der Rheinstraße zeigt Eisengießer bei der Arbeit. Aufnahme vom Mai 2012.
Anmerkungen
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- Eine Reihe der folgenden Angaben stützen sich auf das Darmstädter Adreßbuch und sind daher mit gewissen Unsicherheiten behaftet. ⏎
- Albert Gieseler nennt auf seiner Dampfmaschinenseite einen C. W. Textor, der 1875 in Bockenheim eine Maschinenfabrik und 1900 ein technisches Büro geleitet haben soll. Ein wenig im Internet gekruschtelt habe ich eine Annonce im Würzburger Stadt- und Landboten vom 2. Oktober 1875 gefunden [online bsb münchen], in welcher er Lokomobile von Garrett anbot. An der Weiterstädter Straße wird Textor in den Adreßbüchern von 1901 bis 1906 als Eigentümer geführt. ⏎
- Eventuell wäre hier ein Blick in die Handelsregisterakte der Gebrüder Lutz hilfreich; zumindest wenn dort auch halbwegs aussagekräftige Geschäftsberichte eingebunden sind. Eine solche Akte scheint im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt jedoch nicht vorhanden zu sein (wohl 1944 verbrannt). ⏎
- Stadtverordnetenversammlung am 1. Februar 1912, siehe Darmstädter Tagblatt vom 2. Februar 1912 [online ulb darmstadt] und Folgeseite. ⏎
- Der Umzug in den Landwehrweg muß vor dem März 1870 stattgefunden haben, denn im Darmstädter Frag- und Anzeigeblatt vom 5. März 1870 annonciert er dort ein Logis [online ulb darmstadt]; das Adreßbuch für 1870 führt ihn hingegen noch in der Großen Caplaneigasse 22. Das Todesdatum nach dem Darmstädter Tagblatt vom 19. Januar 1889 [online ulb darmstadt]. In den standesamtlichen Veröffentlichungen wird er nicht genannt, im Darmstädter Friedhofsbuch wird sein Todesjahr falsch mit 1888 angegeben. Ausscheiden Julius im Darmstädter Tagblatt vom 5. November 1889 [online ulb darmstadt]. ⏎
- Hessische Volksblätter vom 28. April 1870. Darmstädter Tagblatt vom 26. Oktober 1877 [online ulb darmstadt]. ⏎
- Darmstädter Tagblatt vom 18. Januar 1905 [online ulb darmstadt]. In Liquidation seit 1904, siehe die Handelsregisterakte HStAD G 28 Darmstadt Nr. R 486 [nicht eingesehen]. ⏎
- Angaben nach Deutscher Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischer Staats-Anzeiger vom 17. Juli 1901 [online. Siehe auch das Darmstädter Tagblatt vom 13. Juli 1901 [online ulb darmstadt]. ⏎
- Zur Lutz A.-G. siehe auch den Eintrag bei Albert Gieseler [online]. Zur Firma Carl Eckert Nachf. siehe den Artikel in der Darmstädter Frauenzeitschrift „Mathilde“: Familienunternehmen mit über 100-jähriger Tradition, Heft 82 (2006). Der Artikel ist über die Wayback Machine von archive.org verfügbar. ⏎
- Ulrich Eisenbach : Darmstadt. Leuchttürme der Industriegeschichte 1880 bis 1970 [2021], Seite 9. ⏎
- Gert Blumenstock : Donges kooperiert mit der Bahn, in: Frankfurter Rundschau am 19. Dezember 2006, Seite 33. Von der Straße auf die Schiene: Wissenschaftsstadt Darmstadt setzt ein Zeichen und investiert in Industriegleisanlage im Nordwesten, Pressemeldung vom 30. November 2009 [online]. ⏎
- Anlage des Gleisanschlusses 1898 nach Geschäfts-Bericht über den Betrieb der Main-Neckar-Eisenbahn im Jahre 1898, Seite 6. ⏎
- Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt, Nr. 7, 30. März 1918. ⏎
- Zum Bau der Gleiskurve siehe HStAD H 1 Nr. 10555. Hermann Bürnheim / Jürgen Burmeister : Bahnen und Busse rund um den Langen Ludwig. Stadtverkehr in Darmstadt. 4. Auflage 1997, schreiben auf Seite 82, die Gleiskurve in die Kirschenallee sei erst 1969 angelegt worden; dies kann nunmehr als widerlegt angesehen werden. ⏎
- Bernd F. Künne und Partner : Nahverkehrsachse Bismarckstraße – Willy-Brandt-Platz – Mathildenplatz – Luisenplatz. Neugestaltung der Bismarckstraße West, Goebelstraße – Dolivostraße. Planfeststellung Erläuterungsbericht, Stand: 8. Oktober 2010, Seite 13. ⏎
- Ganzseitige Annonce in: Darmstadt, ein Heft in der Städtereihe deutscher Wirtschaftshefte mit Verkehrskarte und Stadtplan, Heft 4, 1951, Seite 109. ⏎
- Am Ende, in: Die Zeit, Nr. 40, 30. September 1966. Die Onlinefassung weist kleinere Auslassungen auf, die auf Scanfehler zurückzuführen sind. Beim Aufruf dieses Links meldet sich die Zeitung mit den Worten: „Besuchen Sie zeit.de wie gewohnt mit Werbung und Tracking.“ Dann lieber nicht. Das ist ja ein ekelhaftes Geschäftsmodell. ⏎