Fabrik. Blick auf das Fabrikgelände. Quelle: Adreßbuch 1908.

Die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt

Kapitel 14: Ein häßliches Entlein erregt in Wien Aufsehen. Lokomotivbau in Darmstadt, Teil 2

Das seit 1837 als Buschbaum & Comp. bestehende und 1844 zur Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt umfirmierte Unternehmen wurde mit Unterstützung der ebenfalls in Darmstadt ansässigen Bank für Handel und Industrie 1857 in eine Aktien­gesellschaft umgewandelt. Die Liquidation des Unternehmens wurde mit der General­versammlung am 21. Dezember 1878 eingeleitet.

In diesem Kapitel werden die zwischen 1871 und 1874 gebauten Lokomotiven vorgestellt. 1873 beteiligte sich die Maschinenfabrik an der Weltausstellung in Wien und stellte zwei Lokomotiven aus. Besonders in ästhetischer Hinsicht mißfielen sie den Experten. Aus deren Kritik entspann sich eine Kontroverse.


Dieses Kapitel zur Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei ist die Fortsetzung von Kapitel 13 und der Streikwelle von 1869/70, einem gewonnenen Krieg und einem Gründerboom, der zu den schönsten Hoffnungen Anlaß gibt.

Der im Juli 1872 abgefaßte Bericht der Darmstädter Handelskammer für die beiden Vorjahre benennt eine bedeutende Neugewichtung der Aktivitäten des Darmstädter Unternehmens.

„Die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt, welche sich seither insbesondere mit dem Bau von Dampfmaschinen, Werkzeug­maschinen sowie Bau und Schmalspur-Locomotiven befaßte, trifft dermalen die entsprechenden Vorrichtungen, um ganz zum Locomotivenbau überzugehen.“ [1]

Edmund Heusinger von Waldegg bemerkt hierzu:

„Die Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt liefert seit 1869 einfache Tendermaschinen zum Rangirdienst und für Bauunternehmer. Auf der Wiener Ausstellung waren die Nummern 50 und 51 vertreten.“ [2]

Hiermit nimmt er wohl Bezug auf die um 1870 herum erfolgte Spezialisierung des Unternehmens auf den Lokomotivbau, denn die erste an einen Bauunternehmer gelieferte Baulokomotive datiert von 1861.

Auf der Spur

Dieses Kapitel befaßt sich mit den zwischen 1871 und 1874 ausgelieferten Lokomotiven mit den Fabriknummern 23 bis 49, sowie den beiden auf der Weltausstellung in Wien gezeigten Lokomotiven 50 (und deren Schwesterlok 57) und 51.

Tabelle 1: Von der Maschinenfabrik von 1871 bis 1874 gelieferte Lokomotiven nach der Schmeiser-Liste.
Fabriknr.BaujahrSpurEmpfänger laut LieferlisteIdentifizierter EmpfängerEinsatzzweck
23–251871900Varnholt & Vering, OsnabrückVarnholt & Vering, OsnabrückErdarbeiten an der Venlo-Hamburger Bahn, hier mglw. Güterumfahrung Bremen
261872900Schönemann & Friebel, AhrbergenSchünemann & Triebel, Wittenunbekannt
27–281872900B.M.E.Bergisch-Märkische Eisenbahnwerden in den dortigen Geschäfts­berichten nicht erwähnt
29–311872900Varnholt & Vering, BremenVarnholt & Vering, BremenErdarbeiten an der Venlo-Hamburger Bahn, hier mglw. Güterumfahrung Bremen
321872900Engel & Holmgren, Hitzacker Erdarbeiten beim Bau der Eisenbahn­strecke Wittenberge – Buchholz bei Hitzacker (Elbe) und/oder Elbbrücke bei Dömitz
33–341872900Bremer Bau-Ges., AllershausenBremer Bau-Gesellschaft, BremenErdarbeiten an der Sollingbahn, evtl. beim Tunnelbau
35–381872/731435Rheinische EisenbahnRheinische EisenbahnRangier­lokomotiven 138 bis 141
391873900E. Pöschel, CasselEduard Pöschel, KasselErdarbeiten an der Bahnstrecke Göttingen – Bebra, ab März 1874 Einsatz an der Sollingbahn bei Uslar
401873900Schönemann & Friebel, AhrbergenSchünemann & Triebelunbekannt
411873900Varnholt & Vering, BremenVarnholt & Vering, BremenErdarbeiten an der Venlo-Hamburger Bahn, hier mglw. Güterumfahrung Bremen
42–431873900L. v. Köppen, BrilonLothar von Köppen, WiesbadenErdarbeiten an der Rhene-Diemeltal-Eisenbahn, an der Strecke von Scherfede nach Holzminden oder an der Sollingbahn
44–451873690v. d. Kall, SaarbrückenJohann von der Kall, Gruben­direktor in Hostenbach (bei Völklingen)Grubenbahn Hostenbach
461873680F. Brandt, RegensburgFranz Brandl, ReichenhallErdarbeiten an der unteren Donautal­bahn bei Regensburg
471874900Holmgren, HitzackerCarl Holmgren aus ???Erdarbeiten beim Bau der Eisenbahn­strecke Wittenberge – Buchholz bei Hitzacker (Elbe) und/oder Elbbrücke bei Dömitz
481874900W. Lackemaier, Schönthalmglw. Wilhelm Lettenmayer, Stuttgartunbekannt
491874900Krausgrill & Co., DarmstadtJohann Georg Krausgrill, Darmstadtvermutlich Erdarbeiten an der Strecke von Aschaffenburg nach Miltenberg
50 und 571873/741435M.N.E.Main-Neckar-EisenbahnRangier­lokomotiven 43 und 44
511874900E. Pöschel, CasselEduard Pöschel, KasselErdarbeiten an der Bahnstrecke Göttingen – Bebra

Bei dem in der Schmeiser-Liste aufgeführten Unternehmen Schönemann und Friebel aus dem bislang nicht identifizierbaren Ahrbergen handelt es sich (belegt 1875) um die Bauunternehmer Schünemann und Triebel aus Witten an der Ruhr. Sie hatten schon 1866 und 1869 zwei Baulokomotiven erhalten. 1872 sollte sich eine weitere 900 mm-Lokomotive mit der Fabriknummer 26 dazu gesellen; ein Jahr später sollte Nummer 40 folgen. Alle in diesem Kapitel aufgeführten Lokomotiven der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt waren zweiachsige Naßdampf-Tender­lokomotiven (B-n2t). [3]

Nur in wenigen Fällen läßt sich mit Bestimmtheit der Verwendungs­zweck einer neu angekauften Lokomotive aus Darmstadt belegen. In den meisten Fällen kann entweder gut geraten werden oder der Bestimmungszweck bleibt unklar. Möglicher­weise würde eine zielgerichtete Lektüre der Submissionen weiterhelfen, die in der Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen abgedruckt oder zumindest erwähnt werden. Der hiermit verbundene Aufwand ist jedoch derart erheblich, daß ich zum jetzigen Zeitpunkt davon abgesehen habe.

Die Bergisch-Märkische Eisenbahn muß 1872 ebenfalls zwei Baulokomotiven mit den Fabriknummern 27 und 28 erhalten haben. Angesichts ihrer damaligen Bauaktivitäten wäre ein Einsatz zur Fertigstellung der Oberen Ruhrtalbahn oder schon vorbereitend für die anschließende Neubaustrecke von Scherfede nach Holzminden denkbar. In den Geschäftsberichten des Unternehmens werden diese Lokomotiven nicht erwähnt und somit auch nicht in den bahneigenen Nummernkreis übernommen.

Ob dies eine der beiden Lokomotiven gewesen ist?

Die Obere Ruhrtalbahn ist im Sommer 1872 fast fertig gestellt und so

„[…] erfolgte mit der Durchbindung der Oberen Ruhrtalbahn nach Warburg am 6. Januar 1873 die Aufnahme des Güterverkehrs und am 10. Februar auch die des Personenverkehrs, wobei die Bevölkerung die erste Bauzug-Lokomotive bereits am 23. August 1873 hatte erleben können.“ [4]

Für Erdarbeiten an der Oberen Ruhrtalbahn wäre die Ankunft einer ersten Baulokomotive im August 1872 schon reichlich spät. Leider gibt der Autor dieser Zeilen, Garrelt Riepelmeier, keinen Hinweis darauf, woher er die Kenntnis von der Ankunft einer Baulokomotive gewonnen hat. Ein Zeitungsbericht vom 27. August 1872 stellt die Sache nämlich ein wenig anders dar, vorausgesetzt, es handelt sich um dieselbe Maschine.

Stadtberge, den 25. August.  Gestern Nachmittag traf die erste Locomotive von Warburg auf Bahnhof Marsberg ein, so daß jetzt der Anschluß der oberen Ruhrtal-Bahn mit der Hessischen Nordbahn und Westfälischen Bahn hergestellt ist. Vorhergehender Tage war auf der Strecke Warburg – Scherfede der letzte Schienennagel der oberen Ruhrtalbahn feierlich eingeschlagen, wozu die Warburger Bürger in der anerkennens­werthesten Weise durch Ehrenpforten und andere festliche Vorbereitungen Alles aufgeboten hatten, um die Feier zu einer der Bedeutung des Festes würdigen zu machen.“ [5]

Wenn es sich tatsächlich um eine Baulokomotive gehandelt hat, scheint sie eher normalspurig gewesen und auf der fertig genagelten Strecke verkehrt zu sein.

Das 1871 von Osnabrück nach Bremen umgesiedelte Unternehmen Varnholt und Vering benötigte für die umfangreichen Erdbewegungen bei Hemelingen und beim Bau der Bremer Güterumgehungsbahn in Richtung Hamburg weitere Lokomotiven. Diese wurden vermutlich zunächst in Oberneuland stationiert. Es handelt sich um die laut Lieferliste 1871 beschafften Nummern 23 bis 25 und die 1872 beschafften Nummern 29 bis 31. Zu den von Carl und Hermann Vering organisierten Bauvorhaben siehe die Ausführungen in Kapitel 10.

Mit dem Besrimmungsort Hitzacker wurden 1872 und 1874 zwei 900 mm Lokomotiven mit der Fabriknummer 32 an Engel & Holmgren bzw. mit der Fabriknummer 47 an den Bauunternehmer Carl Holmgren ausgeliefert. In der Nähe von Hitzacker wurde von 1870 bis 1873 die Brücke über die Elbe nahe der Festung Dömitz errichtet. Die dazugehörige Eisenbahn­strecke von Wittenberge über Lüneburg nach Buchholz wurde 1874 fertiggestellt. Als Einsatzzweck beider Lokomotiven kämen Erdbewegungen beim Deich- bzw. Dammbau oder Material­transport für den Brückenbau in Frage. Über die beiden Geschäftspartner Engel und Holmgren ist so gut wie nichts bekannt. [6]

Adreßbucheintrag von 1881.
Abbildung 1: Letzter Eintrag der Bremer Bau­gesellschaft im Bremer Adreßbuch von 1881 [online],

1872 bestellte die Bremer Baugesellschaft zwei Lokomotiven mit der Spurweite 900 mm. Die Maschinen mit den Fabriknummen 33 und 34 wurden zum Einsatz nach Allershausen, einem heutigen Ortsteil von Uslar in Niedersachsen, geliefert. Der von der preußischen Eisenbahn­verwaltung vorgegebene Baubeginn an der Sollingbahn war im November 1873. Mögliche­rweise waren die Lokomotiven bei dem zu diesem Zeitpunkt begonnenen Durchstich des Bollerttunnels beteiligt. Die Bremer Gesellschaft war ein Produkt des Gründerbooms und scheint die Darmstädter Maschinenfabrik nur kurz überlebt zu haben. Nichtsdestotrotz, aber das gehörte vielleicht auch schon damals zur Wirtschafts­förderung dazu, wird das in die Spekulationsblase eingebettete Unternehmen in einer einschlägigen Publikation positiv herausgehoben.

„Wenn Bremen somit seinen Waarenverkehr rascher und ausgiebiger ausgedehnt hat, als vielleicht im eigenen interesse der Kaufmann­schaft wünschenswerth erscheint, so ist ein Uebermaß auf dem Gebiete der ‚Gründungen‘ hier nicht hervorgetreten. Allerdings sind noch einige neue Aktien­gesellschaften entstanden, doch ist ihre Anzahl eine beschränkte und sie basiren auf durchaus gesunder Grundlage; wir gedenken hier zunächst der Umwandlung der altrenommirten Eisengießerei- und Schiffsbau­fabrik von E. Waltjen u. Komp. in eine Aktien­gesellschaft, sowie der ‚Bremer Baugesellschaft‘ und der Errichtung einer ‚Bremer Nähmaschinen­fabrik, Kallmayers Patent‘, endlich der in der Nähe Bremens (auf Oldenburgischem Gebiet) erbauten ‚Jute-Spinnerei und Weberei‘.“ [7]


Die Rheinische Eisenbahn-Gesellschaft in Köln bezog 1872/73 vier normalspurige Tender­lokomotiven mit den Fabriknummern 35 bis 38. Diese erhielten die Betriebsnummern 138 mit dem Namen „Blankenstein“, 139 „Hohensyburg“, 140 „Kappenberg“ und 141 „Desenberg“ und wurden nach der Burg Blankenstein, der Burg Hohensyburg, dem Kloster und Schloß Cappenberg und der Burg Desenberg benannt. Sie wurden 1883 im Zuge der drei Jahre später vollendeten Verstaatlichung der Gesellschaft in KED Cöln rrh. 1409 bis 1412 umgezeichnet. Während die ersten drei Lokomotiven nach zum Teil nicht einmal zwanzig Betriebsjahren zwischen 1889 und 1894 ausgemustert wurden, ereilte die vorherige „Desenberg“ dieses Schicksal erst 1897, nachdem sie noch 1895 von der KED Essen mit gleichbleibender Betriebsnummer übernommen worden war [8]. Für eine dieser Lokomotiven ist ein Bericht zu einer Testfahrt überliefert.

„Darmstadt, 3. Dec.  Dieser Tage hatten wir Gelegenheit, den Probefahrten einer aus der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt hervorgegangenen Locomotive beizuwohnen. Dieselbe zog bei starken Steigungen die doppelte Last, welche sie contractlich zu leisten hat.“ [9]

Nach den Geschäftsberichten der Rheinischen Eisenbahn wurden zwei der vier Maschinen noch 1872, die anderen beiden 1873 in Dienst gestellt. Werner Willhaus konkretisiert die Lieferdaten mit Oktober und Dezember 1872, sowie Januar und Februar 1873. Zu den beschriebenen Testfahrt paßt dann wohl am besten die Lokomotive mit der Fabriknummer 36, die spätere „Hohensyburg“. Vielleicht hat die Maschinenfabrik die Gelegenheit genutzt, eine Kleinserie von sechs normalspurigen Exemplaren zu fertigen, deren fünfter Vertreter als „Darmstadt“ mit der Fabriknummer 50 auf die Wiener Weltausstellung geschickt wurde; hier könnte eine Testfahrt im Dezember jedoch noch zu früh gekommen sein. [10]

Präsident der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft war Gustav Mevissen. Dieser war an der 1853 erfolgten Gründung der in Darmstadt beheimateten Bank für Handel und Industrie wesentlich beteiligt. Da die Bank bis zur Liquidation des Darmstädter Unternehmens der wohl wichtigste Aktionär geblieben ist, ist es zumindest möglich, daß die Maschinenfabrik und Eisengießerei vermittelt über den Kontakt zu Gustav Mevissen an den Auftrag zum Bau der vier Lokomotiven gekommen ist. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, daß die Lieferung der Lokomotiven ausgeschrieben wurde.

Aus den Geschäftsberichten der Bahngesellschaft von 1877 und 1878 liegen einige Betriebsdaten zu den vier Lokomotiven vor. Deren Zylinder lagen außen, besaßen einen Durchmesser von 300 Millimetern und einen Kolbenhub von 500 Millimetern. Die Kessel hatten einen Durchmesser von 980 Millimetern, eine Länge von 2.510 Millimetern; darin waren 83 Heizrohre verbaut. Die Heizfläche betrug im Feuerkasten 3,7 Quadratmeter und in den Rohren 29,6 Quadratmeter; insgesamt konnten acht Atmosphären Überdruck erzeugt werden. Eine Allen'sche Kulissen­steuerung mit gekreuzten Stangen trieb vier Räder mit einem Durchmesser von genau einem Meter an. Im Vergleich zu den anderen Rangiermaschinen der Gesellschaft waren die vier Darmstädter mit 17,9 Tonnen Gewicht inklusive Wasser und Kohlen recht leicht, das Eigengewicht betrug dabei 14,5 Tonnen. Als Kaufpreis jeder Maschine werden 21.000 Mark genannt, was dann auch im Vergleich zu anderen Rangier­lokomotiven sehr preiswert war. [11]

Tabelle 2: Betriebsdaten der an die Rheinische Eisenbahn gelieferten vier Lokomotiven 1877 und 1878.
JahrLokomotivezurückgelegtangeheiztStationsdienststationiertverbrauchter Koksverbrauchte Kohle
1877Blankenstein4.992 km244 Mal1.098 Std.745 Std.2,9 to.135,4 to.
 Hohensyburg7.525 km266 Mal1.465 Std.305 Std.6,9 to.146,9 to.
 Kappenberg7.584 km270 Mal1.497 Std.353 Std.3,8 to.160,7 to.
 Desenberg5.602 km218 Mal58 Std.2.206 Std.0 to.112,3 to.
 
1878Blankenstein14.159 km295 Mal860 Std.1.682 Std.12,9 to.129,9 to.
 Hohensyburg13.611 km243 Mal1.698 Std.473 Std.0,8 to.141,2 to.
 Kappenberg16.002 km272 Mal1.955 Std.585 Std.1,5 to.191,2 to.
 Desenberg14.584 km265 Mal1.931 Std.410 Std.2,2 to.166,4 to.

Interessant sind vielleicht auch die 1878 akribisch erfaßten Leistungen und Kosten. Bis 1877 hatten die Blankenstein 30.628, die Hohensyburg 29.911, die Kappenberg 29.038 und die Desenberg nur 17.161 Kilometer „durchlaufen“ und waren im Stationsdienst recht gleichmäßig 5.389, 7.681, 4.530 und 6.441 Stunden tätig. Wenn wir hieraus einen Durchschnitt für die fünf Jahre von 1873 bis 1877 bilden, dann war zumindest die Laufleistung 1878 stark überdurch­schnittlich. [12]

Tabelle 3: Leistungen der einzelnen im Jahre 1878 im Betrieb gewesenen Lokomotiven, sowie deren Reparatur- und Erneuerungskosten; Auszug aus den Anlagen zum Geschäftsbericht, Seite 152–153.
LokomotiveReparatur bis 1877Reparatur 1878Erneuerung bis 1877Erneuerung 1878Putzen bis 1877Putzen 1878Summe bis 1877Kosten 1878ΣΣ
Blankenstein4.554 Mark1.555 Mark156 Mark20 Mark2.205 Mark570 Mark6.915 Mark2.145 Mark9.060 Mark
Hohensyburg4.761 Mark1.715 Mark144 Mark–––2.804 Mark767 Mark7.709 Mark2.482 Mark10.191 Mark
Kappenberg4.742 Mark1.495 Mark36 Mark2 Mark1.877 Mark891 Mark6.635 Mark2.388 Mark9.043 Mark
Desenberg3.334 Mark2.017 Mark108 Mark–––2.100 Mark849 Mark5.542 Mark2.867 Mark8.408 Mark

Der Bauunternehmer Eduard Pöschel aus Kassel erhielt 1873 eine 900 mm-Tenderlokomotive mit der Fabriknummer 39. Im Folgejahr soll er die auf der Wiener Weltausstellung gezeigte Tenderlokomotive mit gleicher Spurweite, Fabriknummer 51, erworben haben. [13]

Es gibt einen Hinweis auf eine Darmstädter Lokomotive, die Anfang 1874 bei Witzenhausen eingesetzt worden ist; und das kann im Grunde nur eine der beiden an Eduard Pöschel gelieferten Maschinen sein. Die Anfang der 1870er Jahre gebaute Eisenbahn­strecke von Bebra nach Friedland tangiert Witzenhausen im Osten; dieser Strecken­abschnitt wurde 1876 in Betrieb genommen. Die nachfolgende Erzählung erwähnt den Werraübergang beim benachbarten Oberrieden, bevor die Lokomotive nach Uslar gebracht wurde. Werfen wir zunächst ein Blick auf den Ort des im Anschluß erzählten Geschehens.

Topografische Karte Uslar (Ausschnitt).

Abbildung 2: Ausschnitt aus der Topografischen Karte Uslar von 1898; eingekreist die Baustelle über der Ahle. Quelle: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek [link], cc-BY-SA.

Ein Schmied erzählt vom Eisenbahnbau bei Uslar, aufgezeichnet von Hauptschul­lehrer Karl Jünemann aus Schönhagen.

„Zur Herstellung des gewaltigen Dammes hatte man zu Anfang des Jahres 1874 von der Bodenwelle zwischen der Steimke und Vernawahls­hausen, die heute durch den tiefen Bahneinschnitt gekennzeichnet ist, zur Herstellung des nötigen Dammes Boden in das sumpfige Gelände der Ahlewiesen am Eichhölzchen fahren lassen. Doch bald war die Einsicht gekommen, daß auf diese Weise der Bahnbau nicht vonstatten ging. Wenn die Mannschaften, die den Boden fuhren, des Morgens ihre Arbeit wieder aufnehmen wollten, war die am Tage vorher hingeschaffte Menge verschwunden. Sie hatte den weichen Moorboden zur Seite gedrängt und sich somit selbst das Grab hergestellt.

Da faßte die Bauleitung den Entschluß, mit kräftigeren Mitteln vorzugehen. Aus Witzenhausen, wo der Bahnbau gleichfalls im Gange war, wurde eine Arbeitsmaschine angefordert. Mit ihr brach unser Gewährsmann am 2. März 1874 nach Uslar auf. Er war oben im Hessischen an der Kasseler Strecke schon eine Zeitlang als ‚Eisenbahner‘ tätig gewesen und sollte nun im Kreise Uslar als gelernter Schmied die Führung der Arbeitsmaschine übernehmen. Diese stammte aus Darmstadt und war bei Oberrieden über die Werra geschafft worden. Das Weiterbringen von Witzenhausen zur neuen Arbeitsstätte dauerte drei Tage. Die Maschine stand auf einem dreirädrigen Rollwagen, der von 8 Pferden gezogen wurde. Als man in Schoningen angekommen war, sah man das Ziel schon vor Augen. Da aber die Straße von Schoningen bis nach ‚der Steimke‘ noch nicht gebaut war, mußte nach einer nochmaligen Übernachtung in Schoningen der Umweg über Allershausen und Uslar eingeschlagen werden. Vom Eichhölzchen her wurde dann das ‚schwere Gedierze‘ auf die Baustelle geschafft. Nachdem bei der Steimke die Ahle überschritten war, ging es den schrägen Weg hinauf. Dann wurden die Schienen bis dicht an den Rollwagen gelegt und die Maschine auf die in Angriff genommene Strecke geschoben. Sie hatte eine Spurweite von 90 cm und konnte 30 Wagen ziehen.

Ehe die steinerne Brücke selbst hergestellt war, vermittelte ein mächtiges Holzgerüst den Verkehr zwischen beiden Seiten der Ahle. Nach der Erinnerung meines Gewährsmannes hatte es eine Spannweite von 150-200 m und war durch den Zimmermeister Sahlfeld aus Verliehausen aus äußerst kräftigen Tannenstämmen hergestellt worden. Die verwandte Holzmenge hätte zu vier oder mehr Häusern gereicht. Trotzdem erbebte und schwankte es über dem unsicheren Untergrunde, wenn der Zug mit der schweren Erdmasse es befuhr. Besonders als im Anfang die unteren Teile des Ständerwerkes noch frei waren, zeigten sich oft so starke Schwankungen, daß berechtigte Zweifel auftauchten, ob es dem Rattern und Dröhnen während der Benutzung auch standhalten würde. Die Besorgnis der Bedienungs­mannschaften steigerte sich noch wegen der gewaltigen Höhe, die vor dem Fehlen der schweren Böschung noch in weit höherem Maße schwindelerregend war, als die der heutigen Brücke.

Über dieses Gerüst fuhr nun jeden Morgen der Arbeitszug und ließ den mitgebrachten Boden in die Tiefe sinken. Das wertvolle Holz wurde einfach verschüttet.

Aber auch gegen die Bodenmenge des Arbeitszuges nahm der moorige Wiesengrund den Kampf auf. Er zeigte die alte Gefräßigkeit und tat, als wolle er allen Boden, der für die Herstellung eines Fahrdammes bestimmt war, in sich verschlucken. Schließlich aber trugen doch Fleiß und die Ausdauer der Menschen den Sieg davon. Wenn es auch geraume Zeit dauerte, so faßte der gefahrene Boden nach und nach doch festen Fuß. An dem Gebälke des Gerüstes stieg die Anschüttung immer höher und trug zur Festigkeit und Sicherheit bei.

Während dessen wurde auch an der steinernen Brücke fleißig gebaut. Ihre Ausführung war einem Unternehmen mit Namen Böker übertragen. Sie erhielt nicht ganz die Breite des Holzgerüstes, so daß die Gleise für den Arbeitszug links und rechts neben dem Mauerwerk einhergingen. Die Steine zu dem Brückenbau wurden aus dem Süden des Kreises, aus der Nähe Adelebsens, geholt.

Nach zweijähriger Bauzeit glaubte man das schwierigste Stück der Bahnstrecke Ottbergen – Northeim bewältigt zu haben. Die beiden Tunnel waren gegraben und der Damm bei der Steimke hatte die erforderliche Höhe und – wie man meinte – Festigkeit erreicht. Schon hatte der Maschinenführer des Arbeitszuges den Bescheid erhalten, daß er am nächsten Tag den letzten Zug mit Mutterboden, mit dem die Böschungen bestreut wurden, fahren solle. Da machte der tückische Moorboden im Wiesengrunde abermals einen Strich durch die Rechnung der Bauleitung. Als Wismach am nächsten Morgen seinen Zug bereits in Bewegung gesetzt hatte, wurde ihm schon von weitem mit weißen Taschentüchern das Warnungszeichen gegeben. Der Wiesenboden war noch einmal dem starken Seitendruck gewichen und hatte einen gewaltigen Dammrutsch nach sich gezogen. Das Gleis für den Arbeitszug, das wie erwähnt an der Seite der Brücke über das Holzgerüst führte, schwebte wieder hoch in der Luft. Und nun mußte von neuem wieder 2 bis 3 Monate zum Ausfüllen der schadhaften Stelle Erde gefahren werden.“

Entnommen dem Buch „Eisenbahn Altenbeken – Nordhausen“ von Josef Högemann [1991], Seite 17–18; dort auch eine Aufnahme der Holzkonstruktion von 1874.

Vorstellbar ist dies: Eduard Pöschel setzte eine Lokomotive beim Trassenbau in der Nähe von Witzenhausen ein. Als das Desaster beim Dammbau bei Uslar offenkundig wurde, mußte schnell eine Baulokomotive her. Bei den entsprechenden Lokomotivbauern waren als Nachwirkung des Gründerbooms immer noch lange Lieferzeiten zu erwarten. Die schon 1872 ins benachbarte Allershausen ausgelieferten beiden Lokomotiven der Bremer Bau-Gesellschaft konnten wohl nicht abgezogen werden; vermutlich weil sie dort selbst unabdingbar waren. Daher wurde Pöschels Lokomotive als zeitlich wie geographisch nächst greifbare umständlich auf dem Landweg zu ihrem neuen Bestimmungsort verbracht. Dort blieb sie die nächsten zwei Jahre, falls nicht eine andere, an einen weiteren Bauunternehmer 1874 oder 1875 ausgelieferte Maschine zum Einsatz kam. Pöschel benötigte jedoch weiterhin in Witzenhausen eine Baulokomotive. Glücklicherweise verfügte die Maschinenfabrik über das Exemplar, das gerade von der Weltausstellung aus Wien zurückgekehrt war. Diese Maschine war wohl noch nicht vergeben, wurde alsbald aufgearbeitet und 1874 an Eduard Pöschel nach Kassel geliefert. (Oder aber: er hatte die zweite schon erhalten; und eine galt als entbehrlich und konnte nach Uslar gebracht werden.) – Ob es so oder anders gekommen ist, werden wir wohl nicht mehr erfahren.

Nicht so schnell …

Die Eisenwarenhandlung des 1868 verstorbenen Jacob Scheid in der Darmstädter Innenstadt hatte mit dem Aufbau des Blumenthal­viertels ein ausgelagertes Lager an der neu angelegten Blumenthal­straße 63. Dieses Lager war mit einem eigenen Gleisanschluß an das 1872 angelegte Industrie­stammgleis entlang der Blumenthal­straße angebunden. Es lag, genau betrachtet, direkt gegenüber der Maschinenfabrik und Eisengießerei. Die Merte-CD zu den „Lokomotiv­fabriken in Deutschland“ führt aus, daß selbige Handlung des Jacob Scheid von der in Erfurt ansässigen Lokomotivfabrik Hagans 1872 vier zweifach gekuppelte Naßdampf-Tender­lokomotiven verschiedener Spurweite bezogen hat. Eine davon soll für den Bauunternehmer Studti in Kassel bestimmt gewesen sein und eine Spurweite von 750 mm besessen haben. Dieser bezog im Folgejahr auf direktem Wege eine weitere Maschine aus Erfurt. Das Geschäft Jacob Scheid war vielleicht nur Zwischenhändler; andererseits wurden beim Bau der Odenwaldbahn jede Menge Erde und Stein bewegt. Die Merte-CD nennt in zwei Fällen Jacob Scheid als Bauunternehmer, was aber vielleicht nur eine Zuschreibung ist, eben weil er Baulokomotiven bezogen hat.


Die 1873 von Varnholt und Vering angeschaffte Lokomotive 41 könnte noch für den Bau der Bremer Güter­umgehungsbahn genutzt worden sein.

1873 erwarb der in Wiesbaden lebende Lothar von Köppen im Rahmen eines ansonsten unbekannten Baugeschäfts zwei 900 mm-Lokomotiven; die Schmeiser-Liste gibt für die Fabriknummern 42 und 43 den Bestimmungsort Brilon an. Lothar von Köppen (1825–1885) war gebürtiger Soester, so daß eine Geschäfts­tätigkeit im Sauerland gut möglich ist, Ob und inwieweit ein in Dortmund ansässiges Bankgeschäft von Köppen und Rheinen hiermit in Zusammenhang steht, ist unklar. [14]

An das Großherzogliche Kreisamt Darmstadt.

Von dem Besteller einer, in unserer Fabrik gebauten, für den Eisenbahnbau bestimmten, schmalspurigen Tender-Locomotive, dem Bau-Unternehmer Lothar von Köppen in Wiesbaden, sind wir beauftragt, die vorschriftsmäßige Concession zur Inbetriebsetzung resp. Benutzung dieser Locomotive bei Großherzoglicher Regierung nachzusuchen. Wir beehren uns in folge dessen die auf die fragliche Locomotive bezüglichen, durch den § 2. A. 3. u. 4. der Verordnung vom 4. Aug. 1857 vorgeschriebenen Zeichnungen nebst Beschreibung in dupplo Großherzogl. Kreisamte mit der ergebensten Bitte zu überreichen uns die erbetene Concession für den Eigenthümer | der noch in unserer Fabrik stehenden Locomotive geneigtest ertheilen zu wollen.

Wir fügen noch die Bemerkung hier bei, daß der Kessel der Locomotive laut dem abschriftlich hier beigefügten Atteste, durch den hierzu autorisirten Maschinen-Ingenieur Herrn Becker, der gesetzlichen Prüfung bereits unterworfen wurde, wie wir denselben auch ersucht haben. sich der durch das Reichsgesetz vom 29 May 1871 vorgeschriebenen Prüfung der Kessel­armaturtheile zu unterziehen.

Mit hochachtungsvollster Ergebenheit verharrt

[Stempel:] Maschinenfabrik & Eisengießerei Darmstadt

[Unterschriften:] L Weber   Horstmann

Quelle: Schreiben der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt vom 20. August 1873 [digitalisat]. Enthalten in der Akte: Gesuch der Firma Maschinenfabrik und Mühlen­bauanstalt G. Luther A.-G. vormals Gebr. Seck zu Darmstadt um Genehmigung zur Aufstellung von Dampfkesseln; HStAD G 15 Darmstadt Nr. 30.

Sofern Brilon der tatsächliche Bestimmungsort war, käme für den Eisenbahnbau die Obere Ruhrtalbahn in Frage. Allerdings war der Strecken­abschnitt von Nuttlar über Brilon Wald nach Warburg schon am 6. Januar 1873 eröffnet worden, sodaß diese Strecke eher ausscheidet. Regional zeitlich passend wäre der 1873 bis 1875 erfolgte Bau der Rhene-Diemeltal-Eisenbahn, einer meterspurigen Eisenbahn zur Erschließung der Eisengruben zwischen Bredelaer und Adorf. Dagegen spricht, daß schon Mitte August 1873 der Oberbau weitgehend hergestellt war. Die Strecke wurde in zwei Etappen im März 1874 und Mai 1875 dem Betrieb übergeben; zum Einsatz kamen zwei Krauss-Lokomotiven. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Nutzung beim Bau der 1876 eröffneten Eisenbahn von Scherfede nach Holzminden[15]

1875 wird Lothar von Köppen als Empfänger einer weiteren 900 mm-Tender­lokomotive der Maschinenfabrik genannt. Die Maschine mit der Fabrikummer 73 hatte den Bestimmungsort Uslar. Dies könnte darauf schließen, daß schon die erste der beiden Lokomotiven für den Bau der Sollingbahn eingeplant war, sie aus einem unbekannten Grund aber zunächst nach Brilon ausgeliefert wurde.


Die Direktion der Kohlengrube Hostenbach bei Völklingen läßt 1873 vom Schacht Union bis zur Saar eine Schmal­spurbahn errichten, um die geförderte Kohle schneller zur Schiffsverladung bringen zu können. Hierfür ordert der Direktor der in Privatbesitz befindlichen Grube, Johann von der Kall, bei der Maschinenfabrik zwei Lokomotiven mit einer Spurweite von 690 mm. Diese beiden Lokomotiven erhalten die Fabriknummern 44 und 45[16]

In der Literatur wird eine ebenfalls 1873 unterirdisch errichtete Grubenbahn erwähnt. Dies scheint eine Verwechslung mit der tatsächlich gebauten Verbindungsbahn zur Saar oder einer anderen Grubenbahn zu sein. Die Grube Hostenbach war bis 1880 ohne direkten Bahnanschluß und somit auf den Wasserweg angewiesen. 1865 wurde mehr als die Hälfte der geförderten Kohlen über die Saar abgesetzt, 1875 waren es noch zwei Fünftel. Die Schmalspurbahn war daher essentiell, um die Transport­kosten durch die seitherige Nutzung von Fuhrwerken senken zu können. [17]

„Im gleichen Jahre 1862 wurden über Tage schmalspurige Lokomotiven auf den mehrgenannten Friederiken-Schienenwege der Gerhardgrube, 1873 auch auf der Privatgrube Hostenbach vom Schachte Union nach der Saarhalde in regelmäßigen Betrieb genommen; die versuchsweise Einführung von solchen Lokomotiven zur Stollenförderung (Burbach-Stollen der Grube Von der Heydt) im Jahre 1863 hatte keinen dauernden Erfolg.“ [18]

1879 wird Johann von der Kall, vielleicht aus der Liquidationsmasse der Maschinenfabrik, eine weitere Lokomotive, diesmal mit 685 mm Spurweite erhalten; die Schmeiser-Liste nennt als Bestimmungsort richtig Hostenbach.

Polizeiverordnung. Polizeiverordnung.

Abbildung 3: Polizei-Reglement und Polizei-Verordnung zum Betrieb der Grubenbahn vom Schacht Union zum Saarufer [19].

Vielleicht ist es kein Zufall, daß auch die nachfolgend ausgelieferte Lokomotive eine ähnliche Spurweite aufweist. Dies könnte den Konstruktions- und Arbeitsaufwand erleichtert haben; von den Kosten ganz zu schweigen.


Für die 1873 ausgelieferte Tenderlokomotive mit der Fabriknummer 46 und einer Spurweite von 680 mm nennt die Schmeiser-Liste einen F. Brandt und als Bestimmungsort Regensburg. Hier liegt sicher ein Abschreibefehler vor. Der Bauunternehmer Franz Brandl aus Reichenhall hatte die Baulose XXVII bis XXIX im Sektionsbezirk Regensburg beim Bau der unteren Donautalbahn zugewiesen bekommen. Der Bau erfolgte 1873/74, als Akkordsumme werden 1.769.000 Mark genannt. Es handelt sich hierbei um den weitgehend eingleisig gebliebenen Streckenabschnitt von Regensburg nach Ingolstadt; die offizielle Eröffnung war am 1. Juni 1874. [20]

Erst nach der Wiener Weltausstellung erhielten der Bauunternehmer Carl Holmgren für seine Baustelle bei Hitzacker und ein W. Lackemeyer ihre 900 mm-Lokomotiven. Während Carl Holmgren später in Berlin faßbar wird, gibt dieser W. Lackemeyer mit dem Bestimmungsort Schönthal nur Rätsel auf. Die Lokomotive mit der Fabriknummer 48 wird laut überlieferter Liste 1874 ausgeliefert; im selben Jahr erhält er ein weiteres Exemplar. Schönthal (oder auch Schöntal) ist ein weit verbreiteter geographischer Ortsname, aber keiner paßt so recht zu einem Eisenbahnbau. Entweder liegt der Ort zu weit von einem zeitgleich stattfindenden Bau entfernt und es fragt sich, weshalb ein Bauunter­nehmer eine Lokomotive weitab vom Ort des Geschehens geliefert haben möchte. Oder aber der Bahnbau fand wesentlich früher oder später statt oder der Ort wurde erst gar nicht von einer Eisenbahn berührt. Vermutlich wird bei dieser Lieferung der geplante Einsatzzweck nicht der sonst übliche Erdverschub bei der Trassierung der Bahnstrecke gewesen sein. Alternativ bietet sich der Einsatz in einem Steinbruch, in oder zu einer Grube, einem Industriebetrieb oder zu anderen größeren Bauarbeiten an. Vielleicht paßt hierzu auch, daß die Suche nach einem W. Lackemaier nicht zum Ziel führt, wohl aber Kosmas Lutz einen Wilhelm Lettenmayer aus Stuttgart mehrmals als Akkordanten oder dessen Kompagnon erwähnt, allerdings in den frühen 1850er Jahren. Das Stuttgarter Adressbuch weist einen Wilhem Lettenmayer 1850 als Steinhauer­werkmeister und 1874 als Werkmeister aus, wobei es sich auch um Vater und Sohn gehandelt haben könnte. [21]

Ebenfalls erst nach der Weltausstellung erhält der Darmstädter Bauunternehmer Johann Georg Krausgrill 1874 seine zweiachsige 900 mm-Tender­lokomotive mit der Fabriknummer 49. Für 1875/76 ist seine Unternehmer­tätigkeit beim Bau der Eisenbahnstrecke von Aschaffenburg nach Miltenberg belegt. Das Projekt war jedoch erst am 16. September 1874 vom damaligen Außenministerium genehmigt worden. Ob es zuvor schon eine Ausschreibung gegeben hat, ist unklar; allerdings waren die Sektions­ingenieure Franz Weikard in Aschaffenburg schon im Mai 1873 und Max Scherer in Miltenberg schon im Juli 1873 tätig. Wenn Krausgrill im Vorgriff auf dieses Bauvorhaben bei der Maschinenfabrik eine Lokomotive in Auftrag gegeben hat, muß er sich seiner Sache schon recht sicher gewesen sein. Als größere Bauarbeiten an der Strecke nennt Kosmas Lutz einen 150 Meter langen Einschnitt bei Aschaffenburg, den Bau der Bahnbrücke bei Wörth und die Uferschutzbauten bei Miltenberg. [22]

Krausgrill hatte schon 1869 eine Lokomotive erworben und wird 1877 (da residiert er wohl in oder bei Gießen) ein weiteres Exemplar der Maschinenfabrik erhalten.

Exkurs: Krauß und Trier

Ende 1871 war die erste Bauphase der hessischen Odenwaldbahn beendet worden. Die Strecken­abschnitte von Darmstadt über Reinheim und Wiebelsbach-Heubach nach Erbach und von Babenhausen nach Wiebelsbach-Heubach konnten dem Personen- und Güterverkehr geöffnet werden. Mehrere, momentan nur ansatzweise faßbare Bauunter­nehmer versuchten, ihre Baulokomotiven, das Wagenmaterial und die schmalspurigen Gleise zu verkaufen, es sei denn, sie hatten schon Folge­aufträge an Land gezogen.

Annonce Gebrüder Trier.
Abbildung 4: Annonce der Gebrüder Trier in der Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen 1872 [quelle],

Im Februar 1872 annoncierte die in Darmstadt ansässige Eisen- und Metallwaren­handlung Gebr. Trier eine gebrauchte schmalspurige Tender­lokomotive mit einer Spurweite von 900 Millimetern. Im April wurden drei oder vier weitere derartige Lokomotiven angeboten. Es soll sich hierbei um Maschinen des Münchener Unternehmens Krauß gehandelt haben. Das Geschäft war 1835 von Bernhard Jacob Trier begründet und 1864 an seine Söhne Adolph und Theodor weitergegeben worden. Es bestand aus zwei Verkaufs­flächen, dem „Detaillager“ am Marktplatz 4 und dem „en gros-Lager“ an der Rheinstraße 25, direkt neben der Witttich'schen Hofbuch­druckerei, deren früherer Geschäftsführer Reinhard Ludwig Venator ja 1857 einer der Gründer der Maschinenfabrik und Eisengießerei gewesen war.

Schon 1867 scheinen die Gebrüder Trier vorgehabt zu haben, ins Eisenbahn­geschäft einzusteigen. Darauf verweist eine Antwort in der Brief­kastenecke der Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen:

„Herren Gebr. Trier zu Darmstadt: Ein Werk, wie Sie solches wünschen, ist uns nicht bekannt. Notizen über die Berechnung der Kosten, welche bei einem Eisen­bahnbau in Anschlag zu bringen sind, finden Sie in: J. Stummer, Practische Anleitung zum Traçiren der Eisenbahnen, im Verlage von Bernhard Friedr. Vogt in Weimar. Preis 1 Thlr. 10 Sgr.“ [23]

Sofern die Angaben der beiden Annoncen zutreffen, kämen folgende Lokomotiven in Betracht:

Tabelle 4: Krauß-Schmalspur­lokomotiven mit einer Spurweite von 900 mm und einem Baujahr vor 1872. [24]
Fabriknr.BaujahrSpurEmpfängerIdentifizierter EmpfängerBemerkung
691869900Th. Braun, Magdeburg?? 
701870900Euteneuer, HetschbachJosef Enteneuer aus Freimersheimwohl geliefert in die Gegend von Höchst im Odenwald
811870900Th. Braun, Magdeburg?? 
831870900Th. Braun, Magdeburg?? 
841870900Th. Braun, Magdeburg?? 
851870900Th. Braun, Magdeburg?? 
861870900Th. Braun, Magdeburg?? 
1241871900Luttermann & Hügel, Kiel?? 
1371871900Schubert, Magdeburg?? 

Betrachten wir diese Angaben, so scheint es möglich zu sein, daß die Gebr. Trier zunächst die Lokomotive von Euteneuer bzw. Enteneuer erworben oder in Kommission genommen hat. Dessen Baulos scheint bei Hetschbach, vielleicht am Frau Nauses-Tunnel, in der Nähe von Höchst im Odenwald gelegen zu haben. Als sich zeigte, daß der Markt das Angebot annahm, könnten vier von den sechs Lokomotiven des Magdeburger Bauunternehmers Braun dazugekommen sein. Die Maschinen mit den Fabriknummern 124 und 137 dürften wohl zu spät ausgeliefert worden sein, um noch für Erdarbeiten an diesem Teil der Odenwaldbahn verwendet werden zu können; jedenfalls ergäbe hier ein Verkauf nach erbrachter Bauleistung keinen erkennbaren Sinn. [25]

Annonce Gebrüder Trier.

Abbildung 5: Annonce der Gebrüder Trier über Lokomotiven und verschiedene Kippwagen. Quelle: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen [online bsb münchen].

Neben den „gebrauchten“ Baulokomotiven wurden die zugehörigen Erdtransport­wagen und Schienen feilgeboten. Zusammen mit den vier Krauß-Lokomotiven standen 45 große Erdtransport­wagen für 900 mm Spurweilte und 40 kleine derartige Wagen, alles Seitenkipper, für 700 mm Spurweite zum Verkauf. Im Mai 1872 kam noch „[e]ine größere Parthie [g]ebrauchte, wohlerhaltene Eisenbahn­schienen zu Anschluss- und Arbeits-Geleisen für Fabriken, Bauunter­nehmer und dergleichen“ dazu. Vermutlich zwei dieser vier „wenig gebrauchten“ Lokomotiven sollten das ganze Jahr über annonciert werden, im November 1872 kamen noch zehn eiserne Eisenbahn­brücken als Ergänzung des Eisenbahn­geschäfts dazu.

Auch wenn die Konjunktur noch brummte, so scheint es trotz offensiver Werbe­maßnahmen nicht ganz einfach gewesen zu sein, die aus dem Bau der Odenwald­bahn hinterlassenen Maschinen und Materialien recht bald wieder loszuwerden. Dennoch wagte sich ein weiteres Darmstädter Unternehmen auf dieses Geschäftsfeld. Die Eisenwaren­handlung des 1868 verstorbenen Jacob Scheid wurde entweder von seiner Witwe oder anderen Erben fortgeführt. Der zum Geschäft gehörende, am Rande des neu entstehenden Blumenthal­viertels gelegene Lagerplatz direkt gegenüber der Maschinenfabrik und Eisengießerei verfügte ab 1872 über einen eigenen Gleisanschluß an die Hessische Ludwigsbahn. Im April 1872 annoncierte das Geschäft eine weitere 900 mm-Baulokomotive ungenannter Herkunft zusammen mit dem Rollmaterial und den Eisenbahn­schienen. In der Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen erschienen 1872 mindestens 37 Werbeanzeigen der Gebrüder Trier und weitere drei von Jacob Scheid. Vielleicht haben Letztere recht bald einen Käufer gefunden. [26]

Wie die Gebrüder Trier war auch Jacob Scheid schon Mitte der 1860er Jahre in das Geschäft mit gebrauchten Lokomotiven, Eisenbahn­schienen und anderen Utensilien fü den Bau und Betrieb von Eisenbahnen eingestiegen. So annoncierte das Unternehmen im Dezember 1866 eine gebrauchte Bau­lokomotive mit einer Spurweite von 24 badischen Zoll (also 720 mm) und einem Gewicht von einhundert Zentnern. [27]

»»  Wir werden den beiden Unternehmen Gebr. Trier und Jacob Scheid im 15. Kapitel wieder begegnen.

Zwei Lokomotiven reisen nach Wien

Auf der Weltausstellung, die vom 1. Mai bis zum 2. November 1873 in Wien stattfand, stellte die Maschinenfabrik eine normalspurige und eine schmalspurige Lokomotive eigener Konstruktion aus. Die normalspurige wurde auf den Namen „Darmstadt“ getauft und gelangte Ende des Jahres in den Besitz der Main-Neckar-Eisenbahn. Schon im Jahr vor dem großen Ereignis wurde fleißig die Werbetrommel gerührt. In einer großen Werbeannonce rief im März 1872 die Großherzogliche Landeskommission für die Wiener Weltausstellung dazu auf, sich für einen Messestand zu bewerben.

Einladung zur Weltausstellung.

Abbildung 6: Einladung zur Teilnahme an der Weltausstellung in Wien. Quelle: Darmstädter Zeitung vom 9. März 1872 [online].

Die angesprochenen Aussteller konnten sich Renommée und lukrative Aufträge erhoffen. Allein dies dürfte Motivation und Grund genug für das führende Darmstädter Maschinenbau­unternehmen gewesen sein, sich mit zwei Lokomotiven in Wien zu präsentieren. Zu einer guten Promotion gehört jedoch nicht nur ein fachkundiges Publikum, sondern auch eine positive Besprechung in den diversen Fachzeitschriften. Dabei ist es durchaus hilfreich, wenn der Ingenieur vor Ort Kontakt zu den Organen der Fachwelt hält und einen Beitrag über die lokale Produktion plazieren kann.

Eigenwerbung im „Organ“.

Abbildung 7: Der Darmstädter Ingenieur Franz Büxler stellt die Lokomotiven aus dem eigenen Hause dem Fachpublikum vor. Quelle: Organ für die Fortschritte des Eisenbahn­wesens in technischer Beziehung. Neue Folge. Zehnter Band, Heft 2, 1873, Seite 55 [online bsb münchen].

Tenderlokomotive für die Rheinische Eisenbahn.

Abbildung 8: Die im Text genannte Zeichnung einer Tender­lokomotive für die Rheinische Eisenbahn [online bsb münchen].

Nun gehörte das Darmstädter Unternehmen gewiß nicht zu den Großen der Branche [28]. In seiner Übersicht der gegenwärtigen Locomotiv­fabriken und deren Leistungs­fähigkeit in Deutschland und Österreich verortete der Herausgeber des „Organs“ sie gerade einmal an fünfzehnter Stelle und vemerkt dazu, das Unternehmen liefere

„seit etwa 4 Jahren [gemeint ist 1869, WK] einfache Tendermaschinen zum Rangirdienst und für Bauunter­nehmer. Auf der Wiener Ausstellung waren die No. 50 und 51 vertreten. Die Direction besteht aus dem Oberingenieur Horstmann und dem Ingenieur Bäxler.“ [29]

Wie nebensächlich die Maschinenfabrik zu sein scheint, wird schon daran deutlich, daß der Name des Ingenieurs falsch wiedergegeben wird, er heißt Büxler. Zudem war er kein Mitglied der Direktion, denn dieser gehörte neben Franz Horstmann der kaufmännische Leiter Ludwig Weber an. Franz Büxler wird im Darmstädter Adreßbuch von 1874 und 1876 aufgeführt; er sollte später als Ingenieur zu Borsig nach Berlin gehen. Wie weit die Mißachtung der Lokomotiven aus Darmstadt gereicht hat, belegt der von August Wöhler mit vorgelegte amtliche Bericht zum Maschinenwesen und den Transport­mitteln für die Weltausstellung. Er behauptete dort, die Maschinenfabrik habe „zwei schmalspurige Tender­lokomotiven“ vorgeführt. Diese beiden doch unterschiedlichen Lokomotiven stellten sich der Konkurrenz von weiteren 45 Lokomotiven, vorwiegend aus deutscher, österreichischer und belgischer Produktion. [30]

Der “Amtliche Katalog der Ausstellung des Deutschen Reiches“ führt unter der Nummer 597 aus:

„Maschinenfabrik und Eisengiesserei, Actiengesellschaft (Inh[aber] vorm[als] Münzrath Rössler), Darmstadt. Tender­locomotive für 1435 mm. Spurweite, Tender­locomotive für 900 mm. Spurweite.

Errichtet 1842. Maschinenfabrik, Eisengiesserei und Kesselschmiede. Spez[ialität] Locomotiven für Nebenbahnen, Locomobilen und Ausrüstungs­gegenstände für Eisenbahnen. Werth der Erzeugnisse im J. 1871 393.000 fl. Preis der Rohstoffe 125.000 fl. Absatz nur im Inlande. circa 300 Arb[eiter] 2 Dampf­m[aschinen] von 60 Pf.Stärk. s. M. P. 67.“ [31]

Emil Tilp, zum damaligen Zeitpunkt Maschinen- und Werkstätten­inspektor der österreichischen Kaiser Franz-Josephs-Bahn, war als offizieller Berichterstatter der Direktion der Weltausstellung weniger begeistert von den Darmstädter Produkten, vermutlich schon deswegen, weil er als Fachmann gleichermaßen an technischen Neuerungen wie an einer bestimmten ästhetischen Ausführung interessiert war.

„Besser durchdacht war der Vierkuppler, das Tenderlocomotiv von Krauss in München, welcher Constructeur sich mit Erfolg auf die Schöpfung von Tender­locomotiven für normale und Secundärbahnen verlegt.

Das Tenderlocomotiv „Darmstadt“ war ähnlich construirt. Innenframes, Allen'sche äußere Steuerung, zwei gekuppelte Achsen, wovon die rückwärtige bremsbare (Triebachse) unter dem Feuerkasten, Wasserkasten unter dem Kessel zwischen den Rahmen, Kohlenkasten neben dem Feuerkasten auf dem Plateau, im Ganzen noch um ¼ leichter und schwächer als Krauss' vorbeschriebenes und fast mehr für Secundärbahnen mit normaler Spur tauglich. Der Ausführung nach reiht dieses Object hinter allen schon vorgeführten und kann nur mit einigen später beschriebenen schmalspurigen Locomotiven gleich sparsamer Ausarbeitung verglichen werden.“ [32]

Vielleicht hat nicht nur Emil Tilp diesen Blick gehabt. Von den rund 110 in Darmstadt hergestellten Lokomotiven war nur ein Zehntel normalspurig ausgelegt. Vielleicht war sie zu schwach für größere Aufgaben, vielleicht hatten sich die meisten Eisenbahn­gesellschaften auch nur anderweitig festgelegt. Im Grunde genommen war die Normalspur-Ausführung der kleinen Tender­lokomotive vielleicht wirklich nur eine größere Ausgabe der schmaleren Bau-, Gruben- und Werkslokomotive. Wie schon bei der „Darmstadt“ zog Emil Tilp auch bei der Schmal­spurlokomotive den Vergleich mit dem Münchener Hersteller heran, wobei die Darmstädter Tender­lokomotive hierbei gar nicht so schlecht wegkam.

„Das vierräderige Tenderlocomotiv, System Krauss, ist von der Pariser Ausstellung her bekannt; ähnlich demselben war jenes aus Darmstadt, wenn auch minder sorgfältig ausgearbeitet, doch mit besserer Anlage, da der Kessel bei Krauss zu hoch liegt.“ [33]

Lokomotive 50.

Abbildung 9: Die Ausstellungs­lokomotive „Darmstadt“ wurde zeichnerisch festgehalten. Quelle: Engineering, 23. April 1875, page 349; hier Sammlung Werner Willhaus.

Der Autor der englischen Fachzeitschrift „Engineering“ scheint an den beiden Lokomotiven ebenfalls kein gutes Haar gefunden zu haben. Die im „Organ für die Fortschritte des Eisenbahn­wesens in technischer Beziehung“ zu findende Übersetzung seines Berichts von der Wiener Weltausstellung vergleicht jedoch Äpfel mit Birnen, nämlich eine für gänzlich andere Aufgaben gedachte dreiachsige Güterzug­lokomotive von Henschel mit den zweiachsigen Rangier- und Baulokomotiven aus Darmstadt.

„Einen unangenehmen Gegensatz zu der Henschel'schen Maschine bildeten zwei von der Darmstädter Maschinenfabrik und Eisengiesserei ausgestellte Tender­locomotiven, deren Construction und Ausführung in der That roh [im Original: of very rough construction, WK] zu nennen sind. Beide vierrädrig mit Rahmengestell nach Kraus'schem System. Die Cylinder liegen aussen. Die eine Maschine ist für normale Spurweite von 1,435 m, die andere für 0,950 m, erstere hat 0,99 m grosse Räder und einen Achsstand von 2,00 m, während die Cylinder 0,30 m im Durchmesser bei 0,483 m Hub haben, die andere hat Räder von 0,66 m Durchmesser, 1,6 m Achsstand, Cylinder von 0,254 m Durchmesser und 0,38 m Hub. Endlich hat die grössere Maschine Allansche Coulissen­steuerung, die kleinere Stephenson'sche.“ [34]

Der zugrunde liegende Aufsatz aus dem „Engineering“ wurde nicht ganz vollständig übersetzt und endet nach dieser Beschreibung mit einem kurzen Resumé:

„The general design and finish of these engines are very crude indeed.“ [35]

In einer späteren Besprechung im „Engineering“ nahm der Autor vorsichtig sein harsches Urteil zurück.

„We annex illustrations of the smaller of the two tank locomotives shown at the late Vienna Exhibition by the Maschinenfabrik und Eisengiesserei Darmstadt, this engine being constructed for a 4 ft. 1 3/8 in. gauge, and being intended for use about iron works or mines. As will be seen from our engravings, the engine has four coupled wheels, outside cylinders, and outside valve gear, the latter being of the ordinary lifting link type. The frames form the side of the tank, as in Krauss's engines, while the end bunker is at the sides of the firebox. A brake arranged as shown, is applied to both sides of the trailing wheels, and the footplate is protectes by a cab. The finish of the engine exhibited was very far from being good, while the design of many of the details betrayed a great disregard of appearances; but we believe that these engines do their duty well, and as they are intended for places where they have to do rough work, appearance is a matter of secondary importance.

The principal dimensions [36] of the engine we illustrate are as follows:

 ft.in.
Diameter of cylinders08.86
Stroke11.78
Diameter of wheels21.83
Wheel base47 1/8
Length of engine over all159
Width of engine over all56 1/8
Height of engine over all97 3/4
Length of firebox23.6
Width of firebox at widesst part110
Height of firebox23.6
Length of firegrate22.6
Width of firegrate15.6
Number of tubes64 
Length of tubes511
Diameter of tubes01.61
Heating surface: Tubes159.6 sq. ft.
Hearing surface: Firebox22.6 sq. ft.
     Total182.2 sq. ft.
Firegrate area3 1/4 sq. ft.
Pressure of steam120 lb. per sq. in.
Contents of tanks198 gallons
Contents of coal bunkers3 cwt.
Weight of engine empty7.2 tons
Weight in working order (equally distributed on the two axes)9 tons

The engine is intended to take a gross load of 160 tons on a level at a speed of 9 kilometres, or 5.6 miles per hour (the resistance being calculated at 1/200th of the weight hauled), or a load of 58½ tons up gradients of 1 in 100.“ [37]

Lokomotive 51.

Abbildung 10: Die in Wien ausgestellte Schmalspur­lokomotive; Abbildung zum obigen Text. Quelle: Engineering, 28. November 1873, page 434. [38]

Der Ingenieur Alphons Petzholdt stellte zwei Jahre nach der Wiener Ausstellung die beiden Lokomotiven in seinem Werk über „Die Locomotive der Gegenwart“ kurz in ihren Dimensionen und ihrer Ausstattung vor. Zum Unternehmen schreibt er:

„Das Etablissement liefert nur kleine normal- und schmalspurige Tender­maschinen für Rollbahn- und Rangirdienst.“ [39]

Seine kurze Besprechung der Schmalspur­lokomotive endet mit den dürren und fast schon spöttischen Worten:

„Höchst niedlich.“ [40]

Dem zum damaligen Zeitpunkt in Berlin wirkenden Ingenieur Carl Schaltenbrand warem derart abfällige Bemerkungen ein Ärgernis. In seinem 1876 veröffentlichten Handbuch über „Die Locomotiven“ bemühte er sich, den hiermit charakterisisrten Lokomotiven Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

„In den Berichten des Verfassers über die Locomotiven der Wiener Weltausstellung 1873 hat derselbe eine gewisse Zahl unrichtiger Auffassungen und unklarer Darstellungen, welche theilweise aus den officiellen österreichischen Ausstellungs­berichte in andere Arbeiten übertragen wurden, nachgewiesen und klar gestellt, ohne Widerspruch zu finden.

Diese Thatsache und der Einfluss, den die Nicht­betheiligung hervorragender Nationen auf der Ausstellung ausübte, reiften in dem Verfasser den Entschluss, ein selbstständiges Werk herauszugeben. welches den Locomotivbau der Gegenwart an ausführlichen Zeichnungen ganzer Locomotiven, durch eingehende Beschreibungen mit Holzschnitten und unter Beifügung von Betriebsresultaten erschöpfend behandelt.“ [41]

[…]

„Constructionsfehler sind dann gerügt, wenn sie nachweisbar die Leistungs­fähigkeit vermindern, die Bedienung erschweren oder den ruhigen und sicheren Gang der Locomotive stören. Schöne Formen und geschmackvolle Ausstattungen finden lobende Anerkennung, während Mängel in diesem Sinne nur besprochen werden, wenn sie weder durch Constructions­vortheile, noch Kostenersparnisse bedingt sind.

Der Verfasser hält es für unzulässig, über eine Locomotive, welche sich aus einer grossen Zahl theils selbstständiger Constructions­glieder zusammenstellt, ohne Begründung mit ein paar Worten anzuurtheilen. Er ist der Ansicht, dass die Locomotive in ihren Constructions­verhältnissen, ihren Theilen und der Ausführung nach beurtheilt werden muss. Ein das Ganze umfassendes Urtheil ist selten möglich.“ [42]

Und so schenkt der Autor den beiden Darmstädter Lokomotiven acht Buchseiten seiner Aufmerksamkeit.

„Die Darmstädter Maschinenbau-Actien­gesellschaft in Dannstadt, deren hervorragende Specialität bis jetzt der Bau von Dampframmen war, hat sich in jüngerer Zeit auch mit der Construction und Ausführung von grösseren Locomotiven beschäftigt. Schmalspurige Locomotiven von 900 mm Spurweite baute dieselbe bereits seit dem Jahre 1861 bis 1873, deren 33 Stück. Sie beschickte die Ausstellung mit zwei Tendermaschinen, darunter eine mit normaler Spur und zwei gekuppelten Achsen ‚Darmstadt‘, als 50. Locomotive der Fabrik, erbaut für die Direction der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft in Cöln. Dieselben eignen sich zum Transport auf Baugeleisen und secundären Bahnen. […]

Beide Locomotiven sind für Bauzwecke bestimmt und deshalb nach Angabe der Erbauer in allen Theilen des Mechanismus mit Absicht stärker construirt, als sonst die Verhältnisse wol bedingen, auch entbehren dieselben aller besonderen Ausstattung, so dass sie in der Art, wie sie ausgestellt sind, auch für den angegebenen Preis geliefert werden können.

Es lässt sich nicht leugnen, dass vielleicht die oben angeführte Specialität der Fabrik auf die Wahl der Dimensionen des Mechanismus von Einfluss gewesen ist, jedoch dürfte der Berichterstatter des ‚Engineering‘ wol in einem Anfall von übler Laune die Bezeichnungen klotzig oder klobig an Stelle von kräftig angewendet haben, welche Bezeichnungen in Bezug auf Maschinen­constructionen einen sehr relativen Begriff enthalten. Unmöglich kann diese Locomotive mit der von Henschel (No. 18 d. W.) verglichen werden, wie es dort geschehen ist.

Ohne persönlich hierüber abzuurtheilen, verweise ich auf die grössere Zeichnung, bei welcher die Maasse noch scharf eingehalten sind und auf die im Texte beigefügten Detail­abmessungen, nach denen sich jeder sein eigenes Urtheil bilden kann.

Es ist meiner Ueberzeugung nach nur Aufgabe des Berichterstatters, solche Constructions­fehler zu rügen, welche auf den Gang des Mechanismus oder den Betrieb des Kessels von schädlichem Einflusse sind, sich sonst für den Betrieb als unpraktisch nachweisen lassen, oder endlich solche Einrichtungen, welche den Preis unnütz erhöhen. Unmöglich kann aber über eine Locomotive, welche als ein Ganzes sich aus selbstständigen Coustructions­gliedern der verschiedensten Art zusammenstellt, mit ein paar Worten abgeurtheilt werden. Die Wahl der äusseren Form wird wol am besten dem persönlichen Geschmacke des Bestellers überlassen, welcher ja auch in vielen Fällen schon bei der Construction maassgebend war. Es schliesst dies nicht aus, dass besonders schöne Constructions­verhältnisse und geschmackvolle Ausstattung in lobender Weise hervorgehoben werden, um auf diesem Wege zur Nachahmung anzufeuern.

In Vorstehendem habe ich in Kürze die Ansichten ausgesprochen, welche mich bei der Abfassung dieses Werkes leiteten, und gehe nunmehr auf die Beschreibung der Locomotive ‚Darmstadt‘ zurück, welche mir zu dieser Abschweifung Veranlassung bot.“ [43]

»»  Carl Schaltenbrands ausführliche Beschreibung der beiden Tenderlokomotiven ist in der Anlage 13 zusammengefaßt.

Lokomotive 50.

Abbildung 11: Längsschnitt durch die Lokomotive „Darmstadt“. Quelle: Carl Schaltenbrand : Die Locomotiven, Tafel XXII.

Zusätzlich zu den beiden Tenderlokomotiven soll die Maschinenfabrik noch eine fahrbare Dampfwinde mit Zentrifugalpumpe in Wien ausgestellt haben; aber dies ist vermutlich eine Verwechslung des „Engineering“. [44]

Auch die Wiener Weltausstellung endete in einem Medaillenregen. Den etwa 53.000 Ausstellern wurden 25.572 Medaillen und Diplome zuteil. Es überrascht angesichts des harschen Urteils der in Wien versammelten Fachwelt nicht, daß die Maschinenfabrik nicht darunter fiel. [45]

Die „Modau“ und die „Weschnitz“

1873/74 lieferte die Maschinenfabrik zwei normalspurige Tenderlokomotiven mit den Fabriknummern 50 und 57 an die in Darmstadt ansässige Main-Neckar-Eisenbahn. Diese war im Verlauf des Jahres an das lokale Lokomotivbau­unternehmen herangetreten, um einem dringenden Bedarf an Rangier­lokomotiven zu begegnen. Die Diktion der Äußerungen im Geschäftsbericht zu 1873 läßt durchscheinen, daß diese Geschäfts­beziehung eher einer Not gehorchend aufgebaut wurde und vielleicht weniger aus der Überzeugung entstand, in Darmstadt würden für die eigenen Zwecke brauchbare Maschinen produziert. Außer diesen beiden Exemplaren verließ man sich lieber auf die Hauslieferanten oder eigene Fertigungen. Jedenfalls scheint es hier keine der ansonsten üblichen Ausschreibungen (Submissionen) gegeben zu haben; und angesichts der durch den Gründerboom ausgelösten langen Lieferzeiten wollte man auch nicht ein oder zwei Jahre länger auf die Lieferung warten. Die Main-Neckar-Bahn nahm also, was sie praktischerweise sozusagen um die Ecke vorfand.

Die Geschäftsbeziehung zwischen der Maschinenfabrik und der Main-Neckar-Eisenbahn geht bis in die 1840er Jahre zurück. Schon bevor der erste Zug auf die Schienen gesetzt wurde, hatte die Maschinenfabrik eine Dampfmaschine und manch Oberbau­material geliefert gehabt. Für 1867 oder 1868 sind weitere Lieferungen belegt. In den späteren 1870er Jahren sollten weitere Lieferungen und Umbauten bestehender Lokomotiven dazukommen.

„Da der regelmäßige Rangirdienst der Bahn täglich sechs Maschinen ausschließlich erforderte und die vier bereits in eigener Central­werkstätte erbauten zweiachsigen Tenderrangir­maschinen sich in jeder Beziehung vortrefflich bewährt hatten, so waren bereits im Jahr 1872 zwei weitere solche Maschinen in der genannten Werkstätte in Neubau genommen worden. Diese Nr. 41 ‚Riesenstein‘ und Nr. 42 ‚Donnersberg‘ wurden resp. am 24. Juni und 30. Mai 1873 dem Dienste übergeben.

Aber auch mit diesen reichten die vorhandenen Güter- und Rangirmaschinen für den Dienst nicht aus. Es waren täglich 11 in's Feuer zu stellen und waren nur 17 vorhanden, so daß zeitweise die Güterzüge mit gekuppelten Schnellzug­maschinen gefahren werden mußten.

Als gegen Ende des Jahres die Verhältnisse grade besonders beengend auftraten, wurden zwei fertige kleine vierrädrige gekuppelte Tenderrangir­maschinen bei der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt angekauft. Die eine, welche die Bezeichnung Nr. 43 ‚Modau‘ erhielt, wurde sofort am 24. December in Dienst genommen, die andere, an welcher noch einige äußere Vollendungs­arbeiten vorzunehmen waren, kam erst am Anfang des folgenden Jahres in Dienst.“ [46]

Die „Weschnitz“ wurde am 23. März 1874 mit der Betriebsnummer 44 übernommen. Modau und Weschnitz sind zwei größere Bäche, die vom Odenwald kommend sich in den Rhein ergießen. Beider Lokomotiven Dampfdruck war etwas höher als derjenige der beiden im Geschäftsbericht genannten Lokomotiven „Riesenstein“ und „Donnersberg“ und betrug acht Atmosphären, der Radstand 2000 mm. Beide Maschinen sollten sich drei Jahrzehnte lang als recht zuverlässig erweisen. Die Einsatzzeiten pro Jahr sind in den Geschäftsberichten der Main-Neckar-Eisenbahn akribisch notiert; sie fallen nicht aus dem Rahmen im Vergleich zu den bei etablierten Lokomotivbauern gefertigten Maschinen. Die Maschinchen „Modau“ und „Weschnitz“ verrichteten brav ihren Dienst in Frankfurt, Darmstadt und Heidelberg, später vielleicht auch in Isenburg und Weinheim. Nur selten wurden sie vor einen Personen-, Güter oder Materialzug gespannt; und selbst dann vielleicht nur, um eine notwendige Überführung von und zur Central­werkstätte in Darmstadt auszunutzen. 1885 erhielten beide eine neue Feuerbüchse, 1898 wurden sie umgezeichnet in die Nummern 237 und 238. 1902, beim Übergang der Main-Neckar-Eisenbahn in die Preußisch-Hessische Eisenbahn­gemeinschaft, scheinen sie alsbald ausgemustert worden zu sein. Dennoch ist eine Umzeichnung als Lokomotiven Mainz 1407 (Zweitbelegung) und 1408 überliefert. [47]

1874 nutzte die Maschinenfabrik die Gelegenheit, zwei ihrer für die Cronberger Eisenbahn vorgesehenen Lokomotiven, die „Feldberg“ und die „Altkönig“, mehrere Tage lang im Rangierdienst der Main-Neckar-Bahn zu testen. Im Krisenjahr 1876 konnte die Maschinenfabrik eine horizontal liegende Dampfmaschine von 30 Pferdekräften verkaufen, die in der Central­werkstätte der Main-Neckar-Eisenbahn aufgestellt wurde; sie ging am 24. November 1876 erstmals in Betrieb. [48]

Aus den Geschäftsberichten der Main-Neckar-Eisenbahn ist zwischen 1873 und 1892 eine pro Lokomotive tageweise bezogene Einsatzzeit im Fahrdienst, im Rangierdienst, als Reserve und Reparaturzeit zu entnehmen. Die „Modau“ war an 6.956 Tagen in Betrieb, davon im Rangierdienst 3.307 Tage, und mußte an 1.402 Tagen untersucht bzw. repariert werden. Die „Weschnitz“ war 6.868 Tage im Dienst, davon als Rangierlok 2.775 Tage; sie wurde an 1.567 Tagen untersucht bzw. repariert. Die tatsächliche Arbeitszeit betrug somit 48% bzw. 40%. Da jedoch recht hohe Reservezeiten veranschlagt waren, ergibt die Reparaturzeit von 20% bzw. 23% ein genaueres Bild der Verfügbarkeit. Auch wenn die Reparaturzeiten recht hoch erscheinen, so liegen sie durchaus im Trend der anderen Lokomotiven der Bahngesellschaft. [49]

Tabelle 4: Einsatztage pro Jahr der beiden Lokomotiven „Modau“ und „Weschnitz“ von 1873 bis 1892. Gz = vor Güterzug, Lz = Leerfahrt, Mz = vor Materialzug, Pz = vor Personenzug, Vsp = Vorspann. Beide Maschinen erhielten 1885 eine neue Feuerbüchse (nFb). [50]
Modau Weschnitz
FahrdienstRangierdienstReserveReparaturJahrFahrdienstRangierdienstReserveReparatur
02681873erst 1874 geliefert
1, Gz2481010618740241636
02490116187502526053
02021614818761, 27 km Lz117142106
2, 99 km Pz, 61 km Lz215757318771, 87 km Lz13520524
1, 61 km Lz1381289818781, 121 km Lz134107123
0151172421879017916323
2, 61 km Lz1621317118803, 61 km Gz13113498
0167142571881018913739
0189125511882017013956
021164901883011262191
02021283618841, 88 km Lz134109122
08677202, nFb1885011195159, nFb
01651742618866, 120 km Mz, 53 km Lz27203129
014342918874, 32 km Pz, 60 km Lz802765
0632495418887, 11 km Vsp, 64 km Lz53540
2, 121 km Lz230894418890111148106
020013431189002873939
0205619918910 [sic!], 61 km Lz22827110
0208117411892013284150

Die Kilometerangaben des Fahrdienstes lassen sich wohl wie folgt zurechnen: 61 Kilometer entsprechen in etwa der Entfernung von Darmstadt nach Heidelberg, was dafür spricht, daß die entsprechende Lokomotive vor oder nach einer Überführung in Heidelberg stationiert war. Die Angabe von 27 Kilometern gilt dementsprechend für Frankfurt. Für die „Weschnitz“ bietet sich nun folgende Überlegung an. Sie wurde 1876 nach Frankfurt abkommandiert (27 km), 1877 nach Heidelberg überführt (87 km), 1878 in Darmstadt repariert und wieder nach Heidelberg zurückgeschickt (121 km), 1880 in drei Etappen erneut nach Darmstadt geholt (61 km), dann wäre jedoch ein logischer Bruch, ehe 1884 eine Überführung von Frankfurt nach Heidelberg oder umgekehrt erfolgt ist (88 km). Die übrigen Angaben sind noch schwerer zuzuordnen, ehe 1891 eine Fahrt von Darmstadt nach Heidelberg oder umgekehrt (61 km) anstand.

Für 1893 bis 1901 liegen nurmehr summarische Zahlen für beide Lokomotiven vor, zudem wurden die Reparaturzeiten nicht mehr explizit angegeben. Demnach waren 1893 beide Lokomotiven an 455 Tagen im Fahr- und Rangierdienst beschäftigt und standen an 205 Tagen in Reserve. Es wurden 34 Leerkilometer gefahren und 473,2 Kilometer insgesamt, sie bewegten demnach 2.419 Wagenachs­kilometer. Für 1894 lauteten die entsprechenden Zahlen: 373 Tage Fahr- und Rangierdienst, 252 Tage Reserve, 31,4 Leerkilometer und 213,0 Kilometer insgesamt. In den neun Jahren bis 1901 mit ihren 3.286 Tagen waren beide Lokomotiven 3.504 Tage im Einsatz, was eine Verfügbarkeit von 53% bedeutet. Sie wurden demnach bis zuletzt ausgiebig eingesetzt, was zweifellos für die Qualität der von der Maschinenfabrik und Eisengießerei gefertigten Tenderlokomotiven spricht. [51]

Lokomotive 50.

Abbildung 12: Die Lokomotive „Modau“. Quelle: Verzeichniss und Zeichnungen der Locomotiven & Tender der Main-Neckar-Eisenbahn [1881]. [52]

1873 waren die Auftragsbücher gut gefüllt. Die Gründerkrise streckte aber schon ihre Klauen aus. Noch konnte die Maschinenfabrik profitabel produzieren, aber neue Aufträge waren ab 1874 schwer zu akquirieren. Dennoch sollte das Unternehmen in den 1870er Jahren noch rund fünfzig weitere Lokomotiven herstellen.

Die Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei wird fortgesetzt in Kapitel 15 mit dem weiteren Lokomotivbau in den 1870er Jahren.

Quellen- und Literaturverzeichnis.


Anmerkungen

Mittels eines Klicks auf die Nummer der jeweiligen Anmerkung geht es zur Textpassage zurück, von der aus zu den Anmerkungen verlinkt wurde.


 
 
 
Valid HTML 4.01 Transitional  Valid CSS!