Fabrik. Blick auf das Fabrikgelände. Quelle: Adreßbuch 1908.

Die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt

Vorwort

Das seit 1837 als Buschbaum & Comp. bestehende und 1844 zur Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt umfirmierte Unternehmen wurde mit Unterstützung der ebenfalls in Darmstadt ansässigen Bank für Handel und Industrie 1857 in eine Aktien­gesellschaft umgewandelt. Die Liquidation des Unternehmens wurde mit der General­versammlung am 21. Dezember 1878 eingeleitet.

Das Vorwort erläutert die Motivation, die Geschichte dieses in Vergessenheit geratenen Unternehmens auszugraben und mit großem Detailreichtum wieder ins Gedächtnis zurückzuholen.


Vor dem Vorwort gibt es noch nichts zu sagen. Daher hier der Link zum Inhaltsverzeichnis.

Wie kommt jemand wie ich dazu, die Geschichte eines in Darmstadt weitgehend unbekannten Unternehmens aus der Versenkung zu holen? Schon von früh auf begeisterte ich mich für Archäologie und Geschichte. Das Studium der Archäologie habe ich mir versagt, aber zumindest habe ich in Tübingen einmal Geschichte studiert. Dort lernte ich nicht nur wissenschaftliche Methoden und Vorgehensweisen kennen, sondern auch, welche Fragen und Antworten erwünscht sind und welche eher mißtrauisch beäugt werden. Es ist eine Wissenschaft, die eigenen Gesetzen folgt. Das vorherrschende Geschichts­verständnis ist das der herrschenden Klasse. Wurde es früher eher direkt verordnet, sorgen heute Stellen­ausschreibungen und Forschungsmittel für konformistisches Verhalten und entsprechende Inhalte. Die Geschichte des Widerstandes gegen die Zumutungen der herrschenden Klassen im Verlauf der letzten Jahrtausende ist nur im Selbststudium zu erlenen, an Hochschulen, die etwas auf sich halten, kommt derlei nicht vor. Die Wahrheit muß nicht verordnet werden, sie setzt sich ohnehin mit der Macht des Geldes durch.

Wir kennen die Geschichte der Darmstädter Landgrafen. Aber was wissen wir über diejenigen, die von ihnen gepiesackt wurden? Wir können an einer Führung im Darmstädter Schloßmuseum teilnehmen und den Glanz der damals herrschenden Klasse bewundern, aber wer hat den zugrunde­liegenden Reichtum im Schweiße ihres oder seines Angesichts geschaffen? Davon erfahren wir dort nichts. Wir wissen so manches über Darmstädter Bankiers und Wissenschaftler, Industrielle und Künstler. Aber was wissen wir über die Bauern und Proletarier, Mägde und Marketenderinnen des Umlandes? Es ist kein Zufall, was erforscht wird und was nicht. Und es ist nicht zwingend eine Frage der Quellen. Quellen lassen sich aufspüren, wenn frau oder man denn will. Und selbst dann – aus wessen Sicht wird die Geschichte anschließend erzählt? Dies ist nicht einfach nur der Wahl einer bestimmten Perspektive geschuldet. Vielmehr drückt sich darin die eigene soziale Verortung und (wirtschafts)­politische Einstellung aus. Dort, wo sie nicht ausdrücklich kenntlich gemacht wird, also quasi wisenschaftlich „neutral“ daherkommt, ist sie in der Regel einem eher konservativen Mainstream zuzuordnen. Dieser Mainstream setzt weder die eigenen Befindlich­keiten noch die eigene Positionierung einer (selbst)kritischen Reflexion aus. Das muß er schon deswegen nicht, weil er sich selbst als gegeben und durch die herrschenden sozialen Machtverhältnisse auch als mehr oder weniger einzig relevant betrachtet wird. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, daß er damit auch der Wahrheit verpflichtet wäre. Wessen Wahrheit?

Es gibt ein weit verbreitetes Narrativ: Man müsse die Dinge, und in diesem Fall, die mentalen Dispositionen aus der damaligen bzw. jeweiligen Zeit heraus verstehen. Ich halte dies für groben, und mehr noch, für interesse­geleiteten Unfug. Ich möchte dies an einem relativ aktuellen Beispiel illustrieren. Am 15. Juli 2015 hielt der langjährige wissen­schaftliche Mitarbeiter des Stadtarchivs Wiesbaden Axel Ulrich in Darmstadt einen Vortrag über Wilhelm Leuschner. Abweichend von seinem Rede­manuskript kam er auch auf die Mitwirkung Leuschners an der hessischen Zigeunerkartei zu sprechen, die es den Nazis ermöglichte, Menschen zu deportieren und zu vergasen, deren Vorfahren jahrzehntelang, jahrhunderte­lang in Darmstadt ansässig waren und oftmals gar nicht wußten, daß sie als „Zigeuner“ galten. Hier ging es also offen­sichtlich um die Bekämpfung von Handlungen, die nicht im Sinne der vorherr­schenden Ordnung waren; und dies betrachtete man als Zigeuner­unwesen, das es mit methodischer Gründ­lichkeit zu bekämpfen galt. Darmstadt war dies­bezüglich schon immer ein besonders übles Nest, was sich das ganze 19. Jahrhundert an wieder­kehrenden obrigkeits­staatlichen Proklamationen gegen Bettelei, Herumtreiberei oder umherfahrende Gruppen zeigen läßt. Diese Proklamationen waren auch deswegen notwendig, weil das gemeine Volk uneinsichtig war und dem anti­ziganistischen Wahn seiner Eliten nicht unbedingt folgen wollte. Im August 1886, parallel zur Eröffnung der Dampf­straßenbahn, schritt man zur öffentlichkeits­wirksamen Tat. [1]

„Ein Trupp von nicht weniger als 120 Zigeunern mit 7 Wagen passierte gestern unsere Stadt. Nachdem mit den 6 Häuptern der Gesellschaft eine intensive Reinigungskur vorgenommen und ihnen das Haar ziemlich kurz geschnitten und der Bart gründlich gestutzt – was namentlich auch bei dem weiblichen Teile der Gesellschaft viel Klagen und Jammern hervorrief –, wurde der ganze Trupp weiter transportiert.“ [2]

Die dazu gehörige Methode wurde der werten Leserschaft einige Wochen zuvor zur gefälligen Kenntnisnahme gebracht. 

„(Maßregeln gegen das Zigeunerunwesen.)  Das Großherzogliche Kreisamt Darmstadt erläßt folgendes Ausschreiben an die Bürgermeistereien des Kreises mit Ausnahme von Darmstadt und Bessungen: Um dem Unwesen der im Reichsgebiete umherziehenden Zigeuner-Banden ein Ende zu machen, sind auf Veranlassung des Reichskanzlers eine Reihe von Bestimmungen vereinbart worden, welche wir Ihnen, soweit dieselben für Sie von Interesse sind, im nachstehenden mitteilen: I. Was die ausländischen Zigeuner anbelangt, so ist: 1) angeordnet worden, daß dieselben fernerhin weder bandenweise, noch in kleineren Trupps, noch einzeln die Reichsgrenze überschreiten können. 2) Dem Weiterzug derjenigen ausländischen Zigeuner, welchen der Eingang in das Reichsgebiet gelungen ist, soll energisch entgegengetreten werden. Wir machen es Ihnen daher zur Pflicht, beim Eintritt von Zigeunern in Ihre Ortschaften dieselben entweder uns alsbald zuzuführen, oder uns von ihrem Eintreffen unverzüglich, eventuell telegraphisch, Mitteilung zu machen. 3) Diejenigen Mitglieder von Zigeunerbanden, welche sich einer Uebertretung der Strafgesetze (z. B. durch Betteln, Landstreicherei, Feldfrevel, Diebstahl, Drohung etc.) schuldig machen, sind unnachsichtlich festzunehmen und es ist uns hierüber sofort Anzeige zu erstatten.

II. Was sodann die sogenannten inländischen, d. h. diejenigen Zigeuner betrifft, welche im Reichsgebiete ihren dauernden Aufenthalt genommen haben und unter zeitweisem Verlassen ihres regelmäßigen Wohnsitzes gemeinschaftlich in größerer Zahl in Deutschland umherzustreifen pflegen, so wird es auch gegen diese eines verschärften Vorgehens bedürfen. 1) Die Frage, ob solche Personen die Eigenschaften eines Inländers besitzen, ist in jedem Falle uns zur Entscheidung vorzulegen. 2) Die des Landstreichens, Bettelns, Nichtbeschaffen eines Unterkommens oder sonstiger strafbarer Handlungen schuldigen Personen dieser Art sind ebenso zu behandeln wie die Angehörigen ausländischer Zigeunerbanden.“ [3]

Das spießige Bürgertum bedarf eben der verlogenen Moral von Sauberkeit und Ordnung, um sich wohl zu fühlen; doch auch gesäubert ist für derlei „Trupp“ kein Platz im vom Dampflok­qualm verrußten Darmstadt. Daß es sich bei der gründlichen „Säuberung“ um eine Strafmaßnahme gehandelt haben muß, wird anhand der willkürlichen Behandlung der sechs „Häupter“ dieser Sintezze und Sinti deutlich. Offenkundig fehlte dieser polizeilichen Maßnahme noch die duschende deutsche Gründ­lichkeit, wie sie die Nachfahren dieser Bürger im National­sozialismus wohl allen 120 Betroffenen hätten angedeihen lassen. Die Anlage hierzu war jedoch schon ein halbes Jahrhundert zuvor deutlich zu erkennen.

Wir ersehen daraus, daß die damalige Zeit maßgeblich von der Obrigkeit gestaltet wurde, um das Gedankengut zu streuen, das bei Wilhelm Leuschner und der hessischen Sozialdemokratie auf so fruchtbaren Boden fiel. Nachdem Axel Ulrich diese Haltung als kritigwürdig thematisiert hatte, sprang als Mitveranstalter der Darmstädter Stadtarchivar Peter Engels in die Bresche und formulierte (sinngemäß) den Satz: man müsse Leuschners Tun aus der damaligen Zeit heraus verstehen. Als ungläubig staunendem Zuhörer entfleuchte mir der laut geäußerte Satz: nein, das müsse man nicht. Außer zustimmendem Gemurmel aus dem Publikum gab es keine weitere Reaktion, auch nicht vom eingeladenen Referenten. Ich bin mir nicht sicher, ob Peter Engels eigentlich begriffen hat, was er dort von sich gegeben hat. Denn im Grunde genommen sollten wir seinen Gedankengang radikal zu Ende denken: auch der National­sozialismus ist aus der damaligen Zeit heraus zu verstehen. Und nun? Wird es dadurch besser?

Wie dringend norwendig die antiziganistische Propaganda zur Durchsetzung einer mentalen Disposition gewesen ist, zeigt sich auch anhand eines anderen Beispiels, das ich während meiner Lektüre des „Neuen Griesheimer Anzeiger“ in den 1920er Jahren wahrgenommen habe. Griesheim, ein Dorf im Westen von Darmstadt, war von 1918 bis 1930 durch französische Truppen besetzt und längere Zeit auch vom Deutschen Reich durch restriktive Grenz­kontrollen und Wirtschafts­maßnahmen abgeschnitten. Die Not war groß und Diebstähle allgegen­wärtig. So alltäglich war es, daß die Lokalzeitung es als erstaunenswert berichten mußte, wenn ein Betrunkener, der nachts sein Fahrrad irgendwo im Ort abgestellt hatte und nach Hause getorkelt war, es am folgenden Tag gesucht und unversehrt vorgefunden hatte. Nirgends wurden mit diesen Dienstählen herum­streunende „Zigeuner“ in Verbindung gebracht. Wenn man solcher Diebe habhaft wurde, waren es immer Einheimische. Nichts­destotrotz läßt sich beobachten, daß geradezu kampagnen­mäßig die aller­abstrusesten Berichte über das „Zeigeuner­unwesen“ das Lokalblatt fluteten. Anschließend monatelang nichts, und dann wieder eine neue Kampagne. Das lag nicht an den Vorlieben des Eigentümers des Griesheimer Käsblatts. Denn selbiges füllte seine Spalten regelmäßig mit Übernahmen aus Darmstädter Blättern. Der Antiziganismus wurde demnach gemacht und mußte stupide eingebläut werden.

Wilhelm Leuschner, der den Nationalsozialismus bekänpfte und dafur sein Leben gab, konnte gleichzeitig Wegbereiter des national­sozialistischen Volkermordes sein. Und es war ein anderer Sozialdemokrat, Günther Metzger, der fast einhundert Jahre nach der Eröffnung der Dampf­straßenbahn der Stadt Darmstadt bundesweite Aufmerk­samkeit einbrachte. Während einer mehrtägigen Urlaubs- und Verkaufsreise mit selbst geschmiedeten Kupfer­arbeiten von etwa 30 Roma nutzte die Stadt Darmstadt im August 1983 die Gelegenheit, das von jenen genutzte Wohnhaus in der Arheilger Straße abreißen zu lassen. Als die Roma zurückkamen, konnten sie ihre Habseligkeiten nur noch aus dem Schutt bergen, und ihre Lebens­grundlage, die Kupfer­werkstatt, war natürlich auch demoliert worden. In einer Rede vor der Stadtverordenetn­versammlung rechtfertigte Oberbürger­meister Günther Metzger das Vorgehen mit den üblichen angedichteten kriminellen Klischees und mit einer eingebildeten Seuchengefahr; und die „taz“ zitierte ihn mit den Worten: „Das waren doch nur verdreckte Kleider und verwahrlostes Mobiliar“. [4]

Wenn wir demnach vermeiden sollten, Geschehnisse aus der damaligen Zeit heraus betrachten oder verstehen zu wollen, dann gehören bestimmt auch die brutalen Ausbeutungs­bedingungen der frühen kapitalistischen Industrialisierung dazu. Diese waren zwar Ausdruck der herrschenden Verhältnisse, aber profitiert haben davon nur wenige. Und diese Wenigen hielten sich einen Obrigkeitsstaat und vor allem willfährige Historiker, Journalisten und andere Propagandisten. Was immer wir aus dem 19. Jahrhundert wissen, entstammt mit wenigen Ausnahmen der Feder der Lakaien der herrschenden Klassen. Nicht nur ein Georg Büchner mußte ins Exil gehen, auch während der Sozialisten­gesetze sorgte die Polizei dafür, daß mißliebige, weil wahre Gedanken und Schriften einkassiert, unterdrückt und vernichtet wurden. Wenn heute Historikerinnen und Historiker das nachbeten, was sie an Schrifttum aus dem 19. Jahrhundert vorgefunden haben, dann ist dies nicht nur mangelnder wissen­schaftlicher Umgang, sondern eine Spätform der Identifikation mit dem Aggressor. Sie leben heute in einer Blase, in der sie wiederum die Geschichte der Herrschenden schreiben, und von daher verwundert es nicht, wenn sie die damalige Geschichte der herrschenden Klassen munter unreflektiert nachplappern. Ein gutes Beispiel ist die Darmstädter IHK-Jubiläums­schrift von 2012, eine Festschrift des freien Unter­nehmertums. In ihr kommen Arbeiter als Protagonisten nicht vor, und Arbeiterinnen schon gar nicht. Wir erfahren in den beiden Kapiteln zur Industrialisierung Darmstadts und Südhessens nichts über Arbeits­bedingungen, Arbeitszeiten, Arbeitslöhne und Arbeitskämpfe, dafür aber viel darüber, was für tolle Hechte die Macher im Hintergrund waren, also die Ausbeuter. Darauf werde ich im sechsten Kapitel noch einmal zurückkommen.

Diejenigen aber, deren Stimmen mundtot gemacht oder ignoriert wurden, hatten eine vollkommen andere Sicht auf die Verhältnisse. Gewiß, auch sie werden Darmstadt als ein schläfriges Kasernen- und Beamten­städtchen erlebt haben. Aber mit diesem ebenso gerne verbreiteten Narrativ geht das ganze Widerständige verloren, das es in Darmstadt auch gab. Die schon angeführten Verordnungen und Proklamationen zeugen davon, daß die herrschende Ordnung nicht überall durchgesetzt werden konnte, demnach noch nicht internalisiert worden war. Selbst wenn das vorhandene Quellenmaterial dürfig wäre, und im Vergleich zu den Lobgesängen auf die Taten des Adels und des Bürgertums ist es das gewiß, so lassen sich doch ausreichend Indizien dafür finden, daß Darmstadt nicht nur spießig gewesen ist, sondern daß es dort auch brodelte. Ich denke, wir müssen auch hier die Geschichte der Stadt und ihres Umfeldes vollkommen neu denken und aufschreiben. Dies übersteigt jedoch die Möglich­keiten der hier vorgelegten Abhandlung. [5]

Bei meiner Beschäftigung mit den Industriegleisen im Darmstädter Fabrikviertel stieß ich auf eine Fabrik an der damaligen Blumenthalstraße. Zunächst beachtete ich sie nicht. Sie war eine von vielen und sie schien auch nichts Besonderes zu sein. Ich änderte meine Einstellung, als mich Ralph Völger, der für die Fahrkartenausstellung im Eisenbahnmuseum in Darmstadt-Kranichstein maßgeblich verantwortlich zeichnet, auf einen Aufsatz im Eisenbahn-Kurier hinwies. Werner Willhaus und der Arbeitskreis Eisenbahn­historie Stuttgart hatten darin aus ihnen zugänglichen Lieferlisten eine erste Bestandsaufnahme der Lokomotiv­produktion der Maschinenfabrik und Eisengießerei vorgelegt. Lokomotivbau in Darmstadt? Das klang interessant. Gab es noch mehr über das Unternehmen zu erfahren als das dünne Beiwerk im Artikel?

Ich konnte nicht ahnen, daß mich die Suche nach weiteren Informationen mehrere Jahre beschäftigen würde. Ich stellte bald fest, daß das in Darmstadt gesammelte Wissen nicht nur zusammenhangslos und unvollständig, sondern weit mehr noch fehlerbehaftet war. Offensichtlich hatte sich kaum eine oder jemand einmal die Mühe gemacht, etwas tiefer zu schürfen. Als verhinderter Archäologe und Historiker machte ich mich auf die Suche. Wochenlang besuchte ich regelmäßig das Darmstädter Staatsarchiv, monatelang saß ich vor allem abends vor dem Bildschirm in der Universitäts- und Landesbibliothek, um die mikroverfilmten Ausgaben Darmstädter Zeitungen durchzuschauen. Was teilweise echt eine Qual war.

Das zutage geförderte Material führte zu neuen Fragen, die nur über die Suche nach weiterem Material zu beantworten waren. Manchmal half mir der Zufall, oftmals aber mußte ich gezielt und geduldig suchen. Eine völlig neue Welt öffnete sich mir. Nebenbei lernte ich etwas über die Geschichte der Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung in Darmstadt und über die Streikwelle von 1869 und 1870. Diese war insofern spannend, als hier mehrere Stränge zusammenliefen. Selbstorganisierung der Arbeiter, Emanzipation von bürgerlicher Bevormundung und Einbindung in den Entstehungsprozeß der sozial­demokratischen Partei um August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Dies erzählt dir kein Darmstädter Historker, den das ohnehin nicht interessiert, das mußt du schon selbst herausfinden. [6]

Dennoch wird auch die hier vorgetragene Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei viel zu wenig auf diejenigen eingehen, die jahrein, jahraus malocht haben. Dies ist, wenn überhaupt, das einzige Manko meiner Arbeit. Die hier vorgelegte Arbeit widme ich daher posthum den Arbeiterinnen und Arbeitern der Maschinenfabrik und Eisengießerei, ja, auch den Arbeiterinnen, oder wurden auf dem Fabrikgelände die Comptoirs und Latrinen nicht geputzt [7]? Widmen möchte ich diesen Ausflug in Darmstadt Geschichte zudem Cornelia Roch, der ich wünschen würde, sie fände die Zeit und den Mut, die Geschichte der Industrialisierung im Darmstadt des 19. Jahrhunderts konsequent aus der Perspektive der Arbeiterinnen und Arbeiter zu schreiben. Wenn es eine kann, dann sie. Im Grunde genommen wäre dies jedoch eine Aufgabe eines forschenden redaktionellen Kollektivs von Autorinnen und Autoren.

Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich neben Ralph Völger und Werner Willhaus außerdem Andrea Hohmeyer (Evonik Firmenarchiv), Sabine Lemke (Stadtarchiv Darmstadt) und Berthold Matthäus, denen allen ich auf unterschiedliche Weise wichtige Hinweise und Informationen verdanke.

Das Internet ist ein flüchtiges Medium. Die verstärkten Bemühungen der herrschenden Kreise, daraus mittels Zensurmaßnahmen ein rein kommerzielles und kritikloses Medium zu schaffen, werden mittelfristrig zum Erfolg führen. Seiten wie diese werden allenfalls als geduldetes Feigenblatt oder appetizer für systemkonforme Propaganda und werbe­blockerfreien Konsum geduldet werden. Neben staatlich verordneten Uploadfiltern und legal wie illegal gesammelten Vorratsdaten sind es kapitalistische Konzerne, mit steinreichen Geschäfte­machern an der Spitze, die das Internet in ihrem Sinne formen. 2020 beherrschen Amazon, Google, Apple und Facebook weite Teile des Internets auf recht unter­schiedliche Weise. Mit den von ihnen vorgegebenen Algorithmen wird die Suche nach Informationen, Kontalten und Dienst­leistungen auf eine Weise gelenkt, die sozusagen als invisible hand hinter unserem Rücken filtert, was wir erfahren, wie wir denken und was wir konsumieren sollen.

Auch Portale wie archive.org werden daran nichts ändern, daß eines Tages George Orwells Vision einer permanent umgeschriebenen Geschichte Wirklichkeit werden wird. Dies mag aus heutiger Sicht überzogen erscheinen. Aber wer kontinuierlich die Maßnahmen verfolgt, mit denen die Freiheit der Rede und der Kritik zugunsten eines konformistischen Lebensstils eingeengt werden sollen, muß dies als eine mögliche Konsequenz denken. Ob das in Bibliotheken versammelte Wissen dann noch Relevanz besitzt, wird sich zeigen. Vielleicht sollte ich vorsichtshalber, wenn meine Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei fertiggestellt sein wird, die Internetfassung in ein Buch pressen lassen.

Die Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei wird fortgesetzt mit einer Fragestellung und der Kapitelübersicht.

Quellen- und Literaturverzeichnis.


Anmerkungen

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