Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der alten Riedbahn.
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Überwerfung am Wöhlerweg.
Überwerfung am Wöhlerweg.
Markierungsstein.
Hessische Ludwigsbahn.
An der Bergschneise.
Viadukt an der Bergschneise.
Bahnhof Riedstadt-Goddelau.
Bahnhof Goddelau.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Vom Ludwigs­bahnhof zum Exerzier­platz

Erkundungen auf der alten Riedbahn­trasse, Teil 1

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Doku­mentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Strecken­abschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

Von 1869 bis 1912 verkehrte die Riedbahn vom Bahnhofs­komplex am heutigen Steuben­platz aus. Die „Alten Bahnhöfe“ – später auch einfach „Haupt­bahnhof“ genannt – und die ursprüng­lichen Gleis­anlagen sind weit­gehend ver­schwunden. Manches läßt sich jedoch rekon­struieren. Auf dieser Seite wird die alte Strecken­führung bis zu den Schotter­resten im nach der Eisenbahn benannten Weiter­städter Stadtteil verfolgt; also etwa bis zur Einfahrt in das Evonik/Röhm-Werk.

Nach 1912 wurden Teile dieser Strecke umgewidmet. Zwischen der Block­stelle Löcher­wiese und der Landwehr­straße blieb das Gleis liegen, diente jedoch anderen Zwecken. Hierüber wurden die Übergaben für das Industrie­stammgleis entlang der Kasinostraße, für die Bahnbedarf A.-G. (aus der später die Bahnbedarf-Rodberg GmbH hervorging), die städtische Gasfabrik, das sogenannte Mahr'sche Gleis und noch einiges mehr abgewickelt – und das Aus­besserungs­werk auf der „Knell“. Deswegen sind Über­schneidungen mit der Darstellung zum Industrie­stammgleis „G“ zwangs­läufig unvermeidlich.

Die Fundstellen zu dieser Seite sind auf zwei unter­schiedlich aufgebauten Plänen zu finden.


Der Ludwigs­bahnhof

1858 eröffnete die Hessische Ludwigs­bahn ihre West-Ost-Verbindung von Mainz nach Aschaffen­burg über Darmstadt, die sogenannte Main-Rhein-Bahn. Diese Strecke war Teil einer neuen links­rheinischen und links­mainischen Schienen­verbindung aus dem Rheinland nach Bayern.

Daß diese Strecke über Darmstadt verlief, lag an der Kurz­sichtigkeit des Frankfurter Bürgertums. Der Magistrat der Stadt Frankfurt hatte sich geweigert, der Hessischen Ludwigs­bahn die Durch­fahrt über ihr Territorium zu erlauben. Die Konzession zum Streckenbau auf hessischem Gebiet wurde 1856 erteilt. Zunächst wurde am 1. August 1858 das westliche Teilstück zwischen Gustavs­burg auf der rechten Rhein­seite und Darmstadt, am 18. November 1858 dann auch das östliche Teilstück zwischen Darmstadt und Aschaffen­burg freigegeben. Die Brücke über den Rhein zwischen Gustavs­burg und Mainz hingegen konnte erst 1862 fertig gestellt werden. Bis dahin mußten die Reisenden ein Trajekt­boot benutzen. Sowohl in Darmstadt als auch in Aschaffen­burg nutzte die Hessische Ludwigs­bahn kosten­sparend die vor­handenen Bahn­anlagen mit.

Main-Neckar- und Ludwigsbahnhof.

Abbildung 1: Die beiden alten Bahnhöfe 1898. Links der Bahnhof der Main-Neckar-Bahn, im Hinter­grund der Ludwigs­bahnhof. Ansichts­karte von Louis Glaser, Leipzig, Nr. 7619. 

Ludwigsbahnhof.

Abbildung 2: Der Ludwigs­bahnhof auf einer wohl nach 1900 herge­stellten Ansichts­karte. 

Ludwigsbahnof mit Personal.

Abbildung 3: Das Bahn­unterhaltungs­personal der Hessischen Ludwigs­bahn auf dem Gemeinschafts­bahnhof in Darmstadt. Es handelt sich um eine sorgfältig komponierte Aufnahme von 1867. Zu erkennen sind die weißen Hinweis­tafeln für die Züge in Richtung Mainz und Aschaffen­burg, sowie am rechten Bild­rand im Hinter­grund die Fahrt­richtungs­anzeige nach Frankfurt und Heidel­berg auf dem Bahn­steig der Main-Neckar-Eisenbahn

Die Einleitung der Main-Rhein-Bahn an den schon bestehenden Bahnhof [⇒ L2] der Main-Neckar-Bahn in Darmstadt wurde so konzipiert, daß der östliche Ast aus Aschaffen­burg von Kranich­stein aus in gerader Linie von Nordosten her den Bahnhof erreichte. Dies war schon deshalb geboten, weil sich die vor­handene Bahnhofs­station auf der östlichen, der Stadt zuge­neigten Seite des Bahnhofs­geländes befand, während Lok­schuppen, Werk­stätten und andere Bahnhofs­gebäude der Main-Neckar-Bahn auf der Westseite der 1846 fertig gestellten Gleis­anlagen lagen. Der westliche Ast der Main-Rhein-Bahn mußte daher die Main-Neckar-Bahn weiter nördlich unterqueren, verlief dann in weitem Bogen nach Süden und vereinigte sich kurz vor dem Bahnhof mit dem östlichen Strecken­ast. Von diesem Gleis­bogen sind heute nur noch einige wenige Reste zu sehen. 

Die Anlage der Bahn­anlagen der Hessischen Ludwigs­bahn an der Nordost­seite des Main-Neckar-Bahnhofs war nicht unu­mstritten, wie eine zeit­genössische Invektive verrät. Als die Hessische Ludwigs­bahn 1868 dann die Konzession für den Bau der Riedbahn von Darmstadt nach Worms erhielt, gab es den aufwendigen Ludwigs­bahnhof [⇒ L1] noch nicht. Dieser wurde erst in den Jahren 1873–1875 gebaut, weil das gestiegene Verkehrs­aufkommen mit den wenigen Gleisen an der nördlichen Stirnseite des Main-Neckar-Bahnhofs nicht mehr zu bewältigen war. Bis dahin hatte die Hessische Ludwigs­bahn das Gelände von der Main-Neckar-Bahn gepachtet und mit einem einfachen Bahnsteig aus­gestattet, um den teuren Bau eines eigenen Empfangs­gebäudes zu umgehen. Ein kleiner Pavillon diente als Stations­gebäude. Als 1870/71 der Zug­verkehr des westlichen Zweigs der Oden­waldbahn über Wiebels­bach-Heubach bis nach Erbach dazukam, wurde die betriebliche Enge einer Anlage mit nur einem Bahnsteig und vier Betriebs­gleisen uner­träglich. Die nachfolgende Planskizze des unteren Stockwerks des neuen Ludwigs­bahnhofs zeigt die Erweiterung der Bahnhofs­anlage. Hinzu­weisen ist auf die Privat­toilette (im Plan mit „p“ bezeichnet) des Groß­herzogs und anderer Herr­schaften.

Skizze des Ludwigsbahnhofs.

Abbildung 4: Skizze des Erdge­schosses des Ludwigs­bahnhofs, angefertigt 1875. Quelle: Skizzen­buch des Mittel­rheinischen Architecten- und Ingenieur-Vereins [online ulb darmstadt].

Der Ludwigsbahnhof um 1900.

Abbilung 5: Ausschnitt aus einer Darm­städter Stadt­ansicht von 1902 von C. Grote [online ulb darmstadt]. Der Ludwigs­bahnhof mit seinen vier Bahn­steigen hat erneut seine Kapazitäts­grenze erreicht. Am linken Bildrand sind Teile des Güter­bahnhofs mit dem vier­geschossigen gemeinsamen Lagerhaus von Stadt und Ludwigs­bahn zu erkennen. Am rechten Bildrand unten befindet sich die Bahnsteig­halle der Main-Neckar-Bahn.

Der Verlauf der Gleise der Riedbahn vom Ludwigs­bahnhof bis zum Exerzierplatz läßt sich geradezu minutiös auf den städtischen Flurkarten von 1904 und den Folge­jahren nach­vollziehen. Da sie groß­formatig auf der Webseite von Kristof Doffing anzuschauen sind, verzichte ich hier auf eine Einbindung.

Auf dem Weg zur „Knell“

Wir können uns den Strecken­verlauf anhand eines modernen Darm­städter Stadtplans in etwa so vorstellen: Vom Main-Neckar-Bahnhof bzw. östlich daneben vom Ludwigs­bahnhof aus machte die Bahn einen leichten Knick nach rechts, über­querte die Bismarck­straße etwa zwischen Feuerwehr­haus und der Ein­mündung der Dolivo­straße, verlief anschließend am west­lichen Rand der Dolivo­straße bis zu der Stelle, wo sie die Julius-Reiber-Straße quert – die frühere Lagerhaus­straße. Von dort über das Gelände mit den heutigen Büro­flächen, anschlie­ßend vorbei an dem großen Hallenbau – oder sogar mitten­durch, denn die sogenannte „Zeppelin­halle“ [⇒ L8] stand ja bis 1912 noch nicht an ihrem heutigen Platz. Etwa bei der Einfahrt zum Schenck Technologie­park wurde die Landwehr­straße gequert.

Gleise an der Zeppelinhalle.

Bild 6: Ehemalige Industrie­gleise an der soge­nannten Zeppelin­halle. Aufnahme vom März 2011.

Die in der Landwehr­straße heute noch vor­handenen Gleis­reste gehören nicht zu den Gleisen der Hessischen Ludwigs­bahn. Vielmehr sind sie einerseits auf das städtische Industrie­stammgleis „C“ zurück­zuführen, das ursprüng­lich 1894 von der Main-Neckar-Bahn her eingefädelt wurde. Der Gleisbogen in das Schenck-Gelände wurde wohl erst 1912 hergestellt. Andere Gleisreste gehören zum Industrie­komplex der Bahnbedarf A.-G., die hier 1923 die beiden aus dem Material einer ehemaligen Luftschiff­halle zusammen­montierten Werk­hallen errichten ließ.

Zwischen Landwehr- und Pallaswiesen­straße befand sich nach 1912 neben dem Industrie­stammgleis eine Rangier­anlage mit mehreren Abzweigen zu einzelnen Industriebe­trieben entlang der Kasino­straße. Das Güter­gleis entlang der Kasino­straße endete auf dem Gelände des Samen­groß­handels der Firmen Appel bzw. später Nungesser [⇒ M1]. Die Anlieferungs­rampe direkt südlich der Julius-Reiber-Straße, heute Teil des Nazar-Centers, ist noch zu erkennen, obwohl das Gebäude nach 2010 umgebaut wurde und die Rampe heute der Verköstigung des zahlenden Publikums neben der lauten Straße dient.

»»  Dem Industrie­stammgleis von der Landwehr­straße über die Pallas­wiesenstraße und dann westlich der „Knell“ habe ich den Buchstaben „G“ gegeben. Es wird auf dieser Webseite gesondert vorgestellt.

»»  Dem Industrie­stammgleis entlamg der Kasino­straße habe ich den Buchstaben „H“ gegeben. Auch dieses wird auf dieser Webseite gesondert vorgestellt.

Die Reste der ursprünglichen Riedbahn­trasse westlich der Kasino­straße sind auf Luft­bildern noch zu erahnen. An den breiten Bahn­übergang über die Pallaswiesen­straße [⇒ J1] erinnern nur noch einige Abdrücke im Straßen­asphalt. Auch die Aufhängung für die Verkehrs­ampeln an der Kreuzung der Pallas­wiesen- mit der Kasino­straße gehörte ursprüng­lich zum Bahn­übergang und unter­stützte die für den Bahn­betrieb not­wendigen Rotlicht­phasen. Der Bahn­übergang wurde im Sommer 2003 beseitigt, die Gleise abgebaut und die Straße asphaltiert.

Pallaswiesenstraße.

Bild 7: Der Bahnübergang über die Pallas­wiesen­straße nach dessen Beseitigung. Spuren im Asphalt und Lücken in der nach­folgenden Bebauung weisen der Spurensuche nach der Riedbahn den Weg. Aufnahme vom Juni 2008; fünfzehn Jahre später kann es da schon wieder anders aussehen.

Der weitere Verlauf der ehemaligen Bahntrasse wird durch einen kurzen Radweg markiert, der nach rund einhundert Metern auch schon wieder endet. Vielleicht war einmal vorgesehen, diesen Radweg auf der „Knell“ weiter­zuführen, doch dann verließ den automobil­affinen Stadt­planerinnen und -planern der Mut. Dort, wo der Radweg hätte weiter entlang verlaufen können, wird dann doch lieber platz­verschwenderisch herumgeparkt. Daß dies unter einer von den Grünen maßgeblich bestimmten Stadt­regierung geschieht, ist kein Zufall, sondern so gewollt.

Das Wagen­ausbesserungs­werk [⇒ J2] – zuletzt der Deutschen Bahn AG – wurde am 1. Juni 2000 geschlossen. Dis Stadt Darmstadt erwarb das Gelände 2002 und hatte hiermit hoch­fliegende Pläne. So sollte das Ausstellungs­gelände auf dem Meßplatz von dort auf die Knell wandern, um auf dem Meßplatz Wohnungen und Büros bauen zu können. Als dann jedoch der Pharma- und Chemiekonzern Merck [⇒ F1] die Stadt Darmstadt auf die Seveso II-Richtlinie hinwies, war die Not groß. Sowohl der derzeitige Meßplatz als auch Teile der „Knell“ liegen zu nahe am Gelände des inter­national operierenden Konzerns, um dort Wohn­anlagen oder Geschäfts­räume zu bauen. Neue Pläne mußten geschmiedet werden, um das Filetstück am Rande des Johannes­viertels zu vermarkten.

Das Ausbesserungs­werk

Errichtet wurde das Ausbesserungs­werk auf der Knell durch die Hessische Ludwigs­bahn 1872/73. Darmstadt entwickelte sich zu einem Verkehrs­knotenpunkt dieser privaten Eisenbahn­gesellschaft. Das hier erbaute Zentral­wagenwerk sollte die mit dem zunehmenden Verkehr und der damit verbundenen Werk­stätten­arbeit über­lasteten Anlagen an der Zentrale in Mainz entlasten. Am 14. Februar 1873 wurde das Wagenwerk feierlich in Betrieb genommen. Während es heute eher unver­ständlich erscheinen mag, weshalb sich diese zentrale Wartungs- und Reparatur­einrichtung abseits des Bahn­verkehrs befindet, müssen zum besseren Verständnis die damaligen Verkehrs­wege berücksichtigt werden. Das Wagenwerk befand sich im Dreieck dreier wichtiger Verkehrswege. Westlich führten die Gleise der Main-Rhein-Bahn von und nach Mainz und der Riedbahn vorbei. Östlich wurde es begrenzt durch durch die Odenwald­bahn und die Strecke nach Aschaffen­burg. Weiter nördlich lag das Güter­gleis der sogenannten Verbindungs­bahn. Der Abstand zu den damaligen Darmstädter Bahnhöfen betrug gerade einmal einen Kilometer. Das Wagenwerk der Hessischen Ludwigs­bahn umfaßte noch nicht die Gesamt­fläche des späteren Ausbesserungs­werks, was hinsichtlich eines zukünftigen Flächen­bedarfs Weitsicht beweist. In der Nähe, an der Kasino­straße, besaß die Hessische Ludwigs­bahn mehere Wohn­gebäude für ihre Arbeiter.

„Die Stammbelegschaft, deren Stärke nicht mehr bekannt ist, wurde von der Werkstatt in Mainz über­nommen. Es wurden Personen- und Güterwagen ausgebessert. Nach Einführung der Gasbe­leuchtung in den Personen­wagen wurde eine Ölgas­anstalt errichtet, deren Kompressor durch einen Gasmotor angetrieben wurde. Das ständige Knallen dieses Gasmotors muß wohl die Beleg­schaft und Anwohner arg beeindruckt oder verdrossen haben, denn die Darm­städter nennen das Werk im Volksmund heute noch die ‚Knäll‘.“ 

Ob es wirklich so gewesen ist oder ob wir hier einer urban legend auf den Leim gehen, lasse ich einmal dahin­gestellt sein.

Skizze der Wagenreparaturwerkstätte.

Abbildung 8: Skizze der Wagen­reparatur­werkstätte von 1875 aus dem schon genannten Skizzen­buch, hier Blatt 14.

Diese Skizze der Wagen­reparaturwerk­stätte der Hessischen Ludwigs­bahn zeigt den Standort schon gut bebaut. Allerdings fehlt – zumindest im Plan – der markante Wasser­turm an der Frank­furter Straße, der beim Abriß des Aus­besserungs­werks gleich mit entsorgt werden sollte, aber vom Denkmal­schutz gerettet werden konnte. Das bedeutet nicht, daß dieses Industrie­denkmal gepflegt worden wäre; vielmehr ließ man es einfach so vor sich hin­gammeln. Der neue Eigentümer, also die Stadt Darmstadt, wollte es liebend gerne loswerden, um die Sanierungs­kosten zu umgehen. Der auf der Knell­fläche direkt nebenan residierende Stadt­konzern HEAG/HSE benötigt derlei altes Gemäuer nicht als seine Visiten­karte und knabbert ohnehin an seiner gigantischen Fehl­investition eines Gasturbinen­kraftwerks. Am oberen Skizzenrand erkennen wir die beiden Strecken­gleise nach Mainz sowie das einzelne Strecken­gleis der Riedbahn nach Worms.

Die Wagen­reparaturwerk­stätte der Hessischen Ludwigs­bahn in zwei zeitge­nössischen Beschrei­bungen

Das „Skizzenbuch des Mittel­rheinischen Architecten- und Ingenieur-Vereins“, das anläßlich der zweiten Haupt­versamm­lung des Vereins am 19. Juni 1875 in Darmstadt angelegt wurde, erklärt uns die Anlage:

„Die Werk­stätten, deren Situation aus der Zeichnung hervorgeht, wurden im Jahre 1872 vom 1. Mai bis zum 15. Dec[ember] nach einem von Director Werder in Nürnberg und Bezirks­ingenieur Weiss gemein­schaftlich bearbeiteten Plan herge­stellt. Die ersten Reparaturen konnten darin bereits im September vor­genommen werden.

Aufgabe war rationelle Aneinander­reihung der Werk­stätte­räume, die Möglich­keit der Vornahme von Reparaturen gleich­zeitig an etwa 100 Wagen ausserhalb der eigentlichen Werk­stätten in gedecktem Raume und bequemes Aus- und Einrangiren der Wagen. Es können 144 Wagen aufgestellt werden, ohne Rangir­geleise dazu zu benutzen und ausserdem in der Lackir- und Firniss-Werk­stätte 28 Wagen.

Die Reparatur­halle ist einstöckig (Höhe von Schienen­oberkante bis zum Gebälk 5,08 m., von da bis zum Dachfirst 3,50 m.).

Die Umfangs­mauern sind in Backstein-Rohbau ausgeführt, mit Ausnahme der Westseite, an welche sich künftig nothwendig werdende Erweiterungen anschliessen sollen und welche darum in Fachwerk geschlossen ist, ebenso wie die Vorbaue von den Schiebe­bühnen. – Das Dach ist mit Schiefer und Glas, die Kehlen mit verzinktem Eisen­blech eingedeckt.

Der nutzbare Raum misst 19404 Quadrat­meter. Die Baukosten (exkl. Bauplatz, Geleise und Maschinen) betrugen 29,375 ℳ pro Quadratmeter.“

Fünf Jahre später unternahm der Localgewerbe­verein am 7. Juni 1880 einen Ausflug, der ihn zum Groß­herzoglichen Winter­garten, zur Mahr'schen Dampfholz­schneiderei und zur Central­werkstätte der Hessischen Ludwigs­bahn führen sollte. Hier der Bericht:

„Es folgte nun die Besichti­gung der Central­werkstätte der Hess. Ludwigs­bahn unter Führung der Herren Röder und Westen­berger. Hier wurde zunächst den Theil­nehmern ein Modell einer seitlichen Eisenbahn­wagen-Kuppelung, sowie eine Vorrichtung zum all­mählichen Heben von Eisenbahn­wagen, beide Erfindungen des Herrn Röder, vorge­führt. Die erstere Construction ist trotz ihrer unzweifel­haften Vorzüge für die Sicherheit des Betriebs bis jetzt – wohl mit Rück­sicht auf den Kosten­punkt – nicht zur allgemeinen Ein­führung gelangt, überhaupt ist bis jetzt von keiner deutschen Bahn ein System einer ein­heitlichen Kuppelung ange­nommen worden, so daß die Frage keineswegs als erledigt zu betrachten ist.

Ein Gang durch die sehr ausgedehnten, mit bestem Oberlicht, so wie Dampf­heizung versehenen Räume des Werk­stätten­gebäudes führte den Besuchern eine Reihe von Eisen- und Holz­bearbeitungs­maschinen vor und erregten besonders unter letzteren einige neuere sinnreiche Maschinen durch ihre Construction und Leistungs­fähigkeit die allgemeine Aufmerk­samkeit. Die Arbeiten erstreckten sich auf die voll­ständige Reparatur und Erneuerung einzelner Bestand­theile der Eisen­bahnwagen, so Abdrehen von Axen, Bandagen von Rädern, Puffern, Erneuerung der Axen­büchsen, der Eisentheile des Wagen­unter­gestells, der Holz­theile des Wagen­kastens, der Fuß­böden, Bänke, Polster­sitze, Anstriche, Fenster etc.

Mit der Fabrik ist eine Gas­anstalt verbunden, die den gesammten Gasbedarf für den Bahnhof Darmstadt der Hessischen Ludwigs­bahn liefert. Ferner wurde vor einigen Jahren eine Pump­brunnen­anlage mit Reservoir errichtet, um insbesondere das zum Speisen der Locomotiven erforderliche Wasser zu liefern. Beide Anlagen wurden noch einer Besichtigung unter­zogen und hierauf ein Gang nach dem Carlshofe angetreten, woselbst noch ein geselliges Zusammen­sein stattfand.“ 

Mit anderen Worten: die Herren hatten wieder einmal eine Gelegen­heit gefunden, sich die feucht­fröhliche Kanne zu geben. So etwas nennt man dann „gesellig“.

»»  Jörn Schramm, Andreas Burow und Peter Wöllert waren 2000 und 2003 am und im ehemaligen Aus­besserungs­werk und doku­mentierten den damaligen Stand des Vergessens

Die Vermarktung der „Knell“

Zurück ins 21. Jahrhundert. Was tun, wenn Wohnen und Jahrmärkte nicht auf der Fläche zu realisieren sind?

Knell – ein Desaster für wen?

Im Februar 2006 beleuchteten Michael Siebert und Günther Lehmann in einer Presse­erklärung für den damals noch existierenden WASG-Kreis­verband Darmstadt Aspekte des Knell-Desasters:

„Das Scheitern des Knell-Projekts war für alle, die sich damit kritisch befasst haben, bereits im Jahre 2003 erkennbar, als Ex OB Benz den Weiter­verkauf des gesamten ehemaligen Bundes­bahn-Aus­besserungs­werks im Stadt­parlament durch­setzte. Die Stadt Darmstadt wurde am 24.4.2003 offiziell von der Firma Merck auf den Konflikt mit Produktions­anlagen in unmittelbarer Nachbar­schaft hinge­wiesen, wie Stadtrat Wenzel einge­standen hat. Gleichwohl hat die rot-grüne Koalition drei Monate später den Weiter­verkauf der Knell vor der parlamen­tarischen Sommer­pause im Juli 2003 gegen alle bereits damals formulierte Kritik durch­gepaukt und an einem Konzept fest­gehalten, das mit den Seveso-Richtlinien unver­träglich ist.

Wie Stadtrat Wenzel auf eine kleine Anfrage des Stadt­verordneten Michael Siebert Ende 2005 ebenfalls einge­stehen musste, wurde dieser damals beschlossene Verkauf nie vollzogen. Darüber hat der Magistrat Stadt­verordneten­versammlung und Öffentlich­keit zwei­einhalb Jahre im unklaren gelassen und so den Eindruck gepäppelt, als sei das Knell-Projekt einer neuen Nutzung alter Industrie­flächen durch HSE & Co. noch irgendwie zu retten.

Seitdem belastet das von der Bahn erworbene Areal die Stadt mit Finanzierungs­kosten und nach wie vor unbekannten Sanierungs­risiken. Obwohl die Stadt in der Pflicht steht, das Gelände nach dem Kauf unver­züglich von Altlasten zu befreien, wurde damit nicht einmal begonnen. Statt­dessen hat man ein privates Unter­nehmen den auf dem Weltmarkt gefragten Stahl der Alt­bebauung aus­schlachten lassen. Der Magistrat hat nicht einmal dafür gesorgt, dass die Aus­schlachter auch den Bauschutt mitnehmen, der seitdem als weitere sichtbare und höchst symbolische Altlast das Gelände überlagert.“ 

Knell mit Bauschutt.

Bild 9: Im März 2009 präsentierten sich weite Teile der Knell als großer Bauschutt­haufen.

Die innovative Lösung für das Vermarktungs­problem bestand darin, die städtischen Eigentums­rechte finanziell gewinn­bringend umzu­schichten. Einen Teil des Geländes übernahm der Energie­konzern HSE, an dem die Stadt über die Heag Holding zu 53% beteiligt war. 

Ein weiterer Teil der Knell wurde an den städtische Eigen­betrieb EAD zu einem Quadrat­meter­preis zwischen 150 und 200 Euro abgegeben. Nur am Südzipfel fanden sich private sogenannte Investoren, um direkt neben­einander zwei Supermärkte hinzustellen; einen für die nicht so betuchte Laufkund­schaft und einen für die ökolo­gischen Gut­menschen. Dazu gesellte sich ein Schnell­imbiß und weiterer Platz wurde für das parkende Publikum ver­schwendet.

„Die Südspitze, ein rund 7000 Quadrat­meter großes Teilstück, wurde 2004 für 1,4 Millionen Euro an einen Investor verkauft. Heute befinden sich dort die Lebensmittel­märkte Tegut, Plus sowie ein Burger-King-Restaurant.

Vor zwei Jahren kaufte die Heag Süd­hessische Energie AG (HSE) für rund drei Millionen Euro ein 15.262 Quadrat­meter großes Teilstück entlang der Frank­furter Straße und errichtete darauf die neue HSE-Zentrale. Im vergangenen Jahr erwarb die HSE eine weitere, knapp 43.000 Quadrat­meter große Fläche für 6,6 Millionen Euro, zahlbar in drei Raten (die letzte bis spätestens April 2011). Dort soll, wie berichtet, ein Gasturbinen­kraftwerk entstehen; der Rest dient als Erweiterungs­fläche.

Die nordwestliche Ecke des Knell-Geländes (42 560 Quadrat­meter) geht für 2,7 Millionen Euro an den Eigen­betrieb Abfall­beseitigung Darmstadt (EAD), der von der Niersteiner Straße dorthin umziehen wird. Die neue EAD-Zentrale soll das erste Verwaltungs­gebäude in Darmstadt werden, das in Passivbau­weise errichtet wird.

Diese Einnahmen summieren sich auf 13,75 Millionen Euro. Die beiden Restflächen – die Nordost­ecke (29 252 Quadrat­meter) und ein südliches Stück (9287 Quadrat­meter) in Höhe des Müll­heiz­kraftwerks – lassen sich nach Angaben des Magistrats aufgrund der Wirtschafts­lage nicht kurzfristig zu einem ange­messenen Kaufpreis vermarkten. Man sei aber aufgrund von Anfragen zuver­sichtlich, auch diese Flächen für zusammen 5,75 Millionen Euro verkaufen zu können, geht aus der Magistrats­vorlage hervor. Das ergäbe zusammen Einnahmen von 19,5 Millionen Euro.

Die Gesamt­investitionen von gut 18 Millionen Euro setzen sich zusammen aus dem Kaufpreis für das Knell-Gelände (8,2 Millionen), Entwicklungs­kosten (eine Million) sowie 8,8 Millionen bisher angefallene und künftige Sanierungs­kosten.“ 

HSE.

Bild 10: Die HSE-Zentrale im Dezember 2013.

EAD.

Bild 11: Das EAD-Verwaltungs­gebäude im November 2012.

Gasturbinenkraftwerk.

Bild 12: Eine teure Fehl­investition – das Entega/HSE-Gasturbinen­kraftwerk im November 2012. Links lugt der Wasser­turm hervor.

Das 55 Millionen Euro teure Gasturbinen­kraftwerk auf der Knell war eine große Fehl­investition in die falsche Energie­technologie. Anstatt 2013 kommerziell Strom in der Spitzen­last zu erzeugen, brachte es das Kraftwerk nur auf einige wenige Betriebs­stunden. Das Kraftwerk stellte sich als nicht wirt­schaftlich darstellbar heraus. Verant­wortlich für diese Fehl­investition war das Manage­ment, bluten mußte die Beleg­schaft. Die Gewerk­schaften IG Metall und ver.di mußten zähne­knirschend einem Sanierungs­plan zustimmen, der von den Beschäftigten Abstriche in Höhe von 30 Millionen Euro einforderte. Ver.di zeigte zunächst etwas mehr Rückgrat als die IG Metall und befand es als nicht zumutbar, daß die Beschäf­tigten auf ihr Weihnachts­geld verzichten sollten, während die Stadt als Eignerin sich eine fürst­liche Dividende genehmigte. Ob das Manage­ment sich einem ähnlichen Spardiktat unterworfen hat, ist nicht überliefert. 

DHL Zustellbasis.

Bild 13: Die Deutsche Post DHL Zustell­basis ist im April 2014 noch im Bau. Sie wurde im Oktober 2014 in Betrieb genommen.

Wasserturm.

Bild 14: Der Wasserturm im März 2014.

Es brauchte seine Zeit, bis nach und nach die passenden Investoren das Gelände für sich entdeckten. Im August 2021 erfolgte der erste Spaten­stich für das neue Isra Vision Haupt­quartier rund um den historischen Wasserturm. Auf rund 15.000 Quadrat­metern sollen Büro- und Laborräume sowie eine Montage­halle entstehen. Auf rund 14.000 Quadrat­metern des Nordost­zipfels ließ Merck (!) seit März 2022 für 70 Millionen Euro ein sieben­geschossiges Learning Center erbauen. 

Damit dürfte die Umwandlung des Eisenbahn­geländes in ein Dienst­leistungs­zentrum weit­gehend abge­schlossen sein.

Entlang der Knell

Mit der 1912 erfolgten Verlagerung des Haupt­bahnhofs nach Westen waren von den drei Gleisen, die den Westrand der Knell berührten, zwei zuviel. Die Gleiskurve wurde daher abgespeckt. Auf dem übrig gebliebenen Gleis wurden Güter­züge zu den Industrie­stammgleisen und schadhafte Waggons ins Aus­besserungs­werk gefahren. Damit war spätestens 2003 Schluß, als der Bahnüber­gang an der Pallas­wiesenstraße aufgegeben wurde. Die Museumsbahn aus Kranichstein holte im März 2003 Gleisjoche auf dem Gelände des Aus­besserungs­werks ab; das könnte die letzte Nutzung gewesen sein. 

Eine zur Jahrtausend­wende noch angedachte Andienung des Müllheizkraftwerks mit einem eigens neu zu legenden Gleisan­schluß hatte sich aufgrund von errechneten Investitions­kosten von knapp 5 Millionen Euro recht bald wieder zerschlagen. Dabei kann diese Müll­verbrennungs­anlage ohnehin nur aufgrund eines eigens herbei­geführten Müll­tourismus mit vielen, vielen Müllautos wirt­schaftlich arbeiten. 

Zwischen 2009 und 2011 wurde das Gleis zwischen der Pallas­wiesen­straße und dem Carl-Schenck-Ring in mehreren Etappen abgetragen. Anfang 2009 fing der Abbau in der Mitte zwischen den beiden Straßen an, es folgte im Juni 2009 das nörd­liche Teil­stück bis zum ehemaligen Bahn­übergang 15 (Schenck­alle) [⇒ J3]. Das Technik­häuschen des Bahn­übergangs war im September 2009 verschwunden. Die beiden sogenannten Winkel­türme am Nord­westrand der Knell stehen unter Denkmal­schutz und sind noch erhalten.

Müllheizkraftwerk.

Bild 15: Das Müllheiz­kraftwerk neben der Knell im März 2014.

Winkelturm.

Bild 16: Im Juni 2009 wurde das Gleisstück an der Schenck­alle neben einem der beiden Winkel­türme heraus­gerissen. Im Hinter­grund wird an der HSE-Zentrale gebaut.

Der Bahn­übergang selbst war im Juli 2004 durch Asphalt ersetzt worden.

„Da der Bü Schenck­allee schon seit längeren mit einer La ‚30‘ für PKW und LKW versehen war, bot es sich daher an, am 24.7.2004 die Gleise heraus­zureißen und einen Lücken­schluss mit Asphalt herzu­stellen. Bezeichnender­weise stand am 22.7. bereits ein Prellbock vor dem Bü und damit ca. 8m vor der Weichen­spitze der Weiche, welche die Zufahrt zur Fa. Müksch ermög­licht. Es standen aber noch 2 E-Wagen vor dem Werkstor. Am Montag war der Lücken­schluss erstellt und die Wagen aus dem Anschluss raus. Man muss also den Prellbock nochmals herunter gehoben haben.“ 

»»  Das am westlichen Rand der Knell verlaufende Gleis wird ausführ­lich auf der Unterseite zum Industrie­stammgleis „G“ abgehandelt. Dort finden sich auch Aufnahmen aus den letzten Jahren der Nutzung dieses Gleises und von Rangier­fahrten zum und vom Aus­besserungswerk.

»»  Den Abbau des Gleises direkt an der Schenckallee habe ich im Juni 2009 fotografisch begleitet.

»»  Weitere ausführ­liche Informationen zu den Winkel­türmen finden sich auf einer Webseite zu Luftschutz­türmen. Das ist keine Militaria­seite!

Der weitere Verlauf des auch 2023 noch vorhandenen Zuführ­gleises zur Knell zur einstigen Block­stelle Löcher­wiese liegt nicht auf der vormaligen Trasse der Riedbahn.

An der Hammelstrift

Die drei Gleise der Riedbahn und der Main-Rhein-Bahn führten von der (damals noch nicht vor­handenen) Schenck­allee parallel bis zur Block­stelle Hammels­trift. Die Trasse verlief zunächst etwas weiter östlich als die Reste des Gleises zur Löcher­wiese, also über das Gelände der Schreber­garten­siedlung, um schließlich in Höhe des Klärwerks des Chemie- und Pharma­konzerns Merck auf die Verbindungs­bahn zu stoßen. Das Gelände ist dort vollkommen überbaut, so daß Spuren der Riedbahn nicht mehr aufzu­finden sind.

Prellbock mit Winkelturm.

Bild 17: Das Gleisende an der Schenck­allee im November 2012. Frau und man beachte das gepflegte Ambiente. In den Sommer­monaten sind Brombeer­ranken allgegen­wärtig.

Das Gleisende.

Bild 18: Der Prellbock des Gleises zur Löcher­wiese. Die Riedbahn dürfte eher auf die rechts davon gelegene Hütte gestoßen sein. Aufnahme ebenfalls vom November 2012.

An der Hammel­strift trafen die drei parallelen Gleise auf die beiden von Kranich­stein her­rührenden Gleise der Verbindungs­bahn. Sie wurden über ver­schiedene Weichen­verbindungen zusammen­geführt und wieder getrennt. Zwei Gleise gingen nach Worms, zwei weitere nach Mainz. Wobei dies nicht so ganz stimmt, denn die Riedbahn wurde zwischen der Hammels­trift und Goddelau erst 1901 voll­ständig zwei­gleisig ausgebaut. Auch die Verbindungs­bahn war zeitweise nur eingleisig ausge­führt.

Die von Weiterstadt herführende Hammels­trift war ein wichtiger Verbindungs­weg im Norden Darm­stadts. Heute heißt nur noch eine Straße in Kranich­stein nach ihr. Nachdem schon die Main-Neckar-Bahn die Hammels­trift gekreuzt hatte, wurde 1858 auch ein Bahn­übergang für die Main-Rhein-Bahn erforder­lich. Dieser wurde von einem Bahnwärter gesichert, für den auf dem freien Feld ein eigenes Haus mit Stall bzw. Schuppen errichtet wurde [⇒ E2].

Das Stellwerk [⇒ E1] kam um 1870 hinzu, um die diversen Ein- und Ausfädelungen zu steuern. In älteren Plänen wird dieses Stell­werk auch als „Halte­stelle“ bezeichnet. Damit ist jedoch nicht gemeint, daß hier Personen ein- oder aussteigen konnten. Gehalten hat vor dem Signal allenfalls der eine oder andere Zug. Das gesamte Ensemble stand in den 2000er Jahren auf einem zu Merck gehörenden Grund­stück. Das Gelände scheint zuletzt als Hunde­abrichtungs­platz genutzt worden zu sein. Im Dezember 2010 wurden die drei Gebäude abgerissen.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 19: Das zugemauerte Stellwerk Hammel­strift im Februar 2010.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 20: Das Stellwerk von der Wegseite aus betrachtet. Aufnahme vom November 2008.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 21: Das Stellwerk mit seinem stillen Örtchen im August 2008.

Bahnwärterhaus.

Bild 22: Das Bahn­wärter­haus im August 2008.

Stall.

Bild 23: Zum Bahn­wärter­haus gehörte ein Stall bzw. Schuppen.

Bahnwärterhaus mit Stall.

Bild 24: Das Bahnwärter­haus mit seinem Stall bahnseitig. Aufnahme vom März 2009.

Der weitere Verlauf der Riedbahn ist mehr zu erahnen als zu erkennen. Im Boden lassen sich wohl nur noch wenige Spuren finden. Ob der Schotter im Wald­stück zwischen Hammels­trift und Exerzier­platz nach 1912 voll­ständig abgetragen wurde, muß offen bleiben. An der Verbindungs­kurve der Main-Rhein-Bahn von der Stock­schneise zum Haupt­bahnhof bin ich jedenfalls auf einen solchen Rest gestoßen.

Zwischen Hammels­trift und Exerzier­platz

Die alte Riedbahn­trasse war dem gegen 1910 aufge­schütteten Damm für die Zuführung der Main-Neckar-Bahn zum neuen Haupt­bahnhof im Weg. Es scheint, als habe man schon vor Baubeginn des Viaduktes über die Main-Rhein-Bahn an der Berg­schneise [⇒ E3] die Riedbahn über die neue Trasse von der Berg­schneise zum Exerzier­platz geleitet. Der Feld-, Wald- und Wiesenweg Hammels­trift hingegen erhielt einen Durchlaß unter den neuen Bahndamm [⇒ E4].

Das gegen 1910 errichtete Viadukt wurde ein Jahr­hundert später durch eine Spann­betonbrücke ersetzt. 2009/10 machten die Bau­arbeiten sowohl der Brücke wie auch dem etwa zwei­hundert Meter entfernten Durchlaß der alten Hammel­strift den Garaus. Dieser Durchlaß war ohnehin obsolet geworden, nachdem 1999 direkt neben der Bahn­strecke eine Umgehungs­straße (B3 neu) gebaut wordenm war, die keine Rücksicht auf den Verlauf der Hammels­trift genommen hatte. Den Umgang mit dem Durchlaß und sein Ver­schwinden habe ich auf einer eigenen Unter­seite der Riedbahn­seiten fotografisch fest­gehalten.

Durchlaß Hammelstrift.

Bild 25: Der Durchlaß für die Hammel­strift unter der Main-Neckar-Bahn im März 2009.

Schneise im Wald.

Bild 26: Jenseits des Durchlasses und jenseits der Bundes­straß könnte eine Schneise im Wald den Verlauf der Riedbahn markieren. Aufnahme vom Februar 2014.

Die Trasse führte durch das Wäldchen hinter der Bundes­straße, querte (virtuell, nicht tatsäch­lich) den Bahn­übergang 41a der Main-Rhein-Bahn [⇒ E8] und verlief weiter durch das Betonwerk an der alten Gräfen­häuser Straße . Dort befand sich ein Bahn­übergang mit Bahnhaus (wohl Nummer 85) [⇒ D6]. Zwischen der vier­spurigen Schnell­straße und der Weiter­städter Straße an der Grenze von Darmstadt zu Weiter­stadt verläuft ein Waldweg. Auf dessen Weiter­städter Seite befand sich die Riedbahn­trasse. Der Wald ist übrigens erst im ver­gangenen halben Jahr­hundert gewuchert, vorher befanden sich dort Wiesen. Die Trasse querte, ebenfalls nur virtuell, das Werkstätten­gleis [⇒ D3] zum Lokwerk am Dorn­heimer Weg. Etwa am Werkstor von Evonik/Röhm beim Riedbahn­kilometer 57,4 [⇒ D4] wurde um 1910 die neue Riedbahn­trasse zum neuen Haupt­bahnhof von der alten Trasse, die wir gerade bereist haben, abgezweigt. Hier endet auch die Spuren­suche auf dieser Seite.

Schotter.

Bild 27: In der Nähe des Bahn­übergangs Am Weselacker liegen diese Schotter­reste. Aufnahme vom März 2009.

Bahnübergang.

Bild 28: Der Bahnüber­gang 41a. Die hoch­gewachsene Birke markiert den unge­fähren Fundort des Schotters. Aufnahme vom März 2009.

Bahnwärterhaus.

Bild 29: Möglicher­weise derselbe Bahn­übergang 41a, aber durch einen Schranken­posten abgesichert. Die Aufnahme soll etwa 1930 entstanden sein. Quelle: Sammlung Eva Lorenz.

Haus am Weselacker.

Bild 30: Vor dem Betonwerk stand um 1900 an der Gräfen­häuser Straße die Kreis­kadaver­verwertungs­anstalt. Ob es dasselbe Gebäude, nur modernisiert, ist, kann ich nicht sagen. Hinter dem Gebäude verlief die Riedbahn. Aufnahme vom März 2015.

Blick in das Betonwerk.

Bild 31: Kein Meisterwerk der Fotografie. Blick in das Betonwerk. Die inner­betriebliche Straße markiert den ungefähren Verlauf der Riedbahn. Aufnahme vom August 2008.

Prellbock.

Bild 32: Wenn wir den Waldweg entlang gehen, stoßen wir auf eine Lücke im Wäldchen. Hier verlief das Werk­stätten­gleis. Der Prellbock wurde um 1955/1960 als Gleis­abschluß hinge­stellt, nachdem das Lokwerk der Remili­tarisierung West­deutsch­lands weichen mußte. Aufnahme vom November 2008.

Waldweg.

Bild 33: Blick vom (gedachten) Werk­stätten­gleis nach Südwesten hin zur Weiter­städter bzw. Riedbahn­straße. Dort, wo die Baum­stämme lagern, dampften einst die Züge auf der Riedbahn. Aufnahme vom März 2014.

Kesselwaggon.

Bild 34: Kesselwaggon am Werkstor von Evonik/Röhm. Aufnahme vom März 2009.

Der Kesselwaggon ist auch schon wieder Geschichte. Seit Frühjahr 2020 hat keine Lokomotive mehr Waggons zugestellt oder abgeholt.

Historisches zum Umfeld

Das Gelände, auf das in den 1960 Jahren das Darm­städter Unternehmen Röhm und Haas (irgend­wann im Evonik-Konzern gelandet und inzwischen teilweise wieder ausge­gliedert) einen Zweig­betrieb errichtete, hat eine Vorge­schichte:

  • Vom Exerzierplatz zum Werks­gelände. Zunächst befand sich hier der großherzogliche Kavallerie-Exerzier­platz. Zu speziellen, dem adligen Offiziers­korps vorbe­haltenen Turnieren wurde die Darm­städter Bevölkerung mit Sonder­zügen zur Voiks­belustigung herbei­geschafft. Ab den 1920er Jahren nutzte der neu errichtete Rouvenhof das weit­läufige Gelände.
  • Die Luftschiff­halle in Weiterstadt stand zwischen 1914 und 1921 am Rande des Weiter­städter Exerzier­platzes. Die riesige Halle mußte auf Geheiß der französi­schen Besatzungs­behörden abge­tragen werden. Sie könnte einen Gleis­anschluß an die Riedbahn besessen haben.

Anmerkungen

Am Ende der angeklickten und eingefärbten Anmerkung geht es mit dem Return ( ⏎ ) zum Text zurück.

  1. Die Datierung des Zeit­punkts der Aufnahme ist ohne Einsicht in wohl nicht mehr vorhandene Firmen­unterlagen schwierig. Hilfreich sind hier die diversen Verkaufs­angebote der Online­händler. Von der hier vorliegenden Ansichts­karte sind mehrere Varianten bekannt, die alle die Schüler­gruppe im Vordergrund und einen Straßenbahn­wagen im Hintergrund zeigen. Daraus läßt sich als ehestes Aufnahme­jahr 1897 entnehmen. Der früheste mir bekannte Post­stempel einer derartigen Ansichts­karte trägt das Datum 10. Februar 1899. Da die Bäume über ihr – allerdings nach­koloriertes – Blatt­werk verfügen, kann die Aufnahme nicht mehr im November oder Dezember 1897 und auch nicht im Januar oder Februar 1899 entstanden sein. Die Schüler und anderen Passanten sind wohl hinein montiert worden. Zu diesem Zweck verfügten die Bild­verlage über passende Schablonen.   
  2. Die mir vorliegende Ansichts­karte ist mit „Haupt­bahnhof“ bedruckt. Seit wann die beiden alten Bahnhöfe als Haupt­bahnhof bezeichnet wurden, kann ich nicht sagen, auch wenn ich vermute, daß dies ab 1902 der Fall war. Ab Ende 1902 waren die vorherige Hessische Ludwigs­bahn und die Main-Neckar-Eisenbahn unter dem Dach der preußisch-hessischen Eisenbahn­gemeinschaft vereinigt.   
  3. Diese Fotografie entstammt dem von K. Kreck heraus­gegebenen Jubiläums­band „40 Jahre Reichsbahn­direktion Mainz 1897–1937“, Seite 12; als Sonder­druck aus „Die Reichsbahn“, Amtliches Nachrichten­blatt der Deutschen Reichs­bahn und der Gesell­schaft Reichs­autobahnen, Heft 12/13 vom 24. und 31. März 1937. Der Band ist nunmehr [online ulb darmstadt].   
  4. Die Aussage zu den wenigen Gleis­resten stimmte noch 2008, als dieser Text in der ersten Fassung geschrieben wurde. Seither wurde der Gleisbogen entlang der „Knell“ voll­ständig abgebaut. Der ansonsten so informative 2. Teilband über die Eisenbahnen in Hessen verzichtet auf die Dar­stellung dieser historischen Strecken­führung.   
  5. Deutsche Bundes­bahn (Hg.) : 100 Jahre Ausbesserungs­werk Darmstadt 1873–1973, Seite 16.   
  6. Darmstädter Zeitung vom 8. Juni 1880 [online ulb darmstadt]. Ähnlich der Bericht im Darm­städter Tagblatt vom 9. Juni 1880 [online ulb darmstadt].   
  7. Ab und an finden sich im Internet weitere Foto­grafien vom Durch­stöbern dieses lost place. Sie kommen und gehen und werden hier daher nicht verlinkt.   
  8. Presse­erklärung des WASG-Kreis­verbandes Darmstadt vom 24. Februar 2006. Siehe auch Peter Zitzmann : Neue Unklar­heiten über Nutzung des Knell-Geländes, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, online am 23. Juli 2003.   
  9. Den Umschichtungen innerhalb der Darm­städter Stadt­wirtschaft zu folgen, ist gar nicht so einfach. 2003 wurde die HSE als Zusammen­schluß von HEAG (Hessische Elektrizi­täts AG) und Süd­hessischer Gas und Wasser AG gegründet. e.on hielt eine 40%ige Beteiligung, welche 2012 für 280 Millionen Euro an die Stadt Darmstadt abge­geben wurde. 2015 wurde die HSE in Entega umbenannt. Wenn ich also im Text von einer HSE schreibe, ist das Schnee von gestern. Die HEAG ist nunmehr Holding der Stadt­wirtschaft, bei der die Stadt Darmstadt mit 94,99% beteiligt ist, den Rest hält die Stadt- und Kreis­sparkasse Darmstadt.   
  10. Die Knell bringt der Stadt Darmstadt Geld ein“, in: Darm­städter Echo, online am 3. März 2010.   
  11. Stillstand Tarif­verhandlungen HEAG, Presse­mitteilung von ver.di vom 23. September 2014. Tauziehen um HSE-Sanierung, in: Darm­städter Echo, online am 24. September 2014. HSE-Sanierung: Auch Verdi stimmt zu, in: Darm­städter Echo, online am 7. November 2014.   
  12. Spatenstich für das neue Head­quarter: Aufbruch­stimmung bei ISRA VISION, Presse News vom 10. August 2021 [online als pdf]. Merck investiert 70 Millionen € in neues Learning Center am Standort Darmstadt, Presse­mitteilung vom 16. März 2022 [online].   
  13. Forums­beitrag auf Dreh­scheibe Online vom 6. März 2003 [online]. Presse­mitteilung der Stadt Darmstadt vom 16. Juli 2003: Bahn­übergang in der Pallas­wiesen­straße wird durch Asphalt ersetzt.   
  14. Große Anfrage Die Linke Darmstadt vom 4. September 2006, „Kündigung des Gleis­anschluss­vertrages für den Bereich Sensfelder Weg“, und Antwort des Stadtrats Dieter Wenzel vom 5. Oktober 2006.   
  15. Industriestamm­gleis Darmstadt-Nordwest, in: Dreh­scheibe 179, November 2004, Seite 80, Recht­schreibung still­schweigend verbessert.   
  16. Im globalisierten Kapitalis­mus sind Beteili­gungen, Besitz­verhältnisse oder auch einfach nur Firmen­namen recht schnellebig. Mit Wirkung zum 11. Dezember 2009 firmierte das Baustoff­unter­nehmen Hünnebeck als Harsco Infra­structure, nachdem die Hünne­beck-Gruppe schon 2005 von Harsco geschluckt worden war. Morgen kann dies schon wieder ganz anders sein.