Signal in Griesheim. Formsignal in Griesheim.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Das Ende einer Strecke

Dokumentation

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

In dürren Worten werden hier die Eckdaten der Zerstörung einer ehemaligen Hauptstrecke benannt.


Dies ist die Fortsetzung der Geschichte der Riedbahn in den 1960er Jahren mit Bussen statt Bahnen.

Einher mit der zunehmenden individuellen Motorisierung der 1950er und 1960er Jahre ging der langsame, jedoch zielstrebige Abbau von als unrentabel angesehenen Nebenbahnen. Die Förderung des Automobilismus versprach Wachstum und Arbeitsplätze und die Autombil­industrie benötigte Fahrgäste. Die hiermit verbundene Individualisierung des Verkehrs­aufkommens bereitete die flächen­deckende und an keine Örtlichkeiten mehr gebundene Ausbeutung der Arbeitskraft des Menschen vor. Wer (noch) kein eigenes Automobil besaß oder wer als Zweit­verdienerin, Schüler oder Studentin auf die Verkehrs­anbindung in der Fläche angewiesen war, wurde auf den Omnibus­verkehr der Bahn und der Post verwiesen. Oftmals fuhren Bahnen und Busse parallel, um die Wirtschaftlich­keit des Bahn­verkehrs weiter zu reduzieren.

Chronik einer Streckenstillegung

1958

Juli: Beseitigung des Bahnüber­gangs an der Bundes­straße 26. Siehe hierzu auch die mit vielen Bildern angereicherte Dokumentation zum Posten 79.

1961

Mai: Alle vor sechs Uhr morgens und nach acht Uhr abends verkehrenden lokbespannten Züge und Triebwagen­fahrten werden im Sommer­fahrplan auf Omnibus­betrieb umgestellt.

1965

Juli: Fertigstellung der Autobahn vom Mönchhof-Dreieck nach Darmstadt.

1965

Eingleisige Streckenführung zwischen Griesheim und Goddelau ab 1. Dezember 1965, alsdann Abbau des zweiten Streckengleises, [dokument].

1966

Mai/Oktober: Die Straßenbahnlinie 9 von Darmstadt nach Griesheim ist vollständig zweigleisig ausgebaut. Damit ist ein Engpaß im ÖPNV beseitigt.

1970

Mai: Eröffnung der elektrifizierten Verbindungs­kurve zwischen den Strecken Mainz – Darmstadt und Mannheim – Frankfurt bei Groß-Gerau.
September: Der Personenverkehr wird zum Winter­fahrplan eingestellt.

1971

Februar: Die Güterabfertigung wird von Griesheim nach Darmstadt verlagert. Güterwagen werden weiterhin in Griesheim bereitgestellt.

1973

Oktober: Das Griesheimer Bahnhofsgebäude wird Teil des städtischen Bauhofs.

(Spätestens) 1975

Abbau des südlichen der beiden Gleise zwischen Griesheim und Darmstadt.

1991

Abbau der Gleisanlagen zwischen Griesheim und dem Anlieferungs­gleis der Fa. Röhm in Weiterstadt. In Griesheim entstehen auf der Gleistrasse Mehrfamilien­häuser.

Die Chronik wird eventuell fortgeschrieben.

Schotter im Wald.
Bild 1: Zwischen Darmstadt und Griesheim.

Das Riedbahn-Teilstück zwischen Goddelau-Erfelden und Darmstadt erfreute sich noch Ende der 1950er Jahre regen Zuspruchs. In der Haupt­verkehrszeit fuhren die Züge alle 20 bis 30 Minuten. Doch die Industrialisierung im „Wirtschafts­wunder“land veränderte Arbeits- und Lebens­gewohnheiten. Alther­gebrachte Verkehrs­wege verloren ihre Bedeutung, neue Straßen und manchmal auch neue Bahntrassen entsprachen diesen von den Erfordernissen des Kapitals diktierten Bedürfnissen eher. Die Straßen­bahn von Griesheim nach Darmstadt stand als modernisierter und leistungs­fähiger Verkehrs­träger in Konkurrenz zu dem am nördlichen Ortsrand von Griesheim gelegenen Bahnhof und entführte potentielle Fahrgäste in Darmstadts Innenstadt.

Ende 1965 oder Anfang 1966 wurde aufgrund der zurück­gehenden Verkehrs­zahlen im Vorgriff auf die ohnehin beabsichtigte Schließung das zweite Streckengleis zwischen Goddelau-Erfelden und Griesheim abgebaut; ab dem 1. Dezember 1965 war nur mehr eingleisiger Betrieb vorgeschrieben. Die damalige Elektrifizierung der wichtigsten Verkehrs­wege hätte diesem Teil der Riedbahn vielleicht eine neue Chance geben können. Vor allem der Güter­verkehr von Mannheim und Worms in Richtung Osten führte über Darmstadt. Dennoch wurde die Instand­haltung der rund einhundert Jahre alten zwei­gleisigen Strecke, verbunden mit der Her­richtung für den elektrischen Fahr­betrieb, als zu teuer angesehen. Statt dessen wurde südöst­lich von Groß-Gerau eine eingleisige Verbindungs­kurve zwischen Riedbahn und Main-Rhein-Bahn geplant und gebaut.

Verbindungskurve bei Groß-Gerau.
Bild 2: Verbindungskurve bei Groß-Gerau von Klein-Gerau nach Dornberg. Oberhalb der Lok Fahrmasten der Riedbahn von Mannheim nach Frankfurt. Im Vordergrund die beiden Gleise der Main-Rhein-Bahn von Aschaffen­burg / Darmstadt nach Mainz.

Nach der Inbetriebnahme des Gleisbild­stellwerks in Groß Gerau am 19. Mai 1970 konnte diese Gleiskurve tags darauf für den Güterverkehr mit rund 20 bis 26 Güterzügen pro Tag freigegeben werden; dies läutete unwiderruflich das Ende des Griesheimer Riedbahn­astes ein. Am 26. September 1970 fuhr der letzte Personenzug von Goddelau-Erfelden nach Darmstadt. Der Güter­verkehr wurde noch einige Jahre länger zwischen Darmstadt und Griesheim als Rangierfahrt aufrechterhalten. Die Gleiskurve bei Groß-Gerau wurde beim Umbau des Bahnhofs Dornberg Mitte der 1990er Jahre neu verlegt.

Dennoch gab es nach 1970 weiterhin Personenzüge vom Ried nach Darmstadt und zurück. Ein Bedarf scheint auch nach der Strecken­schließung vorhanden gewesen zu sein. Im Winter 1970/71 wurden insgesamt sechs Zugpaare von Worms nach Darmstadt und zurück über die neue Verbindungs­kurve bei Groß-Gerau geleitet, im Sommer 1971 und im Winter 1971/72 waren es noch vier. Bis zu Beginn der 1900er Jahre verkehrten dann morgens zwei Züge nach Darmstadt, die am späten Nachmittag nach Worms zurück­geführt wurden. Bei den Zwischen­halten wurde experimentiert. Mal hielten einzelne oder alle Züge in Weiterstadt, Klein-Gerau, Dornheim und Leeheim-Wolfskehlen, mal nicht. Im Mai 1991 wurde der zweite Nachmittags­zug nach Worms gestrichen. Vier Jahre später, am 26. Mai 1995, endete auch diese Ära.

Nach 1970 wurden alle Gleisanlagen zwischen Griesheim und Goddelau-Erfelden derart gründlich abgebaut, daß es nur noch wenige Spuren dieser alten Strecken­führung gibt. Allenfalls im Luftbild läßt sich der genaue Verlauf dieses Teilstücks noch ersehen. (Spätestens) 1975 wurde das südliche (nach Darmstadt führende) Gleis zwischen Griesheim und Darmstadt abgebaut. Clever widmete die Bundesbahn das andere Gleis als Güter­anschlußgleis um und umging hiermit 1991 ein eigenes Stillegungs­verfahren. 1989 plante die Stadt Griesheim eine nördliche Umgehungs­straße und hätte den Bahn­übergang zur Riedbahn finanzieren müssen.

Deshalb bat Griesheims Bürger­meister Norbert Leber die Bundesbahn-Verantwortlichen um den Abbau auch des letzten Gleisstücks. Die Bundesbahn kam diesem Wunsch im Juli 1991 trotz eines kurzen öffentlichen Aufschreis nach. Seither existiert von der ehemals zweigleisigen Hauptbahn nur noch ein kurzes Gleisstück zwischen der zum Evonik-Konzern gehörenden Firma Röhm und der Main-Rhein-Bahn am Abzweig Bergschneise. Das zur Riedbahn gehörende Gleis vom Darmstädter Haupt­bahnhof zur Main-Rhein-Bahn wird heute von Regional­bahnen und Güterzügen von Darmstadt in Richtung Mainz und Wiesbaden genutzt.

Ergänzungen zu dieser Darstellung


Literatur


 
 
 
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