Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der alten Riedbahn.
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Stellwerk Hammelstrift.
Stellwerk Hammelstrift.
Viadukt an der Bergschneise.
Viadukt Bergschneise.
Bahnwärterhaus an der Hammelstrift.
Bahnwärterhaus.
Brücke am Wöhlerweg.
Überwerfung am Wöhlerweg.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Das Stellwerk an der Hammels­trift

Bilder aus Tagen, als es noch, aber ohne Funktion, gestanden hat

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darm­stadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Doku­mentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Strecken­abschnitt zwischen Darm­stadt und Goddelau. Die Geschichte der Riedbahn wird an anderer Stelle meiner Webseite ausführ­lich abgehandelt.

Das Stellwerk an der Hammelstrift verknüpfte die alte Gleis­kurve der Riedbahn mit der Verbindungs­bahn und der Main-Rhein-Bahn. Es wurde 1873/74 erbaut und nach Jahr­zehnten der Funktions­losigkeit im Dezember 2010 abgerissen.

»»  Der Ort des Stellwerks an der Hammels­trift ist auf dem Lageplan von 1906 mit der Sigle [⇒ E1] einge­zeichnet und auf OpenStreetMap hier zu finden.

Die Aufnahmen entstanden, sofern nicht anders angegeben, zwischen 2008 und 2010.


Das Stellwerk

Das Stellwerk an der Hammelstrift bot sich in den letzten Jahren seines Bestehens in einem herunterge­kommenen und trost­losen Zustand dar. Vom zwei­geschossigen Bau war das Unter­geschoß aufgrund des Bewuchses nur im Winter zu sehen. Aufbauten auf dem Grund­stück lassen darauf schließen, daß das Gelände zuletzt als Hundeabricht­platz genutzt wurde. Eigentümer des Grund­stücks war damals der benachbarte Chemie- und Pharma­konzern Merck.

Flurkarte.

Abbildung 1: Die Gleisanlagen an der Täubcheshöhle auf einer Darm­städter Flurkarte von 1905. Das Stell­werk befand sich ziemlich genau in der Mittre dieser Karte. Quelle: Stadt­archiv Darmstadt, Bestand 51 Nr. 132, Blatt 77. Diese Karte ist in besserer Auf­lösung auf der Webseite von Kristof Doffing zu finden.

Die Benennung nach der Hammels­trift ist darauf zurück­zuführen, daß dieser Weg im 19. Jahr­hundert nicht, wie heute, auf Kranich­stein beschränkt war. Er führte von Weiter­stadt am Nordrand der Darm­städter Gemarkung entlang bis nach Kranich­stein; und somit stand dieses Stell­werk an einem Weg, der heute Täubches­höhlenweg genannt wird.

Ausschreibung.
Abbildung 2: Aus­schrei­bung des Baus des Stell­werks an der Hammels­trift im Darm­städter Frag und Anzeige­blatt vom 29. April 1873 [online ulb darm­stadt].

Das Stell­werk an der Hammels­trift wurde im Zuge des Baus der Ver­bindungs­bahn 1873/74 errich­tet und dürfte bei deren Eröff­nung mit Beginn des Sommer­fahrplans am 1. Juni 1874 fertig­gestellt gewesen sein. Das Stell­werk war nur rund vierzig Jahre im Betrieb, bis es durch die Neuge­staltung der Bahn­anlagen beim Bau des neuen Haupt­bahn­hofs 1912 aus­rangiert wurde. Es diente anschlie­ßend anderen Bahn­zwecken und wurde zu einem unbe­kannten Zeit­punkt von Merck er­worben.

Auf Lage­plänen des 19. Jahr­hunderts ist dieses Stell­werk oftmals als „Hst.“ markiert. Dies bedeutet jedoch nicht, daß hier im regu­lären Personen­dienst auch Züge zum Ein- und Aus­steigen gehalten hätten. Ver­mutlich handelt es sich eher um eine Dienst­bezeich­nung für das Gebäude in seiner Funk­tion, nicht aber in seiner realen Nutzung. Hier bedeutete Halte­stelle, daß Züge vor Ein­fahrt in den nächsten noch belegten Ab­schnitt oder bei der Kreu­zung durch einen anderen Zug zu halten hatten. Schwie­riger ist die Frage zu beant­worten, ob der auch anzu­treffende Begriff einer Block­stelle tat­säch­lich eine Block­funktion bein­haltete, oder ob mit dem Stell­werk einfach nur die Weichen für die Strecken nach Darm­stadt, Worms, Mainz und Kranich­stein gestellt wurden.

Zum Stellwerk gehörte ein Haus für das Personal mitsamt Versorgungs­stall. Das Stell­werk stand weit außer­halb jeglicher Bebauung, und so war es, wie bei den frei stehenden Schranken­posten des 19. Jahr­hunderts, üblich, das Personal vor Ort einzu­quartieren. Wann es gebaut wurde, ist mir nicht bekannt. Dieses Wohnhaus war 2008, als ich erstmals dort vorbei­schaute, schon längst ver­schwunden.

Nr. 16131 A.
Mainz, den 26. Mai 1874.

Betreffend: Befahren der Verbindungs­bahn zwischen den Geleisen der Strecke Mainz-Darm­stadt und jenen der Strecke Darm­stadt-Aschaffen­burg.

An die Bahnhofs­verwaltung Darm­stadt, die Stations­verwaltungen Messel, Weiter­stadt und Kranich­stein, die Haltestellen­verwaltung Hammels­trift, sowie die Zug­personale der Strecke Mainz-Darm­stadt.

Vom 1. Juni l[aufenden] J[ahre]s ab wird die Verbindungs­bahn zwischen den Geleisen der Strecke Mainz-Darm­stadt und jenen der Strecke Darm­stadt-Aschaffen­burg dem Betriebe über­geben. Diese Verbindungs­bahn, welche nur von Güter­zügen benutzt wird, zweigt zwischen Weiter­stadt und Darm­stadt an der Station Hammels­trift und zwischen Darm­stadt und Messel an der Station Kranich­stein von der Hauptbahn ab. Die directen Güter­züge zwischen Bischofs­heim und Aschaffen­burg und in umge­kehrter Richtung fahren nicht mehr in den Bahnhof Darm­stadt ein, sondern befahren aus­schließlich die Verbindungs­bahn.

Sobald ein in der Richtung nach Aschaffen­burg fahrender Güterzug die Station Weiter­stadt verläßt, stellt, zur Deckung der Ueber­kreuzung, der Beamte in Hammels­trift die an dem Viaduct der Main-Neckar-Bahn aufgestellte Scheibe und setzt gleich­zeitig das Schellen­werk in Bewegung, welches im Bahnhofe Darm­stadt so lange zu ertönen hat, bis der letzte Wagen des Güter­zuges die Ueber­kreuzung über­schritten hat. Während dieser Zeit darf in Darm­stadt kein Zug in der Richtung nach Weiter­stadt abgelassen werden.

Zur Deckung der Ueber­kreuzung bei Kranich­stein wird von dem Beamten daselbst die in der Richtung nach Messel aufgestellte Scheibe gezogen, sobald ein Güterzug von Kranich­stein in dieser Richtung abzufahren hat.

Die Locomotiv­führer sind angewiesen, genau auf diese Signale zu achten, und bei der Fahrt gegen die Weichen­spitzen, die bei Nicht­gebrauch ver­schlossen gehalten werden müssen, die Geschwindig­keit zu mäßigen. Die Bahnhofs­verwaltung Darm­stadt hat den Gang der die Verbindungs­bahn befahrenden Güter­züge zu beobachten, um eine Collision mit anderen Zügen zu vermeiden.

Der Ober-Betriebs-Inspector:
Bittong.

Eines Tages kam ich mehr zufällig am Stellwerk vorbei und fand aufgrund von Garten­arbeiten das Tor zum Gelände offen vor. Das ermöglichte mir einige neugierige Blicke …

Die Fenster waren zugemauert und ein Versuch, den Einsturz der Dachkon­struktion zu verhindern, war augen­scheinlich. Der seitliche Anbau diente einst als stilles Örtchen. Eine Renovierung wäre wohl nur mit erheblichem Aufwand möglich gewesen. Weshalb dieses historische Gebäude Ende 2010 abgerissen wurde.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 3: Ansicht des Stell­werks an der Verbindungs­bahn.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 4: Ansicht des Stell­werks vom vorbei­führenden Weg.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 5: Der Eingang in das obere Stockwerk.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 6: Innenansicht.

Stellwerk Hammelstrift.

Bild 7: Abort.

1955 hieß der heutige Täubches­höhlenweg wohl noch Hammel­strift. Das ehemalige Stell­werk Hammels­trift diente nunmehr als Werk­statt der Signal­meisterei. Daneben mit der Haus­nummer 7 stand ein Wohnhaus, das – wie ein Luftbild aus dem Jahr 1927 zeigt – vermutlich drei­geschossig gewesen ist. Es soll später abgebrannt sein. Darm­städter Adress­bücher zu Ende des 19. Jahr­hunderts weisen der „Halte­stelle Hammels­trift“ die Haus­nummer 7 des Sensfelder­weges zu.

Planausschnitt.

Abbildung 8: Lageplan der Deutschen Bundes­ahn von 1955. Das einstige Stell­werk ist mit „S“ und das angren­zende Bahn­wärterhaus mit „B“ bezeichnet.

Das Bahnwärterhaus

Westlich des Stellwerks befand sich ein Bahnwärter­haus mit zwei angrenzenden Ställen; es trug die Hausnummer 6, die bis zum Abriß an der Hauswand zu erkennen war. Der Bahnwärter sicherte den Übergang des Sens­felder Weges von Darmstadt in den Westwald.

Bahnwärterhaus Hammelstrift.

Bild 9: Das Bahnwärter­haus mit einem der beiden Ställe.

Bahnwärterhaus Hammelstrift.

Bild 10: Das Bahnwärter­haus mit dem anderen Stall.

Bahnwärterhaus Hammelstrift.

Bild 11: Der zugehörige Stall.

Bahnwärterhaus Hammelstrift.

Bild 12: Die Hausnummer 6.

irgendwann wurde der Wegüber­gang durch ein Drängel­gitter ersetzt, das für Fahr­räder und erst für solche mit ange­hängtem Kinder­wagen äßerst unpraktisch ist. Ich habe es mehrfach erlebt, wie die Radfahrer­innen und Radfahrer wahre Klimmzüge machen mußten, um ums Eck zu kommen.

Mitte der 2010er Jahre wurde auf dem Gelände des Stellwerks und desr Bahnwärter­hauses eine Tauben­station eingerichtet, die dumme Tauben einfangen soll, die sich ver­sehentlich vom dort ausgestreuten Futter haben ködern lassen, anstatt in der Innen­stadt ihrem Brot­erwerb nachzugehen. Daß Tauben doch nicht so dumm sind, wie manche Planer meinen, zeigt sich daran, daß selbiger Tauben­schlag zufälliger­weise immer dann, wenn ich dort vorbei­gekommen bin, gähnend leer war. Was ich von dieser städtischen Tauben­politik halte, habe ich an anderer Stelle aufgeschrieben.

Drängelgitter.

Bild 13: Der durch ein Drängelgitter abgesicherte Bahnübergang im Januar 2011.

Taubenschlag.

Bild 14: Der Taubenschlag im September 2015.