Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Rangierfahrt
auf der Riedbahn.
Hauptbahnhof.
Hauptbahnhof.
Wasserturm.
Wasserturm.
Denkzeichen Güterbahnhof.
Denkzeichen
Güterbahnhof.
Bahnhofstafel.
Museumsstück.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Die Bekohlungs­anlage des Bw Darmstadt 1940

Ein Dokument der Kriegs­wirtschaft

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten vor allem der Strecken­abschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

Darmstadt entschied sich 1933 eindeutiger als der Reichs­durchschnitt für die Nazis. Schnöde wirt­schaftliche Interessen trieben den ohnehin vorhandenen Anti­semitismus voran. Die Technische Hochschule, das Landestheater, staatliche und städtische Behörden und andere Einrichtungen wurden umgehend von Jüdinnen und Juden und anderen, die man und frau für solche hielt, gesäubert. Die Stellen wurden von interessierten nichtjüdischen Deutschen eingenommen. Geschäfte und Firmen wurden arisiert, auch hier gab es handfeste materielle Interessen. Schikanen aller Art nahmen zu und in der Reichs­pogromnacht wurden die beiden Darmst­ädter Synagogen zerstört. Und schon bevor vom Darmstädter Güter­bahnhof aus die Todes­transporte nach Auschwitz und anderen Orten abgingen, fanden die Nazis, ihre Schergen und Sympathisantinnen Mittel und Wege, auch vor Ort jüdische Arbeitskräfte für den deutschen Endsieg schuften zu lassen. Ein Dokument aus dem Jahre 1940, dessen Kenntnis ich Klaus Hopf verdanke, weist auf einen derartigen Arbeits­einsatz für die Reichsbahn im Darmstädter Bahn­betriebswerk nördlich des Haupt­bahnhofs hin.

Die Genehmigung erfolgte am 19. Oktober 1940 durch Abt. III 34, 34 M Mainz 34. Interessant ist das Schreiben jedenfalls aus zwei Gründen; erstens wegen der Erweiterung der Anlagen des Bw Darmstadt unter den Bedingungen einer Kriegs­wirtschaft und zweitens aufgrund des hierin erwähnten Arbeits­einsatzes von Juden, der gewiß nicht freiwillig abgeleistet worden sein wird. Spätestens ab 1942 bedeutete die Nichtverwend­barkeit für jedwede Arbeit für Jüdinnen und Juden das Todesurteil.

Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden Zwangs­arbeiterinnen und Kriegs­gefangene verschiedener Nationalität nicht nur bei der Rüstungs­produktion Darmstädter Unternehmen eingesetzt, sondern auch bei der Reichsbahn im Lokomotiv­ausbesserungswerk am Dornheimer Weg, im Wagen­ausbesserungswerk auf der Knell, in der Bahn­meisterei Darmstadt-Nord und im Reichsbahn­betriebsamt.


Das Dokument

Briefkopf.

Abbildung 1: Briefkopf des Schreibens vom 14. Oktober 1940.

Die Kohlenausgabe beim Bw Darmstadt ist von rd 90 t/Tag im Jahre 1937 auf 130 t/Tag im Jahre 1938 und rd 150 t/Tag im Jahre 1939 gestiegen, ebenso der Anfall an Schlacke und Lösche von 8,5 t/Tag auf 12 bezw 15 t/Tag. Es handelt sich hierbei nur um die Durchschnittswerte, während die Spitzenleistungen etwa 180 t/Tag betragen. Da die vorhandenen Bekohlungs- und Schlacken­verladeanlagen bei diesen Leistungen bis weit über ihre Leistungsfähigkeit überlastet sind, treten trotz erheblicher Personalvermehrung teilweise große Stockungen in dar Lokomotivbehandlung auf, die zu beträchtlichen Zugverspätungen führen, zumal der Anfall an zu behandelnden Lok stoßweise auftritt.

Dazu kommt, daß einer jetzt nahezu gleichbleibenden Kohlenausgabe heute ein vollständig unregelmäßiger Zulauf an Kohlenwagen gegenübersteht. Da aber bei dem ständigen Wagenmangel die Kohlenwagen am Tage des Einlaufs restlos entladen werden müssen, ergibt sich bei dem erheblichen Kohlenumschlag eine außerordentlich unwirtschaftliche Arbeitsweise. Bei dem augenblicklichen Mangel an Arbeitskräften läßt sich die Forderung nach Entleerung der Wagen fast überhaupt nicht, jedenfalls aber nur unter ganz erheblichem Kostenaufwand für Unternehmerarbeiter erfüllen. So wurden von dem Maschinenamt Darmstadt allein in den Monaten Januar und Februar dieses Jahres für das Entladen von Kohlen durch Unternehmer rd 7500.– RM verausgabt, nachdem der im Vorjahr versuchte Einsatz von Juden und Strafgefangenen zum Ausladen der Kohlen nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat. In den Sommermonaten waren aber auch Unternehmerarbeiter infolge des ansteigenden Bedarfs in der Bau- und übrigen Industrie bei dem sich jetzt auswirkenden Mangel an Arbeitskräften nicht mehr zu erhalten, sodaß die erheblichen Wagenstillstände in Kauf genommen werden mußten.

Bei der Erneuerung der Lokomotivbehandlungsanlage Darmstadt, die bereits im Jahre 1937 begonnen, aber infolge der bekannten Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Oberbaustoffe und Arbeitskräfte erst in diesem Jahre fertiggestellt werden kann, ist bereits im Entwurf die Schaffung einer neuzeitlichen Bekohlungsanlage vorgesehen. Es sollte allerdings mit Rücksicht auf die damalige Leistung von 90 t/Tag die vorhandenen Krane zunächst in der neuen Anlage Verwendung finden und die Beschaffung einer Bekohlungsanlage dann später erfolgen. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist es jetzt unbedingt erforderlich, eine den Anforderungen entsprechende mechanische Bekohlungsanlage zu schaffen, damit die andauernden Schwierigkeiten und Störungen abgestellt und eine sichere und pünktliche Betriebsabwicklung beim Bw Darmstadt gewährleistet ist.

Zu diesem Zwecke wurde bereits versucht, aus vorhandenen Beständen unter möglichst geringem Kostenaufwand eine zweckentsprechende Anlage zu schaffen. Dieser Versuch mußte aber aufgegeben werden, da es sich herausgestellt hat, daß selbst die einfachste Behelfsanlage immerhin einen Aufwand von etwa 60 % des Beschaffungspreises für eine neue und moderne Bekohlungsanlage erfordert. Es ergibt sich dies hauptsächlich infolge der notwendigen Wiegeeinrichtung, die einen beträchtlichen Teil des Beschaffungspreises ausmacht und in beiden Fällen neu beschafft werden muß. Außerdem muß für die Behelfsanlage eine verhältnismäßig hohe Kennziffer bereitgestellt werden, da die Ermittlungen ergeben haben, daß die Herstellung der Behelfsanlage aus den vorhandenen Beständen nicht möglich ist, sondern durch eine Privatfirma erfolgen müßte.

Es ist daher eine den Anforderungen entsprechende neuzeitliche Anlage unter verschiedenen Firmen ausgeschrieben worden. Bei der Ausschreibung war die Firma Gebr Scholten, Duisburg [1] Mindestfordernde, und zwar hat sich die von der Firma in dem beigefügten Angebot dargestellte Lösung als die den Verhältnissen in Darmstadt am besten Rechnung tragende erwiesen. Das Angebot erbitten wir nach Einsichtnahme zurück. Es ist beabsichtigt, der Firma den Auftrag auf Lieferung und Aufstellung der Anlage in der angebotenen Ausführung zu erteilen, jedoch vorläufig ohne die Vorratsbunker, die später jederzeit nachbestellt werden können. Die Anordnung der Bekohlungsanlage, die auch gleichzeitig zur Verladung der Schlacken verwendet werden soll, im Rahmen der gesamten Lokbehandlungs­anlagen ist aus dem beigefügten Lageplan zu ersehen. Bei der Ausführung der Anlage wären noch die in der Vfg vom 7.9.1940 – 31 Ma 28 – betr Beschränkung der Bauarten bei Kohlenladekranen usw – erwähnten Punkte zur Vereinheitlichung zu berücksichtigen, was aber die sofortige Bestellung der Anlage mit Rücksicht auf die heutigen beträchtlichen Lieferfristen nicht hindert, zumal die Änderungen nur von geringem Einfluß auf die Preisgestaltung sind. Die Firma hat bei sofortiger Auftragserteilung eine verhältnismäßig günstige Lieferzeit von 14 Monaten nach Erhalt der Kennziffer zugesagt. Bei umgehender Genehmigung unseres Antrags wäre es noch möglich, der Firma für den größten Teil der erforderlichen Stahlmenge noch eine Kennziffer für das IV. Quartal 1940 bereitzustellen, sodaß mit der Anlieferung der Anlage bis zum Ende des nächsten Jahres gerechnet werden könnte. Die Kosten für die Beschaffung der Anlage und deren Aufstellung in dem oben beschriebenen Umfang betragen nach dem anliegenden Angebot der Firma Scholten 70.000,– RM und wären bei Kap 3 der Vermögensrechnung zu bestreiten. Da nach den Zahlungsbedingungen des Deutschen Stahlwerksverbandes, um deren Anerkennung die Firma mit Rücksicht auf die heutigen Verhältnisse bittet, 1/3 des Preises bei der Bestellung zu zahlen ist, würden in diesem Jahre Jahre noch 23.000,– RM an Barausgaben entstehen, während für den Restbetrag eine Bindungsermächtigung für das Jahr 1941 erforderlich wäre. Die Mittel (auch die Bindungsermächtigung) können aus dem zugewiesenen Pauschbetrag bei der genannton Verrechnungsstelle bestritten werden.

Da die Frist für die Erteilung und Unterbringung der Kennziffern für das IV. Quartal 1940 am 20. d M abläuft, bitten wir

um möglichst telegrafische Genehmigung der Beschaffung der Bekohlungsanlage für das Bw Darmstadt nach dem Angebot der Firma Scholten, Duisburg, damit der Firma noch eine Kennziffer für das IV. Quartal 1940 erteilt werden kann.

[Unterschrift]


Die Umgebung

Kartenausschnitt.

Abbildung 2: Ausschnitt aus einem verzerrten Bundesbahn-Übersichts­plan des Darm­städter Haupt­bahnhofs von 1958, hier die Lok­schuppen und Bekohlungs­anlagen. Der Plan ist geostet.