Bahnhofsbild.
Der Bahnhof in Seitschen
Walter Kuhl
Der Bahnhof von Seitschen.
Der Bahnhof.
Ein Schuppen am Bahnhof von Seitschen.
Ein Schuppen.
Die Bahnhofsrestauration.
Die Bahnhofsrestauration.
Bewegung im Bahnhof.
Auf der Durchreise.
Alte Ansicht.
Wie es einmal war.

Der Bahnhof in Seitschen.

1846 eröff­nete die Säch­sisch-Schlesi­sche Eisen­bahn­gesell­schaft die Station Seitschen (sorbisch: Žičeń) an der Strecke von Dresden nach Gör­litz. 160 Jahre später ver­ließ der letzte Fahr­dienst­leiter das Stations­ge­bäude, einige Jahre später wurde es auf einer Auktion in Dresden ver­steigert.

Der ZVON plant die Ausdünnung der kleinen Stationen

Einige kritische Anmerkungen

Anfang 2017 legte der ZVON (für die Auswärtigen: Zweckverband Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien, gesprochen „zwon“) den Entwurf für eine Fortschreibung des Nahverkehrsplans vor. Hierin wurde die Straffung des Bus- und schienengebundenen Verkehrs in Hinsicht auf Kosteneffizienz evaluiert. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen besteht in einer weiteren Abkopplung der Fläche. Die kleineren Stationen entlang der Strecke von Dresden nach Görlitz bzw. Zittau, so auch Seitschen, sollen mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2019 durch weniger Triebwagen bedient werden, um Ressourcen für weitere Schnell­verbindungen zwischen den größeren Orten zu schaffen. Die Betroffenen zeigten sich wenig begeistert und übten zu Recht harsche Kritik.

Der nachgebesserte Entwurf des Nahverkehrs­plans lag vom 10. bis zum 27. November 2017 aus. Die Onlinefassung (siehe unter „Literatur“) ist auf der Webseite des ZVON nach mehrmaligem Durchklicken zu finden. Schriftliche Stellungnahmen sind bis zum 11. Dezember 2017 an den ZVON in 02625 Bautzen, Rosenstraße 31, zu richten.

Nachtrag: Es kam dann so manches anders als gedacht. Die Proteste gegen die Ausdünnungsgelüste waren teilweise erfolgreich.

Blühende Landschaften, Landflucht und viele Pläne

Seit der Eingliederung der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik in die Bundesrepublik Deutschland hat eine enorme Westwanderung stattgefunden. Nicht Republikflucht, sondern die Suche nach einem besseren Leben hat viele Menschen veranlaßt, ihr Glück dort zu suchen, wo Arbeitsplätze, höhere Löhne, bessere Lebensbedingungen und ein anderes gesellschaftliches Klima vorhanden waren und sind – als im Osten der Republik. Die mit der Abwicklung der DDR verbundene Deindustrialisierung („Abwicklung“) hat diesen Trend unterfüttert, und die versprochenen „blühenden Landschaften“ waren auch nicht das, was man und frau sich erhofft hat. Gewiß, es gibt viele neue gut ausgebaute Straßen, Neubausiedlungen, restaurierte Innenstädte und jede Menge Konsum­möglichkeiten. Aber es gibt auch vieles nicht mehr, was die DDR ausgezeichnet hat, gerade im sozialen Bereich.

Während Dresden und Leipzig nach einigen Jahren großer Bevölkerungsverluste inzwischen in etwa wieder so viele Bewohnerinnen und Bewohner zählen wie 1990, ist dies in anderen, kleineren Städten nicht der Fall. Bautzen und Görlitz haben etwa ein Viertel ihrer Bevölkerung verloren, und in einzelnen Gemeinden der Oberlausitz sind es gar ein Drittel und mehr. Vor Ort kann man oder frau den Eindruck gewinnen, daß ganze Alterssegmente deutlich unterrepräsentiert sind. Während in Göda (mitsamt dem Ortsteil Seitschen) in den 1990er Jahren fast gleichbleibend etwa 3.500 Menschen lebten, sind es nunmehr nur noch rund 3.100. In Sachsen ist das Durchschnittsalter der Bevölkerung von 1990 bis 2015 um sieben Jahre gestiegen, welches in den Landkreisen Bautzen und Görlitz noch über dem sächsischen Durchschnitt liegt. [1]

Die angesprochenen „blühenden Landschaften“ bestehen, wie im Westen auch, zu einem gewissen Teil aus asphaltierter Fläche. Straßen und Autobahnen wurden seit 1990 in großem Umfang neu- oder ausgebaut, während das Schienennetz drastisch geschrumpft wurde. Eisenbahnstrecken, etwa von Bautzen nach Hoyerswerda, von Bautzen nach Wilthen, die reizvolle Strecke durch das Cunewalder Tal oder von Löbau nach Ebersbach, wurden entweder gänzlich entsorgt, begrünt und/oder zu Radwegen verplant (eine blühende Landschaft halt) oder stehen allenfalls für sporadischen Güterverkehr oder Sonderfahrten zur Verfügung. Das Potential für einen leistungsfähigen, modernisierten Personenverkehr wurde, weil als zu teuer befunden, zum Teil irreversibel zerstört. Manche derartige Trasse, etwa von Bautzen nach Hoyerswerda, wäre heute, unter veränderten Gesichtspunkten, durchaus sinnvoll wieder nutzbar. Statt dessen müssen unattraktivere Busleistungen den Bedarf auffangen. Die nach 1990 getroffenen Entscheidungen mögen kurzsichtig erscheinen; sie entsprechen aber einem Zeitgeist, der die Gebiete der ehemaligen DDR der westdeutschen Automobil­industrie erschließen sollte.

Zuglaufschild.
Abbildung 1: Zuglaufschild eines Interregio von Görlitz nach Dresden. [2]

Die Orientierung auf den privaten Automobilverkehr korrespondiert mit einem gerade im ländlichen Bereich eingeschränkten Angebot eines attraktiven öffentlichen Nahverkehrs. Gerade die abgelegeneren Orte sind nur durch sporadisch fahrende Angebote erschlossen; Schulbusse oder Rufbusse bieten nur einen mangelhaften Ersatz. Dies ist politisch so gewollt und wird durch vermeintliche Sparzwänge gerade bei als unattraktiv angesehenen Verbindungen untermauert. Glücklicher kann sich eine Gemeinde schätzen, die über eine Bahnstation verfügt, die regelmäßig angedient wird.

Der hier nur ansatzweise skizzierte Rahmen setzt die Parameter für einen halbwegs effektiven öffentlichen Personenverkehr. Dabei bleibt erst einmal unberücksichtigt, daß die ehemalige Fernverkehrsstrecke von Dresden nach Görlitz (und darüber hinaus nach Polen) seit 2004 von Fernzügen abgehängt wurde. Seither verkehren nur noch Regionalexpresse als schnellstes Verkehrsangebot.

Im Juni 2003 schlossen Polen und Deutschland einen Staatsvertrag, der die Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen Dresden und Wrocław  / Breslau vorsieht. Der Ausbau dieser Strecke mitsamt der Ertüchtigung auf 160 km/h ist bei den aktuellen Vorgaben für den Bundes­verkehrswegeplan 2030 allenfalls als potentieller Bedarf vermerkt. Aus der Region hagelte es deswegen Kritik, auch wenn ein wirklicher Bedarf nur schwer festzumachen ist. Zwar ist es richtig, daß die Diesel­triebwagen, die beide Großstädte miteinander verbinden, mit dreidreiviertel (Richtung Dresden) bzw. knapp vier Stunden (Richtung Wrocław) gefühlt ewig lange unterwegs sind. Doch ein Potential für den entsprechenden Ausbau wäre nur dann abzusehen, wenn erstens der Personenverkehr deutlich ausgeweitet werden würde, eventuell verbunden mit einem S-Bahnbau von Dresden-Klotzsche nach Kamenz, Bischofswerda und/oder Bautzen, und zweitens diese Relation für den Güterverkehr genutzt würde. [3]

Bahnhof Horka.

Bild 2: Das massive Stationsgebäude in Horka wird von der Betonfahrbahn verdeckt, die ab 2019 dem Güterverkehr zwischen Deutschland und Polen dienen soll. Die Masten für die Elektrifizierung müssen noch gepflanzt werden. Aufnahme vom April 2017.

Letzteres erscheint trotz des massiv zunehmenden LKW-Verkehrs auf der parallel verlaufenden Autobahn A 4 zweifelhaft. Derzeit ist rund 50 Kilometer weiter nördlich der zweigleisige, elektrifizierte Ausbau der Magistrale von Halle/Leipzig über Hoyerswerda und Horka zur polnischen Grenze im Gang. Zudem zentralisiert die Deutsche Bahn AG ihre Güterlogistik von Dresden weg nach Halle. Das dortige Schienengüter­verkehrszentrum soll seinen Regelbetrieb 2018 aufnehmen. Ein tatsächlicher Bedarf, der eine solche zweite, weiter südlich verlaufende Güterzugstrecke rechtfertigen würde, ist schwer erkennbar.

Der S-Bahnbau auf der Görlitzer Strecke ist nicht mehr als ein Planspiel und müßte zudem die Hürde einer standardisierten Bewertung der Wirtschaft­lichkeit und Notwendigkeit nehmen. Wäre die S-Bahn eine Umgehungsstraße, dann würden Politiker und andere autogerechte Fachleute sie rechnerisch schönreden und in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrs­wegeplans unterbringen.

Immerhin hat die Deutsche Bahn AG im Frühjahr 2017 im Amtsblatt der Europäischen Union Architektur- und Ingenieursleistungen zur Elektrifizierung und zum Ausbau der Strecke ausgeschrieben. Diese Leistungen sollen in den kommenden zwei Jahren erbracht werden. Es handelt sich hierbei um die Fortführung von Planungen einer 2015 erfolgten Grundlagenermittlung, für die das Land Sachsen mit sieben Millionen Euro in Vorlage getreten ist [4]. Doch ohne die Aufnahme in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrs­wegeplans ist an einen Baubeginn nicht zu denken. Realistisch betrachtet wäre, selbst wenn die Strecke die Aufstufung zum vordringlichen Bedarf schaffen würde, frühestens in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre mit dem Bau zu rechnen. Bis dahin dieseln die Triebwagen von Trilex, ODEG und Deutscher Bahn AG. Dies ist eine realistische Vorgabe, an der sich jede Planung orientieren muß. Die Neuvergabe des hier interessierenden Ostsachsennetzes II ist für den Zeitraum 2019 bis 2031 geplant; hierfür sollen zwei neue Triebwagen zur Verfügung gestellt werden. [5]

Die Elektrifizierung und die Erhöhung der Strecken­geschwindigkeit würden zweifellos die Fahrzeiten insbesondere der Regional­expresszüge vermindern. Würden spurtstarke Elektro­triebwagen angeschafft werden, käme die Fahrzeit­verkürzung auch dem Nahverkehr zugute. Ob eine Elektrifizierung wirklich ökologischer wäre als der derzeitige Betrieb mit Diesel­triebwagen, wäre noch genauer zu untersuchen. Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose, sondern wird auch weiterhin zu einem erheblichen Teil aus Lausitzer Braunkohle oder Atomkraftwerken gewonnen werden. Hier ist der ökologische Nutzen zu verneinen. 2011 wurde noch knapp die Hälfte des Bahnstroms aus Kohle gewonnen, weitere knapp 20 Prozent waren Atomstrom [6]. Der Anteil erneuerbarer Energien mag sich seither erhöht haben, doch weiterhin wird wohl die Hälfte des Bahnstroms aus Energieträgern gewonnen werden, die nicht nur unökologisch, sondern in Förderung, Nutzung und Entsorgung auch hochgiftig bzw. radioaktiv sind. Diesel aus Erdöl ist allerdings auch keine wirkliche Alternative.

Optimieren heißt Streichen

Der im Januar 2017 vorgestellte Entwurf des neuen ZVON-Nahverkehrsplans stieß vor allem aufgrund der vorgesehenen Schlechterstellung der kleineren Stationen entlang der Eisenbahnstrecke von Görlitz über Bautzen nach Bischofswerda auf Protest. Nicht nur die Bürgermeister der betroffenen Ortschaften meldeten sich zu Wort. In den drei Seitschener Ortsteilen (offiziell sind es nur zwei, aber die Bahnhofs­siedlung ist von den beiden anderen Teilen durch mehrere hundert Meter Feld und Wiesen getrennt) manifestierte sich der Protest in einer Unterschriftsaktion, die großen Wiederklang fand [7]. Diese Proteste führten dazu, daß Michael Harig im Juni 2017 für den Verkehrsverbund erklären mußte, den Plan überarbeiten zu lassen und ihn dann neu auszulegen.

„Die Betroffenen erhalten nun zunächst noch einmal die Möglichkeit, bei den Fachleuten vorzusprechen und ihre Bedenken ausführlich zu begründen.“ [8]

Das hier eingeführte Narrativ sieht auf der einen Seite die Experten und auf der anderen die Bedenken­träger und -trägerinnen. Da die beiden Begriffe positiv bzw. negativ beladen sind, können wir uns vorstellen, wie dieser „Dialog“ verlaufen soll. Die Fachleute treten mit ihren Expertisen denjenigen entgegen, die nicht mit Vernunft, sondern emotional den gut durchdachten Plänen begegnen. Diese emotional aufgeladene Situation gilt es nun, mit wohl­abgewogenen Sachargumenten zu beschwichtigen, den Gehalt des damit verbundenen Anliegens zu entkräften und den Plan bürokratisch-formal korrekt umzusetzen. Wenn es paßt, werden Anregungen aufgenommen, etwa in Bezug auf barrierefreien Zugang zu den Verkehrsmitteln. Wenn nicht, dann werden die Bedenken mit angeblichen Wohltaten gekontert, die mit dem Anliegen gar nichts zu tun haben; etwa mit dem PlusBus-Konzept.

Der Anlaß für den Unmut entlang der Strecke findet sich in folgender Passage:

„Das Angebot im Ostsachsennetz mit zwei sich überlagernden schnellfahrenden Express- und zwei alle Unterwegsstationen bedienenden Linien sowie einer Verstärkerlinie zwischen Görlitz und Bischofswerda bleibt bestehen. Letztere soll jedoch im Gegensatz zum aktuellen Fahrplan deutlich weniger Halte bedienen und als Regionalexpress bezeichnet werden.“ [9]

Soll heißen: (nicht nur) den Stationen Breitendorf, Pommritz, Kubschütz, Seitschen und Demitz-Thumitz würde montags bis freitags die Hälfte der Halte weggenommen. Die vorgesehene Streichung der ODEG-Zwischentakter an Samstagen scheint nicht bedarfsorientiert zu erfolgen, sondern dürfte der Umschichtung einzelner Fahrleistungen im Gesamtpaket geschuldet zu sein. So weist der Planentwurf zwar auf einen Rückgang der Streckenbelegung an Samstagen um etwa 7 % hin. Eine Aufschlüsselung nach einzelnen Fahrtrelationen erfolgt jedoch nicht, so daß nicht bewertet werden kann, ob die Zwischentakter tatsächlich entbehrlich sind. Erstaunen mag zudem, daß an Sonntagen zusätzliche RE-Leistungen eingeplant werden, obwohl sonntags sogar 18 % weniger Reisende gezält wurden als an Werktagen. Bemerkenswert ist, daß im ersten Entwurf vom Januar 2017 diese Streichung an Samstagen keine Erwähnung findet. Man und frau muß sie schon zufällig bei der Betrachtung des im Mai/Juni 2017 nachgeschobenen Fahrplanentwurfs entdecken. Transparenz ist etwas Anderes. [10]

Gehalten werden soll dann an den genannten kleineren Stationen nur noch alle zwei Stunden, wie derzeit an Sonntagen. Welche Auswirkungen eine derart drastische Maßnahme, die durch keinerlei realistische Alternative kompensiert werden soll, für Pendlerinnen, Schüler oder Ausflüglerinnen haben wird, dürfte klar sein: die Nutzung der jeweiligen Stationen wird sich vermutlich nicht nur halbieren, sondern wird noch weiter zurückgehen. Eine nur alle zwei Stunden erfolgende Anbindung des jeweiligen Ortes ist gerade für zeitlich eher unflexible Nutzerinnen- und Nutzergruppen ein verheerendes Signal.

Menschenansammlung.

Bild 3: Derartige Schulausflüge mit Schülerinnen und Schülern sind bei eingeschränktem Verkehrsangebot zukünftig nur noch schwer planbar. Die möglichen Zeitfenster in einer durchgetakteten Gesellschaft sind dann einfach unpassend. Aufnahme vom Juni 2017.

Dies war den Autorinnen und Autoren des Planentwurfs durchaus bewußt; der Verlust von Fahrgästinnen und Fahrgästen wird geradezu mit einkalkuliert:

„Zuküftige Veränderungen im Leistungsangebot positive – z. B. zusätzliche Expressverbindungen in und aus Richtung Dresden – wie negative – z. B. Leistungsreduzierungen – werden direkten Einfluss auf die Nachfrage nehmen.“ [11]

Mehr noch, mit der Einführung eines zukünftig nur noch zweistündig verkehrenden Angebots fällt der ZVON hinter den Erkenntnisstand der Fortschreibung seines Nahverkehrsplanes von 2010 zurück. Dort hatte man noch festgestellt:

„Der entscheidende Erfolgsfaktor für ein stabiles Aufkommen an kleinen Haltepunkten in dünn besiedelten Räumen […] ist das stündliche Fahrtenangebot im Regionalverkehr. Liegt eine zweistündliche Regelbedienung vor, etwa aufgrund einer RE-/RB-Konstellation wie auf der KBS 235 [Bischofswerda – Zittau, WK], so sollte zumindest geprüft werden, inwieweit zusätzliche RE-Halte das SPNV-Aufkommen an einigen Stationen auf ein stabileres Niveau heben könnten, welches den Orten und deren (meist größeren) Einzugsgebieten und -potentialen angemessen ist. Dies gilt umso mehr für Fälle, wo flankierende Infrastruktur­maßnahmen wie z. B. die Einrichtung von Schnittstellen SPNV/ÖSPV bereits umgesetzt worden sind.“ [12]

Gerade für die Stationen Seitschen und Kubschütz wurden 2010 durch die stündliche Anbindung weitere Potentiale erkannt [13]. Obwohl es die drei Seitschener Ortsteile auf gerade einmal dreihundert Bewohnerinnen und Bewohner bringen, so ist die Station auch für weitere Dörfer der Umgebung relevant, insbesondere für Brösang und Gaußig. Schon deswegen wären im Falle von Seitschen wünschenswerte flankierende Maßnahmen durchaus überlegenswert, etwa eine Minibus-Durchmesserlinie, die paßgenau die Station Seitschen durchschneidet und die Dörfer zwischen Göda und Gaußig anbindet. Der Parkplatz an der Südseite könnte um weitere Stellplätze ausgebaut und besser befestigt werden, denn bei Regen bilden sich dort größere Pfützen, bei Eis hingegen ist er kaum zu befahren. Auch der Fahrradständer sollte durch ein zweites Modul aufgebessert werden. Dann hätte die Station Seitschen durchaus der Potential, auch mehr als einhundert Pendlerinnen, Schüller und Ausflügler pro Tag zu gewinnen. Durch den Wegfall der Parkfläche und des Fahrradständers auf der Nordseite nach dem Verkauf des ehemaligen Bahnhofsgebäudes besteht hier ein erhöhter Bedarf, zumal jetzt schon in einzelnen Monaten an Werktagen bis zu zehn Kraftfahrzeuge und zehn Fahrräder auf engem und wenig einladendem Raum abgestellt werden.

Park-and-ride in Seitschen.

Bild 4: Park and ride in Seitschen. Die Kapazitäten sind an manchen Tagen ausgereizt. Aufnahme vom April 2017.

Grundlage ist jedoch ein attraktives Angebot, weil es Zuspruch findet. Zu den erfolgreichen Maßnahmen und Potentialen führte der Nahverkehrsplan von 2010 für die Görlitz – Dresdener Bahn treffend aus:

„Hier konnte u. a. mit einem stündlichen Fahrtenangebot der RB 60 / 60V (seit 2008/09 OE 60V) erreicht werden, dass kleine Halte in an sich siedlungsschwachen Räumen, wie Gersdorf und Pommritz aber auch Weickersdorf, immerhin auf mehr als 50 bis knapp 100 Ein- und Aussteiger/Tag kommen und damit in ihrem Bestand nicht in Frage zu stellen sind. Im Vergleich zu diesen Haltepunkten sind Potentiale u. a. für die Stationen wie etwa Kubschütz und Seitschen zu konstatieren.“ [14]

Im Umkehrschluß bedeutet das bewußte Torpedieren dieser früheren Erkenntnis, daß die ZVON-Verantwortlichen gewillt sind, die kleinen Stationen entlang der Strecke mittelfristig aufzugeben. Die vollständige Umwidmung einzelner Stationen in Bedarfshalte zum Dezember 2016 kann durchaus als ein Schritt in diese Richtung gesehen werden [15]. Wenn wir zudem bedenken, daß beispielsweise Seitschen schon jetzt nur durch die beiden unregelmäßig verkehrenden Schulbuslinien 175 und 176 zusätzlich angebunden ist, bedeutet dies das gezielte Abkoppeln von als überflüssig angesehenen entlegenen Dörfern.

Mit welchem Sachverstand der ZVON seine Aufgaben betreibt und bewertet, mag eine weitere Passage aus dem Nahverkehrsplan 2010 beleuchten.

„Gemeinden wie Göda (39 Haltestellen) und Kubschütz (36) weisen überdurchschnittlich viele Haltestellen im Gemeindegebiet auf. Ein Grund dafür mag u. a. auch darin zu sehen sein, dass beide Gemeinden im Bautzner Umland sowohl von mehreren RBO- als auch von mehreren KMU-Linien bedient werden. Dadurch können Häufungen und Parallelerschließungen in der Bedienung zustande kommen.

Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Gemeinden wie Doberschau-Gaußig, Göda, Kubschütz oder Radibor jeweils ca. 20 bis max. 25 Ortsteile haben und allein schon aus diesen Gründen ein erweitertes Haltestellennetz benötigen, ist das Haltestellen­netz und der daraus resultierende betriebliche Aufwand schon als sehr umfangreich einzuschätzen.“[16]

Ganz offensichtlich haben sich die damaligen Verfasserinnen und Verfasser nicht die Mühe gemacht, der Sache auf den Grund zu gehen, und so fand Unwissenheit Eingang in den offiziell beschlossenen Plan. Denn die Webseite der Gemeinde Göda weist nicht 20 bis 25, sondern 32 Ortsteile auf. Weiterhin gibt es für das Dörfchen Siebitz mit seinen etwa 74 Bewohnerinnen und Bewohnern bemerkenswerter­weise zwei Haltestellen. Die eine liegt im Ort selbst und die andere außerhalb für die Verbindungen, die bei derselben Linie 175 außen um das Dorf herum geführt werden. Hier liegt keine Dopplung, sondern eher eine Betriebs­vereinfachung vor. Seitschen wird statistisch als zwei Dörfer berechnet (Groß- und Kleinseitschen), doch die von beiden Ortsteilen jeweils knapp einen Kilometer entfernte Bahnhofs­siedlung von Seitschen besitzt eine weitere Haltestelle, deren Existenz schon deswegen gerechtferigt ist, weil damit die umliegenden Dörfer mit dem Haltepunkt verknüpft werden. Zudem halten dort die Busse des Schienen­ersatzverkehrs. Für eine weitere als suspekt hervorgehobene „Häufung“ ist im zentralen Ort Göda wohl die Dorfschule verantwortlich, was auch logisch ist, den Schulbuslinien pflegen nun einmal an einer Schule zu enden. Und so weiter. Anstatt sich mit dem Gegebenheiten vertraut zu machen, stochern die Schreiberinnen und Schreiber des damaligen Nahverkehrsplans im Nebel herum, was die Frage provoziert, wie viele Angaben in solch einem Schriftwerk mit derselben heißen Nadel gestrickt worden sein mögen.

In der Zusammenfassung des Nahverkehrsplans von 2017 wird darauf verwiesen, daß von 2011 bis 2015 die Bevölkerung im Verbundraum um 3 % zurückgegangen sei. Andererseits seien schon jetzt 25 % der Bürgerinnen und Bürger älter als 65 Jahre alt, mit steigender Tendenz. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler an allgemein bildenden Schulen sei um 6 % gewachsen, die an berufsbildenden Schulen hingegen um 10 % gesunken.

„Weiterhin ist die Anzahl der Pendler seit 2010 um etwa 4 % gewachsen. Gleichzeitig ist jedoch der Mobilisierungsgrad angestiegen (seit 2011 um knapp 2 %), so dass nur in geringem Maße ein zusätzliches Potenzial zu erwarten ist.“ [17].

Dies kann jedoch durchaus am vorhandenen unzureichenden Angebot liegen, das gerade im ländlichen Bereich geradezu zwingend ein eigenes Kraftfahrzeug voraussetzt. Ein zuverlässiegeres, besser vertaktetes und dichteres Angebot könnte durchaus den Effekt zeitigen, den Umstieg auf den öffentlichen Personenverkehr zu ermöglichen. Das Potential ist durchaus da, es wird jedoch nicht abgegriffen. Wie extrem der sogenannte Modal Split in der Oberlausitz ausfallen kann, mögen folgende Zahlen verdeutlichen, die zum einen den Anteil des motorisierten Individualverkehrs als Fahrerin bzw. Beifahrer, zum anderen die Nutzerinnen und Nutzer des ÖPNV aufzeigen: Stadt Görlitz 47,6 % bzw. 21,8 %; Landkreis Görlitz 73,0% bzw. 6,4%; Landkreis Bautzen 75,8 % bzw. 4,8 %.

Der Stadtverkehr in Görlitz ist gewiß anders strukturiert als das Verkehrsangebot in den beiden Landkreisen. Doch nicht einmal ein fünfprozentiger Anteil des öffentlichen Personenverkehrs auf Schienen und mit Bussen an allen Verkehrs­beziehungen im Landkreis Bautzen, das ist im Grunde eine Bankrotterklärung! Derart extreme Unterschiede führen ein Potential vor Augen, das es aufzugreifen gelte anstatt es stiefväterlich zurechtzustutzen. Dann würden sich auch die Klagen über verstopfte Autobahnen ganz von selbst erledigen. [18]

Vom Eilen, Bummeln und Fahrkartenwirrwarr

Der erste Entwurf des Nahverkehrsplans nannte für die einzelnen Stationen entlang der beiden Strecken nach Görlitz und Zittau keine konkreten Zahlen für die ein- und aussteigenden Fahrgästinnen und Fahrgäste. Die Leserin und der Leser mußten sie erst mühsam aus einem Balkendiagramm dechiffrieren. Demnach stiegen 2014 insgesamt ein und aus:

  • In Breitendorf etwa 6.000 Personen,
  • in Pommritz etwa 25.000 Personen,
  • in Kubschütz etwa 12.000 Personen,
  • in Seitschen etwa 22.000 Personen und
  • in Demitz-Thumitz etwa 36.000 Personen.

Insgesamt handelt es sich demnach pro Jahr um 101.000 Personen, wobei die genaue Anzahl aufgrund standardisierter Erfassungskriterien auch um einige Tausend darunter oder darüber liegen kann, also pro Tag etwa 300 Nutzerinnen und Nutzer des Zugangebots. Zum Vergleich: in Bautzen sind es knapp 700.000, in Bischofswerda knapp 600.000 und in Löbau etwa 350.000 Reisende pro Jahr. [19]

Der im November veröffentlichte überarbeitete Entwurf nennt zusätzlich die Anzahl der Ein- und Aussteigenden an Montagen bis Freitagen wie folgt: Demitz-Thumitz 117, Seitschen 73, Kubschütz 42, Pommritz 83 und Breitendorf 16 [20]. Damit läßt sich in etwa das Potential umreißen, das der ZVON – einiger Minuten Fahrzeitgewinn für Görlitz zuliebe – ausgrenzen möchte. Oder anders ausgedrückt: hier wird eine sechsstellige Eurosumme zum Fenster herausgeworfen. Ein bemerkenswertes Manöver in Zeiten chronisch klammer Kassen. Zweifellos wird sich durch eine solche Maßnahme der ohnehin schon erbärmlich niedrige Anteil des öffentlichen Nahverkehrs an allen Verkehrs­beziehungen in den Landkreisen Görlitz und Bautzen nicht verbessern. Wenn nunmehr tagsüber von Montag bis Freitag (mit Ausnahme einzelner Pendelzüge, dazu später mehr) die Hälfte der Züge wegfallen, könnte damit mindestens eine Halbierung der Reisefrequenz eintreten. Sprich: der ZVON verzichtet freiwillig auf 50.000 zahlende Kundinnen und Kunden oder gar mehr zugunsten eines spekulativen Projektes, bei dem angeblich mehr Reisende mitfahren, wenn sie die rund 100 Kilometer zwischen Dresden und Görlitz fünfzehn bis zwanzig Minuten schneller durcheilen.

Belastbare Zahlen für eine solche Annahme nennt der Entwurf des Nahverkehrsplans nicht. Zwischen Dresden und Bautzen beträgt der Gewinn gerade einmal sieben bis acht Minuten, die schon heute spürbar schrumpfen würden, wenn der Zwischentakter Richtung Görlitz in Bischofswerda nicht fünf Minuten bewegungslos mit fahrbereiten Passagieren herumlungern würde. Dabei wäre es durchaus möglich, den ODEG-Triebwagen, wenn nicht parallel, so doch kurz hinter der Regionalbahn nach Zittau den Bahnhof verlassen zu lassen. Die Bummelei ist demnach ein Stück weit hausgemacht, und Änderung ist nicht in Sicht. Denn auch der Zwischentakter, der sich ab Ende 2019 Regionalexpreß nennen wird, soll weiterhin in Bischofswerda ein Pausenschläfchen halten. Ein möglicher Fahrzeit­gewinn wird gleich wieder aufgefressen. [21]

Bahnhof Bischofswerda.

Bild 5: Bahnanlagen in Bischofswerda. Der ODEG-Zwischentakter versteckt sich hinter dem Treppenaufgang des Inselbahnsteigs. Vorne der Hausbahnsteig (Gleis 1). Der Zwischentakter könnte auf dem mittleren Gleis wenden und die Zittauer Züge auf dem Außenbahnsteig halten. Aufnahme vom Mai 2016.

Derzeit treffen jeweils gegen viertel nach zur geraden Stunde drei Züge in Bischofswerda ein. Zuerst kommt der Zwischentakter aus Görlitz zur Minute 10, kreuzt das Richtungsgleis nach Görlitz und endet auf Gleis 3. Zur Minute 13 fährt der Regionalexpress von Zittau nach Dresden auf Gleis 1 ein, muß demnach auch das Richtungsgleis nach Görlitz kreuzen. Reisende, die vom Zwischentakter nach Dresden weiterfahren wollen, müssen daher zwingend barriereunfrei die Treppen zur Unterführung nutzen; und das sind regelmäßig die meisten Reisenden des Zwischentakters. Zur Minute 16 erscheint die Regionalbahn von Dresden auf Gleis 2, die anschließend nach Zittau weiterfährt. Als erster fährt dann zur Minute 14 der Regionalexpress nach Dresden ab, gefolgt von der Regionalbahn nach Zittau zur Minute 19 (drei Minuten Aufenthalt !). Der Zwischentakter nach Görlitz muß hingegen bis zur Minute 23 warten, weil er den Laufweg des Zuges nach Zittau kreuzen würde. Diese ungünstige Topologie läßt sich abändern, woraus sich ein Fahrzeitgewinn ergibt.

Der vorliegende Fahrplanentwurf ab Dezember 2019 sieht fahrplanmäßig nämlich eine Entzerrung vor. Demnach könnte der Triebwagen aus Dresden auf Gleis 3 einfahren, der Umstieg in den Zwischentakter am selben Bahnsteig nunmehr auf Gleis 2 erfolgen, und beide könnten nach ein bis zwei Minuten wieder abfahren. Umgekehrt genauso! Allerdings bedarf es hier des guten Willens aller beteiligten Unternehmen, um dafür zu sorgen, daß Anschlüsse auch bei Verspätungen gewahrt bleiben und die Reisenden sich darauf auch verlassen können. Eine vorgesehene Mindestumsteigzeit wie von derzeit 4 Minuten wäre stark verkürzbar, eigentlich sogar überflüssig. Warum nur konnten bei der Fahrplangestaltung die Fachleute des ZVON auf eine solch naheliegende Lösung nicht von selbst kommen? Kaum vorstellbar, daß die Deutsche Bahn AG als Netzbetreiber hier Steine in den Weg legen würde, zumal durch das elektronische Stellwerk eine garantierte Zuverlässigkeit gegeben wäre.

Dieses Prozedere hätte sogar für die auf das Umsteigen Richtung Dresden angewiesene mobilitäts­eingeschränkte Personen Vorteile. Statt wie derzeit zweimal Treppen steigen zu müssen, wäre der Übergang bequem am selben Bahnsteig gegenüber. Der Wermutstropfen ist: Reisende aus Zittau, die in Bischofswerda nicht weiterfahren, könnten nicht mehr, wie bisher, barrierefrei den Bahnhofsvorplatz erreichen. Das wäre zu evaluieren und abzuwägen. Doch ohnehin sollte der Bahnhof in Bischofswerda baldmöglichst barrierefrei gestaltet werden.

Wir sehen: es lassen sich Fahrzeiten gewinnen, ohne Fahrgästinnen und Fahrgäste zu verlieren. Statt dessen wird das Fahrplanangebot von Seitschen und Demitz-Thumitz Richtung Dresden auf folgende Weise „optimiert“:

Tabelle 1: Zughalte in Seitschen und Demitz-Thumitz Richtung Dresden im Morgenverkehr bis 9.30 Uhr an Montagen bis Freitagen 2017 und 2020. [22]
ZuggattungSeitschen 2017Demitz-Thumitz 2017Seitschen 2020Demitz-Thumitz 2020
OE 60 V4.434.48  
RB 60  5.105.15
TL 605.315.36  
RE 1  5.47 
RE 1 (V)  6.266.31
TL 606.516.56  
RB 60  7.107.15
RE 1   7.50
OE 60 V8.028.06  
TL 608.308.34  
RB 60  9.109.15

Wir ersehen daraus: bislang konnten Pendlerinnen und Pendler morgens fünf Züge benutzen, um vor zehn Uhr nach Dresden zu gelangen. Ab Dezember 2019 wird es nur noch vier (im November 2017 nachgebessert: fünf) Fahrten aus Seitschen und fünf aus Demitz-Thumitz geben, wobei hier die letzte gemeinsame Fahrt mit Ankunft in Dresden Hbf. an 10.01 zum Erreichen von Arbeitsplätzen nicht wirklich zählt. Damit verliert Seitschen Richtung Dresden im Zeitraum bis etwa 9 Uhr eine morgendliche Fahrtmöglichkeit; und die zweistündige morgendliche Taktlücke ist nicht gerade Pendlerinnen- und Pendler-freundlich. Der ursprüngliche Entwurf vom Januar sah die Regionalexpreß-Halte gar nicht vor; diese wurden erst nach den Protesten aus den betroffenen Orten zugestanden. Im Fahrplanentwurf von Mai/Juni 2017 hielt der RE 1-Verstärker in Seitschen überhaupt nicht und in Demitz-Thumitz um 6.32 Uhr. Mit demselben Zug wird nun auch Pommritz ein zusätzlicher Halt zugestanden. – Und in Gegenrichtung:

Tabelle 2: Zughalte in Demitz-Thumitz und Seitschen Richtung Görlitz im Morgenverkehr bis 9.00 Uhr an Montagen bis Freitagen 2017 und 2020.
ZuggattungDemitz-Thumitz 2017Seitschen 2017Demitz-Thumitz 2020Seitschen 2020
RB 60  4.585.03
TL 605.035.08  
OE 60 V5.525.56  
TL 606.276.32  
RB 60  6.456.50
RE 1 (V)  7.11 
TL 607.217.26  
RE 1 (V)   8.11
OE 60 V8.278.31  
RB 60  8.458.50

In der Gegenrichtung nach Bautzen gibt es bis 9 Uhr sowohl von Demitz-Thumitz wie von Seitschen aus nur noch vier anstelle der heutigen fünf Fahrten! Gewiß – zumindest von Gaußig aus führt über Seitschen auch noch ein Bus. Doch der Schulbus 176 berührt Seitschen nur einmalig auf dem Weg nach Göda, und da will man oder frau ja morgens zur Arbeit nach Bautzen nicht hin.

Katzensprungticket.
Abbildung 6: Das Katzensprungticket ist als Tageskarte im Übergang zwischen den Verkehrs­verbünden VVO und ZVON nützlich, aber es berechtigt in Dresden nicht zur Nutzung der Straßenbahn. Das wäre perfekt! Die Zwangs­personalisierung ist witzlos, solange keine Ausweis­papiere verlangt werden. Und das werden sie nicht. Sie könnte demnach ersatzlos entfallen.

Was den Fahrplanentwurf jedoch positiv auszeichnet, ist der Versuch, zu allen Tageszeiten so etwas wie einen Taktfahrplan hinzubekommen. Das ist nämlich bislang nicht der Fall, zumal in den Morgenstunden Richtung Dresden. Das derzeitige Angebot besteht montags bis freitags tagsüber aus einer Expreßlinie von Dresden nach Görlitz und zurück im Zweistundentakt, einer ebenfalls alle zwei Stunden auf der Gesamtstrecke verkehrenden Regionalbahn und einer Verstärkungslinie, die ebenfalls zweistündlich, aber nur zwischen Bischofswerda und Görlitz pendelt. Somit werden alle kleineren und größeren Orte zwischen Bischofswerda und Görlitz mindestens einmal pro Stunde angedient. Aus umlauftechnischen Gründen wird von Görlitz in Richtung Bischofswerda jedoch nur ein Schaukeltakt angeboten, bei dem entweder schon nach 30 Minuten der nächste Zug folgt oder aber anderthalb Stunden bis zur nächsten Reisemöglichkeit vergehen.

In der Regel werden die von der ODEG angebotenen Zwischenfahrten in Bischofswerda an die zwischen Dresden und Zittau verkehrenden Trieb­wagenfahrten angebunden, doch gerade hier steckt der Teufel im Detail. Bei Verspätungen wird häufig in Bischofswerda nicht gewartet, auch kommt es ab und an vor, daß der Triebwagen der ODEG ersatzlos ausfällt und in Bischofswerda daher bis zu einer Stunde auf die nächste Reise­möglichkeit Richtung Bautzen und Görlitz gewartet werden muß. Eine echte zuverlässige Durchbindung sieht anders aus. Die Zwischentakter werden an Samstagen leicht eingeschränkt und an Sonn- und Feiertagen überhaupt nicht angeboten. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2016 sind nunmehr die genannten kleineren Stationen bei allen Zügen nur noch als Bedarfshalt ausgewiesen, zuvor waren es nur die Zwischentakter.

Nachträglich ebenfalls zugestanden wurden für Ende 2019 und folgend zusätzliche Halte der von Dresden nach Görlitz verkehrenden Regionalexpresse in den Nachmittagsstunden. Allerdings ergeben sich für die Rückpendelnden eher unattarktive Schaukeltakte, da die Regionalexpresse in Dresden eine halbe Stunde nach den Regionalbahnen losfahren und bis Demitz-Thumitz bzw. Seitschen entsprechend Zeit aufgeholt haben. Wer beispielsweise an Werktagen nachmittags nach Seitschen gelangen will, kann in Dresden um 14.29, 15.59, 16.29 und 17.59 Uhr zusteigen. Das ist immer noch besser als der ursprünglich vorgesehene zweistündige Takt, aber schlechter als der bisherige Zustand mit einem Einstundentakt. Durch den zusätzlichen Halt in Demitz-Thumitz oder Seitschen und in Pommritz verlieren die Reisenden bis Görlitz gerade einmal drei bis fünf Minuten Fahrzeit. Und genau diese Minuten werden in Bischofswerda durch das Umsteigen mit dem Zwangswarten bis zur Abfahrt verbummelt!

Die Merkwürdigkeit, in den Zügen der ODEG bestimmte Fahrkarten nicht erwerben zu können, die im Trilex angeboten werden, obwohl beide Unternehmen zum selben Netinera-Konzern gehören, sei hier nur am Rande erwähnt. Derlei Unbill fördert nicht gerade die Kundinnen- und Kundenzufriedenheit. Geradezu kurios wird es dann, wenn auf der Webseite des verantwortlichen Verkehrsverbundes ZVON nicht zu erfahren ist, daß die sogenannten Katzensprung-Tickets nur in Trilex-Zügen erworben werden können. Damit fällt die spontane Mitfahrt im ODEG-Zwischentakter aus, denn dort ist das Ticket nicht erhältlich. Selbige Katzensprung-Tickets sind, so verrät es uns die Webseite der Länderbahn (Trilex) im Kleingedruckten, durchaus vorab zu erwerben. Da es jedoch im Verbundraum keine Fahrkarten­automaten gibt, ist man in der Provinz diesbezüglich vollkommen aufgeschmissen. Auch Fahrausweise beispielsweise von Seitschen nach Langebrück zum DB-Tarif sind in den ODEG-Zügen nicht zu erwerben, wohl aber im Trilex. Und das, obwohl Langebrück auf derselben Strecke nach Dresden liegt. Wer eine gültige Fahrkarte für das Stadtgebiet Dresden besitzt, die ab Langebrück gilt, ist demnach gezwungen, bis zum nächsten Tarifpunkt Klotzsche zu lösen, was, obwohl derselbe DB-Tarif Anwendung findet, seltsamerweise bei der ODEG-Schaffnerin wieder geht; kostet halt mehr. Immerhin sind die in der Regel freundlichen Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter tarifkompetent und bieten von sich aus das für die jeweilige Reisekonstellation günstigste Ticket an, ohne daß frau oder man eigens nachhaken muß. Ansonsten gilt: Eigentlich sollten Verkehrsverbünde dem Tarifdschungel entgegenwirken und ihn nicht durch Sonderregelungen fördern. Oder glauben die Verantwortlichen allen Ernstes, daß Reisende vor Antritt das Kleingedruckte auf verwinkelten Webseiten danach abgrasen, was im jeweiligen Tarifverbund gilt und was nicht?

Der Entwurf des Nahverkehrsplans läßt hierzu in seinen Ausführungen zu Tariffragen kein Problembewußtsein erkennen. [23]

Vom expertenhaften Umgang mit Widersprüchen

Nachdem der ZVON im Januar 2017 seinen Entwurf des neuen Nahverkehrsplans offengelegt hatte, kam der Widerspruch. Der Verbund sah sich in einer Pressemitteilung genötigt, seine Position zu rechtfertigen, und stellte eine Nachbesserung in Aussicht.

„ÖPNV-Nahverkehrsplan wird überarbeitet

Der Entwurf des Nahverkehrsplans des Verkehrsverbundes ZVON wird überarbeitet. Grund: Es gab so viele Einwände wie noch nie in der Geschichte des ZVON.

Im Anschluss soll die überarbeitete Version noch einmal öffentlich ausgelegt werden. ‚Wir benötigen hier einen guten Kompromiss zwischen schnellen Verbindungen nach Dresden, Görlitz oder Zittau und der bedarfsgerechten Bedienung kleinerer Haltepunkte‘, so Landrat Michael Harig der zugleich Vorsitzender des Verkehrsverbundes ist. Dabei sollen auch die Görlitzer Interessen berücksichtigt werden, da neben dem Landkreis Bautzen auch der Landkreises [sic!] Görlitz sowie die Stadt Görlitz Mitglieder im ZVON sind.

Zu den kritisch angemerkten Punkten des Entwurfs gehörte unter anderem eine als Schlechterstellung empfundene Bedienung von Haltepunkten in kleineren Gemeinden. Rund 90 Prozent der Fahrgäste im Schienenverkehr von und nach Dresden steigen an den Haltestellen in Görlitz, Löbau, Bautzen und Bischofswerda zu und benötigen vor allem eine schnellere Anbindung an Dresden und den Fernverkehr. Um die Menschen aus den kleineren Gemeinden an diese Schnellverbindungen zu bringen, soll ein so genanntes PlusBus-Konzept erarbeitet werden. Mit den stündlich verkehrenden Bussen könnten attraktive Verbindungen zwischen diesen Gemeinden und den größeren Bahnhalten geschaffen werden.“ [24]

Hier wird der Eindruck erweckt, als würden die kleineren Orte als Ersatz für entfallene Zughalte mit schnellen Busverbindungen entschädigt. Ich habe in den vergangenen Wochen mehrfach Menschen getroffen, die diese in den örtlichen Medien als Litanei verbreitete Aussage tatsächlich so verstanden haben. Vermutlich war dies auch so beabsichtigt. Nur – das PlusBus-Konzept hat mit den entgangenen Zughalten, wenn überhaupt, dann allenfalls ganz am Rande etwas zu tun.

Wer mit Einwendungen so umgeht, als seien es bloß eingebildete Empfindlichkeiten, sitzt auf einem sehr hohen Roß. Die „als Schlechter­stellung empfundene Bedienung von Haltepunkten in kleineren Gemeinden“ ist doch wohl real, oder?

Auch sonst spricht aus diesen Worten nicht wirklich Einsicht, vielmehr stures Festhalten an einer schon getroffenen Entscheidung. Hierzu gibt es seit Mai/Juni 2017 einen aus einer Excel-Tabelle generierten Fahrplan(entwurf) für die Kursbuchstrecke 230 mit allerlei merkwürdigen Vorstellungen. Dieser wurde im November leicht nachgebessert. Demnach soll der nunmehr als Regionalexpreß eingestufte Zwischentakter an Samstagen gar nicht, dafür an Sonntagen nachmittags verkehren. Demitz-Thumitz, so war im Erstentwurf angedacht, würde demnach montags bis freitags Richtung Bischofswerda bzw. Dresden viermal und Seitschen frühmorgens immerhin einmal an den RE 1 bzw. RE 1V angebunden werden, in Richtung Bautzen bzw. Görlitz viermal bzw. zweimal. Derzeit, im Herbst 2017, hält der Zwischentakter in Seitschen in beiden Richtungen acht Mal, in Demitz-Thumitz neun Mal. Die mangelnde Einsicht wird als Wohltat verkauft, die zudem richtig großzügig klingt.

„Des Weiteren wurde in Stellungnahmen die Reduzierung der Anzahl der Halte zwischen Görlitz und Bischofswerda durch die Umwandlung der Verstärkerzüge OE 60V (Regionalbahn) in RE 1V (Regionalexpress) kritisiert. Dieser Kritik wurde mit der Aufnahme weiterer Zusatzhalte begegnet. Somit wird es zukünftig 22 Zusatzhalte, verteilt auf die Verkehrsstationen in Gersdorf, Pommritz, Seitschen und Demitz-Thumitz, geben. Darüber hinaus wird die Linie RE 1 regulär in Reichenbach halten.“

Man und frau muß das Kleingedruckte schon richtig lesen und nachrechnen: Zweiundzwanzig Zusatzhalte, verteilt auf vier Stationen mit jeweils zwei Fahrtrichtungen bedeutet das durchschnittliche Zugeständnis von 2 ¾ gewährten Halten. Das entspricht nicht einmal einem Drittel des jetzigen Zustandes, und damit sind die ersatzlos ausfallenden Samstagshalte noch gar nicht eingerechnet. [25]

ODEG Desiro.

Bild 7: Anstelle der sonst üblichen Doppeltraktion eines Regioshuttles schickt die ODEG in den Sommerferien gegen halb fünf Uhr einen ihrer Desiros vorbei. Aufnahme vom August 2016.

Die Grünen im Görlitzer Kreistag wiesen schon im Juni 2016 darauf hin, daß längere Fahrzeiten auf der nunmehr stündlich verkehrenden Regionalbahn von Zittau über Görlitz nach Cottbus keine negativen Auswirkungen auf die Fahrgästinnen- und Fahrgastzahlen haben. Überhaupt haben sie das komplexe Ganze im Blick. Mehr Halte an auch kleineren Stationen führen zu einer zuverlässigen Nutzung auch in den Gebieten, die ansonsten weitgehend oder komplett abgenabelt sind. Damals geisterten angesichts der Unsicherheit über die Verteilung der Regionalisierungs­mittel, noch Vorstellungen herum, die Regionalbahnen auf dem Zittauer Ast auszudünnen oder ganz zu entsorgen. Interessant ist die grüne Invektive auch deswegen, weil sie einen Stundentakt per Regionalbahn aus Zittau Richtung Dresden einer Beschleunigung vorziehen, die Menschen im ländlichen Raum ausgrenzen würde. Dasselbe Argument ließe sich auch für die Görlitzer Relation finden. Offenkundig verfolgen sie ein anderes Integrationskonzept als die Macher von betriebs­optimierten Fahrplänen. [26]

Als weitere Verbesserung wird in allen Äußerungen des ZVON und seines Vorsitzenden Harig litaneihaft das PlusBus-Konzept vorgetragen. Was hat es damit auf sich?

Das Plus ohne Bus

Am 18. November 2017 ließ die „Sächsische Zeitung“ einen Pendler aus Kubschütz zu Wort kommen. Die Station Kubschütz gehört zu den von der Ausdünnung massiv betroffenen, denn auch nach dem nachgebesserten Entwurf des Nahverkehrsplans wird es dort beim Zweistundentakt bleiben. Bei der letzten Zählung 2014 stiegen hier 42 Personen an Werktagen täglich ein oder aus; das entspricht etwa der Hälfte des benachbarten Pommritz (82) und etwas mehr als der Hälfte von Seitschen (73). Dieser nach Görlitz pendelnde Lehrer müßte zukünftig mit dem eigenen PKW in die Gegenrichtung nach Bautzen fahren und einen Parkplatz finden oder den Bus nehmen, um mit einem der Regionalexpresse passend zu Schulbeginn einzutreffen. Auf der Rückfahrt dasselbe. Was hier als Einzelfall erscheint, ist jedoch exemplarisch. Durch den Wegfall der Halte des Zwischentakters gehen vielen Beschäftigten gewohnte und zuverlässige Verbindungen verloren. [27]

ZVON-Sprecherin Sandra Trebesius wird mit den Worten wiedergegeben, in Pommritz oder Seitschen seien die Busverbindungen deutlich schlechter, weshalb nach den Protesten zum ersten Entwurf hier weitere Halte zugestanden wurden. Zudem sei das Fahrgast­aufkommen höher als in Kubschütz, was sicher zutrifft. Nun ist gerade Kubschütz zur Förderung des Verkehrs­aufkommens in Vorleistung getreten. Die Gemeinde hatte von Privat ein Grundstück erworben, auf dem die Mitarbeiter des kommunalen Bauhofs im Frühjahr 2017 einen kleinen Pendlerparkplatz für Autos und Fahrräder errichteten. Weiterhin sollten von der Deutschen Bahn vernachlässigte und gesperrte Treppenabgänge zu einer Unterführung instandgesetzt werden. Kleine Maßnahmen, die jedoch belegen, daß der Kommune ihre Station etwas bedeutet. Frau Trebesius konnte hier allenfalls andeuten, daß der Haltepunkt ab 2019 nicht völlig aufgegeben werde [28]. Dies könnte jedoch in einigen Jahren bei der Anhörung zu einem neuen Nahverkehrsplan ganz anders aussehen. Wenn der ausgedünnte Fahrplan Wirkung zeigt, könnte Kubschütz auf das Niveau etwa von Breitendorf zurückfallen, wo 2014 sogar nur 16 Fahrgästinnen und Fahrgäste täglich gezählt wurden. Derart „unwirtschaftliche“ Stationen gibt es schon jetzt einige auf dem Görlitzer und Zittauer Ast, und anstatt sie zu hegen und aufzuwerten, werden sie weiter vernachlässigt und eines Tages abserviert – wenn es mal wieder knapp mit dem Geld werden sollte.

Während der Pendler anmerkt, die verbesserten Fahrzeiten zwischen Görlitz und Dresden stünden in keinem Verhältnis zum Wegfall der Zwischenhalte und dem damit einhergehenden Verlust von Tausenden Reisenden, verweist Frau Trbesius auf geplante Verbesserungen im Busverkehr. So gebe es Überlegungen zu einem Schnellbusnetz, um wichtige Orte miteinander zu verbinden und besser an die Bahn anzubinden. Im konkreten Fall: sollte das PlusBus-Konzept Wirklichkeit werden, wird Kubschütz per Schnellbus besser an Bautzen und Löbau angebunden, um dort eine verbesserte Anbindung herzustellen, wo doch vor Ort schon jetzt eine existiert! Solch einen Unfug können sich nur Männer ausdenken – und derartige Planer sind in der Regel Männer, vermutlich solche, die selbst nie die Bahn benutzen –, die sich der betriebs­wirtschaftlichen Logik verschrieben haben, anstatt auf die Bedürfnisse vor Ort einzugehen.

Nun ist im Entwurf des Nahverkehrsplans aber bislang nur ein Prüfauftrag für ein solches Schnellbuskonzept vorgesehen. Als Grundsatz ist hier im Beamtendeutsch festgehalten:

„Es besteht in raumstruktureller wie fahrplantechnologischer Hinsicht […] keine adäquate, direkte SPNV-Verbindung.“ [29]

Das hier angedachte PlusBus-Konzept soll aber vor allem Mittel- und Oberzentren miteinander verknüpfen, die bislang ohne direkte Schienenverbindung sind und zwischen denen Busse ungetaktet, mit Fahrplanlücken, auf Umwegen oder sonstwie verlangsamt daherbummeln, etwa zwischen Bautzen und Kamenz oder Bautzen und Hoyerswerda. Daß die direkte Schienen­verbindung zwischen Bautzen und Hoyerswerda mit einem kurzsichtigen Federstrich 1999 abgeplant worden ist, jetzt aber nützlich wäre, wird vorsichtshalber verschwiegen. Die Fehler der Vergangenheit werden so durch Fehler der Gegenwart ergänzt. Denn der Schnellbus, der zwischen Bautzen und Löbau auch Kubschütz bedienen soll, wird nunmehr als Alibi dafür genommen, weiteren Kahlschlag vorzubereiten. Deshalb erhält die Marketing­abteilung zur Schönfärberei der Wort:

„Ziel ist die Schaffung eines spezifischen Produkt-Designs, des Produkts ‚PlusBus‘. Dessen Kriterien sollen vor allem gegenüber dem Kunden, aber auch für die Aufgabenträger und Verkehrs­unternehmen ein Qualitäts­versprechen vermitteln und sind eine Voraussetzung für die verbundweite Vermarktung des Angebots.“ [30]

Die damit verbundenen Kriterien werden derzeit gerade einmal von zwei Linien annähernd erfüllt, nämlich bei den Linien von Löbau nach Zittau bzw. nach Neugersdorf. Für weitere fünfzehn steht vor der Einrichtung erst noch der Prüfauftrag, so eben auch für Kubschütz. Außer Versprechungen hat der Fahrgast nichts Greifbares in der Hand, und selbst diese Versprechungen bestehen bislang nur aus den Sprechblasen der Marketingabteilung. Das „Kleingedruckte“ zeigt die Hindernisse auf:

„Im Einzelfall ist anhand der in [ergänze: Tabelle 52, WK] aufgeführten Kriterien zu prüfen, inwiefern die Aufnahme der einzelnen Linien in das PlusBus-Netz zweckmäßig oder möglich ist. Neben Linienweg, Fahrplan und Leistungsumfang muß dabei auch eine sinnvolle Anschlussß­gestaltung und wirtschaftlich darstellbare Umlaufplanung umsetzbar sein, damit das erweiterte Angebot entsprechend akzeptiert wird.“ [31]

Die Wirtschaftlichkeit hängt eng mit den Finanzierungs­möglichkeiten zusammen. Da der ZVON ohnehin nicht gerade üppig ausgestattet ist, muß er für die angestrebte Verbesserung, wenn sie denn eine ist, entweder Gelder umschichten, anderweitig Leistungen zurückfahren oder neue Geldtöpfe erschließen. Das Konstrukt ist somit zunächst vage und steht auf wackeligen Füßen.

„Darüber hinaus setzt sich der ZVON in den politischen Gremien (z. B. in der ÖPNV-Strategiekommission) für eine finanzielle Unterstützung der PlusBus-Angebote durch den Freistaat Sachsen ein. Da die Finanzierung des erforderlichen Mehraufwandes zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht gesichert ist, ist eine weitergehende Planung bis hin zu konkreten Umsetzungsschritten und -zeitpunkten noch nicht möglich.“ [32]

Sandra Trebesius macht somit PR und verkündet ein Luftschloß, damit die Kubschützer Pendlerinnen und Pendler Ruhe geben. Wenn dann die Zwischenhalte weggespart worden sein werden, bleibt ein halbwegs adäquater Ersatz reine Fantasie. Kein Wunder, wenn sich die ohnehin stark frequentierte benachbarte Autobahn A 4 weiter füllt. Bemerkenswert ist es dann, wenn ein CDU-Bürgermeister, nämlich der von Hochkirch, zurecht festhalten muß: „Da sollen die Leute ihr Auto stehenlassen und einsparen und dann halten die Züge nicht.“ Bemerkenswert deshalb, weil sich die CDU sonst lieber dem Straßenbau verschreibt. [33]

Die Lösung: Mehr Straßen

Daß die von Dresden nach Polen führende Autobahn A 4 überlastet ist, ist kein Geheimnis. Die Liberalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche hat auch vor dem Transportwesen nicht Halt gemacht. Offensichtlich sind Transportkosten in der Wertschöpfungskette dermaßen günstig, daß es sich lohnt, ganze LKW-Kolonnen durch halb Europa zu lotsen, anstatt vor Ort zu produzieren. Gleichzeitig wird die Mobilität der Bevölkerung angeregt, denn nur wer mobil, flexibel und lernwillig ist, kann sich auch profitabel einbringen. Die Abwanderungs­bewegung aus der Lausitz nach Westen oder in die größeren sächsischen Städte wie Leipzig und Dresden wird flankiert durch Pendlerinnen- und Pendlerströme in die kleineren und großen sächsischen Städte. Währenddessen blutet die Infrastruktur in der Lausitz aus. [34]

Diese Entwicklung entspricht gleichermaßen den wirtschaftlichen Vorgaben, wie sie auch politisch gewollt ist. Der ländliche Raum wird sich selbst überlassen. Sofern öffentlicher Personenverkehr notwendig bleibt, wird er auf ein Maß reduziert, der in Zeiten schwarzer Nullen finanzierbar scheint. Alles weitere gilt dann als Luxus. Wer kein Auto hat, darf dann sehen, wo sie oder er bleibt. Das zum Teil spärliche Busnetz in weiten Teilen Sachsens zeugt davon. Kein Wunder, daß der vorgestellte Nahverkehrsplan auf kostengünstige Lösungen wie etwa Rufbusse setzt. Daß selbige nur marginal genutzt werden, hat einen Grund. Wer ihre oder seine Fahrt mindestens eine Stunde vorher telefonisch ordern muß, kann nicht spontan handeln und bei Bedarf einfach auf das nächste Angebot ausweichen. Verkehrsangebote, die erst organisiert werden müssen, sind auf eine ganz eigene Weise nicht barrierefrei. Weiterhin seien

„[…] neue Versorgungs- und Mobilitätsideen zu entwickeln, die auch eine Betrachtung alternativer Mobilitätsangebote (z. B. Car- und Bikesharing, sichere und hochwertige Abstellmöglichkeiten für Fahrräder an Bahnstationen und Haltestellen, bürgerschaftlich getragene Mobilität mit Bürgerautos und Pendlernetzwerken) einschließen.“ [35]

Man und frau bleibt also sich selbst überlassen. Dabei zeigt andernorts die konkrete Umsetzung der Idee von Bürgerbussen, daß es sich nicht einmal um eine Notlösung handelt. Sie fahren nur an bestimmten Tagen und zu bestimmten Zeiten, die Kapazität der Fahrzeuge ist begrenzt, und an die Fahrerinnen und Fahrer werden Anforderungen gestellt, die nur von wenigen zu erfüllen sind. Dazu gehört (zwar nicht zwingend, aber empfohlenerweise) ein Beförderungs­schein und Zeit. Stehen nicht genügend Fahrerinnen und Fahrer zur Verfügung, fällt die Fahrt aus. Und, ja, natürlich muß auch hier so manche Fahrt angemeldet werden. Dennoch finden die Suchmaschinen viele optimistische Selbstdarstellungen voller Enthusiasmus; vermutlich weil es nur bei schöngeredeten Projekten Fördergelder gibt. Doch eine Langzeituntersuchung, die den nicht gehypten, sondern tatsächlichen Erfolg mißt, steht noch aus. Wenig erstaunlich ist, daß sich hier vor allem Menschen über 60 Jahre engagieren. Die anderen haben nämlich … keine Zeit für derartige Experimente, die ein Maß an Verbindlichkeit einfordern, das in einer mobil gemachten Gesellschaft nicht zu erfüllen ist. Und vor allem – der Bürgerbus ist ein Nischenprodukt und kann bestenfalls Fahrten ersetzen, die sich für die Verkehrsverbünde nicht rechnen und einfach ersatzlos abbestellt werden. [36]

Carsten Schulze vom Fahrgastverband ProBahn sieht die Schattenseiten dieses bürgerschaftlichen Engagements. Amateure ersetzen Profis, und wenn das Nischenprodukt in ausgewählten Nischen halbwegs gut funktioniert, dann könne das dazu führen, daß weitere öffentliche Angebote ersatzlos eingestampft werden. Wenn ein Verkehrsverbund ernsthaft über derartige Ersatzlösungen nachdenkt, zeigt er, daß er gar nicht gewillt ist, seinen Aufgaben flächendeckend nachzukommen. Es ist eine Form von Mißachrung, wie sie sich eben auch bei der Ausdünnung der kleineren Stationen im Ostsachsennetz zeigt. [37]

So bleibt für viele Menschen als Alternative nur das eigene Auto auf sich mehr und mehr füllenden Straßen. Die Politik bietet dann auch die passende Lösung an: mehr Straßen. Von einer anderen, auch ökologischeren Verkehrspolitik ist außer in Sonntagsreden nichts zu spüren.

Für mehr Straßen hingegen ist immer Geld da. Da werden Projekte schöngeredet, damit sie umso leichter den Weg in den Bundesverkehrs­wegeplan finden. [38]

Vielleicht sind die Fachleute einfach zu sehr damit beschäftigt, ihren eigenen Verkehrsfluß auf Bundesstraßen und Autobahnen zu verbessern. Ohnehin fragt sich, wer von den Entscheidungsträgerinnen und -trägern denn selbst regelmäßig den öffentlichen Personennahverkehr nutzt, den sie anderen nahezubringen suchen. Und so entstehen echte Blüten mit nur geringem Wert.

DB-Desiro.

Bild 8: Vereinzelt schickt auch die Deutsche Bahn AG ihre Desiros im Auftrag der Länderbahn (Trilex) auf die Strecke, vorzugsweise von und nach Wrocław  / Breslau. Dieser Regionalexpreß hat am Blocksignal freie Fahrt. Aufnahme vom Dezember 2016.

Der sächsische Staatssekretär Hartmut Mangold (SPD) beispielsweise plädiert in einem am 1. November 2017 veröffentlichten Interview neben dem Ausbau der Autobahn für die Reaktivierung des Konzepts „Rollende Landstraße“. Allerdings sei dies keine Option für die kurze Strecke von Dresden zur polnischen Grenze, eher für die Relation Wrocław  / Breslau – Leipzig. Doch geht das ohne mehrere Millionen Euro an jährlichen Zuschüssen? Wäre das Geld dann nicht besser dafür angelegt, durch Attraktivitätssteigerung den öffentlichen Personenverkehr zu fördern? [39]

Kleinräumiger, aber ähnlich asphaltiert, denkt der Bautzener CDU-Landtags­abgeordnete Marko Schiermann. Als Maßnahme, die heimische Wirtschaft zu fördern, fordert er den Bau von noch mehr Straßen. Hierzu gehört der innerörtliche Ausbau vorhandener Einfallschneisen genauso wie Umgehungsstraßen. Wie er das meint? Ich weiß es nicht. Fördert eine Ortsumfahrung etwa die Ansiedlung neuer Betriebe? Oder läßt sie den noch ausbaufähigen Lastverkehr bloß am Ort vorbeirauschen? [40]

Bautzens Landrat Michael Harig, der gleichzeitig auch Vorsitzender des ZVON und des Verkehrsverbundes Oberelbe (VVO) ist, denkt ebenfalls autogerecht, aber dann auch gleich in größeren Dimensionen. Sein Luftschloß ist eine neue Schnellstraße von der Lausitz nach Leipzig, um die Autobahn A 4 zu entlasten. Diese Idee mündete in einer sogenannten Torgauer Erklärung mehrerer Landräte aus den drei Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dabei soll es sich nicht um einen kompletten Neubau handeln, sondern um einen möglichst vierspurigen Ausbau vorhandener Bundes- und Staatsstraßen. Daß selbiges Projekt, um gefördert zu werden, den Weg in den Bundesverkehrswegeplan finden muß, verweist seine Realisierung in die Zeit nach 2030. Frühestens. Vielleicht sollte der Landrat sich eher seinen Verkehrsverbünden widmen und Projekte fördern, die kurzfristiger umzusetzen sind. Und zwar so, daß die Fläche nicht weiter an Attraktivität verliert. [41]

Denn sonst bleibt der öffentliche Personenverkehr im Landkreis Bautzens so marginal, wie er ist, und die Autobahn bleibt auf Jahrzehnte Gesprächsthema für diejenigen, die Stoßstange an Stoßstange die endlose Freiheit von Asphalt und Benzinduft genießen möchten. Damit uns das erhalten bleibt, werden die notwendigen Mittel zielgerichtet kanalisiert.

Von Banken, Nullen und so richtig viel Geld

Das vorgestellte optimierte Betriebskonzept ist nur aufgrund der knapp gehaltenen Mittel für die sächsischen Verkehrsverbünde verständlich. Der ZVON ist von den Regionalisierungsmitteln des Bundes abhängig, wobei in Sachsen über diese Mittel zudem Leistungen finanziert werden, die eigentlich originäre freistaatliche Aufgaben wären. Der Staatshaushalt kann hierdurch entlastet werden; und dieses Geld wird auch dringend benötigt. Auch der Freistaat meint, seinen Anteil zur Finanzierung spekulativer Bankgeschäfte leisten zu müssen, wie sie durch die Bankenkrise von 2007/2008 offenkundig geworden waren.

Die 1992 gegründete Landesbank Sachsen, die zu 37 % dem Freistaat gehörte, stand unter der Aufsicht mehrerer CDU-geführter Regierungen. Mitverantwortliche sind hier die Finanzminister Georg Milbradt, Thomas de Maiziere und Horst Metz. Stanislaw Tillich wird erst im Oktober 2007 Vorsitzender des Verwaltungsrats der Bank, als selbige schon abgewickelt wurde. Die Bank rief 1999 eine irische Tochtergesellschaft ins Leben, die frei von deutschen Bankenregeln operiert und Mitte 2007 mal so eben 17 Milliarden Euro benötigt, um nicht pleite zu gehen. Geld, das Sachsen nicht auftreiben kann. So kommt es zum Notverkauf der Bank an die Landesbank Baden-Württemberg. Sachsen übernimmt zudem eine Landesbürgschaft in Höhe von 2,75 Milliarden Euro. Davon wurden bis 2017 anderthalb Milliarden fällig. Dieses im Grunde nur virtuelle Spielgeld fehlt auf Jahre im Landeshaushalt für andere Aufgaben. Folglich werden fehlende Lehrerinnen und Polizisten beklagt, marode Brücken oder andere nicht getätigte Investitionen. [42]

Das Problem wird durch das Staatsziel der „schwarzen Null“ noch verschärft. Die sogenannte Schuldenbremse, die intentional vor allem Ausgaben für Soziales, öffentliche Infrastruktur und Personalkosten deckeln soll, damit andere „wichtige“ Projekte umso üppiger bedacht werden können, behindert auch den Ausbau des öffentlichen Personenverkehrs. In Sachsen trat die Schuldenbremse 2014 in Kraft, fünf Jahre vor weiteren Bundeländern. Natürlich laßt sich so eine Schuldenbremse bei Bedarf auch umgehen. So können Gesellschaften gegründet werden, in die staatliche Aufgaben ausgelagert werden, die nicht nur der Kontrolle des Parlaments entzogen sind, sondern die auch Schulden machen dürfen. Eine andere Variante besteht darin, staatliche Aufgaben in anderen Finanztöpfen zu verstecken, sie dorthin auszulagern oder die Töpfe einfach umzuwidmen.

Der öffentliche Personenverkehr ist in Deutschland in der Regel defizitär. Es handelt sich um ein System der Daseinsvorsorge, das aus Steuermitteln alimentiert werden muß. Mitte der 1990er Jahre ist die Verantwortung für den Schienen­personennahverkehr auf die Bundesländer übergegangen. Diese bestellen Leistungen, welche über einen Anteil am Mineralölsteuer­aufkommen finanziert werden. Diese Mittel werden den Bundesländern anhand der Bevölkerungszahlen und der erbrachten Verkehrsleistung zugewiesen. Wandern aus den neuen Bundesländern massenhaft Menschen aus und werden deshalb Leistungen gestrichen, werden diese Bundesländer doppelt abgestraft. Deshalb wurde 2016 vereinbart, den neuen Bundesländern zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Insgesamt werden ab 2017 8,2 Milliarden Euro mit einer jährlichen Steigerungsrate von 1,8 % verteilt [43]. Das Problem dabei: nicht nur die Zahlen der Fahrgästinnen und Fahrgäste steigen, sondern auch die Kosten. Insbesondere die Trassenpreise der Deutschen Bahn AG schlagen hier zu Buche; selbige sind jedoch willkürlich festgelegt und dazu gedacht, sich einen Anteil der Regionalisierungs­mittel anzueignen, ohne hierfür von den Verkehrsverbünden eigens bestellte Leistungen zu erbringen. Soll heißen: mit Hilfe dieser als Trassenentgelte abgegriffenen Regionalisierungs­mittel schreibt die Deutsche Bahn schwärzere Zahlen und kann umso getroster weltweit auf Einkaufstour gehen.

Der Freistaat Sachsen stellt den sächsischen Verkehrsverbünden nur rund 74 % [2017] der zugewiesenen Regionalisierungs­mittel zur Verfügung. Der ZVON erhält daraus nach einem weiteren Verteilschlüssel etwas mehr als 11 %; 2017 wären dies knapp 50 Millionen Euro. Hinzu kommen Fördernittel zu Investitionen und eine Ausgleichszahlung für gewährte Ermäßigungen im Ausbildungsverkehr. Der Witz daran ist: mit den Buskursen für Schülerinnen und Schüler lassen sich in der Fläche zumindest an Schultagen Verkehrs­leistungen in Regionen mitgestalten, die ansonsten auf eigene Rechnung aus Regionalisierungs­mitteln zu bestreiten wären.[44]

Katja Meier, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90 / Die Grünen, hat sich die Mogelpackung genauer angeschaut. Aufgrund der Ergebnisse bei den Nachverhandlungen vom 16. Juni 2016 zur Neuverteilung der Regionalisierungsmittel standen Sachsen rund 50 Millionen Euro mehr zu.

„‚Doch von diesen zusätzlichen 50,2 Mio. Euro sollen laut Vorlage der Staatsregierung im Jahr 2017 nur 1,3 Mio. Euro direkt an die Zweckverbände gehen. Mit weiteren 3,8 Mio. Euro wird eine Rücklage gebildet. Also insgesamt nur zehn Prozent dieses willkommenen Nachschlags bei den Regionalisierungs­mitteln führen zu erhöhten Fördermitteln für Bahn und Bus in Sachsen‘, beklagt die Abgeordnete.

‚Die weiteren zusätzlichen 45 Mio. Euro will Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) leider nicht für den konsequenten Ausbau des öffentlichen Verkehrs nutzen. Stattdessen wird mit diesen 40,9 Mio. Euro das Landes­investitions­programm gedeckt, das bisher aus Landesmitteln finanziert werden sollte. Außerdem wird mit weiteren 4 Mio. der Schülerverkehr finanziert. Von den 45 Mio. Euro fließt somit kein zusätzlicher Euro mehr in den Ausbau des ÖPNV.‘“ [45]

Es wäre bei politischem Willen mehr drin. Doch dieser Wille fehlt. Andererseits wird jede Menge Geld bereitgestellt, um auch in die entferntesten Winkel der Oberlausitz Spiele, Spaß und Klamauk zu bringen. So will der Landkreis mit finanzieller Unterstützung des Bundes und des Freistaates Sachsen bis zu 200 Millionen Euro in den Ausbau eines schnelleren Internets stecken. Beworben wird dieses Vorhaben mit der Aussicht, hochauflösende Filme ruckelfrei empfangen zu können. So sehen zwar nicht echte, aber sehr virtuelle blühende Landschaften aus. Zudem werden hiermit weltweit operierende Konzerne auf Kosten der Steuerzahlerinnen und -zahler subventioniert. Fließt dieses Geld nicht, dann gerieren sich selbige Telekommunikations­unternehmen mit derselben Mißachtung des ländlichen Raumes wie so manche Verkehrsplaner. [46]

Anschlußprobleme

Bislang verkehrt zwischen Bischofswerda und Görlitz an sechs Tagen in der Woche ein alle zwei Stunden verkehrender Regioshuttle der ODEG, der am Nachmittag einmalig auch auf zwei Einheiten erweitert wird. Wenn er, wie es ab und an vorkommt, dann nur einteilig fährt, weil die restriktive Vergabepolitik des ZVON keine Fahrzeugreserven kennt, benötigt man und frau bei winterlichen Temperaturen kein Heizgebläse, um sich warm zu halten. Das spart Energiekosten. Ob das für alle Beteiligten so angenehm ist?

Während durch die Regioshuttles in Richtung Görlitz zusammen mit den Trilex-Desiros ein annhähernder Stundentakt hergestellt wird, ist dies in der Gegenrichtung auch für die kommenden zwei Jahre nicht der Fall. Um im Triebwagenumlauf mit einer Einheit auskommen zu können, fahren die Zwischentakter der ODEG von Görlitz nach Bischofswerda einer Art Schaukeltakt alle 90 bzw. 30 Minuten. Hier diktiert die Betriebswirtschaft das Interesse der potentiell Reisenden an zuverlässigen und leicht merkbaren Intervallen. Zwei Triebwagen in relativ kurzem Abstand ergeben aber nicht wirklich Sinn, wenn die Taktlücke danach recht groß ausfällt. Wenn dann noch, wie es ab und an vorkommt, der ODEG-Triebwagen zu spät verkehrt oder gar, was umso schmerzlicher erfahren wird, gleich ganz ausfällt – wie zuletzt der frühe Nachmittags-Zwischentakter am 1. November 2017 –, dann ist dies gewiß nicht im Interesse derjenigen Bahnreisenden, die auf eine zuverlässige Verkehrs­verbindung Wert legen. Diese nehmen dann, trotz aller Unannehmlichkeiten etwa beim regulären Stau auf der Autobahn, dann doch lieber ihr eigenes Kraftfahrzeug.

Der ab Dezember 2019 geplante Fahrplan wird diesem Mangel abhelfen, aber um den Preis der Abkopplung der kleinen Stationen.

Bekannte, die ab und an nach Seitschen kommen, ziehen es inzwischen vor, mit den Trilex-Zügen zu kommen und den Zwischentakter auszulassen. Mehrfach ist es ihnen widerfahren, daß der Anschlußzug der ODEG, der in Bischofswerda die Fahrgästinnen und Fahrgäste des Zuges von Dresden nach Zittau zur Weiterfahrt nach Görlitz aufnehmen sollte, entweder überhaupt nicht gekommen war oder vorzeitig abgefahren ist, weil der Trilex aus Dresden um einige Minuten zu spät angekommen ist. Nun ließe sich argumentieren, die Reisenden im Trilex könnten darum bitten, daß der ODEG-Triebwagen warten möge. Doch ist es Aufgabe der Reisenden, offiziell ausgewiesene Anschlüsse einzufordern? Die Verantwortlichen vor Ort wissen doch, daß regelmäßig ein ganzer Schwall Reisender aus Dresden umsteigen will. Diese dann einfach auf dem zugigen Bahnsteig eine Stunde ausharren zu lassen, erzeugt Frust und vergrault genau diejenigen, die bei der nächsten Verkehrszählung auf den kleinen Stationen nicht mehr ein- oder aussteigen mögen. Servicewüste Deutschland.

Eine überfüllte Autobahn, Elefantenrennen und die Suche nach Parkplätzen im städtischen Raum sind geradezu maßgeschneidert für die Suche nach Alternativen, die den Druck herausnehmen und den Umstieg auf öffentliche Verkehrsangebote erleichtern. Im Grunde genommen müßte die Eisenbahnachse von Görlitz nach Dresden mitsamt dem Abzweig von/nach Zittau weiter ertüchtigt werden. Mehr Züge, schnellere Fahrzeuge, mehr Ausweichen. Statt dessen sind gerade auf dem Zittauer Ast die Kreuzungs­möglichkeiten eingeschränkt worden, so daß ein besserer Taktfahrplan schon an der Infrastruktur scheitert. Diese Politik wird hauptsächlich in Berlin gestaltet und vom Vorstand der Deutschen Bahn AG durchgeführt. Selbige ist zwar vom Prinzip her ein staatliches Unternehmen, also Volkseigentum, wird aber mit Absicht geleitet und überwacht von Vertreterinnen und Vertretern konkurrierender Interessen. Eisenbahn­fachleute sucht man und frau in Vorstand und Aufsichtsrat des Unternehmens vergeblich, statt dessen bestimmt dort eine ganze Charge von Widersachern aus der Automobil- und Flugzeugindustrie oder dem Speditionsgewerbe das Geschehen.

Dennoch wäre vor Ort mehr möglich. Selbst wenn die Vorgaben aus der an einer zu starken staatlichen Bahn nicht interessierten Wirtschaft, der daran anknüpfenden Politik und der dies umsetzenden Konzernzentrale in Berlin hinderlich sind, ließe sich vor Ort mit guten Willen mehr aus den vorhandenen Strecken herausholen. Die Strecken­geschwindigkeit liegt noch lange nicht überall bei 120 km/h, obwohl diese Maßnahme allein schon für einen kräftigen Schub und für eine erhebliche Fahrzeitersparniß sorgen könnte.

Vierundzwanzig eingesetzte Fahrzeuge mögen zwar finanzierbar sein, doch ist dieses Konzept auf Kante genäht. Wehe, es fällt ein Triebwagen aus, wehe, es ist Ausflugswetter, wehe, die Menschen benutzen die Bahn anstelle des eigenen Autos!

Da kann es mehr als einmal vorkommen, daß der Trilex Zug 81136, 9.45 Uhr ab Görlitz, schon in Bautzen nur noch Stehplätze anbietet, wenn statt der an Samstagen vorgesehenen zwei nur ein Triebwagen eingesetzt wird. In Bischofswerda wird es eng, vor allem, wenn Reisende mit Fahrrad, Rollator oder Kinderwagen unterwegs sind, und ab Radeberg wird es dann richtig kuschelig. So selbst erlebt am 8. Juli 2017. Man und frau mag sich gar nicht vorstellen, was geschieht, wenn zukünftig die Zwischentakter ausgerechnet am Samstag entfallen werden. Chaos pur?

Wobei hier anzumerken ist, daß die „Gefäßgrößen“ für den Verkehr innerhalb des ZVON-Gebiets ausreichen mögen. Erst im Bereich des Verkehrsverbundes Oberelbe, in direkter Nachbarschaft zu Dresden, wird es richtig voll. Manche der Trilexe, die in Dresden überfüllt losfahren, bieten schon in Radeberg Sitzplätze an. Ob und inwieweit die beiden Verkehrsverbünde sich hier bei der Stellung der Menge der Fahrzeuge abgesprochen haben, ist wohl Betriebsgeheimnis. Dennoch hapert es auch beim ZVON.

Am 24. Juli 2017 berichtet die „Sächsische Zeitung“ von einem Quartett, das am 2. Juli mit dem Rad von Bautzen über Bischofswerda ins Oberland wollte, um von dort gemütlich die Spree entlang wieder nach Bautzen zu radeln. Bis Bischofswerda kamen sie auch. Doch dort war es in zwei aufeinanderfolgenden Zügen nach Zittau nicht möglich, vier Bautzener plus Fahrrad mitzunehmen. Die Züge waren rappelvoll, weil natürlich auch die Dresdnerinnen und Dresdner sich die frische Luft der Lausitz um die Ohren wehen lassen wollten. ZVON-Sprecherin Trebesius spricht von einem Einzelfall. Mit dem schönen Wetter hatte man und frau einfach nicht gerechnet (was an den bekannten Witz zur Deutschen Bahn erinnert, die bekanntlich fünf Hauptfeinde hat: nämlich die vier Jahreszeiten und die sogenannten Beförderungsfälle) und daher nur minimalistisch geplant. Das Bestellprinzip der Verkehrsverbünde ist einfach unflexibel und kann auf eine saisonal zu erwartende höhere Nachfrage nicht reagieren. Die Reisenden bleiben verärgert am Bahnsteig stehen; und werden die Bahn zukünftig meiden. So sehen echte Public Relations aus. [47]

Trilex Zug 81138, Görlitz ab 11.45 Uhr, verkehrt sonntags nur mit einem Triebwagen. Da kann es vorkommen, daß schon in Bautzen die Fahrgästinnen und Fahrgäste nicht mitgenommen werden können, wie am 27. August 2017 geschehen.

Einzelfälle? Vielleicht. Aber auch die strukturell bedingte Summe von auflaufenden Einzelfällen ist dem Image des Bahnfahrens in der Lausitz nicht gerade förderlich. Und wenn der Entwurf des Nahverkehrsplans so viel Wert darauf legt, daß die Reisenden von der polnischen Grenze schneller an die Elbmetropole gelangen, dann sollten die Verantwortlichen einmal ein ernsthaftes Wörtchen mit dem Netzbetreiber sprechen. Denn der schickt gerne einmal einen langsamer fahrenden Güterzug auf die Strecke, der den nachfolgenden Trilex- oder ODEG-Zug am Seitschener Blocksignal ausbremst. Für einen Regionalexpreß ist das eine peinliche Situation, an einer nicht zum Halt vorgesehenen Station Minuten lang warten zu müssen, nur weil es so besser in die Trassenplanung der Deutschen Bahn AG paßt. Die Triebwagenführer von Trilex und ODEG könnten hierzu so einiges beitragen; ich selbst beobachte nur.

Weshalb ich gar nicht auf die beide zum Netinera-Konzern gehörenden Unternehmen Trilex und ODEG schimpfen möchte. Im allgemeinen verkehren die Züge pünktlich und zuverlässig. Nur, hundertprozentig kann man und frau sich halt darauf nicht verlassen, und das wird spätestens dann ärgerlich, wenn in Dresden der IC oder ICE mit Zugbiindung davonfährt. Jedenfalls geht selbst der ZVON in seinem Entwurf von zu geringen Kapazitäten aus:

„Ziel ist eine Entlastung der Stammzüge der RE 1. Bereits heute verkehren einzelne Züge in der maximalen Konfiguration von drei gekuppelten Triebwagen. Aufgrund wachsender Pendlerbeziehungen im Raum Dresden ist hier mit einer weiter steigenden Nachfrage zu rechnen. Die vorgesehene Einrichtung von stündlich schnellen Verbindungen zwischen Görlitz, Bautzen und Dresden soll die Nachfrage besser verteilen und zusätzliche Kapazitäten schaffen. Perspektivisch wird dabei auch eine Durchbindung der Verstärkerzüge Görlitz – Bischofswerda nach Dresden angestrebt.“ [48]

Das klingt plausibler als es ist. Die Bespannungsübersicht vom 25. Juli 2017 [49] weist nämlich nur zwei (!) Züge aus, die mit drei Einheiten verkehren. Es handelt sich um die Fahrten Trilex Zug 80211, Dresden ab 16.08 Uhr (RE 1), und Trilex Zug 80200, Görlitz ab 5.45 Uhr (RE 1). Nicht entsprechend ausgewiesen, aber dennoch mit drei Einheiten verkehrt auch Trilex Zug 81147, Dresden ab 16.35  (RB 60). Das heißt: sofern genügend Triebwagen vorhanden wären, könnten weitere Regionalexpreß-Züge, falls erforderlich, „aufgestockt“ werden, ohne den Zwischentakter antasten zu müssen, der, nebenbei bemerkt, in der Regel mit nur einer (!) Einheit verkehrt. Nicht genügend Triebwagen zur Verfügung stellen zu wollen, ist aber eine politische Entscheidung. Anstatt aufzustocken, wird der vermeintlich einfachere Weg gegangen, indem man den Zwischentakter zweckentfremdet. Es kann allerdings auch vorkommen, daß einer der untätig herumstehenden Triebwagen unvorhergesehen zweckentfremdet, sprich: gekapert wird. [50]

Der Hinweis auf eine methodisch belastbare Untersuchung, die belegen würde, daß mit Einführung eines Zwischentakter-Regionalexpresses die Fahrgastzahlen derart signifikant steigen, daß die Verluste an Fahrgästinnen und Fahrgästen an den ausgegrenzten kleineren Stationen ausgeglichen werden, die unweigerlich entstehen, wenn man die Zwischenhalte mutwillig aufgibt, ist dem Nahverkehrplan nicht zu entnehmen. Das heißt: hier liegt eine politische Entscheidung vor, die keinerlei empirische Basis besitzt.

Zudem findet sich im Entwurf des Nahverkehrsplans so manche Ungereimtheit; beispielsweise:

„Der Vergleich der Entwicklung der Personen­kilometer/Jahr zwischen 2012 und 2014 weist ein Rückgang von 7,6 % aus (vgl. Abbildung 18). Diese Entwicklung wurde vermutlich durch die Leistungs­reduzierung in 2014 um ca. 9 % verursacht. Aufgrund der abweichenden Erhebungs- und Auswertungsformen ist ein Vergleich mit den Daten der letzten Fortschreibung des Nahverkehrs­plans nur sehr eingeschränkt möglich. Insgesamt ist jedoch ein positiver Trend zwischen 2008/09 und 2012 bzw. 2014 erkennbar. So wird für 2008/09 eine Verkehrsleistung von durchschnittlich 320.000 Personenkilometer je Wochentag angegeben. Dies entspräche etwa 80 Millionen Personenkilometer pro Jahr an Wochentagen und liegt damit deutlich unter den in Abbildung 18 erkennbaren Werten.“

Besagte Abbildung 18 zeigt uns nun jedoch im Balkendiagramm montags bis freitags einen Wert um die 100.000 Personen­kilometer, samstags, sonntags und an Feiertagen jedoch jeweils um die 20.000 Personen­kilometer. Nehmen wir die im Text angegebenen 80 Millionen Personen­kilometer als Ausgangspunkt. Dann ist der Text wohl zu verstehen, daß pro Werktag 320.000 Personen­kilometer zustande gekommen sind. Diese Zahl, multipliziert mit fünf und 52 Wochen ergibt abzüglich der Feiertage wohl tatsächlich die angeführten 80 Millionen. Laut Balkendiagramm liegen die Tagesleistungen montags bis freitags jedoch bei nur rund 100.000 Personen­kilometern. Das wäre derart viel weniger, daß hier irgendeine Zahl nicht stimmen kann. Zu „erkennen“ ist das Behauptete jedenfalls nicht. [51]

Vermutlich waren es wieder einmal Sparmaßnahmen, die für den Rückgang der Personen­kilometer um 7,6 % verantwortlich waren. Konsequent und betriebswirtschaftlich zu Ende gedacht hieße dies: wir fahren die Leistung um 100 % zurück und verlieren nur 84 % der Fahrgästinnen und Fahrgäste. Was für ein Gewinn! 16 % Personenverkehr ohne entsprechende Leistung. Daß ein Verkehrsverbund auf derartige Erfolgsziffern nicht stolz sein darf, ist offensichtlich. Daher wird der Zusammenhang im Text auch nur „vermutet“. Ursachenforschung ist ja auch ein schwieriges Geschäft. Doch sollte die Aufgabe eines Verkehrsverbundes nicht darin bestehen, mehr öffentlichen Personenverkehr anzubieten als Leistungen einzuschränken?

Die nachfolgende, für den Entwurfs des Nahverkehrsplans gar nicht einmal so untypische Tabelle, gibt nur noch Rätsel auf. Dargestellt werden sollen wohl die konkreten Verkehrsbeziehungen zwischen Bautzen, Seitschen, Demitz-Thumitz und Bischofswerda auf der Görlitzer Hauptstrecke. Andere Verkehrsbeziehungen bleiben ausgeklammert.

Tabelle 3: Haltestellenkonkrete Ein- und Ausstiege 2014 für die Linien RE 1, RB 60 und OE 60V. Daten für Montage bis Freitage 2014. Richtung 1  / Richtung 2. [52]
Ein- und Aussteiger pro Jahr / TagBautzen BahnhofSeitschen BahnhofDemitz-Thumitz BahnhofBischofswerda Bahnhof
Bautzen Bahnhof 899 / 3,6183 / 0,737.761 / 152,2
Seitschen Bahnhof480 / 1,9 [keine Angabe][keine Angabe]
Demitz-Thumitz Bahnhof3.190 / 12,9[keine Angabe] 5.010 / 20,2
Bischofswerda Bahnhof56.204 / 226,6228 / 0,91.989 / 8,0 

Was mit Richtung 1 oder 2 gemeint ist, erschließt sich bestenfalls aus der vorherigen Abbildung des Planentwurfs für den parallelen Busverkehr auf der Linie 180, wonach Richtung 1 die Fahrtrichtung nach Bischofswerda meint, und Richtung 2 diejenige nach Bautzen. Dort, wo wir nun korrespondierende Angaben vorfinden, stellen wir eine massive Diskrepanz beim Ein- und Ausstieg pro Fahrtrichtung fest. Demnach würden im Laufe eines Jahres 37.751 Personen in Bautzen mit Fahrtziel Bischofswerda einsteigen, aus Bischofswerda hingegen wollten 56.204 nach Bautzen. Noch krasser die Zahlen für Demitz-Thumitz. In Bautzen stiegen demnach 183 Personen mit diesem Ziel ein, viel weniger als nach Seitschen; aber aus Demitz-Thumitz wollten 3.190 Personen nach Bautzen, viel, viel mehr als aus Seitschen. Ist das realistisch? Oder was will uns diese seltsame Tabelle wirklich sagen? Eine Erklärung suchen wir im Begleittext vergebens. Fällt ein derartiges Zahlenmißverhältnis bei der Planerstellung keiner und niemandem auf? Wenn schon diese Zahlen zumindest merkwürdig zu sein scheinen, was bedeuten dann überhaupt Zahlenangaben im Planentwurf?

Getreidezug in Seitschen.

Bild 9: Ein Getreidezug keucht die Rampe von Bautzen nach Bischofswerda hoch. Der nachfolgende Verstärkerzug wird ausgebremst und kann nur im Blockabstand hintendrein fahren. Aufnahme vom Juni 2017.

Wollte man wirklich die Fahrzeiten zwischen Görlitz und Dresden (und zwar hauptsächlich zwischen Görlitz und Bischofswerda) reduzieren, gäbe es zwei andere Möglichkeiten, die teilweise schon skizziert worden sind. Die eine kostet Geld und die andere bedarf nur guten Willens und eines Mindestmaßes an kundinnen- und kundenorientierter Flexibilität.

In der Schlußfassung der Fortschreibung des Nahverkehrsplanes vom 13. Dezember 2010 finden wir einen deutlichen Hinweis auf brach liegende Beschleunigungs­potentiale. Mit Hinweis auf das bilaterale Abkommen mit Polen von 2003 zum Ausbau und evtl. Elektrifizierung der Relation Wrocław  / Breslau – Dresden wird angemerkt, daß diese Relation auf 120 bis 160 km/h ausgebaut werden soll und der deutsche Abschnitt, die Kursbuchstrecke 230, auf 120 km/h ausgelegt sei. Tatsächlich gibt es östlich von Bautzen längere Abschnitte, die nur mit 100 km/h oder gar nur 80 km/h durchfahren werden dürfen. Hier werden Minuten einfach liegengelassen. [53]

Regioshuttles in Seitschen.

Bild 10: Nach der Durchfahrt des Getreidezuges stehen sich diese beiden Regioshuttles der ODEG die Räder vor dem roten Blocksignal in Seitschen platt. Ob für die hier unnötig Wartenden der Anschluß nach Dresden in Bischofswerda noch geklappt hat, ist nicht überliefert. Aufnahme vom Juni 2017.

Halten wir fest: die Steigerung der Höchst­geschwindigkeit östlich von Bautzen und ein verkürztes Abfertigungsverfahren in Bischofswerda bringen fast genau die Minuten an Ersparnis, wegen derer die Zwischenhalte entwurfsgemäß bluten müssen. Und wenn dann nicht, wie es immer wieder einmal vorkommt, die wenigen Güterzüge so auf die Strecke geschickt werden, daß der nachfolgende Triebwagen von Trilex und ODEG mehrere Minuten vor dem Blocksignal in Seitschen ausgebremst wird, dann kommen die Görlitzerinnen und Bautzner auch schneller in die Landeshauptstadt.

Bahnsteigkante.
Bild 11: Bei einer nächtlichen Schotteraktion wurden manche Bahnsteigkanten in Mitleidenschaft gezogen. Aufnahme vom März 2017.

Eine Schlußbemerkung noch: Die an einzelnen Stellen ziemlich ramponierten Bahnsteigkanten der Station Seitschen sollten vielleicht auch einmal erneuert werden. Es muß ja nicht erst dazu kommen wie im Darmstäter Nordbahnhof, wo unter den Füßen eines einsteigenden Fahrgastes der Boden wegbrach und er in den Spalt zwischen Restbahnsteig und Regionalbahn fiel [54]. Oder müssen wir auf derartige Reparaturen noch solange warten, bis im Zuge eines irgendwann einmal erfolgenden S-Bahnbaus auch Fördermittel für S-Bahn-gerechte Bahnsteige zur Verfügung gestellt werden?

Ansonsten dürfen wir auf das Ergebnis der nächsten Zählung ein- und aussteigender Fahrgästinnen und Fahrgäste Anfang der 2020er Jahre gespannt sein. Hatte der ZVON mit seiner Ausdünnungspolitik Erfolg? Konnte er den Zuspruch zu den kleineren Stationen senken? Wird er dann weitere Leistungen streichen und damit die Abwärtsspirale beim Empfang von Regionalisierungs­mitteln fortsetzen? Wir werden sehen.