Die Straßenbahn in Darmstadt
Straßenbahnbilder Mai 2017
Bildergalerie
1886 errichtete ein privates Konsortium die ersten beiden Straßenbahnstrecken in die Vororte Eberstadt und Griesheim, denen 1890 eine weitere Strecke nach Arheilgen folgte. 1897 ließ die Stadt Darmstadt ein eigenes elektrisches Straßenbahnnetz erbauen. Die Geschichte dieser Straßenbahn gibt es hier auf meiner Webseite.
Ende Mai 2017 schaute ich mich in Darmstadt nach Veränderungen in der Werbelandschaft um. Zum einen benötigt die Konjunktur auf Konsum angefixte Kundinnen und Kunden, zum anderen erwartet die ehemalige Darmstädter Fachhochschule von ihren Zöglingen nicht etwa Grips, sondern stylisches Auftreten. Die Aufnahmen sind nicht datums-, sondern nummernmäßig aufgeführt.
Diese Bildergalerie ist die Fortsetzung zur Adventstraßenbahnlinie 24 mit Aufnahmen vom November und Dezember 2014.
Bild 120: Zu den Bahnwelttagen des Kranichsteiner Eisenbahnmuseums pendelten an drei der vier Tage des langen Himmelfahrts-Wochenendes die Oldtimer der Arbeitsgemeinschaft Historischer HEAG Fahrzeuge zwischen dem Hauptbahnhof und der Schleife in Kranichstein. Am Tag, an dem viele Väter Auslauf bekommen, um sich dubiosen Vergnügungen hinzugeben und dabei mitzuhelfen, daß deutsche Brauereien nicht verdursten, waren Triebwagen 57 und Beiwagen 132 an der Reihe, die Besucherinnen und Besucher des Eisenbahnmuseums zu befördern. Da ich mich an diesem Tag nicht zur Hilfe im Lokschuppen eingeteilt hatte, blieb mir gengend Gelegenheit, diese Pendelfahrt abzupassen, hier an der Frankfurter Straße vor der Entega-Zentrale.
Bild 121: Am Samstag, den 27. Mai 2017, durfte Triebwagen 31 die Runden drehen. Gerade ist er morgens um 10 Uhr aus dem Museumsdepot ausgerückt, um zunächst als Leerfahrt zum Hauptbahnhof aufzubrechen. Irgendwie stehen in Kranichstein zu viele Masten und Gatter herum.
Bild 122: Am 31. Mai 2017 begab sich Triebwagen 9124 ohne zugehörigen Beiwagen auf eine Werkstattfahrt. Dies ist eine der seltenen Gelegenheiten, einen der in die Jahre gekommenen Hochflurwagen im Porträt abzulichten. Freundlicherweise paßte die Ampelschaltung an der Kreuzung mit der Kasinostraße und dem Rhönring und auch die Radfahrerinnen und Radfahrer huschten nicht unvermutet ins Bild. Es fehlte nur noch die Sonne, um das eher trübe Bild etwas anzublinzeln.
Bild 123: Der Student von heute geht mit Fönfrisur auf Wissensfang. Zumindest scheint dies die Vorstellung der ehemaligen Darmstädter Fachhochschule im Frühjahr 2017 zu sein, die seit einigen Jahren als Hochschule Darmstadt firmiert. Man geht nicht zur Vorlesung, sondern zu einem Date, und flirtet dabei nicht mit koketten Mädchen (siehe weiter unten), sondern mit dem recht wertlosen Bachelor-Diplom. Vermutlich soll hier schon darauf hingewiesen werden, daß es im späteren Berufsleben mehr auf den Schein als auf handfeste Ergebnisse ankommt, weshalb so ein Studium durchaus auch als ein Scheinstudium im doppelten Sinne des Wortes angesehen werden kann. Zu diesem Zweck kutschiert am 31. Mai 2017 Beiwagen 9429 hinter Triebwagen 9872 als Linie 5 zum Hauptbahnhof.
Bild 124: Wo andere Baumärkte vor Kraft, aber nicht unbedingt Intelligenz strotzende Kerle für schweißtreibende Beschäftigungen zu gewinnen suchen, zeichnet sich der Darmstädter Baumarkt Farbenkrauth durch ein durchaus modernes Weltbild aus. Kinderhände machen die Welt bunter und rechts ist es eine Frau, die ganz selbstverständlich und selbstbewußt ihre Bohrmaschine präsentiert. Und es sind dann wohl die von den anderen Baumärkten angeleiteten Männer, die sich lauthals über die Rückständigkeit des Islam ereifern, ganz besonders deswegen, weil er Frauen mit ihren Reizen ihren Blicken entzieht. Aber den Balken im eigenen Auge wollen sie alle nicht wahrhaben, denn letztlich sind im Patrarchat so ziemlich alle Männer gute Kumpels. Am 30. Mai 2017 brachen die beiden Klebefiguren auf, um vom Luisenplatz aus mit Beiwagen 9440 hinter Triebwagen 9862 als Linie 4 in Griesheim neue Welten zu erkunden. Farbenkraut liegt jedoch seit eh und je an der Eberstädter Strecke.
Bild 125: Auch auf der Türseite konnten es die Folienanbringer nicht lassen, die Fensterscheibe mit einer neckischen Gärtnerin zuzukleben. Die Unsitte, die Aussicht aus dem Fenster zu verhindern, ist weit verbreitet. Wozu eigentlich Fensterglas, wenn frau oder man da hindurch doch nichts sieht? Hier fährt dasselbe Gespann am 26. Mai 2017 zwischen der Kunsthalle und dem Gewerkschaftshaus als Linie 9 zum Böllenfalltor.
Bild 126: Das Pendant zum schöngegelten Fönfrisurträger macht sich für die Wissenschaft mit einem Ohrring schick. Der Jüngling darf noch ein Werkzeug benutzen, während die junge Frau sich ganz ihrem Schmuck hingibt. Rollenklischee über Klischee in der Klischeewelt der Hochschule einer Wissenschaftsstadt. Und damit werden die Kinder von heute von früh auf sozialisiert. Kein Wunder, daß dabei nur noch adrette, gestylte, partyhungrige Jasagerinnen und Konformisten herauskommen, die kritiklos alles mitmachen, was ihnen vorgesetzt wird. Sie hören bestimmt „dein Radio“, lauschen „deiner Musik“, äffen „deinen Stil“ nach und finden „ein Date mit deiner Zukunft“. Andernorts, etwa im finsteren Rußland des grimmigen Wladimir Putin, würden wir derlei Gehirnwäsche nennen, hier aber dient es dem hehren Ziel der ausbeutbaren Wissenschaft. Angetroffen wurde die Klischeewelt aus dem Elfenbeinturm auf Beiwagen 9445, der hinter Triebwagen 0786 am 31. Mai 2017 vor der Entega-Zentrale als eine an dieser Stelle langsam trabende Schnellinie 6 nach Arheilgen zuckelte.
Bild 127: Auch der Darmstädter Spielwarenhandel Faix tut sich seit Jahren damit hervor, Rollenstereotypen festzuzurren. Während jungen Mädchen allenfalls einmal in der verkaufsschwachen Zeit ein süßes Püppchen zugemutet wird, gibt es für die Jungs das echte Leben: der Kampf mit Zombies, die Erforschung des Weltalls oder ein Roadtrip in den Dschungel. Faix gibt sich nicht einmal die Mühe, ein Alibimädchen als Staffage unterzubringen. Oder stammt die ganze Werbemasche etwa aus der Lego-Konzernzentrale? Die Fotostelle kennen wir schon; bleibt noch zu erwähnen, daß Beiwagen 9451 hinter Triebwagen 0781 am 25. Mai 2017 als Linie 7 gen Arheilgen unterwegs ist.
Bild 128: Konsumrausch verspricht uns das Darmstädter Luisencenter seit Februar 2017 auf der Außenseite von Triebwagen 9874. Die Kundschaft benötigt nicht einmal einen Parkplatz, denn die Sänfte fährt, wenn auch nicht ganz barrierefrei, bis zum Hauptportal des Einkaufstempels vor. Folglich hat die Werbeagentur befunden, eine Straßenbahn sei kein Bummelzug, sondern ein Shopping-Express. Brav zieht hier in der Goebelstraße die Bahn – Entschuldigung: der Expreß – daher am 26. Mai 2017 seine Runden, um auf dem Weg zur Lichtenbergschule als Linie 3 auch am Luisenplatz vorbeizuschnuppern.
Bild 129: In der Gegenrichtung entschwindet am Mathildenplatz derselbe Triebwagen mit seiner gepinkten Rückseite am 24. Mai 2017 als Linie 3 zum Hauptbahnhof.