Die Straßenbahn in Darmstadt
Winterfahrplan 1912/13
Scan der Fahrplanseiten
1886 errichtete ein privates Konsortium die ersten beiden Straßenbahnstrecken in die Vororte Eberstadt und Griesheim, denen 1890 eine weitere Strecke nach Arheilgen folgte. Im Grunde handelte es sich um die Schmalspurausführung einer dampfbetriebenen Eisenbahn. Alle drei Linien standen in Konkurrenz zur parallel verlaufenden Eisenbahn. Die Stadt Darmstadt sah die innerstädtischen Verkehrsbedürfnisse des Bürgertums nicht abgedeckt und ließ ein eigenes elektrisches Straßenbahnnetz aufbauen. Aus der Verschmelzung beider Gesellschaften entstand 1912 die Hessische Eisenbahn Aktiengesellschaft, kurz HEAG. Die Dampfstrecken wurden elektrifiziert; ein Vorgang, der aufgrund des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden französischen Besatzung Arheilgens und Griesheims erst 1926 abgeschlossen war.
Die elektrische Straßenbahn umfaßte mit dem Winterfahrplan 1912/13 vier farbig markierte Linien. Dieser Fahrplan gibt einen Eindruck in das Leistungsvermögen dieses kleinen Straßenbahnnetzes, bevor nach der Fusion der städtischen elektrischen Straßenbahn mit dem Dampfnetz der SEG die noch zu elektrfizierenden Dampfstraßenbahnlinien integriert wurden. Auch von den drei noch mit Dampf betriebenen Strecken nach Eberstadt, Griesheim und Arheilgen liegen die Angaben vor.
Interessant ist, daß die Dampfstraßenbahn nach Griesheim, sofern sie den Truppenübungsplatz anfuhr, zweimal die Fahrtrichtung änderte.
Das Liniennetz der Darmstädter elektrischen Straßenbahn bestand demnach am 1. Oktober 1912 aus folgenden vier Linien:
- Die weiße Linie befuhr die Strecke vom Böllenfalltor über die Nieder-Ramstädter-Straße und die Kirchstraße zum Ernst-Ludwigs-Platz, und von dort weiter die Rheinstraße entlang bis zum Hauptbahnhof. Etwa die Hälfte aller Fahrten begann bzw. endete am Herdweg.
- Die blaue Linie begann an der Landskronstraße, durchfuhr Bessungen und führte dann weiter über die Karlstraße und die Kirchstraße zum Ernst-Ludwigs-Platz, anschließend über die Rheinstraße zum Hauptbahnhof.
- Die grüne Linie begann an der Kreuzung der Heinrichstraße mit der Heidelberger Straße, befuhr die Heinrichstraße ein kurzes Stück bergauf und bog dann links ab in die damals wesentlich längere Saalbaustraße. Weiter ging es über die Elisabethenstraße und die Ernst-Ludwig-Straße zum Ernst-Ludwigs-Platz, von dort am Landesmuseum und dem damaligen Hoftheater vorbei hinein in die Alexanderstraße. Etwa die Hälfte der Fahrten endete an der Einmündung der Taunusstraße in die Dieburger Straße, die restlichen Kurse führten zum Eingang in die Fasanerie.
- Die rote Linie bezeichnete die Verbindung des sich im Johannesviertel und westlichen Martinsviertel angesiedelten Bürgertums zur restlichen Welt. Vom Ernst-Ludwigs-Platz ging es die Rheinstraße hinunter bis zum Rheintor (an der Kunsthalle), dort rechts abbiegend zu den ein halbes Jahr zuvor stillgelegten Alten Bahnhöfen, weiter in die Bismarckstraße bis zur Einmündung der Wendelstadtstraße (heute Wilhelm-Leuschner-Straße). Von dort an der Johanneskirche vorbei durch Liebig- und Pallaswiesenstrae bis zum Schloßgartenplatz an der Elisabethkirche. Die Verbindungsstücke in der Bismarckstraße zwischen Frankfurter und Wendelstadtstraße einerseits, sowie zwischen den Alten Bahnhöfen und dem Hauptbahnhof andererseits waren noch nicht fertiggestellt.