Rheinstraße.
Rheinstraße.
Hirschköpfe.
Bei den Hirschköpfen.
An den alten Bahnhöfen.
An den alten Bahnhöfen.
Auf dem Ernst-Ludwigs-Platz.
Zentraler Umstieg am Weißen Turm.
Theatergleis.
Auf dem Theatergleis.

Die Straßenbahn in Darmstadt

Ein Straßenbahnmast verschwindet

Eine Bilderserie vom Februar und Mai 2016

1886 errichtete ein privates Konsortium die ersten beiden Straßenbahn­strecken in die Vororte Eberstadt und Griesheim, denen 1890 eine weitere Strecke nach Arheilgen folgte. Im Grunde handelte es sich um die Schmalspur­ausführung einer dampf­betriebenen Eisenbahn. Alle drei Linien standen in Konkurrenz zur parallel verlaufenden Eisenbahn. Die Stadt Darmstadt sah die inner­städtischen Verkehrs­bedürfnisse des Bürgertums nicht abgedeckt und ließ ein eigenes elektrisches Straßen­bahn­netz aufbauen. Aus der Verschmelzung beider Gesellschaften entstand 1912 die Hessische Eisenbahn Aktien­gesellschaft, kurz HEAG. Die Dampfstrecken wurden elektrifiziert; ein Vorgang, der aufgrund des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden französischen Besatzung Arheilgens und Griesheims erst 1926 abgeschlossen war.

1913 erreichte das erweiterte Straßen­bahnnetz in zwei Bauabschnitten den Ostbahnhof. Jahrzehnte später gingen die Bemühungen um eine autogerechte Stadt nicht spurlos an Darmstadt vorüber. Der Super-GAU wurde zwar vermieden, aber einzelne Streckenäste mußten daran glauben. 1986 traf es den Rest der einstigen Linie 5. Die Betriebs­führung über die Landgraf-Georg-Straße wurde eingestellt. Das war angesichts der damals ungewissen Zukunft der Oden­waldbahn durchaus konsequent. Genügend Quellverkehr konnte die Straßenbahn am Ostbahnhof nicht abgreifen. Zudem geisterte ein Straßen­bauprojekt in den Köpfen der Autonärrinnen und Autonarranesen herum, das viel Platz für den automobilen Wahn erforderte: die 2009 nach einem Bürgerinnen- und Bürger­entscheid politisch gescheiterte Nordostumgehung.

Dreißig Jahre lang schlummerten mal sichtbar, mal kärglich mit Asphalt übertüncht die Schienen im Straßenbett und warteten auf bessere Zeiten. Untersuchungen über die Rentabilität der Wieder­aufnahme eines Zugbetriebes nach Groß-Zimmern oder eine Nutzung dieser Trasse für eine am Ostbahnhof weitergeführte Straßen­bahnlinie kamen und gingen. Knackpunkt all dieser Überlegungen war die Kreuzung mit der zwischen­zeitlich aufgepäppelten und seither überaus erfolgreichen Oden­waldbahn am Ostbahnhof; jede vorgeschlagene Lösung war an dieser Stelle mit immensen Kosten verbunden. Die naheliegende Lösung wurde systematisch ausgeblendet und verworfen: das dem nunmehr überflüssig gewordenen vierspurigen Ausbau der Bundesstraße 26 vorbehaltene Tarrain ließe sich kostengünstig und geradezu geschmeidig als Straßenbahn­trasse nutzen. Doch wo kein Wille ist, werden noch Jahre im früh­morgendlichen Stau Busse im Minutentakt aus dem Landkreis in die Innenstadt geleitet. Wir fragen besser nicht, weshalb die Grünen sich hier verkrümelt haben.

Die Aufnahmen entstanden am 20. Februar (Baustelle im Regen), 27. Februar (Baustelle mit Sonne) und 1. Mai 2016 nach dem Ende der Bauarbeiten.


Anfang 2016 hatten die Darmstädter Planerinnen und Planer genug von der Ungewißheit und beauftragten ein Bauunternehmen damit, sich in den Untergrund zu fräsen. Zwischen Fiedlerweg und Ostbahnhof wurde die Straßen­decke komplett erneuert und dabei auch das Schienenbett entsorgt. Am Wegesrand stand noch, geradezu als Mahnung an die verkehrs­politischen Sünden der Vergangenheit, ein vor sich hinrostender Mast zur Befestigung der Oberleitung. Als ich am 1. Mai 2016 nach Ende der Bauarbeiten nochmals vorbeischaute, war er verschwunden.

Die rund zweieinhalbmonatige Baustelle zur Förderung von Feinstaub­emissionen von Februar bis April 2016 kostete rund 350.000 Euro. Die Fußgänger­innen- und Radwege am Straßenrand wurden selbstredend in die Baumaßnahme nicht mit eingebunden. Die damalige Bau­dezernentin Cornelia Zuschke wird im „Darmstädter Echo“ mit den Worten wiedergegeben: „Das war eine der schlimmsten Strecken in Darmstadt – da gab es viele Beschwerden.“ So einsichtsvoll ist frau bei Radwegen bekanntlich nicht. [1]

Nun ist ein solcher im Grunde überflüssig gewordener Straßen­bahnmast sicherlich kein Kulturdenkmal ersten Ranges. Andererseits hätte auch nichts dagegen gesprochen, ihn zu entrosten und mit einer Tafel zu versehen: „Hier fuhr von 1913 bis 1986 eine Straßen­bahn zum Ostbahnhof. Zur Verringerung von Feinstaub und anderen Emissionen ist die Stadt Darmstadt bemüht, den verkehrs­politischen Fehler der 80er Jahre zu korrigieren und die Straßenbahn hierher zurück­zuholen. Bis dahin mahnt dieser Oberleitungs­mast die politisch Verantwortlichen zu raschem Tun. Je länger ich hier vor mich herroste, desto untätiger waren die Verantwortlichen.“

Doch wenn es darum geht, das Privat­vergnügen des letzten Großherzogs und des mit ihm verbundenen Teil des Bürgertums, die Mathildenhöhe in Darmstadt, zum Welt­kulturerbe hochzustufen, werden keine Kosten und Mühen gescheut. Kitsch aus Adelszeiten zieht halt mehr als saubere Luft.

Baustelle.

Bild 1: Überblick über die Baustelle, im Hintergrund ist der Ostbahnhof zu sehen. Die stadteinwärts führende Spur wird gerade bearbeitet.

Gleisreste.

Bild 2: An der Einmündung des Fiedlerwegs in die Landgraf-Georg-Straße enden nunmehr die Gleisreste. Auch diese sollen perspektivisch verschwinden.

Baumaschinen.

Bild 3: Arbeitsmaschinen in der ehemaligen, den Wohnblock umfahrenden Gleisschleife.

Baumaschinen.

Bild 4: Nicht, daß die Maschinen besonders spannend wären. Aber im Bildhintergrund, links neben der großen Verkehrstafel, ist der hier interessierende Mast zu erkennen. Er ist mir jahrelang nicht aufgefallen.

Haltestelle.

Bild 5: Die ehemalige Endhaltestelle zwischen Parkraumbewirtschaftung und Müllcontainern. Nachdem nun auch der L-Bus dort nicht mehr hinfährt, ist die Haltestelle verwaist.

Pflaster.

Bild 6: Da dem Zuschke-Dezernat zuzutrauen ist, daß auch dieses Verkehrsdenkmal demnächst mitentsorgt wird, soll ausschnittsweise ein Teil des Pflasters im Haltestellenbereich bildlich festgehalten werden.

Schienenende.

Bild 7: Gleisende an der Erbacher Straße.

Rosette.

Bild 8: Am Häuserblock entlang der Landgraf-Georg-Straße hängen noch einige der einst für die Bestestigung der Oberleitung verwendeten Rosetten. Diese hier wurde für die Verankerung eines Mastes für eine provisorische Ampel zweckentfremdet.

Mast.

Bild 9: Das ist er. Es ist Wahlkampf, wie wir sehen.

Mast.

Bild 10: Unauffällig stand er am Straßenrand.

Betonsockel.

Bild 11: Der Betonsockel des Fahrleitungsmastes.

Kein Mast.

Bild 12: Wochen später. Dort, wo zwischen den jungen Bäumchen der Mast stand, ist nunmehr Leere. Der Verkehr fließt ungehindert von Schienen und Schlaglöchern. Der Fotograf entschied sich für die Lücke im Stau.

Straße und Schiene.

Bild 13: Zum Abschluß eine Abschweifung. Dort, wo die Bundesstraße 26 die Oden­waldbahn unterquert, ist ausreichend Platz hinter der Spundwand neben dem Stau vorhanden, um dort eine zweigleisige Straßen­bahntrasse zu führen. Die Lärm­schutzwand im Hintergrund schützt das neuerschlossene Edelstein­viertel vor dem Straßenlärm. Direkt dahinter befindet sich der eingleisige Rest der einstigen Nebenbahn nach Groß-Zimmern.

Straße und Schiene.

Bild 14: Weiter hin zum Ostbahnhof wird die Brache deutlicher erkennbar. Genügend Platz für eine Straßenbahn. Wenn die Straße nunmehr seit Jahrzehnten zwar planerisch, aber nicht faktisch den Platz okkupiert, der vierspurige Ausbau ohnehin nicht zu erwarten und auch unsinnig ist, dann kann hier stattdessen auch neu geplant und die Mobilität aus dem Umland neu gestaltet werden. Lieber eine Straßenbahn als Stau in Permanenz. Es müßte dann nur noch der Umstieg zur Oden­waldbahn intelligent eingerichtet werden – ganz ohne Brücken­monster oder ähnlich kostenintensive und damit ein solches Projekt verunmöglichende Hoch- oder Trogbauten.