Industriegleise im Fabrikviertel Darmstadt
Aus Darmstädter Stadtplänen von 1902 und 1927
In Striche gefaßte Entwicklungen
1872 und 1893/94 wurden die beiden ersten Industriestammgleise zum Darmstädter Fabrikviertel eingerichtet. Dieses Fabrikviertel bildete sich mit der Westexpansion der Stadt Darmstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts heraus. Von den Mitte der 50er Jahre rund dreißig, Anschlußgleisen sind nur noch (Stand 2020) vier oder fünf übriggeblieben.
Beide Stadtpläne entstammen einer Privatsammlung und werden auf den diversen Seiten zum Fabrikviertel mehrfach angesprochen; sie sind zwischenzeitlich – wie viele andere Darmstädter Stadtpläne auch – in der digitalisierten Kartensammlung der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt verfügbar gemacht worden: der Stadtplan von 1902 wie auch der Stadtplan von 1927.
Abbildung 1: Etwa 1902 [1901] bearbeitete das Städtische Vermessungsamt einen Plan von Ferdinand Haberer. Obwohl entlang der Blumenthalstraße (heute Kasinostraße) mehrere Gleisanschlüsse eingezeichnet sind, fehlt der 1894 errichtete Abzweig von der Main-Neckar-Bahn in die Landwehrstraße und von dort weiter in die Weiterstädter Straße bis zum Fabrikgelände der Maschinenfabrik der Gebrüder Lutz. Entlang der Main-Rhein-Bahn bzw. der Riedbahn sind in der lang geschwungenen Kurve zwischen der Pallaswiesenstraße und dem oberen Bildrand zwei, vielleicht auch drei Bahnwärterhäuser auszumachen. Der (spätere) Gleisanschluß des Städtischen Schlachthofs, der auf der Frankfurter Straße die Dampfstraßenbahn nach Arheilgen kreuzen sollte, ist noch nicht zu erkennen. Auf der Schulinsel im Johannesviertel (damals Blumenthalviertel) steht noch die Städtische Gasanstalt, die im späteren 19. Jahrhundert über einen eigenen Gleisanschluß verfügt hat. Die von den alten Bahnhöfen am heutigen Steubenplatz durch das Johannesviertel zum Schloßgartenplatz führende Straßenbahnlinie wurde am 1. Oktober 1903 eröffnet, so daß die Angabe „1902“ für diesen Plan mit leichter Skepsis zu betrachten sein wird.
Abbildung 2: Dieser Stadtplan lag dem Darmstädter Adreßbuch von 1927 bei. Vielerlei hat sich gegenüber den Gleisanlagen des Jahres 1902 verändert. Die Schneisen, welche die Bahnlinien vor der Westverlagerung des Hauptbahnhofs durch die Stadt schlugen, sind noch deutlich auszumachen. Sie sind häufig als Brachfläche eingezeichnet, obwohl die Verbindung vom Ausbesserungswerk (Planquadrat 43/53) zur Landwehrstraße (Planquadrat 34) vielleicht schon vorhanden war. Die Einfahrt durch das Haupttor in das Fabrikgelände von Röhm & Haas fehlt (Planquadrat 34), ebenso die Anbindung der Firma Goebel durch die Kirschenallee (Planquadrat 25). Hingegen entsprechen die Gleisanlagen des Fabrikviertels in weiten Teilen dem Zustand um 1960. Der Schlachthof ist nun angebunden (Planquadrat 53). Westlich des (neuen) Hauptbahnhofs gibt es den Gleisanschluß der HEAG und das Kartoffelkellergleis (Planquadrat 15). Gut zu erkennen ist das Werkstättengleis (Planquadrat 12/13) als drittes Gleis parallel zu den beiden Gleisen der Riedbahn (Planquadrat 11) bis zur Blockstelle an der Bergschneise sowie die zweigleisige Verbindung von der Bergschneise zum Darmstädter Hauptbahnhof (Planquadrat 21/31). Das 1918 errichtete Straßenbahngleis von der Otto-Wolfskehl-Straße (heute: Goebelstraße) über die Dornheimer Brücke bis zum Rodensteinweg (Planquadrat 15) ist nicht eingetragen, was vielleicht damit zu erklären ist, daß der Linienverkehr erst zum 1. Juli 1929 aufgenommen wurde.