Luftbild auf das Fabrikviertel 1966.
Industriegleise im Fabrikviertel Darmstadt
Walter Kuhl
Luftbild auf das Fabrikviertel 1966.
Das Fabrikviertel 1966.
Deutschlandkurve in der Landwehrstraße.
Eine Deutschlandkurve.
Kreuzung Straßenbahn- mit Industriegleis.
Einfahrt zur Kirschenallee.
Abholung eines Kesselwaggons.
Ein Kesselwaggontransport.
Gleisabbau an der Schenckallee.
Abgewrackt.

Industriegleise im Fabrikviertel Darmstadt

Als Lokomotivführer im Fabrikviertel Darmstadt

1932 und 1933

1872 und 1893/94 wurden die beiden ersten Industriestammgleise zum Darmstädter Fabrikviertel eingerichtet. Dieses Fabrikviertel bildete sich mit der Westexpansion der Stadt Darmstadt Ende des 19. Jahrhunderts und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts heraus. Von den Mitte der 50er Jahre rund dreißig, Anschlußgleisen sind auf dem gesamten Darmstädter Gebiet (Stand 2020) nur noch vier oder fünf übriggeblieben. Die Geschichte der Erschließung des Fabrikviertels wird an anderer Stelle dieser Webseite nacherzählt.

Für 1932 und 1933 liegen die Kalender des damals im Bw Darmstadt beschäftigten Lokomotiv­führers Ernst M. vor, aus denen hervorgeht, wann und mit welcher Lokomotive er selbiges befahren hat. Und es gibt eine Abbildung von ihm und seiner Lok.


Ernst M.s Karriere bei der Deutschen Reichsbahn ist nicht näher bekannt. Die Aufzeichnungen der beiden Jahre, die uns der in Darmstadt wohnende Lokomotivführer hinterlassen hat, reichen hierzu nicht aus. Wohl aber lassen sich hierüber Einsatzpläne und die Verwendung bestimmter Baureihen für einzelne Lokleistungen belegen. Von seinen Einsätzen im Fabrikviertel ist einer sogar bildlich belegt. Ich hatte mir vorgestellt, daß unser Protagonist der dritte Mann von links ist und über ihm auf der Lok sein Heizer steht. Rainer Keil vom Eisenbahn­museum in Darmstadt-Kranichstein, der selbst noch auf Rangierfahrt im Fabrikviertel unterwegs gewesen ist, liefert eine andere und vollkommen schlüssige Auflösung.

Dienst im Fabrikviertel.

Bild 1: Gruppenfoto vor Lokomotive 91 1341 [lokdaten]. Quelle: Archiv Eisenbahn­museum Darmstadt-Kranichstein.

Ganz links, mit weißem Hemd und dem Frachtbrief in der Hand, steht der Annahmebeamte der Güterabfertigung in Darmstadt. Neben ihm steht der Rangierer­meister des Darmstädter Haupt­bahnhofs; er trägt eine an einer Silberkette befestigte Rangierer­pfeife. Der Rangierleiter hat seine Rangierer­pfeife an einer Lederschnur angebracht; seine Mütze besitzt einen hellen Bezug. Der zivil gekleidete Herr in der Mitte läßt sich nicht zuordnen. Rechts neben ihm steht mit der Glocke in der Hand der Rangierer; er geht der Rangierf­ahrt zur Warnung und Absicherung voran. Der Kuppler ist „die arme Sau“. die mit der Stange buckeln muß. Der Herr im weißen Hemd mit Fliege und Uhrkette ist der Lokführer; vermutlich also Ernst M., während oben auf der Lok der Heizer thront.

Die Aufzeichnungen der Jahre 1932 und 1933 belegen keinen Dienst auf selbiger Lok, was aber wenig besagt, weil einige Monate dieser Kalender nicht ausgefüllt wurden und für weitere Tage die gefahrene Lok nicht vermerkt ist. Bemerkens­wert ist hingegen, daß er zum Beispiel für den 7. August 1932, einen Sonntag, ausdrück­lich einen Dienst im Fabrikviertel vermerkt hat. Für Freitag, den 17. Februar 1933, ist beim Dienst im Fabrikviertel mit der Lok 91 331 sogar die verwendete Lokomotive vermerkt. Wir können wohl zurecht davon ausgehen, daß Dampf­lokomotiven dieser Baureihe für den Güter­transport ins und aus dem Fabrikviertel zuständig waren.

Dienst im Fabrikviertel.

Abbildung 2: Auszug aus dem Kalender 1932. Die minima­listischen Angaben sind typisch für die Einträge dieses Lokomotiv­führers. Dennoch können wir dem Eintrag entnehmen, daß Dienstplan Nr.  6 den Rangier­dienst an den Stellwerken und im Güterbahnhof, sowie Übergaben im Fabrikviertel vorgesehen hat. Hier, im Mai 1932, sind leider nicht, wie in anderen Monaten, die Loknummern vermerkt; es sei denn, die am 7. Mai 1932 vermerkte „544“ steht für den nachfolgend täglichen Einsatz auf der 18 544, was schon sehr ungewöhnlich und auch wenig wahrscheinlich wäre. Rainer Keil meint hingegen, M. habe die 544 am Stellwerk 5 abgelöst. Daß hier der Name des Heizers eingetragen ist, liegt dann daran, daß dieser nicht aus M.s Dienstplan stammt. Quelle: Archiv Eisenbahn­museum Darmstadt-Kranichstein.

Ernst M. war – zumindest ausweislich der angegebenen Fahrten – wenig im Fabrikviertel unterwegs. Seine Wege führten ihn beispiels­weise mit der Bayerischen S 3/6 auf die Main-Neckar-Bahn, mit der P 8 über die Oden­waldbahn nach Heilbronn, aber auch nach Frankfurt, Worms oder Heidelberg, oder mit der Baureihe 93 im regionalen Verkehr rund um Darmstadt fast überall hin.

Ein Eintrag im Bibliotheks­system des Hessischen Staatsarchivs verrät, daß Ernst M. 1892 in Messel geboren wurde, in Darmstadt gelebt und es bis zum Ober­lokomotiv­führer gebracht hat. Er starb 1975. Mehr, denke ich, müssen wir auch nicht wissen.