Fabrik. Blick auf das Fabrikgelände. Quelle: Adreßbuch 1908.

Die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt

Kapitel 2: Johann Ludwig Buschbaum schneidet eine preisgekrönte Schraube

Die schon zuvor bestehende Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt wurde mit Unterstützung der ebenfalls in Darmstadt ansässigen Bank für Handel und Industrie 1857 in eine Aktien­gesellschaft umgewandelt. Die Liquidation des Unternehmens wurde mit der General­versammlung am 21. Dezember 1878 eingeleitet.

Kapitel 2 behandelt die Unternehmens­geschichte von etwa 1837 bis 1844. Mit der Gründung des Unternehmens Buschbaum und Comp. beginnt die eigentliche Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt. Der Mechanikus Johann Ludwig Buschbaum hatte schon in den 1820er Jahren für Hektor Rößler gearbeitet und errichtet nun seine Fabrik auf dem Rößler'schen Gelände an der Chaussee nach Arheilgen und weiter nach Frankfurt.


Dieses Kapitel zur Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei ist die Fortsetzung von Kapitel 1 – Hektor Rößler richtet eine Werkstätte ein –, welches den Zeitraum von etwa 1807 bis 1837 behandelt hat. Dort erfuhren wir, daß der Münzmeister und Münzrat Hektor Rößler 1837 versucht hatte, seine Hofreite an der Arheilger Chaussee zu verkaufen. Dieses Vorhaben scheint sich schwieriger als gedacht erwiesen zu haben, so daß statt dessen Johann Ludwig Buschbaum mit seiner eigenen Werkstätte die Räumlichkeiten auf dem weitschweifigen Gelände bezieht.

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Johann Ludwig Buschbaum schneidet eine preisgekrönte Schraube

Buschbaum und Comp.

Die Hofreite mit der Anschrift Lit. F Nr. 209 enthält im Darmstädter Adreßbuch eine zunächst kurios erscheinende Besonderheit. Das Adreßbuch von 1843 führt nämlich im Einwohner­verzeichnis unter dieser Anschrift den Mechaniker [Johann Ludwig] Buschbaum mit dem Zusatz „Arheilger Chaussee“ auf, wäh­rend der als Fabrikant bezeichnete Friedrich Rößler den Zusatz „Vor dem Main­thor“ erhält. 1840 wurde hier hingegen nur Buschbaum genannt. Daraus ließe sich die Vermutung ableiten, daß Buschbaum im repräsentativen Gebäude an der Hauptstraße und Rößler in einem Seitengebäude gewohnt haben. Das linke Seitengebäude war mit fünf Räumen und einer kleinen Küche ausgestattet. [1]

Im Häuserverzeichnis hingegen, das die Distrikte (litterae) alphabetisch und innerhalb derselben numerisch durchzählt, wird 1843 unter Lit. F Nr. 209 der Münzrath Hektor Rößler aufgeführt, der demnach weiterhin Eigentümer des Grundstücks ist. Die Bewohner oder Nutzer des Gebäudes sind über das Ein­wohner­verzeichnis zu erschließen. Die Angabe „Vor dem Mainthor“ ist als eine Art Sammel­bezeichnung für all die Grundstücke aufzufassen, die nördlich bzw. nordwestlich der alten Stadt­umfassung gelegen haben und oftmals allen­falls – je nach Witterung – an einen staubigen oder schlammigen Trampel­pfad angebunden waren. So findet sich hierzu zweieinhalb Jahrzehnte später, im Herbst 1869, eine kleine Randbemerkung in einer der Darmstädter Zeitungen:

„Darmstadt, 27. Nov.  Unweit der Schneidmühle bei Darmstadt sind mehrere Häuser für Arbeiter erbaut, der Weg von jenen nach der Stadt ist aber, mit Ausnahme der Sommermonate, so schmutzig und so mit Wasserlachen erfüllt, daß nicht nur den Erwachsenen sondern auch die in die Schule gehenden und heimkehrenden Kinder, in Ermangelung wasserdichter Jagdstiefel, nur mit wasser­erfüllten Fuß­bekleidungen wandeln. Diesem Nothstande ist durch ein von der Promenaden­straße nach den Arbeiterhäusern stehendes erhöhtes Trot[t]oir, auf der östlichen, bezüglich nördlichen Seite der Straße, von Seiten der Stadt abzuhelfen. Es hat doch der Verschönerungs­verein, mit seinen geringen Mitteln, für die Dankerfüllten Arbeiter von Ober- und Nieder­ramstadt, Traisa und Roßdorf wohl mehr gethan!“ [2]

Mit Beginn der Baumaßnahmen im Blumenthal­viertel sollte eine solche Straße, die Blumenthal­straße, planiert werden; ob damit auch ein regenfestes Trottoir verbunden war, ist nicht überliefert. Die Schneidmühle lag im freien Feld und vesaß die Anschrift Lit. F. Nr. 210 bezeichnet) gemeint. Drei der vom Bauverein Ende der 1860er Jahre erbauten Arbeiter­häuser standen rund fünfzig Meter süd­westlich der Mühle, an der Ostseite der Blumenthal­straße zwischen Land­wehr­straße und Alicestraße.

Bei der Anschrift Lit. F Nr. 209 bezeichnet der Buchstabe „F“ den Stadtdistrikt (in einer Reihe von „A“ bis „I“), innerhalb dessen die im Distrikt liegenden Häuser durchnumeriert werden. Grundlage der Numerierung ist das in selbige Distrikte eingeteilte Brand­versicherungs­kataster. Dabei kann es durchaus vorkommen, daß von einer Häuserzeile in eine weitere einer Nachbarstraße fortgezählt wird, bevor nach einem „Rundgang“ wieder in die ursprüngliche Straße zurückgekehrt wird. Nachträgliche Bauten scheinen nachnumeriert worden zu sein, weshalb das Ganze im Laufe der Zeit etwas undurchsichtig wird. Solange die Provinzmetropole klein und überschaubar bleibt, ist für Behörden und Postzusteller die Zuordnung noch leicht herzustellen. Mit dem Wachstum der Stadt wird Mitte der 1860er Jahre auf das uns gebräuchliche Adreßsystem mit Straßen und durchgehenden Hausnummern umgestellt, so daß aus Lit. F Nr. 209 „Vor dem Mainthor“ die Anschrift Frankfurter­straße 50 erwächst.

Das Datum der Gründung des neuen Unternehmens läßt sich, mit der ange­setzten Versteigerung im Mai als terminus post quem, auf die Sommer­monate Juni bis August 1837 datieren. Denn schon im September stellt das Unter­nehmen auf der ersten Darmstädter Gewerbe­ausstellung seine Produkte aus, wobei anzunehmen ist, daß hier weniger neue Buschbaum-Fertigungen, als viel­mehr Bestände aus der Rößler'schen Werkstätte gezeigt worden sein dürften. Als Teilhaber von Buschbaum und Comp. sind neben dem Namens­geber Johann Ludwig Buschbaum die beiden Rößler-Brüder Hektor (sen.) und Friedrich denkbar. Bei der Ausstellung im September 1837 präsentierte Buschbaum und Comp. eine Handwalzen-Drucker­presse mit Selbst­schwär­zung [3]. Die Beurteilungs­kommission zu dieser Gewerbe­aus­stellung faßte ihren Eindruck von diesen Gegenständen wie folgt zusammen:

Herr Ludwig Buschbaum, Mechanikus und Maschinenfabrikant in Darmstadt, lieferte eine Handwalzen­druckpresse mit Einrichtung zum Selbstschwärzen, eine dreigängige Preß­schraube und eine Stell­schraube für ein Walzwerk.

Diese Gegenstände hat Herr Buschbaum bereits schon vor längerer Zeit in der vormaligen mechanischen Werkstätte des Herrn Münzrath Rößler verfertigt und lieferte durch ihre Ausstellung den Beweis von Geschick­lichkeit in seinem Fach und von einer nicht gewöhnlichen Sorgfalt und Akkuratesse seiner Arbeiten. Die gelieferte Preßschraube war bereits mehrere Jahre an einem der großen Prägwerke der Groß­h[erzog­lichen] Münze im Gebrauch, und noch ganz in ihrer ursprüng­lichen Schärfe.

Herr Buschbaum, welche längere Zeit auf der Ludwigshütte, theils unter herrschaftlicher Verwaltung, theils unter ihren dermaligen Besitzern, als Werkmeister angestellt war, und daselbst vielfache Gelegenheit hatte, die Ausführung größerer Maschinen u. s. w. zu leiten, hat vor kurzem eine Maschinen­werkstätte in Darmstadt etablirt.“ [4]

Das neugegründete Unternehmen Buschbaum und Comp. erhielt bei der ersten Darmstädter Gewerbe­ausstellung im September 1837 noch keine Auszeich­nung. Dafür gab es mehrere Gründe, die mit der Qualität der ausge­stellten Gegenstände nur bedingt zu tun hatten. Im Gegensatz zu späteren Gewerbe- und Industrie­ausstellungen, nicht nur in Darmstadt, sondern überhaupt, beschränkte der Gewerbeverein die Vergabe von Medaillen auf ein über­schau­bares Maß und vermied so eine geradezu inflationäre in Metall gegossene Lobhudelei. Auf ihrer Sitzung am 16. August 1837 beschlossen die vereinigten Ausschüsse des Gewerbevereins, maximal eine goldene, fünf silberne und fünfzehn bronzene Medaillen zu überreichen, verwässerten diese löbliche Zurück­haltung jedoch durch das Einführen einer vierten Kategorie, der „ehren­vollen Erwähnung“. Die Beurteilungs­kommission bestand aus dem Kabinett­schreiner Fehring, dem Oberbaurat Dr. Lerch, dem Medizinalrat Heinrich Emanuel Mer[c]k, dem Fabrikanten Moldenhauer, dem Münzrat Hektor Rößler als Vorsitzenden, sowie dem Kaufmann Karl Zöppritz. Diese Beurteilungs­kommission gab sich wiederum einige modifizierende Regeln. Für die Vergabe der Goldmedaille sollen nicht nur höchste Kunst­fertigkeit und Voll­kommen­heit leitend sein, sondern zudem die Wichtigkeit des Industrie­zweiges, die Größe des Etablissements und der Ruf seines Besitzers. Da man sich hier nicht zwischen mehreren durchaus würdigen Kandidaten entscheiden wollte, vergab man keine goldene Medaille, dafür jedoch eine weitere silberne. Silber­medaillen erhielten somit der Tapeten­fabrikant Hochstätter aus Darmstadt, der Hutfabri­kant Wilhelm Martini aus Offenbach, der Hof­mechanikus Siener aus Darm­stadt, der Kupfer­drucker Felsing aus Darmstadt, der Apotheker Friedrich Koch aus Oppenheim und der Möbel­fabrikant Knußmann aus Mainz. Des weiteren wurden fünfzehn Bronze­medaillen und sechzehn ehrenvolle Erwäh­nungen vergeben. Selbst­redend betrachteten sich die Mitglieder der Beurtei­lungs­kommission quasi als außer Konkurrenz. [5]

Aus dem Vortrag des Großherzoglichen Geheimen Oberforstraths Zamminer aus Darmstadt

„Nachträglich habe ich nur noch zu erwähnen, daß ich ein Exemplar der von mir angegebenen Wasserwaage mitgebracht und hier aufgestellt habe, um zu zeigen, wie solche jetzt in vollkommenerem Zustande, mit achromatischem Fernrohre und die Schrauben der Richtmaschine in Metall gehend, in der für alle mechanischen Leistungen und insbeson­dere auch für größere Maschinen jeder Art neu errichteten Werkstätte des geschickten Mechanikus Buschbaum in Darmstadt, der viele Jahre erster Arbeiter in der vormaligen berühmten mechanischen Werkstätte des gegenwärtigen Großherzoglichen Münzraths Rößler war, angefertigt werden. Herr Buschbaum hat eben für meine letzten Schüler 30 Stück dieser Instrumente vollendet. Die Einrichtung bin ich bereit näher zu erläutern, wenn es gewünscht werden sollte.

Das Wesentliche meines Antheils daran besteht in der Anordnung, daß nur alle die Theile, wovon die Genauigkeit abhängt, von Messing, und Stahl vom Mechanikus, alle übrigen aber von Eisen und Holz vom Schlosser und Schreiner angefertigt sind, wodurch bei gleicher Brauch­barkeit, die hier zu wünschende Wohlfeilheit erreicht wurde. Herr Busch­baum ließ übrigens auch die Schlosserarbeiten in seiner Werkstätte fertigen, da er in seinem großen Etablissement dafür eingerichtet ist. Im übrigen stimmt das Instrument, wie ich schon früher in meiner Schrift anführte, mit der neuen verbesserten Einrichtung von Rößler überein, ist also frei von den Mängeln der veralteten Branderischen Form, wo die Libelle auf dem Fernrohre befestiget war. Hier liegt die Libelle geschützt, und die Einrichtungen zur Berichtigung sind einfach, sicher und hand­greiflich, welches alles für den hier beabsichtigten Zweck sehr wesentlich ist.“

Quelle: Amtlicher Bericht über die Versammlung deutscher Landwirthe zu Karlsruhe im September 1838, Seite 63. Der Preis dieser Wasserwaage betrug 45 Gulden. [6]

Eisenhammer und Silbermedaille

Zeitungsannonce.
Abbildung 02.01: Annonce des Schönberger Eisenwerks im Darmstädter Frag- und Anzeigeblatt vom 1. August 1838. [7]

Hektor Rößler hatte 1834 den Eisenhammer seines Bruders Friedrich in Schönberg über­nommen. Im Juli 1838 läßt er einige dort gefertigte Eisen­röhren und Pferde­krippen nach Darm­stadt zu Johann Ludwig Busch­baum bringen, um sie in Darm­stadt zu vertreiben. Einer Annon­ce des „Darmstädter Frag- und Anzeige­blattes“ zufolge fir­miert Rößlers Unter­nehmung im Lauter­tal als „Schönberger Eisenwerk“. [8]

Auf der zweiten Darmstädter Gewerbeausstellung vom 1. bis zum 15. September 1839 errang Buschbaums Unternehmen eine silberne Medaille; vergeben werden sollten wiederum goldene, silberne und bronzene Medaillen, sowie als weitere Preiskategorie die ehrenvolle Erwähnung. Die nunmehrige Beurteilungs­kommission bestand aus den Herren Zamminer (Vorstand), Fehring, Lerch, Dr. Moldenhauer, K. Netz und dem Münzrat Rößler. Sie wich insofern von dieser Vorgabe ab, als sie auf die ehrenvollen Erwähnungen verzichtete, statt dessen eine goldene, neun silberne und siebzehn bronzene Medaillen verteilte. Die goldene Medaille ging an die Mainzer Lederfabrik Mayer, Michel und Denninger, die silbernen an: Ludwig Berdelle, Chaisenfabrikant in Mainz, Fr. Brazy, Tapeten­fabrikant in Mainz, Ludwig Buschbaum und Comp., Maschinen­fabrikant in Darmstadt, den Uhr­macher Fr. Moritz Illig in Darmstadt, Mer[c]k und Pabst, Stearin­lichter­fabri­kanten in Darmstadt, Gebrüder Schneider, Papier­fabrikanten in Nidda, den Model­leur Jakob Schröder in Darmstadt, den Instrumenten­macher Balthasar Vier­heller in Darmstadt und an die Gebrüder Wüst, Bunt­papier­fabrikanten in Darm­stadt [9]. Ein Zeitungs­bericht erwähnt

„einige in ausgezeichneter Vollkommenheit gefertigte Arbeiten aus der Maschinenfabrik von Buschbaum u. Comp. dahier, als: eine Maschine zum Justiren der Münzen, eine dreigängige Schraube für ein großes Prägwerk, ein sägenförmiges Schraubengewinde für ein Walzwerk (diese Stücke sind für die neue Münze in Frankfurt bestimmt) und eine eiserne Drehbank.“ [10]

Vorderseite.
Rückseite.

Bild 02.02 und 02.03: Die Silber­medaille für „Lud. Buschbaum & Comp. in Darmstadt“ zeigt auf der Rückseite das „Logo“ des 1836 gegründeten Hessischen Gewerbe­vereins, nämlich die Rößler'sche Dampf­maschine in der Münze. Der Durch­messer beträgt 51 mm. Das Exemplar befindet sich im Besitz des Verfassers.

Die dem jungen Unternehmen wohl­gesonnene Kommission hielt sich ein wenig länger mit der Würdigung desselben auf.

Aus dem Bericht der Beurteilungskommission

„Hr. Ludwig Buschbaum & Comp. in Darmstadt ([mit den Katalog­num­mern] 448–451). Diese im Jahr 1837 etablirte Maschinen­werk­stätte hat während der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits sehr vorzüg­liche Arbeiten geliefert, und Hr. Buschbaum hat durch die von ihm zur Aus­stellung gebrachten Gegen­stände, nämlich: eine dreigängige Schrau­be, eine Justirmaschine und eine eiserne Drehbank, bewiesen, wie es sich derselbe zur Aufgabe gemacht hat, allen, aus seiner Werkstätte hervor­gehenden Arbeiten die mechanische Vollendung zu geben. In der That konnte die von ihm gelieferte, für ein Prägwerk der neuen Frank­furter Münze bestimmte, drei­gängige Schraube, welche 7 Zoll im äuße­ren Durchmesser hatte und sich in dem Zustand befand, in welchem sie von der Schneid­maschine genommen wurde, als ein Meister­stück mecha­nischer Arbeit betrachtet werden, sowie die von ihm gelieferte, gleich­falls für die Frankfurter Münze bestimmte, Justir­maschine eine seltene Schärfe und Sorgfalt in ihrer Ausführung verrieth. Die Commis­sion glaubt daher, daß die verdienst­lichen Leistungen des Hrn. Busch­baum Anerkennung verdienen und empfiehlt ihn zur Erthei­lung der silbernen Medaille.

Jene Arbeiten von anerkannt treff­licher Ausführung zu liefern, ist Hrn. Buschbaum möglich durch die, größten­theils selbst von ihm verfer­tigten Maschinen und Werkzeuge zur Bearbeitung der einzelnen Maschinen­theile. Wir heben unter diesen besonders hervor: eine große Drehbank mit Support, Selbstgang und einer Vorrichtung, um Flächen und Bahnen von 8 Fuß Länge zu ebnen und Planflächen von 40″ Durch­messer zu drehen; eine mit dieser Drehbank in Verbindung zu bringende Vorrich­tung, um Zahn- und Winkelräder von Metall, eine Schrauben­schneid­maschine, um mehrfache Gewinde von jedem beliebigen Durch­messer und von 10 Fuß Länge zu schneiden, ferner eine Cylinder­bohr­maschine mit Selbstgang, um Cylinder von 3½ bis 12 Zoll Durch­messer zu bohren. Wir erwähnen endlich noch sechs vortreff­licher, mit Support, Selbstgang und Vorgelege versehener Drehbänke, wovon 4 ganz von Eisen sind, ferner eine sehr sinnreich erdachte, mit den Drehbänken in Verbindung zu bringende höchst nützliche Maschine, um Gewinde, rechte sowohl wie linke, von jeder beliebigen Dicke und Steigung zu schneiden.

Diejenigen Maschinen, mit deren Anfertigung Hr. Buschbaum, außer den für seine eigene Werkstätte bestimmten Einrichtungen, bis dahin vorzugsweise sich beschäftigt hat, sind die verschiedenen, in Münzen gebräuchlichen Maschinen und Werkzeuge, von denen gegenwärtig wieder eine Anzahl, für die neue Frankfurter Münze bestimmt, in Arbeit sich befinden, nämlich ein großes vollständiges Prägwerk, ein Walzwerk mit Zug- und Schneidvorrichtung, Justir- und Durchschneid­maschinen, Gießapparate, Justir- und größere Waagen.“

Quelle: Zusammenstellung und Begutachtung der zur zweiten Gewerbeausstellung eingesandten Fabrikate, in: Verhandlungen des Gewerbvereins für das Groß­herzog­thum Hessen, II. Quartalheft 1839, Seite 69–101, Zitat auf Seite 71.

Die Buschbaum'sche Maschinenfabrik scheint 1839 mit Frankfurter Aufträgen gut ausgelastet gewesen zu sein. Doch hat Johann Ludwig Buschbaum all die hier erwähnten Maschinen und Werkzeuge selbst „verfertigt“, wie alle großen Männer, oder hat er vielleicht doch den einen oder anderen tüchtigen Arbeiter zur Hand gehabt, der womöglich die Drecksarbeit leisten mußte, für deren Ergebnis sein Meister dann so sehr gelobt wird?

Der Frankfurter Senat hatte 1838/39 auf Empfehlung des Münzrats Hektor Rößler dessen Sohn Friedrich Ernst zum Verwalter der Frankfurter Münze bestellt, der selbige daraufhin mit Hilfe seines Vaters und der Maschinenfabrik Buschbaum & Comp. technisch auf den neusten Stand brachte [11]. Aber auch die Darmstädter Münze wurde 1840 durch einen größeren Auftrag in Anspruch genommen.

„Frankfurt, 19. Febr.  In voriger Woche gingen von hier bedeutende Quantitäten Silber-Barren nach Darmstadt ab, um dort in der groß­her­zoglichen Münze in Vereins­münzen geprägt zu werden. Die Sendungen geschahen von dem Hause Rothschild. Man vermuthet, daß sie bereits durch das Anlehen veranlaßt worden sind, welches der Groß­herzog von Hessen bei dem Hause Rothschild negozirt hat. Für die Kenntnß in Betreff der Geld­circulation möchte die Notiz nicht ohne ein gewisses Interesse seyn, daß das Haus Rothschild es ist, welches den Münz­vereins­staaten zum größten Theil die Lieferungen an Silber-Barren für die Prägung der Vereins­münzen gemacht hat und noch macht, und daß diese Silber­vorräthe meisten­theils über Hamburg bezogen worden sind.   (Nürnb[erger] Korr[espondent])“ [12]

Der Münzwardein Friedrich Ernst Rößler ist nicht zu verwechseln mit dem Kaufmann Friedrich Rößler. [13]

Friedrich Ernst kam am 25. November 1813 als fünftes von acht Kindern des späteren Münzrats und der Karoline, geb. Olf, zur Welt. Seine Ausbildung erhielt er in der väter­lichen Werkstätte, bevor er ein Praktikum in München absolvierte und weitere Münzstätten in Wien, Stuttgart und Karlsruhe aufsuchte. Er kehrte etwa 1834 nach Darmstadt zurück. 1838/39 stellte der Frankfurter Senat Friedrich Ernst Rößler, den Sohn des Münzrats, auf dessen Empfehlung hin für die Reorga­nisation der Frankfurter Münze ein. Nachdem er sich offen­sicht­lich bewährt hatte, ernannte man ihn zum 1841 zum Münzwardein, unter der Voraussetzung, daß er das Frankfurter Bürgerrecht erwarb. Folgerichtig findet sich im Stadt­archiv Darmstadt für 1841 ein Auswanderungs­gesuch nach Frank­furt. Er stirbt 1883 in Frankfurt am Main. [14]

Friedrich Rößler erfindet einen Sparofen

Der in einem späteren Darmstädter Adreßbuch als Fabrikant bezeichnete Friedrich Rößler war der jüngste von sieben Brüdern (und zwei bald nach der Geburt gestorbenen Schwestern) des Münzrats Hektor Rößler. Der am 19. Dezember 1787 geborene Friedrich Gottlieb Rößler wird in Darmstadt 1815 erstmals als Geschäfts­mann faßbar. Im Herbst dieses Jahres annoncierte er im Darmstädtischen Frag- und Anzeigeblatt sogenannte Spatöfen und das Neuwieder Gesundheitsgeschirr.

„Durch die gegenwärtige Theuerung der Brenn­materialien sehnten sich so viele ökonomische Personen nicht nur nach holz­sparenden Feuer­heerden, sondern auch nach zweckmäßigem, haltbarem und wohlfeilem Kochgeschirr.

Dieser Wunsch ist endlich durch die nützliche Erfindung der bei mir zu erhaltenden Sparheerde, wovon das Nähere in meinen Abzeichnungen zu ersehen ist, und durch das so zweckmäßige Neuwieder Gesundheits­geschirr, dessen Bestandtheile Eisen, mit dem reinsten Zinn bedeckt, sind, auf das Vollkommenste befriedigt worden. Die Zweck­mäßigkeit dieser Geschirre ist durch vieljährige Erfahrung längst vortheilhaft entschieden; auch sind sie durch die chemischen Unter­suchungen geschickter Aerzte für die menschliche Gesundheit als sehr zuträglich befunden worden. Die oben genannten Bestandtheile dieses blos durch den Hammer zusammen­gefalzten Geschirres, woran nicht die mindeste Löthung stattfindet, ist ein von allen Unreinig­keiten ausge­beiztes Eisen, mit gereinigtem feinem Zinn dergestalt verbunden, daß wenn die Gefäße nach Vorschrift (die ich noch schrift­lich ausgeben werde) behandelt, nie wieder verzinnt zu werden brauchen. Sollte jedoch nach langem Gebrauche die Ver­zinnung ganz abgehen, und die Gefäße durch Vernach­läßigung der Reinlich­keit ganz unscheinbar werden, so können solche zum Ausbessern und Verzinnen bei mir abgegeben werden, welches ich alsdann mit wenigen Kosten wieder wie neu herzu­stellen besorgen werde. Die Billigkeit der Preiße und die Dauer­haftigkeit der Waaren wird übrigens den Beifall des Publikums sichern.

Bei dieser Gelegenheit empfehle ich mich auch meinen Freunden mit allen Arten Eisen und Eisenwaaren, als Staab- oder Stangeneisen, Drath [sic!], aller Art Oefen, schwarze und verzinnte Bleche, Schwäm­men, und sonst noch vielen anderen dahin einschlagenden kleineren Artikeln.

Ich werde mich stets bestreben, die Zufrieden­heit meiner Gönner zu erwerben.

Darmstadt den 14ten September 1815.
Friedrich Rößler,
hinter dem Rathause [15]

Der Wiener Kongreß setzte im Juni 1815 den Schlußpunkt hinter die im Gefolge der Französischen Revolution geführten Koalitions­kriege, die eine Neuordnung Mitteleuropas durch Napoleon Bonaparte brachten. Die kleine Landgraf­schaft Hessen-Darmstadt profitierte hiervon ungemein, zumal es dem Landgrafen Ludwig X. gelang, immer wieder rechtzeitig die Seiten zu wechseln und weitere Gebiete zu arrondieren. Die Beute bestand in weiträumigen Gebieten in Ober­hessen und Starkenburg, vor allem aber im Erwerb der wirtschaft­lich reichen rhein­hessischen Gebiete. Mit dem durch den Wiener Kongreß verkündeten Frieden konnten die Geschäfte wieder aufblühen, was sich alsbald im wachsen­den Umfang der Annoncen in Darmstadts Anzeige­blatt bemerkbar machte. Friedrich Rößler nutzte die Gunst der Stunde und etablierte sich als Eisen­händler. Sein Domizil hatte er in der Schuster­gasse an der markt­abge­wandten Rückseite des Rathauses mit der späteren Anschrift Lit. D Nr. 39. Im August 1816 erhielt er dort die Erlaubnis, Salz auszuwiegen. [16]

Zeitungsannonce.
Abbildung 02.04: Annonce zu den Fayenceöfen Hügelins in der Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung vom 28. Mai 1825, BSB München.

1817 erwarb er in der Kirchstraße ein Wohnhaus und eröffnete dort im Juli ein Laden­geschäft. Das erste Darmstädter Adreßbuch nennt ihn 1819 als Händler für „Spezerei- und Eisenwaaren“ mit seinem Domizil unter der Anschrift Lit. D Nr. 121 und in der folgenden Ausgabe 1821 als Bürger und Eisen­händler. Diese Anschrift wird bei einer Reorganisierung des Brand­versicherungs­katasters um 1831 in Lit. E Nr. 19 geändert. Das Bürger­recht setzte ein Mindest­alter von 21 Jahren voraus; er hatte es kurz nach Erreichen dieses Alters 1809 erworben. [17]

Kurz nach dem Einzug in sein neues Haus in der Kirchgasse annonciert Friedrich Rößler ein zu vermietenes Logis, das er in einer weiteren Annonce wie folgt beschreibt:

„In Lit. D. Nro. 121. ist ein Logis zu vermiethen, beste­hend in 4 heizbaren Zim­mern, worunter 3 tapezirt sind, Kabinet, Küche, Keller und Mitge­brauch der Wasch­küche. Auf Ver­langen kann auch ein Pferde­stall zu 2 Pferden beige­geben werden. Das Ganze ist sogleich zu beziehen. In dem­selben Hause ist auch ein großer gewölbter Keller, welcher gleich über­nommen werden kann, zu vermiethen.“ [18]

In der Folgezeit finden wir im Hause Friedrich Rößlers den Goldsticker Georg Maximilian Bär und den Mehlhändler Adam Daum. – Friedrich Rößler bringt sich und das von ihm vertriebene Neuwieder Gesund­heits­geschirr über Annoncen im Anzeige­blatt ab und an ins Bewußt­sein der Stadt zurück und erbietet sich ab dem Spät­sommer 1818 alljährlich an, das Geschirr zur Neuver­zinnung anzu­neh­men und einzuschicken. Dies brachte den Kupfer­schmied Friedrich Kreckler auf den Gedanken, die Verzinnung in der Residenz­stadt selbst anzubieten: Dieses Gesund­heits­geschirr scheint sich einer gewissen Beliebt­heit erfreut zu haben, doch dürften in Darmstadt nur ausreichend vermögende Adlige, Bürgers­frauen und Hof­schranzen davon gespiesen haben. Als 1831 Peter Damm das Geschäft des Eisen­händlers Friedrich Rößler in der Kirchstraße Nr. 121 übernimmt, bittet nunmehr dieser darum, das Neuwieder Geschirr bei ihm abzu­geben. Dieses Gesund­heits­geschirr war eine Erfindung von Heinrich Wilhelm Remy, einem Nachfolger und Verwandten des Kaufmanns Wilhelm Remy[19]

„Die ersten vortreflichen Sanitäts-Kochgeschirre ließen schon seit etwa 50 Jahren die H[erren] Remy & Barensfeld zu Neuwied verfertigen. Die Gefäße werden aus gewalztem Eisenblech, welches die Unternehmer der Fabrik auf ihrem Eisenwerke Rasselstein selbst verfertigen lassen, durch geschickte Arbeiter bloß mit dem Handhammer geschlagen, und die Fabrik kann, da die Gefäße meist sehr schwierige Formen haben, dazu kein anderes Schwarzblech als ihr eignes, welches von äußerst zäher Qualität ist, gebrauchen. Hierauf werden die Geschirre gebeizt und im Ganzen in völlig reinem Zinn, welches keine andere Beymi­schung hat, verzinnt. Sie bleiben bey gewöhnlicher Säuberung mittelst Rockenkleyen und Werg, und Trocknung an der Sonne immer rein und weiß, und wenn das Reinigen ja einmal versäumt worden, so lassen sie sich dadurch wieder ganz rein und blank machen, daß man sie mit etwas reiner Holz- oder Pottasche abscheuert. Wenn man sie nach jedes­maligem Gebrauche rein wäscht, abputzt und trocknet, so brau­chen sie nie wieder verzinnt zu werden.“ [20]

In der Praxis scheint wohl doch ein Nachverzinnungs­bedarf vorgelegen zu haben, worauf die von Friedrich Rößler aufgegebenen Annoncen hinweisen. – 1825 wird als Handels­vertreter für die Fayence­öfen des Fabrikanten Hügelin aus Strasbourg genannt. Bei diesen Fayence­öfen handelt es sich um eine Sonder­form der Kachelöfen, bei denen die Kacheln glatt und mit aufgemalten Verzie­rungen versehen sind. Die in einem größeren Umfeld veröffent­lichten Annon­cen wiesen besonders auf die Holz­ersparnis der Hügelin'schen Fayence­öfen hin. Er vertrieb nicht nur diese Öfen, sondern verfügte über die notwen­digen Kontakte zu Hügelin, um einen Reparatur­trupp anfordern zu können, wie diese 1828 aufgegebene Annonce belegt:

„Da die Strasburger Fayençeöfen­verfertiger für dieses Jahr bei mir wieder angekommen sind, so bitte ich diejenigen, welche der Art Oefen besitzen und eine Reparatur an denselben wünschen, mir gefälligst recht bald Anzeige davon zu machen.“ [21]

Die Konstruktion von sogenannten Sparöfen reicht in den 18. Jahrhundert zurück. Friedrich Rößler war nicht der erste, der solche Öfen veretrieb, und auch nicht der erste, der einen eigenen Sparofen zum Patent angemeldet hat. Schon 1815 hatte er derartige Sparöfen vertrieben, einige Jahre später steckte er auch seinen Claim ab.

„In Darmstadt erhielt der Eisenhändler Friedrich Rößler den 5. Juni d. J. [1824] ein ausschließendes Privilegium zur Verfertigung und zum Verkaufe eines vom Rath Wunderlich neu erfundenen rauch­verzeh­renden Ofens auf die Dauer von 10 Jahren, und der Rath Wunderlich an demselben Tage ein Privilegium auf die Dauer von gleicher Zeit zur Ver­fertigung von verbesserten Handmühlen. Wunderlich, ein sehr genia­lischer Kopf, beschäftigt sich schon seit vielen Jahren aus­schließ­lich mit neuen Erfindungen und Verbesse­rungen im mecha­nischen Fache, mit Maschinen und Modellen, welche unter Kennern vielen Beifall finden.“ [22]

In seinem Laden in der Kirchstraße konnten noch weitere Sparöfen erworben werden. Etwa 1812 hatte der hessische Oberst von Müller einen sogenannten Zirkulierofen erfunden, der durch den Frankfurter Hauptmann Busch verbessert wurde. Doch auch dieser war noch verbesserungs­würdig.

„Wie viele Vorzüge man dann daher auch dem Buschischen Ofen vor allen anderen bisherigen zugestehet, so läuft, nach obigen getreuen Angaben, dieser neue ihm doch den Rang ab. Der Erfinder hat von der großherzogl. hessischen Regierung zu Darmstadt ein Privilegium darüber auf zwölf Jahre erhalten. Liebhaber, welche sich einer so nützlichen Erfindung bedienen wollen, finden, wenn sie sich an Hrn. Kaufmann Friedrich Rößler zu Darmstadt wenden, mehrere Exemplare von verschiedener Größe daselbst vorräthig.“ [23]

Doch damit nicht genug. Der Kaufmann stieg selbst in das erfinderische Geschäft ein. Möglich, aber nicht belegt, ist es, daß sein technisch versierter älterer Bruder Hektor mithalf.

„Durch allerhöchste Entschliessung Sr. Königlichen Hoheit, des Groß­herzogs, vom 8ten März dieses Jahres ist dem Kaufmann Friedrich Rößler dahier ein Patent für den alleinigen Verkauf eines neu erfun­denen – bei der vor­genommenen Prüfung zur Holz­ersparung zweck­mässig befundenen Ofens innerhalb des G[r]oß­herzog­thums, für die Dauer von fünf Jahren, aller­gnädigst ertheilt worden.“ [24]

Zu den Vorzügen dieses Sparofens Rößlers verfaßte 1829 der aus Wörrstadt stammende Oberfinanz­kammer-Sekretariats-Akzessist Karl (Carl) Tenner († 1859) eine kleine Broschüre [25]. Doch die Konkurrenz schlief nicht und säte Zweifel.

„Anfrage.

Nach einer bei C. W. Leske in Darmstadt erschienenen kleinen Schrift, unter dem Titel: Construction eines neuen Sparofens, etc. heraus­gegeben von K. Tenner, Großhl. Ober­finanz­kammer­secretariats-Accessist, ist dieser fragliche Ofen mit der größten Vorsicht und Unparthei­lichkeit von sachkundigen ad hoc committirten Männern untersucht, und wegen der unbestreitbaren Vortheile die dieser, von dem Eisen­händler Fried. Boessler [sic!] in Darmstadt erfundene Sparofen vor anderen gewährt, dem Erfinder von der Staats­regierung ein Patent ertheilt worden.

Indessen wurde – dem Vernehmen nach – dieser Sparofen in mehren andern neuen Gebäuden nicht eingeführt; und man fragt deßhalb an: aus welchem Grunde? und gewährt er nicht die, in der Broschüre dargestellten Vortheile?

Man würde mit Vergnügen einer baldigen Beantwortung dieser Frage entgegen sehen; indem in einem sehr bedeutenden Etablissement die Einführung dieses Patentofens beschlossen worden, aus obigem Grunde aber einstweilen suspendirt wurde.“ [26]

Diese mit Vergnügen geschriebene Anfrage erheischte eine Antwort, die jedoch unbefriedigend ausfiel. Vielleicht war es einfach so, daß die Wege der Büro­kratie nicht immer rational nachzu­vollziehen sind.

„Auf die, in der Didaskalia Nº 232 enthaltene Anfrage!

Von den, in der, von Herrn Tenner heraus­gegebenen und bei Herrn Leske erschienene[n] Broschüre, beschriebenen Sparöfen, wurden in Folge des, mit großer Genauigkeit und Umsicht angestellten verglei­chenden Versuchs, schon im vorigen Winter bei 50 Stück in dem neu erbauten Pallast des groß­herzogl. Finanz­ministeriums eingeführt. Die darüber gemachte Erfahrung hat alle, durch jene Versuche, bereits ausgemittelten Vortheile dieser Oefen vollkommen bestätigt.

Auch in dem neuen Militär­hospital, wo mehrere sich befinden, zeigten sich die Vortheile ebenso befriedigend. Sie nehmen dort unter den andern den ersten Rang ein. In sehr vielen Privathäusern sind sie gut aufgenommen, und man schätzt ihre Qualität. In den neuen auf Spekulation gebauten Häusern finden sie aus dem Grunde nicht so viele Aufnahme, weil hier weniger die Zweck­mäßigkeit, als die Wohl­feilheit des Ankaufs in Betrachtung gezogen wird.

Warum übrigens die Behörde noch nicht dafür gesorgt, daß diese Oefen nach und nach in allen Staatsgebäuden eingeführt werden, dies ist eine Frage, deren Beantwortung, bei gänzlicher Unkenntniß ihrer Motive, der Behörde selbst überlassen werden muß. Nur das kann hier als Thatsache angeführt werden, daß die Einführung anderer, von einem Baucommissair vorgeschlagenen Oefen in mehreren Staatsgebäuden sich nicht auf einen, durch vergleichende Versuche erprobten Vorzug derselben vor den Rößler'schen Oefen, gründe.

S.. – . – r.“ [27]

Ansicht des Sparofens.

Abbildung 02.05: Ansicht des Sparofens von Friedrich Rößler. Quelle: Karl Tenners Beschreibung dieses Sparofens.

1831 erwarb Friedrich Rößler die Herrenmühle in Schönberg, im Lautertal ober­halb von Bensheim, um dort einen Eisenhammer zu betreiben. Sein Geschäft in Darmstadt überließ er dem Peter Damm. Aufgrund von behörd­lichen Auflagen nach Beschwerden anderer Mühlen­besitzer unterhalb von Schön­berg, denen er wohl bei der Eisen­verarbeitung das Wasser abgedreht hatte, war er nicht in der Lage, den Eisen­hammer wie geplant finanziell erfolg­reich zu betreiben. 1833 wurde daher ein Konkurs­verfahren gegen ihn ange­setzt. Der Eisen­hammer wurde 1834 auf dem Umweg über den ebenfalls nach Schön­berg gegan­genen Jakob Rößler an den Münzrat weiter­veräußert. Die Adreß­bücher von 1839 und 1840 führen Friedrich Rößler noch nicht wieder in Darmstadt auf, ehe er 1843 als Fabrikant in Lit. F Nr. 209 unter der Sammel­bezeich­nung „Vor dem Mainthor“ erscheint. Er wird mit der Schließung des Eisen­hammers in Schön­berg 1841/42 nach Darmstadt zurück­gekehrt sein. Beim Ausscheiden Busch­baums aus dem wohl mit den Rößler-Brüdern gemeinsam betriebenen Unter­nehmen wird Friedrich Rößler als Direktor desselben benannt. Unter Lit. F Nr. 209 ist er fortgesetzt bis 1850 im Adreßbuch aufgeführt, ehe der Name 1854 nicht mehr erwähnt wird. Er stirbt 1873 fünfund­achtzig­jährig in Schön­berg. Genaueres zu seinen letzten drei Lebens­jahrzehn­ten zu sagen, ist mangels aussage­kräftigen Materials derzeit nicht möglich. [28]

Unterwürfig, aber geschäftstüchtig

Für das vierte Gutenberg­jahr 1840 in Mainz organisierten die Honoratioren der Stadt eine Reihe von Festivitäten. Rund vier Jahrhunderte zuvor hatte Johannes Gensfleisch alias Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern aus Metall und einer hierzu passenden Druckerpresse revolutioniert. Mainz, das wirt­schaft­lich von Frankfurt und dem aufstre­benden Mannheim bedrängt wurde, suchte einen Anlaß, sich in das Gedächtnis der Geschäftswelt zurückzumelden. Und so floß der Champagner, es wurden peinliche, in Gedichte gekleidete Lob­preisun­gen verlesen und „rauschende militärische Harmonie-Musik“ vernebelte dann auch die Köpfe derjenigen, denen der Champagner nicht zu Kopf gestiegen war. Im Rahmen dieser mit allerlei Pomp und Firlefanz voll­gestopften Feier­lich­keiten wurden in einer Aus­stellung Druckwerke aus den ersten drei Jahr­hunderten der Buch­druck­kunst gezeigt. Im Begleit­programm gab es zudem eine Gemälde­ausstellung, eine Blumen­ausstellung und als „wichtigste aller Ausstellungen“ eine Leistungs­schau des hessischen Gewerbe­fleißes vom 22. Juni bis zum 5. Juli 1840. Fast zwei­hundert Gewerbe­treibende, wovon die Hälfte aus Mainz, stellten laut Katalog rund elf­hundert Gegen­stände aus. Busch­baum und Comp. waren passend zum Anlaß mit einer kleinen Buch­drucker­presse zugegen; zudem wurden „die Balanciere, [eine] Eisen-Drehbank, Leitspindeln zum Schrauben­schneiden, [eine] Münz­durch­schneidmaschine, Stell­schrauben und Walzwerke mit Sägen, Winden, etc.“ vorgeführt. [29]

Auch auf der ersten allgemeinen deutschen Industrieausstellung, welche die Darmstädter und Mainzer Gewerbe­vereine 1842 ebenfalls in Mainz durch­führ­ten, war das Unternehmen Buschbaum und Comp. vertreten. Während Darm­stadt in politischer Hinsicht als eine von Demokraten­fressern regierte Duodez-Residenz mit „ihren gähnenden Straßen, ihren schläfrigen Häusern und öden Plätzen“ galt, „auf denen die bleierne Lange­weile von Unter­tanen­treue und deutschem Gehorsam“ zuhause ist [30], was sich nicht zuletzt in der Selbst­unter­werfung des Darmstädter Bürgertums unter die huldvolle demokratie­feindliche Verachtung des Ludwigs­monuments auf dem Luisen­platz geäußert hat [31], so gilt dies nicht in wirt­schaftlicher Beziehung. Daß ausge­rechnet in der Beamten- und Kasernen­stadt der süd­hessischen Provinz der lokale bzw. groß­herzoglich hessische Gewerbe­verein die erste allgemein zugängliche deutsche Industrie­ausstellung (zusammen mit dem Mainzer Gewerbeverein) organisiert und durch­geführt hat, zeigt, daß neben Klein­geist durchaus ein waches, geschäfts­tüchtiges Bewußt­sein koexistieren kann. Der nach­träglich von Hektor Rößler (jun.) verfaßte Bericht über diese Aus­stel­lung erwähnt das Unter­nehmen zweimal, einmal in der Rubrik Maschinen­bau und ein weiteres Mal in der Rubrik Eisenguß. [32]

„Buschbaum und Comp.,

Eigenthümer einer Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt.
(Großherzogthum Hessen.)

Ein großes Münzprägwerk nach Uhlhorn'schen System; eine dreigängige geschnittene Schraube von 7 Gr. Hess. Zoll äußerem Durchmesser, von Schmiedeisen, für einen großen Münzprägstock bestimmt; eine eiserne Drehbank mit Support und eisernem Wirbel (Preis 512 fl. mit und 362 fl. ohne Support); ferner ein kleiner Krahnen zum Heben von Lasten, beson­ders zum Gebrauch für Magazine u, s. w. (77 fl.). –

Die unter obiger Firma bestehende Maschinenfabrik, welche seit 1840 mit einer Kupolofengießerei (siehe die Rubrik Eisenguß, Seite 75 [richtig: 151, WK]) verbunden ist, wurde im Jahr 1837 etablirt. Durch vollständige Ausrüstung mit allen zum Maschinenbau erforderlichen Werkzeugen und Arbeits­maschinen ist dieselbe in Stand gesetzt, die Anfertigung jeder Art von größeren und kleineren Maschinen, als von Dampf­maschinen, hydrau­lischen- und Schrauben­pressen, Dreh­bänken und anderen Maschinen zur Metall­bearbeitung, Münz­maschinen jeder Art, Walzwerken, Pumpen und Feuer­spritzen, Hebekrahnen u. s. w., ferner die Einrichtung von Mahl- und Oelmühlen und anderen gehenden Werken zu über­nehmen. Die zugleich vorhandene Kupol­ofen­gießerei, welche einen besonders weichen, zur weiteren Verarbeitung sehr geeigneten Eisenguß liefert, sichert dem Etablisse­ment die vielfachen Vortheile, welche über­haupt mit der Vereinigung von Gießerei und Maschinen­werkstätte verbunden sind. Eine Hoch­druck­dampf­maschine von 5 Pferdekraft betreibt die erforderlichen Arbeits­maschinen, als namentlich: zwei große eiserne Drehbänke von 16 und 24 Fuß (Gr. Hess. Maas) Länge, mit Support, Selbstgang und den zum Schrauben­schneiden gehörigen Vorrichtungen, 8 kleinere eiserne Drehbänke, eine Hobel­maschine nach dem neuesten System des Engländers Whitworth, zum Hin- und Rück­wärt­sarbeiten eingerichtet und von hinreichender Größe, um Stücke von 18 F[uß] Länge und 3½ F[uß] Breite zu hobeln; ferner eine große Bohr­maschine, gleichfalls nach dem System des vorgenannten engli­schen Mechanikers konstruirt, eine kleine Hobel­maschine etc. – Eisen­gießerei und Maschinen­werkstätte beschäftigen im Durchschnitt 40 Arbeiter.

Durch Aufstellung der oben genannten Maschinen hat dieses Etablisse­ment, dessen Leistungen bei Gelegenheit der in Darmstadt im Jahr 1839 veranstalteten Landes-Industrie­ausstellung durch Ertheilung der silber­nen Medaille bereits Anerkennung fand, auf's neue den Beweis geliefert, daß genaue und mit höchster Sorgfalt ausgeführte Arbeit sein Streben ist, was ganz besonders an dem Uhlhorn'schen Präg­werk anerkannt werden mußte, welches als ein Produkt von wahrhaft mecha­nischer Voll­endung zu betrachten war. Durch Ausstellung des eben bemerkten Prägwerks repräsentirte diese Maschinen­bau­anstalt zugleich einen Zweig der Fabrikation, welchen sie insbe­sondere in ihrem ganzen Umfang betreibt und worin sich dieselbe bei allen deutschen Münz­werk­stätten einen ehrenvollen Namen zu erwerben wußte. Die hierher gehörigen, von Herrn Busch­baum & Comp. für die Münzen in Darm­stadt und Frankfurt a. M. und theilweise auch für diejenigen von München, Wiesbaden, Hannover, Stuttgart u. s. w. bereits gefertigten Werkzeuge und Maschi­nen sind: Präg­werke vom kleinsten bis zum größten Kaliber, Walz­werke mit Zug- und Schneid­vorrich­tung, Justir- und Durch­schneid­maschinen, Gieß­apparate, Justir- und größere Waagen u. s. w.“

Wendeltreppe.
Bild 02.06: Wendeltreppe im Bibliotheks­turm des Schlosses Herrns­heim. Aufnah­me: Reinhard Dietrich, Ausschnitt. [33]

Wie im Abschnitt über die Aussteller der Rubrik Maschinen­bau werden im folgenden Abschnitt zu den Ausstellern der Rubrik Eisen­guß zunächst die ausgestellten Gegen­stände, hier des Unter­nehmens Busch­baum & Comp., genannt, bevor auf das Unter­nehmen selbst eingegangen wird. Hierbei wird wohl eine Selbst­darstellung des Unter­nehmens die Text­grund­lage gebildet haben. Auffällig ist der Unter­schied in der Datie­rung der Kupolöfen und in der Angabe zur Leistungs­fähig­keit der im Unter­nehmen instal­lierten Dampfmaschine.

„Eine gußeiserne Wendel­treppe, ein großes Cruzifix mit Untersatz und einige gegossene Fenster­vorsätze. (Die von dem nämlichen Etablisse­ment ausgestellten Maschinen sind in der betr[effenden] Rubrik aufge­führt.)

Die unter obiger Firma seit 1837 bestehende Maschinen­fabrik ist seit dem Jahr 1841 mit einer Kupolofen­gießerei verbunden, welche, mit Ausnahme der eigentlichen Poterie, alle Gegen­stände des Eisen­gusses über­nimmt. Die Gießerei besitzt zwei neben­einander­stehende Kupol­ofen, wovon jeder bis zu 50 Ctr. faßt; sie empfangen ihren Wind von einem Ventilator, dessen Flügel 1800 Umdrehungen in der Minute machen und der seine Bewegung von einer 6pferdigen Hoch­druck­dampf­maschine erhält, welche zugleich die in der Maschinen­werk­stätte aufgestellten Arbeits­maschinen in Thätig­keit setzt.

Die genannte Gießerei hat sich durch die stets gleich bleibende vorzüg­liche Beschaffen­heit des Eisens, welche sich besonders für Maschinen­theile sehr eignet, sowie durch reinen und scharfen Guß bereits einen ehren­vollen Namen und damit einen bedeutenden Absatz erworben, welcher sich nicht bloß auf das Inland [meint: Hessen, WK] beschränkt, sondern auch auf die benach­barten Staaten sich erstreckt. Für die Schön­heit der aus ihr hervor­gehenden Arbeiten sprachen nicht bloß die zur Ausstel­lung gebrachten Gegen­stände, unter denen die gegossene Wendel­treppe, eine Zierde des vorderen Ausstel­lungs­lokals, besonders hervor­gehoben zu werden verdient, sondern es geben hierfür auch verschie­dene größere Ausfüh­rungen, u. a. die großen eisernen Thore an dem Groß­herzog­l[ichen] Residenz­schloß in Darm­stadt, genügendes Zeugniß.“

Quelle: Ausführ­licher Bericht über die von dem Gewerb­verein für das Groß­herzog­thum Hessen im Jahre 1842 veran­staltete Allge­meine deutsche Industrie-Aus­stellung zu Mainz [1843, HathiTrust], Seiten 189–190, sowie 151.

Die im Ausstellungstext angesprochenen beiden eisernen Tore zieren bis heute weitgehend unbeachtet die Pforten des Darmstädter Schlosses auf der Süd- und Westseite. Sie gehören zu den wenigen erhaltenen Zeugnissen der einst bedeutenden Darmstädter Maschinenfabrik.

Schloßtor zum Markt.
Schloßtor zur Rheinstraße.

Bild 02.07 und 02.08: Zwei unterschiedliche Ansichten auf die Eisentore des Darmstädter Schlosses. Links eine Radierung von Karl Albrecht Buschbaum [34], einem entfernten Verwandten des Maschinen­fabrikanten, mit Blick auf den Marktplatz. Rechts eine Fotografie unbekannter Herkunft mit Blick auf die Rheinstraße, vom 2. November 1935.

Buschbaum und Comp., die ausdrücklich auch als „Maschinen­fabrik und Eisen­gießerei“ benannt werden, sind, wie wir noch sehen werden, der Vor­gänger­betrieb der späteren Fabrik (dann ohne Buschbaum); und so ergibt ein kurzer Abschnitt aus der Stadt­beschreibung von Karl Wagner einen ganz eigenen Sinn, nämlich die Kooperation von Buschbaum und Rößler:

„Die Industrie hat bis jetzt noch kein großes Gedeihen in unserer Mitte gefunden; am meisten Thätigkeit herrscht noch in den Buchdrucke­reien. Doch liefern einzelne Fabriken : Tapeten, Spielkarten, Zünd­hölzer, Tabak, Chaisen, musikalische und technische Instrumente, Maschinen (diese vorzüglich für die Agricultur Jordan und für das Münz­wesen Rößler und Buschbaum).“ [35]

Zeitungsannonce.
Abbildung 02.09: Verlegung einer Eisen­gießerei von Schönberg nach Darmstadt und deren Eingliederung in das Unterneh­men Buschbaum und Comp. Quelle: Annonce in der Groß­herzoglich Hessischen Zei­tung vom 27. Dezember 1841 (mit Dank für den Hinweis an das Stadt­archiv Darm­stadt); auch ULB Darmstadt.

Hier werden nicht etwa zwei Fabrikanten mit zwei getrennten Betrieben, nämlich denen von Buschbaum und Rößler, aufge­führt, sondern ein Betrieb der Herren Rößler und Buschbaum.

Johann Ludwig Buschbaum (16. Februar 1792 bis 14. Oktober 1866) stammte aus Michelstadt im Odenwald. In der zweiten Hälfte der 1810er Jahre arbeitete er für den Münzmeister Hektor Rößler und erhielt 1825 das Darmstädter Bürgerrecht. Im Juli 1832 wird er Werkmeister auf der Ludwigshütte bei Biedenkopf, Hektor Rößler (jun.) folgt ihm wenige Monate später als Rechner der Ludwigshütte nach. Busch­baum kehrte 1837 nach Darm­stadt zurück [36]. Anfang 1841 sind sowohl der Mechanikus Johann Ludwig Buschbaum, als auch der Münzrat Hektor Rößler, der Sekretär des Gewerbvereins Hektor Rößler (jun.) und der Mecha­nikus Friedrich Rößler Mitglied des Gewerbvereins für das Groß­herzog­thum Hessen [37]. Im Dezember 1841 verlegt der Münzrat Hektor Rößler seine Eisen­gießerei von Schön­berg bei Bensheim nach Darmstadt und vereinigt sie mit dem Unter­nehmen Buschbaum und Comp.

Im Bericht zur Mainzer Industrieausstellung 1842 wird als Jahr der Einrichtung der beiden Kupolöfen 1840 wie auch 1841 genannt. Denkbar ist, daß mittels der Kupolöfen der für die Rößler'schen und auch Buschbaum'schen Maschinen notwendige Eisenguß gesichert war und sich der Betrieb eines eigenen Eisen­hammers in Schönberg erübrigte. Selbiger wurde folglich zum Jahresende aufge­geben. [38]

Friedrich Rößler hatte 1831 die Herrenmühle in Schönberg zum Betrieb eines Eisenhammers erworben. Diese Herrenmühle wurde erstmals 1555 erwähnt. Nach 1831 betrieben Friedrich und nach dessen Konkurs sein Bruder Hektor Rößler den dortigen Eisenhammer mitsamt einer Eisengießerei. 1843 wurde die nicht länger benötigte Mühle an den Müller Georg Schaller aus Reichenbach weiter verkauft. 1844 war das Hammerwerk mitsamt Schmelze auf 2.500 Gulden taxiert. Das Anwesen wurde 1846 von Valentin Mahr aus Traisa erworben. [39]

Die Kooperation zwischen Buschbaum und den Rößlers endete im Frühjahr 1844, weshalb folgerichtig im nachfolgenden Adreßbuch von 1845 im alpha­betischen Teil [Johann Ludwig] Buschbaum nunmehr unter Lit. F Nr. 206 gelis­tet wird, während der Fabrikant Friedrich Rößler weiterhin unter Lit. F Nr. 209 angegeben wird. Neu wird unter dieser Anschrift nunmehr August Wernher geführt, der wohl als neuer technischer Betriebsleiter fungiert (siehe Kapitel 3). Wernher hatte sich zuvor als Mit­eigentümer in der Ludwigshütte bei Bieden­kopf engagiert und dabei finanziell übernommen. Im Häuser­verzeichnis des Adreß­buchs bleibt der Münzrat Hektor Rößler als Eigen­tümer des Anwesens genannt.

Die neue Firma

Anfang Juni 1844 jedenfalls machte der neue Eigentümer die Umfirmierung des Unternehmens publik. Die Umbenennung wurde notwendig, als der oder die Kompagnons aus Gründen, die nicht benannt werden, im Frühjahr 1844 ihres Teilhabers Johann Ludwig Buschbaum verlustig gingen. Ohne ihn ergibt der bisherige Firmenname keinen weiteren Sinn mehr, sodaß eine unspektakuläre, aber zutreffende Bezeichnung für das Unternehmen gewählt wird. Der Name „Maschinenfabrik und Eisengießerei“ klingt zwar wenig originell, brachte aber das Geschäftsinteresse eindeutig auf den Punkt. Da es in Darmstadt und der näheren Umgebung kein weiteres entsprechend ausgerüstetes Etablissement gegeben hatte, war eine Verwechslung mit ähnlich benannten Unterneh­mungen ausge­schlossen. Wer der oder die Eigentümer gewesen sind, kann nur vermutet werden. Hektor Rößler als Eigentümer des Grund­besitzes wird sicher­lich dazu gehört haben, sein Bruder Friedrich hingegen aufgrund des gegen ihn ausge­sprochenen Konkurses in den 1830er Jahren eher nicht. Möglicher­weise hat sich auch August Wernher einge­bracht. Aus der Annonce in der „Groß­herzog­lich Hessischen Zeitung“ wird jedenfalls nicht deutlich, wer nun als Eigen­tümer anzusehen war. Nur die Direktoren werden benannt, nämlich Friedrich Rößler und August Wernher. Damit endet das Firmen­kapitel Busch­baum & Comp. [40]

Zeitungsannonce.

Abbildung 02.10: Annonce der Maschinenfabrik und Eisengießerei zum Austritt Johann Ludwig Buschbaums aus dem Unternehmen und zur Umfirmierung. Quelle: Groß­herzog­lich Hessische Zeitung vom 8. Juni 1844, Scan vom Mikrofilm; nunmehr [ULB Darm­stadt[41]

Mit diesem Dokument besitzen wir, vorbehaltlich wohl verschollener interner Abmachungen unter den Kompagnons, sozusagen das Gründungs­dokument der Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt. Damit liegen für das Unter­nehmen folgende Eckdaten vor: Gründung des Unter­nehmens als Buschbaum und Comp. 1837, Änderung der Eigentümer­struktur und Umfirmierung 1844, Umwandlung in eine Aktien­gesell­schaft 1857, Abwicklung der Liquidation 1879 bis 1883. Einen ersten direkten Beleg für die Existenz der Maschinen­fabrik und Eisen­gießerei unter neuem Namen (der neuen „Firma“) findet sich in einer aus­führ­lichen Beschreibung einer trans­portabelen Dampfmaschine.

Die Annonce in der „Großherzoglich Hessischen Zeitung“ wurde – wie es auch in ihr angekündigt wird – in ähnlicher Form auch im „Frankfurter Journal“ abge­druckt, ergänzt um die Palette der Maschinenbauprodukte.

„Unter den Fabrikaten, deren Fertigung übernommen werden kann, erlauben wir uns nachstehend besonders hervorzuheben.

Dampfmaschinen jeder Größe, sowohl stationaire als transportable, nach den anerkennt vorzüglichen Systemen. Wasserräder und Turbinen, wie auch einfache Reaktionsräder. Wassersäulen­maschinen, Göpel­werke und alle Arten von Transmissionen.

Sämmtliche bei dem Eisenbahnbau vorkommenden Maschinen und Apparate, als: Waggons- und Lokomotiv-Räder, wie auch vollständige Waggons-Untergestelle. Drehscheiben, Ausweichungen und Excentriks. Hydraulische Tender-Füllvorrichtungen mit Pumpwerken und Cisternen, Bremswagen u. s. w.

Pumpwerke für Bergwerke, Wasserbauten, und für den häuslichen Gebrauch. Feuerspritzen, u. s. w.

Die Einrichtung von Mahlmühlen, und Oelmühlen, nach den neuesten Systemen. Ferner Sägemühlen, Fournirschneid­maschinen, Schrotmühlen. u. s. w.

Alle größere und kleinere Maschinen für Landwirthschaftliche Zwecke.

Hydraulische Pressen, Schraubenpressen jeder Art, Buchdrucker- und Lithographie-Pressen, Glätt- und Präg-Pressen und Walzwerke für Gold- und Silberarbeiter.

Alle zum Münzbetrieb erforderlichen Maschinen und Apparate.

Sämmtliche Maschinen zur Papierfabrikation, nach den neuesten und bewährtesten Systemen.

Cylinder-Schrauben und Ventilator-Gebläse, Eisenwalzwerke und Hammerwerke, überhaupt alle Maschinen für metallurgische Zwecke.

Alle Sorten von Werkzeugen, als Drehbänke, Hobelbänke, einzelne Soupports, Bohrmaschinen, Stoß- und Feilmaschinen, Lochmaschinen, Maschinen zum Biegen der Kesselbleche und Radreife, Räder- und Schrauben-Schneidmaschinen, Schraubenkluppen u. s. w.

Hebkrahnen jeder Art, Hebmaschinen zum Versetzen von Werkstücken beim Bauwesen, Rammmaschinen u. s. w.

Brücken- und Dach-Construktionen, sowohl in Guß- als Stabeisen.

Ferner alle Sorten von Waagen.“ [42]

Die ausladende Produktpalette des nunmehr als Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt firmierenden Unternehmens kann wohl als ein Zeichen für eine noch nicht eingetretene Diversifizierung und Spezialisierung im Maschinenbau der damaligen Zeit betrachtet werden. Allerdings sei ange­merkt, daß beispielsweise auch Johannes Jordan im Juni 1831 eine umfang­reiche Liste aller seiner Produkte vorgelegt hatte, ohne daß selbige nun auch tatsäch­lich gefertigt worden wären. Es handelt sich demnach eher um eine Absichts­erklärung, die zeigen soll, was das Unter­nehmen alles produzieren kann. Johannes Jordan annoncierte dreißig in Art und Größe ver­schiedene Dampf­maschinen, ohne daß er selbige auch je in seiner Werkstatt hat fertigen lassen. Die in Kapitel 3 vorgestellte hessische Dampf­maschinenliste von 1849 weist folglich auch nur ein einziges Jordan'sches Exemplar auf.

Wie aus dieser Liste zudem hervorgeht, erhielt die Maschinenfabrik und Eisen­gießerei zu einem nicht genannten Zeitpunkt eine 6 PS-Dampfmaschine aus dem Unternehmen von Emil Keßler und Theodor Martiensen in Karlsruhe. Selbi­ges bestand von 1837 bis 1842, ehe Theodor Martiensen aus dem gemein­samen Unternehmen ausschied. Folglich wird es so gewesen sein, daß die in der 1849er Liste genannte Dampf­maschine an den Vorgänger­betrieb Busch­baum und Comp. geliefert wurde. Nach der ersten Dampf­maschine in der Groß­herzog­lichen Münze wurden erst 1838 drei und 1840 fünf weitere Dampf­maschinen im Groß­herzogtum Hessen aufgestellt, je zwei davon in Starken­burg; 1841 und 1842 kamen je zwei in Hessen, wovon je eine in Starken­burg, hinzu [43]. Es spricht angesichts des Gründungs­jahres 1837 von Busch­baum und Comp. einiges dafür, daß deren Dampf­maschine 1838 oder 1840 herge­stellt wurde, denn die 1840 oder 1841 beiden einge­richteten Kupol­öfen wurden mittels der Dampf­maschine ventiliert.

Johann Ludwig Buschbaum, der Teilhaber der an der Arheilger Chaussee gelegenen Fabrik, wird 1841 in einem Aufsatz aus dem Umfeld des Darmstädter Gewerbe­vereins für seinen Schrauben­schneider gewürdigt, der nachfolgend als Zeichnung vorgestellt wird.

Figur 7.

Abbildung 02.11: Grundriß der Buschbaum'schen Vorrichtung zum Schrauben­schneiden. Quelle: Tafel I, Figur 7 zu einer Beschreibung einer vom Maschinen­fabrikanten Buschbaum konstruierten Vorrichtung zum Schrauben­schneiden. [44]

Karl Karmarsch bemerkt 1842 zu dieser Vorrichtung in seinem kursorischen Bericht über Veröffent­lichungen verschiedener Gewerbevereine:

Vorrichtung zum Schraubenschneiden. Von Buschbaum. – Es ist dieß ein mit der Drehbank zu verbindender Mechanismus, durch welchen der Schraubstahl geschoben wird, so daß die Arbeit sich nur rund dreht. Die Quelle dieser Bewegung des Schraubstahles ist eine auf der Dreh­spindel angebrachte Schrauben­patrone, welche als Schraube ohne Ende wirkt, und mittelst einiger Zwischen­theile eine als geneigte Ebene thätige Metall­schiene führt. Leztere bestimmt, indem sie mehr oder weniger schräg gestellt wird, die Feinheit des entstehenden Gewindes. Anord­nungen nach demselben Princip sind schon früher sowohl zum Schrauben­schneiden als bei Schneken­schneid­zeugen benuzt worden; aber der gegen­wärtigen ist ihre Eigen­thümlichkeit nicht zu bestreiten, nur scheint sie für ausgedehnten Gebrauch zu complicirt zu seyn. Wenn man bedenkt, daß einfachere und eben so zwekmäßige Vorrichtungen, die man in ziemlicher Anzahl kennt, wenig Eingang gefunden haben, so darf man sich nicht getrauen, hier ein günstigeres Prognostikon zu stellen.“ [45]

Einer der im Ausstellungsbericht erwähnten Kräne der Firma Buschbaum und Comp. wurde im Mainzer Hafen aufgestellt.

„Zu Beginn des Jahres 1809 konnten ein neuer Kai und einige Magazine ihrer Bestimmung übergeben werden. Doch die damals ausgeführten Erneuerungen erwiesen sich in dem Moment als unzureichend, als sich mit der Dampfschifffahrt die umzuschlagende Gütermenge drastisch erhöhte. Man bemühte sich um Verbesserungen. 1841 finanzierte die Mainzer Handelskammer einen neuen eisernen Kran der Firma Busch­baum & Co. in Darmstadt. Doch dies blieb Stückwerk. Bis in die 70er Jahre des 19. Jahr­hunderts hinein hielt die Mainzer Hafen­anlage einem Ver­gleich mit denen in Mannheim oder Köln nicht stand.“ [46]

Ein 1843 geschehener Arbeitsunfall nahm mitsamt seiner Behandlung den Weg in die überregionale Presse.

„Kürzlich wurde einem Aufseher in der Maschinenfabrik von Buschbaum und Comp. in Darmstadt in Folge von Unvorsichtigkeit die rechte Hand zerschmettert. Die Eigenthümer der Fabrik behielten den Unglücklichen im Dienst, und ließen ihm eine künstliche Hand nach der sinnreichen Konstruktion des Kammersekretärs Pfnor in Darmstadt anfertigen. Die Pfnor'sche Konstruktion, durch welche alle natürlichen Bewegungen jedes Fingers und jedes einzelnen Gliedes ausführbar sind, ist wohl unstreitig die trefflichste und praktisch am meisten bewährte, indem der Verstümmelte den Mechanismus in jedem Augenblick selbst regu­liren und nicht nur die gröbern, sondern auch diejenigen Funktionen der natürlichen Hand verrichten kann, welche eine sichere besondere Bewegung der einzelnen Finger und Theile derselben erfordern.“ [47]

Schloß und Park Herrnsheim

1839 bis 1844 wurde das Schloß Herrnsheim bei Worms unter der Leitung von zunächst Ignaz Opfermann und danach von Ludwig Droste grund­legend umgestaltet. Hierbei wurden auch gußeiserne Elemente einbezogen, die aus der Eisen­gießerei von Buschbaum & Comp. bezogen wurden.

Lieferschein.

Abbildung 02.12: Lieferschein von Buschbaum und Comp. Quelle: Stadtarchiv Worms, Bestand 159/0951. Wieder­gabe mit freundlicher Genehmigung.

Von den Lieferungen aus Darmstadt sind nicht alle belegt. Der Lieferschein an die Güter­verwaltung von Schloß Herrnsheim vom 9. September 1843 listet neben zwei großen Widerlagern, acht Paar Verbund­stücken und vier Paar großen Rosetten noch 233 Schrauben mit Muttern und Unterleg­scheiben auf. Von eigenem Interesse sind die zuletzt aufgeführten acht halben Brücken­bögen, deren genaues Gewicht noch nachgeliefert werde. Die gelieferten Elemente wurden nach Gewicht abgerechnet. Geliefert wurde, da es noch keine Eisenbahn im südlichen Hessen gab, per Fuhrwerk. Der im Lieferschein genannte Fuhrmann G[eorg] Ph[ilipp] Rinn wohnte 1843 in der Kleinen Schwanengasse, Lit. G Nr. 58.

Parkbrücke.

Bild 02.13: Eine der beiden von Buschbaum & Comp. gelieferten gußeisernen See­brücken im Schloß­park von Herrns­heim. Auf­nahme vom Oktober 2021.

Ferdinand Werner geht in seinem Aufsatz über das Schloß und den Park in Herrnsheim auch näher auf die beim Umbau eingearbeiteten Eisenguß­teile ein, die er der Eisen­gießerei von Buschbaum & Comp. zuschlägt. In mehreren Lieferungen vom September 1843 bis Januar 1844 wurden Treppen­geländer­teile, Rosetten, zwei Kandelaber, acht Kellerläden und große Oberlichter versandt. Für die große Kellertüre an der Stirnseite der Terrasse fehlt zwar die Rechnung, aber sie paßt von Stil und Machart her zu den anderen Eisengüssen. Weiterhin dürften die gußeisernen Teile der Brücke am sogenannten Pariser Tor (in den 1950er Jahren verschrottet) wie auch zwei Seebrücken im Park von Herrnsheim aus der Darmstädter Produktion stammen. [48]

Johann Ludwig Buschbaum, der unter bislang nicht zu klärenden Umständen aus dem Unternehmen ausgeschieden war, zog mit einer neuen Werkstätte etwas weiter nach Süden, blieb jedoch mit der Anschrift Lit. F Nr. 206 auch weiterhin „Vor dem Mainthor“. Schon im März hatte er ein neues Logis und Räumlich­keiten für seine Werkstatt gesucht. Am 8. August 1844 gab er in einer Zeitungsannonce eine Geschäfts­empfehlung ab.

„Bezugnehmend auf die Bekanntmachung der Direction der Maschinen­fabrik und Eisen­gießerei dahier vom 1. Juni l[aufenden] J[ahres], mache ich hiermit von der nunmehr auf eigene Rechnung getroffenen Einrich­tung einer mechanischen Werkstätte dahier, die ergebene Anzeige. Mich stützend auf meine bekannten bisherigen Leistungen, empfehle ich mich zu allen Aufträgen meines Geschäfts­zweigs, und hoffe, durch möglichst vollkommste Voll­ziehung derselben mich des geschenkten Zutrauens würdig zu zeigen.“ [49]

Seine eigene Geschäfts­empfehlung wurde auch außerhalb Darmstadts abge­druckt, beispielsweise am 16. August 1844 in der Augsburger Post­zeitung [50]. Ab und an scheint Buschbaums Name auch in den Folgejahren in über­regio­nalen Publikationen hervor.

Verbesserte Kluppe von dem Oberforst­sectretär Reißig zu Darmstadt. Die Verbesserungen bestehen vornämlich in Aufhebung der Nachtheile der Veränder­lichkeit des Holzes, aus welchem die Kluppe besteht, Verhinderung des Lahmwerdens des beweglichen Schenkels, genauerer Eintheilung und in einer Vorrichtung für den Zweck, mittelst einmaligen Anlegens des Werkzeugs den Durchmesser in zwei sich rechtwinkelig kreuzenden Richtungen zugleich abzumessen. Nebstdem zeigt der Verf[asser] den mehrseitigen Gebrauch des Werkzeugs, u. A. auch zum Höhenmessen. Die viele Erfahrung und das große Talent des Verfassers in Construction von Apparaten geben an sich schon eine gute Vorbe­deutung für die Vorzüge dieser Kluppe, von deren Anwend­barkeit der Kenner sich leicht überzeugen kann. Der Mechanikus Buschbaum zu Darmstadt übernimmt Bestellungen mit beliebigem Maaße.“ [51]

Im Darmstädter Adreßbuch 1850 wird Johann Ludwig Buschbaum nunmehr im Mühlweg unter Lit. H Nr. 186 aufgeführt; und damit dürfte jegliche Verbindung zur Maschinenfabrik und Eisengießerei abgebrochen sein. Das weitere Wirken Buschbaums und die Geschichte der nachfolgenden Maschinenfabrik seiner Söhne, Gebrüder Buschbaum, muß an anderer Stelle erzählt werden; sie wäre zudem Teil der Geschichte des Aufbaus des Blumenthal­viertels, bevor dieses zum Johannesviertel mutierte. [52]

Das Ludwigsmonument

Wenige Tage, nachdem aus Buschbaum und Comp. die Maschinenfabrik und Eisengießerei geworden war, wurde die Bronzestatue des ersten groß­herzoglichen Landesvaters Ludewig I. auf sein Podest auf dem Luisenplatz gehoben. Hieran war die Maschinenfabrik mit zwei Kränen beteiligt.

Ansicht des geplanten Monumentes.

Abbildung 02.14: Blick auf den Darmstädter Louisenplatz mit dem projektierten Monument des Großherzogs, Zeichnung von Jakob Meinrad Bayrer, Stahlstich von Johann Gabriel Friedrich Poppel, entstanden wohl 1840. Quelle: Digitalisat der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf[53]

Nach der Grundsteinlegung am 14. Juni 1841 wurde am 14. Juni 1844 die Statue auf ihren Sockel gehievt. Am sogenannten Ludwigstag, am 25. August 1844, wurde das Monument mit viel Brimborium und einem organisierten Aufmarsch offiziell eingeweiht.

Die allerdurchlauchtigste Statue …

„Seine Königliche Hoheit der Großherzog, begleitet von Seiner Hoheit dem Erbgroßherzoge, Seiner Hoheit dem Prinzen Karl und durch­lauchtigsten Gemahlin Königlichen Hoheit, nebst den jungen Prinzen Ludwig und Heinrich, und Ihren Hoheiten den Prinzen Georg und Emil, nahmen heute Mittag gegen 1 Uhr die am Fuße der Ludwigssäule zum Versetzen auf dieselbe aufgestellte colossale Bronzestatue des Höchst­seligen Groß­herzogs Ludewig I. in Augenschein. Es zeigte sich jetzt recht klar, wie in allen Theilen vortrefflich diese von Schwanthaler's Meister­hand geformte und von Stiglmaier nicht minder kunstvoll in Erz gegos­sene, 22½ gr. hes. Fuß hohe Bildsäuile ausgeführt ist. Sämmtliche Höchste Herrschaften geruhten sich einstimmig aufs günstigste und zufrie­denste über dieses so sehr gelungene Kunst­werk auszusprechen, auch bei dem anwesenden Oberbau­director Dr. Moller und Hofbau­meister Arnold mit dem größten Interesse nach allen Details des ganzen Baues zu erkun­digen. – Es war ein rührender Anblick, unser gesammtes geliebtes Fürsten­haus, von den Söhnen bis zu den Urenkeln, um das so sprechend ähn­liche Bild eines unvergeß­lichen Fürsten versammelt zu sehen, welches die Dank­bar­keit eines treuen Volkes den nach­kommenden Geschlech­tern zu ewigem Andenken errichten läßt. Auch zeigte sich die regste Theil­nahme von allen Seiten. Seine Königliche Hoheit der Groß­herzog geruhten desßhalb zu befehlen, daß auch dem Publikum heute der Zutritt nicht verwehrt werde. Und so sah man dann den ganzen Nachmittag eine Menge Menschen aller Classen und Stände herbei­strömen, die Züge des so hoch verehrten und innig geliebten Fürsten zu betrachten, und auch hier erschallte nur eine Stimme des Lobes und des Beifalls über das Meister­werk, wiewohl dessen Anschauung eigentlich auf den Standpunkt der, einschließ­lich des Aufsatzes, welcher der Statue zur Basis dient, 132½ Fuß hohen Säuie berechnet ist. – Die Statue stellt den Großherzog Ludewig I. aufrecht stehend dar in Generals­uniform, mit umgeworfenem Mantel, der einen leichten, malerischen Faltenwurf bildet, in der rechten Hand die Verfassungs­urkunde, die der weise und gütige Fürst seinem Volke verlieh, die Linke an den Griff des Degens gelehnt, ganz in der Stellung, wie man seine Königliche Hoheit so oft im Leben sah. – Das Versetzen der Statue auf die Säule wird nun dieser Tage vorgenommen werden, und alle weiteren Arbeiten schreiten so vor, daß, wie bereits in Nr. 156 d[ieses] Bl[attes] angeführt, die Feierliche Enthüllung und Einweihung des Monuments am Ludwigstage, den 25. August d. J., stattfinden wird.“

Quelle: Großherzoglich Hessische Zeitung vom 12. Juni 1844, ULB Darmstadt.

Georg Büchner und der von den Schergen des amtierenden Großherzogs zu Tode gequälte Friedrich Ludwig Weidig hätten bei so viel Speichel­leckerei lauthals gekotzt …

Sigmund Freud hätte seine Freude an der entlarvenden Beschreibung dessen gehabt, wie sich so ein Großherzog seine Verfassung vorstellt: „… in der rechten Hand die Verfassungs­urkunde, die der weise und gütige Fürst seinem Volke verlieh, die Linke an den Griff des Degens gelehnt …“

…schaut auf das Volk hinab.

„Heute Morgen, also an dem Tage, an welchem vor 91 Jahren (1753) Großherzog Ludewig I. geboren wurde, welcher 40 Jahre lang, vom 6. April 1890 bis 6. April 1830, also in der verhängniß­vollsten Zeit, den Thron Hessens schmückte, und gerade drei Jahre nach der feierlichen Grundstein­legung des Monumentes, welches Ihm ein dankbares Volk widmet, fand das Versetzen seiner Statue auf die auf dem Louisenplatze errichtete große Säule (s. Nr. 162 d. Bl.) statt. Die Vorkehrungen waren so trefflich getroffen, daß auch diese schwierige Arbeit, wie alle bisherigen des Baues, glücklich vollendet wurde. Das Hinaufwinden der 108 Ctr. schweren, 22½ Fuß hohen colossalen Statue auf die 132½ Fuß hohe Säule, mit Anwendung zweier in der ‚Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt‘ (seither Buschbaum u. Comp.) construirten Hebe­maschi­nen, erforderte nicht mehr als eine Stunde Zeit. Die Theil­nahme an der Sache war so groß, daß schon seit 3 Uhr Morgens sich Menschen auf dem Platze sammelten, die zu mehreren Tausenden anwuchsen, und allge­mein ihre Freude bezeigten an der glücklichen Ausführung des Werks.“

Quelle: Großherzoglich Hessische Zeitung vom 14. Juni 1844, ULB Darmstadt[54]

Offensichtlich haben alle Historikerinnen und Historiker, welche diese Passage für ihre vielfachen Beschreibungen der Entstehung des Ludwigs­monumentes eingesehen haben, vollkommen übersehen, daß hier das Buschbaum'sche Unternehmen mit der Maschinenfabrik in eins gesetzt wird. – Zwei Monate später wurden die Einweihungs­feierlichkeiten als generalstabs­mäßig orchestrierter Massenaufmarsch durchgeführt. Die Begeisterung des Volkes wurde nicht dem Zufall überlassen. Nunmehr konnte auch das wirtschaftlich potente Kleinstädtchen Darmstadt einen aufrecht stehenden Stadtpenis vorweisen. [55]

„In den strategisch ausgearbeiteten Aufmarschplänen für den Festakt und seiner bildlichen Darstellung dokumentiert sich noch einmal die traditionelle, sorgsam gestaffelte Gliederung der hauptstädtischen Repräsentanz mit Hof und Beamtenschaft, dem Stadtvorstand, der Geistlichkeit und dem Militär, Schulen, Zünften, Musikchören und sonstigen Vereinen. Festaufführung und Illumination, Festgesänge und Gedenk­münzen gehörten natürlich auch diesmal dazu. Es war die großartigste, zugleich aber auch die letzte derartige Demonstration der trotz mancher unterdrückter Spannung biedermeierlich-beschaulichen Eintracht von Fürstenstaat und Bürger­schaft im vormärzlichen Darmstadt.‘ [56]

Das Alte versucht, sich im Ludwigsmonument zu verewigen, während das Neue schon die Tore der Stadt erreicht hat. Dampfkraft und Fabriken lösen Zünfte und Klein­staaterei ab. Der Prozeß ist nicht geradlinig, sondern wider­spruchs­voll, und manch Altes läßt sich zur Sicherung von Macht, Eigentum und Profit weiter ver­wenden. Geistlich­keit und Militär werden vom Bürger­tum gerne über­nom­men, denn die drang­salierten sub­alternen Klassen lassen sich nicht alles gefallen; sie rebel­lieren und organi­sieren sich. Massen­auf­märsche finden dann nicht nur bei jedem Kriegs­beginn statt; sie finden ihre Voll­endung in den faschis­tischen Inszenierungen.

Die Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei wird fortgesetzt in Kapitel 3 – Darmstadt entdeckt die Dampfkraft – und behandelt den Zeitraum von etwa 1844 bis 1849.

Quellen- und Literaturverzeichnis.


Anmerkungen

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Zweites Kapitel zur Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt.

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Bearbeitungsstand: 13. November 2023.
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