Das seit 1837 als Buschbaum & Comp. bestehende und 1844 zur Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt umfirmierte Unternehmen wurde mit Unterstützung der ebenfalls in Darmstadt ansässigen Bank für Handel und Industrie 1857 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Liquidation des Unternehmens wurde mit der Generalversammlung am 21. Dezember 1878 eingeleitet.
Kapitel 12 befaßt sich mit der auszugsweisen Wiedergabe eines Geschäftsberichtes, aus dem detailliert Kunden und ihre Wünsche abzulesen sind. Drei Ausstellungen gegen Ende des Jahrzehnts zeigen das Leistungssspektrum des Unternehmens und verführen zu einem gewissen Stolz auf das Erreichte.
Dieses Kapitel zur Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei ist die Fortsetzung von Kapitel 11 über die Jahre 1863 bis 1866 und die Reorganisation des Unternehmens.
Am 30. November 1868 hielten die Aktionäre der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt ihre zehnte ordentliche und insgesamt elfte Generalversammlung im Sitzungssaal der durch personelle Verflechtungen befreundeten Aktiengesellschaft für Gasbeleuchtung, kurz: Gasfabrik, ab. Während sich die Hessischen Volksblätter auf Umwegen Informationen zum Unternehmen verschafften (siehe den Bericht in Kapitel 11), wird in der „Darmstädter Zeitung“ ausführlicher über das abgelaufene Geschäftsjahr 1867/68 berichtet. Wir erhalten hier eine Fülle an Informationen über gelieferte Maschinen und Produkte sowie deren Bezieher, die mir in dieser Breite aus keiner weiteren Publikation der oder zur Maschinenfabrik in der damaligen Zeit bekannt ist.
Die Maschinenfabrik war 1857 ursprünglich auch deswegen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden, um der Hessischen Ludwigsbahn den Bau einer Werkstätte in Darmstadt ersparen zu können. Verwiesen wurde auf das know how des Unternehmens, das in den 1840er und 1850er Jahren für zumindest vier Eisenbahngesellschaften Dampfmaschinen, Werkzeugmaschinen, Oberbaumaterial und andere Ausrüstungsgegenstände geliefert hatte. Wie sehr diese Verbindung zum Eisenbahnbau auch Mitte der 1860er Jahre noch vorhanden war, belegt der Geschäftsbericht der Direktion, der in der „Darmstädter Zeitung“ am 3. Dezember 1868 wörtlich oder in Paraphrase abgedruckt worden ist.
Darmstadt 1. Dec. Bei gestriger ordentlichen Generalversammlung der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt erstattete die Direction eingehenden Bericht über die Geschäftsresultate des Rechnungsjahres vom 1. Juli v[origen] J[ahres] bis 30. Juni d[ieses] J[ahres]. Es ergibt sich hieraus die erfreuliche Thatsache, daß, obgleich Handel und Verkehr immer noch unter dem Drucke der politischen Verhältnisse leiden, das Etablissement doch einen schönen Aufschwung genommen, so daß ein Umschlag von 335.536 fl. stattfand. Von Interesse ist, auf welche Gegenstände sich vorzugsweise die Thätigkeit des Etablissements erstreckte, und sind als solche zu bezeichnen in erster Linie Fördermaschinen von ca. 180 Pferdekräften mit gußeiserner Spiral-Seiltrommel, die ersten, welche auf dem Continent ausgeführt wurden und wovon 5 Stück an die k[öniglich] preußischen Kohlenwerke an der Saar in Oberschlesien geliefert wurden; Luftdruckmaschinen, von denen 3 Stück zu den Fundamentirungsarbeiten an den Strompfeilern für den Brückenbau über den Rhein bei Düsseldorf, sowie die Dampframmen, welche zu gleichem Zwecke der Köln-Mindener und Bergisch-Märkischen Eisenbahn für die Brückenbauten über den Rhein und über die Elbe bei Hamburg geliefert wurden; Centrifugalpumpen mit den zugehörigen Locomobilen wurden allein innerhalb 2 Jahre an die k[öniglich] bayerische Staatsbahn 10 Stück abgeliefert.
Ferner wurden in größerer oder kleinerer Zahl angefertigt: Dampfmaschinen, Luft- und Dampfpumpen, Turbinen, Mühlwerke, Werkzeugmaschinen, Dampfkessel, Brücken und Brückenwagen, Drehscheiben, Schiebebühnen, Ausweichen und verschiedene Eisenbahnartikel. Daß die Leistungen des Etablissements Anerkennung finden, zeigt sich in dem forttdauernden großen Umschlag mit denselben Firmen. Es betrug dieser im letzten Geschäftsjahr bei der k[öniglich] preußischen Bergwerksdirection Saarbrücken ca. 90.000 fl., bei der Bergisch-Märkischen Eisenbahn 33.700 fl., bei der Hessischen Ludwigsbahn 22.600 fl., bei der Köln-Mindener 16.600 fl., bei der bayerischen Staatsbahn 17.100 fl., bei der Main-Neckarbahn 14.250 fl., bei der Frankfurt-Hanauer Bahn 13.750 fl., und bei der Taunusbahn 11.000 fl. Zunächst folgt dann der Umschlag mit der Blumenthal'schen Maschinenfabrik mit ca. 10.000 fl., W[ilhelm] Büchner in Pfungstadt 9.500 fl., Kleyer und Beck hier 8.200 fl., E. Merck hier 7.200 fl., und Blaufarbwerk Marienberg 7.000 fl., so daß der Umschlag mit diesen 14 Firmen sich auf 275.000 fl. beziffert.
In dem Etablissement waren durchschnittlich 250 Arbeiter beschäftigt, an welche über 90.000 fl. an Arbeitslöhnen, oder durchschnittlich 365½ fl. pro Kopf bezahlt wurde. Der erzielte Reingewinn ist auf 26.622 fl. beziffert, wovon jedoch für Abschreibungen nach Antrag der Direction und Genehmigung des Aufsichtsraths 11.157 fl. verwendet werden sollen. Die Prioritätsactien erhalten 5 pCt., die Stammactien 2½ pCt. Dividende[,] zum Reservefond werden 773 fl., und dem Delcredere-Conto ein verbleibender Rest von 373 fl. überwiesen. Da bei Zunahme des Geschäftes eine Erhöhung des Betriebsfonds wünschenswerth und sich in den Händen der Verwaltung noch 35.000 fl. Prioritätsactien befinden, so hat ein Theil der Actionäre sich bereit erklärt, für die ihnen zukommende Dividende im Gesammtbetrag von 10.000 fl. Prioritätsactien anzunehmen.“
Quelle: Darmstädter Zeitung vom 3. Dezember 1868 [online].
Bei einem Umsatz von 335.536 Gulden wurde ein Bruttogewinn von 55.875,92 Gulden erwirtschaftet. Von diesem gingen ab die Tantiemen für die beiden Direktoren und den Aufsichtsrat, zudem fielen Zinszahlungen in Höhe von 12.727,27 Gulden an. Diese Zinsen dürften den 1859/60 ausgegebenen fünfprozentigen Schuldverschreibungen zugehören. Vermutlich wurden hier 100.000 Gulden emittiert, die jedoch nicht vollständig gezeichnet wurden. Die Wertberichtigung für zweifelhafte Forderungen in Höhe von 373 Gulden erscheint nicht allzu hoch. Der Bericht nennt vierzehn Unternehmen bzw. Unternehmer, mit denen ein Umsatz in Höhe von 275.000 Gulden erzielt werden konnte; addiert frau oder man jedoch die vierzehn einzelnen Positionen, kommen hierbei jedoch nur 260.900 Gulden zustande. [1]
Geschäftsjahr | Umschlag | Bruttogewinn | Zinsen | Diverse Unkosten | Nettogewinn | Abschreibung | ⌀ Zahl Arbeiter | Lohnsumme | Dividende Prio/Stamm |
1863/64 | 264.994 | 49.161 | 13.763 | 10.838 | 27.477 | 9.777 | 258 | 91.688 | 5 / 2½ % |
1864/65 | 354.433 | 55.553 | 9.944 | 14.206 | 30.236 | 10.516 | 257 | 107.411 | 6 / 3½ % |
1865/66 | 358.960 | 56.698 | 14.461 | 16.328 | 25.909 | 11.064 | 280 | 102.835 | 5 / 2½ % |
1866/67 | 294.844 | 43.406 | 10.523 | 15.615 | 17.268 | 11.233 | 229 | 82.627 | 4 / 0 % |
1867/68 | 335.536 | 55.876 | 12.727 | 16.527 | 26.622 | 11.157 | 250 | 91.377 | 5 / 2½ % |
1868/69 | 348.796 | 58.458 | 11.716 | 14.630 | 32.382 | 12.089 | 257 | 92.730 | 6 / 3½ % |
1869/70 | 379.447 | 63.785 | 12.376 | 15.195 | 36.214 | 10.925 | 266 | 105.482 | 6 / 3½ % |
Zum Kundenkreis gehören nunmehr sieben Eisenbahngesellschaften: die in Darmstadt ansässige bzw. mit Werkstätten vertretene Main-Neckar-Eisenbahn und die Hessische Ludwigs-Eisenbahn; die beiden in Rheinland und Westfalen operierenden Bergisch-Märkische und Köln-Mindener Eisenbahn, sowie die Königlich Bayerische Staatseisenbahn, die Frankfurt-Hanauer Eisenbahn und die Taunus-Eisenbahn. Für die Main-Neckar-Bahn und die Hessische Ludwigsbahn lassen sich diesbezügliche Angaben aus Geschäftsberichten oder anderen Dokumenten nur schwer herausdestillieren; zur Taunus-Eisenbahn und zur Bayerischen Staaseisenbahn sind sind mir derzeit keine weiterführenden Informationen bekannt. Die Betriebsführung der Frankfurt-Hanauer Eisenbahn lag Ende der 1860er Jahre bei der Hessischen Ludwigsbahn; somit liegen entsprechende Kommunikationskanäle nahe. Bei den beiden rheinisch-westfälischen Unternehmen hingegen liefert der Geschäftsbericht den direkten Hinweis selbst.
Im April 1868 begann die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft mit dem Bau der Hammer Eisenbahnbrücke bei Düsseldorf, damals nach dem preußischen König Wilhelm I. benannt. Der Bau der beiden Mittelpfeiler erforderte besondere Maßnahmen, der wegen der Tiefe des Fundamentes nicht einfach mit Spundwänden, dem Verfüllen mit Beton und nachfolgendem Aufmauern der Pfeiler bewerkstelligt werden konnte. Hierbei sollte das Versenken mit Hilfe von komprimierter Luft geschehen. Dazu dienten die im Bericht genannten drei Luftdruckmaschinen.
„Zur Aufstellung wurde auf Pfählen, welche von Schiffsgefäßen mit einer Nasmith'schen Dampframme eingeschlagen waren, ein Gerüst in 3 Etagen hergestellt. Dasselbe enthielt im Innern der untern Etage die Oeffnungen für das Versenken der Glocken, Materialien-Depots und Mörtelbänke. In der zweiten Etage waren die Locomobilen und Luftpumpen aufgestellt und das Hebelwerk zum Versenken hergerichtet. Die dritte Etage endlich diente zur Bewegung eines Laufkrahnes, welcher im Stande war, Lasten bis zu 120 Centner zu tragen.“
„Die tragenden Rüstpfähle haben einen mittleren Durchmesser von 16 Zoll bei 50 Fuß Länge, das Material bestand aus nordischem Kiefernholz, welches aus den Ostseeprovinzen herbeigeführt wurde. In Thätigkeit waren zwei Nasmith'sche Rammen, von denen die eine mit 33 Ctr. Fallgewicht und 40 Zoll Hub aus alten Beständen für den Preis von 4500 Thlr. incl. Locomobile angekauft, die andere aber, von 20 Ctr. Fallgewicht, durch die Maschinenfabrik zu Darmstadt für den Preis von 5100 Thlr. incl. Locomobile angeliefert war. Die schwerere Ramme erhielt ihren Platz auf 2 eisernen Ponten, welche sonst bei der diesseitigen Trajectanstalt zu Homberg benutzt und auch späterhin wieder dahin abgeführt wurden. Die andere wurde auf 2 kräftige hölzerne Prahne gestellt, in welche vorab hinter den Borden starke Längsträger eingesetzt wurden.“ [2]
Zum Einsatz der drei aus Darmstadt bezogenen Luftdruckmaschinen gibt der Jahresbericht der Bergisch-Märkischen Eisenbahn für 1868 nähere Auskunft.
„Die Strombrücke erhält 4 Oeffnungen von je 330 Fuß lichter Weite, welche durch einen eisernen Ueberbau überspannt werden sollen.
Während die Gründung der beiden Stirnpfeiler und eines der Mittelpfeiler in gewöhnlicher Weise erfolgen konnte, nämlich durch Ausbaggerung der Baugrube, Umschließung derselben mit Spundwänden und Betonirung der Sohle, wurde hinsichtlich der beiden andern, in großen Wassertiefen zu fundirenden, Mittelpfeiler die Anwendung einer neueren Gründungsmethode beschlossen. Dieselbe besteht darin, daß der unter der Wasserlinie liegende Theil des Pfeilers über Wasser aufgemauert, und während dem nach und nach versenkt wird. Die Mauerung geschieht auf der ebenen Deckplatte eines in Ketten hängenden, aus Eisenplatten construirten, unten offenen Cylinders – der Senkglocke – der Art, daß in der Mitte des Mauerkörpers ein geräumiger Schacht ausgespart bleibt, welcher durch eine entsprechende Oeffnung in der Deckplatte der Senkglocke mit dem innern Raume der letztern in Verbindung steht. Die Senkung der Luft geschieht durch einen eigenthümlich construirten Bewegungsmechanismus, welcher auf kräftigen Holzgerüsten oberhalb der für die Mauerarbeit bestimmten Etage angebracht ist, bis wohin die in Schraubengewinden endigenden Kettenansätze hinaufreichen, und zwar gleichmäßig und allmählig in dem Maße, wie die Mauerung Schicht um Schicht fortschreitet. Sobald die Glocke den Boden des Flußbetts | berührt, wird die Versenkung des Pfeilers in der Weise fortgesetzt, daß man die im innern Umkreise des Glockenrandes anstehenden Bodenmassen unter fortwährendem Nachsinken des Pfeilers allmählig fortnimmt, bis der Fuß des letztern eine hinreichend tragfähige Schicht in solcher Tiefe unter dem Flußbett erreicht hat, daß eine Unterspülung desselben durch den Strom nicht mehr zu befürchten ist.
Zuvor ist jedoch für die hiermit beauftragten Arbeiter der Zugang zur Arbeitsstelle frei zu machen und diese selbst trocken zu legen, zu welchem Zwecke in den vorerwähnten brunnenförmigen Schacht, oder vielmehr in eine schon vor der Versenkung in denselben eingebaute, mit dem Glockenraume in Verbindung stehende, eiserne Röhre durch den auf derselben angebrachten Schleusenapparat comprimirte Luft eingeführt wird, welche das Wasser verdrängt und seinen Wiedereintritt verhindert. Durch diese Röhre – Luftschacht genannt – steigen die in kurzen Fristen abzulösenden Arbeiter in die Glocke hinunter; ebenso dient dieselbe zum Heben und Beseitigen – dem Ausschleusen – des in der Tiefe ausgegrabenen Bodens. Die comprimirte Luft wird durch, von Dampfkraft getriebene, Luftpumpen erzeugt. Nach beendigter Austiefung der Fundamentgrube wird der hohle Raum der Senkglocke mit Beton ausgefüllt, welcher alsbald zu einer compacten Masse erhärtet, und nun das Aufsteigen des Grundwassers verhindert; sodann der Luftschacht neben der Luftschleuse entfernt und hierauf der Mauerschacht durch solides Mauerwerk ausgefüllt.
Bei jedem der in Reihe stehenden, auf diese Weise fundirten beiden Mittelpfeiler wurden zwei in der Stromrichtung hintereinander liegende, getrennte Senkglocken von 26 Fuß Durchmesser und 4 Fuß 8 Zoll Höhe angewendet, deren Mauerrwerk durch ein in Mittelwasserhöhe ausgeführtes Gewölbe mit einander verbunden worden ist, so daß von hier ab das Mauerwerk des Pfeilers eine zusammenhängende Masse bildet.
Ueber den Gang dieser wichtigen, im Laufe des verflossenen Jahres glücklich zu Ende geführten Fundirungsarbeiten und die sonstige Thätigkeit auf der Brückenbaustelle sind folgende Angaben zu machen
Zum Strompfeiler Nr. 1 begannen die Rammarbeiten für die Rüstung am 4. April 1868. Durch höhere Wasserstände mehrfach unterbrochen, konnten dieselben erst am 20. Juni vollendet werden. Sodann begann die Aufstellung und Montirung der inzwischen durch die Firma Jacobi, Haniel & Huyssen abgelieferten Senkglocken und des Bewegungsmechanismus. Am 14. Juli wurde das Mauerwerk auf den Senkglocken angesetzt. Am 7. August hatten dieselben den Flußboden erreicht, worauf die Luftpumpen in Bewegung gesetzt wurden und die Ausschachtung begann. Am 15. September war die Senkung bis zu einer Tiefe von 38½ Fuß unter dem Nullpunkt des Pegels erfolgt; die demnächst sofort begonnene Betonirung war am 30. September vollendet. Nach 6 Tagen hatte unter der fortgesetzten Wirkung des Luftdruckes die Erhärtung den genügenden Grad erreicht, worauf mit dem Abbauen der Luftschächte und mit der Ausmauerung der hohlen Räume vorgegangen wurde.
Die Senkungsarbeiten, das Ausschachten des Bodens und das Einbringen des Betons wurden ununterbrochen, auch während der Sonntage und Nächte, betrieben; für die Mauerung genügte dagegen die Tagesarbeit, da in der Zeit von Morgens 5 bis Abends 8–9 Uhr stets soviel Mauerwerk gefertigt wurde, als in 24 Stunden versenkt werden konnte. Dasselbe wurde immer so hoch gehalten, daß es erst nach etwa 36 Stunden eintauchte. Die Förderung des in der Tiefe ausgeschachteten Bodens geschah in Kübeln, welche durch eine im Luftschacht aufgestellte, | durch Menschenkraft bewegte Winde gehoben wurden. In jeder Schicht von 4 Stunden wurden 80 bis 100 Eimer gewonnen, welche ein 6- bis 7maliges Ausschleusen erforderten. Vor der oberen Abtheilung des Luftschachtes, der Luftschleuse, wurden die Eimer in schrägstehende Rinnen entleert, welche den Boden nach den Transportnachen abführten. Das Einbringen des Betons geschah in ähnlicher Weise, wobei die Eimer in der Luftschleuse in eine, durch den Schacht nach dem Boden der Glocke hinabführende, Blechrinne entleert wurden.
Der Bedarf an comprimirter Luft wurde für geringere Tiefen durch eine, für größere durch zwei 16pferdige Locomobilen erzeugt; eine dritte Maschine diente als Reserve. Die Luftpumpen hatten 16 Zoll Durchmesser und bewegten sich mit etwa 18 Zoll Geschwindigkeit pro Secunde. Die Verminderung der durch die Luft-Compression erzeugten Wärme wurde durch Kühler von etwa 72 Quadratfuß Oberfläche, deren Speisung durch Rheinwasser erfolgte, bewirkt.“
Quelle: Jahres-Bericht über die Verwaltung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn für das Geschäftsjahr 1868, Seite 151–153 [online].
Ebenfalls 1868 begann die Köln-Mindener Eisenbahn mit dem Bau einer Brücke über die Elbe. Sie hatte die Konzession für die Strecke vom holländischen Venlo in die Hansestadt gewonnen; und vermutlich wird auch die eine oder andere kleine Tenderlokomotive der Maschinenfabrik im Verlauf der Jahre bei Erdbewegungen und Dammbauten durch eines der beteiligten Bauunternehmen zum Einsatz gekommen sein. Was die beim Bau der Hamburger Eisenbahnbrücke über die Elbe eingesetzten Dampframmen betrifft: Der für dem Bau der Düsseldorfer Brücke angesetzte Preis von 5.100 Talern einer ebensolchen ergibt eine Umrechnung in 8.925 Gulden. Laut obigem Geschäftsbericht zahlte die Köln-Mindener Eisenbahn 1867/68 für mindestens eine Dampframme (und was noch?) 16.600 Gulden. Theoretisch denkbar ist somit der Absatz von zwei etwas preisgünstiger kalkulierten Exemplaren. Der Fotograf W. Champes zeigt 1869 Dampframmen beim Bau der Brücke auf der Harburger Seite. Es ist möglich, daß die auf dem Bild zu erkennenden Dampframmen von der Maschinenfabrik aus Darmstadt stammen; aber nicht gesichert.
Bild 12.01: Rammrüstungen der Strompfeiler. Aufnahme von W. Champes 1869. Quelle: Architekturmuseum der TU Berlin, BZ-F-01,038 [online].
Hat auch die Hessische Ludwigsbahn für den 1868 begonnenen Bau der Riedbahn von Darmstadt nach Rosengarten (Worms) eine oder mehrere Dampframmen bezogen? Jedenfalls schreiben wir weiterhin 1868, als die Maschinenfabrik Drehscheiben für die Frankfurt-Hanauer Eisenbahn gefertigt hat. Der Hinweis hierauf findet sich ganz am Ende des nachfolgend wiedergegebenen Aufsatzes.
Abbildung 12.02: Drehscheiben mit Excenter-Unterstützung am Scheibenumfang in Hanau. Quelle: Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens in technischer Beziehung, Neue Folge IX. Band, 6. Heft 1872 [online bsb münchen].
Dessen Fortsetzung:
„[…] nachtheilig auf die Scheibe und den Umfassungskranz wie bei einem gewöhnlichen Riegel, weil derselbe durch die an den Riegel fest angepressten elastischen Gummiballen gebrochen wird.
Diese Drehscheiben wurden von der Maschinenfabrik in Darmstadt in solider Weise ausgeführt und haben sich seit 4 Jahren in jeder Hinsicht bewährt.“ [3]
Neben den überregionalen Lieferungen an verschiedene Eisenbahngesellschaften und der/den noch nicht näher identifizierte(n) Kohlengrube(n) im Saarland und/oder in Oberschlesien fertigte die Maschinenfabrik für den lokalen bzw. regionalen Markt. Die Ultramarinfabrik von Wilhelm Büchner in Pfungstadt, das Blaufarbenwerk Marienberg in Lautern am Hange der Bergstraße [4], die Maschinenfabriken Kleyer & Beck bzw. Blumenthal, sowie das Chemie- und Pharmaunternehmen E. Merck (allesamt in Darmstadt) waren mehrfach Abnehmer von Dampfmaschinen, Dampfkesseln, Werkzeugmaschinen und anderen Gerätschaften.
»» Zur langjährigen Geschäftsbeziehung mit E. Merck Darmstadt siehe das achte Kapitel Ein Monteur geht zu Merck.
Den Kontenbüchern von E. Merck Darmstadt ließe sich vielleicht der Lieferumfang für das Geschäftsjahr 1867/68 entnehmen, wären dort nicht a) mehrere summarische Posten, b) Unklarheiten über Rechnungsstellung, Auszahlung und Verbuchung und c) dei Frage, ob die Maschinenfabrik in ihrem Geschäftzsbericht nur größere Lieferungen oder auch kleine Reparaturen in die Summe von rund 7.200 Gulden hat einfließen lassen. Nachfolgend ein Auszug aus den Angaben der Kontenbücher.
fol. | Datum | Leistung | Preis | Gesamtsumme | Bemerkungen |
150 151 | 30.01.1867 | ein Röhrendampfkessel mit 50 qm Heizfläche und vollständiger Armatur | 2.700,00 | ||
151 | 30.01.1867 | Metallteile zu einer stehenden Läufermühle | 1.082,53 | ||
151 | 30.01.1867 | Metallteile zu einer Naßmühle | 381,39 | ||
151 | 30.01.1867 | Kaltwasserpumpe mit Rohrleitung | 293,29 | ||
151 | 30.01.1867 | Saugkorb, Schrauben, Absperrwinkel, Transmission zur Pumpe, Schmiedeteile, Zusammenbau | 121,04 | 4.579.05 | |
151 | Jan. 1867 | Reparatur eines Dampfkessels und eines Siederohrs | 421,12 | ||
151 | Jan. 1867 | zwei Gasentwicklungsapparate einschließlich Metallkasten | 17,30 | 438,42 | |
151 | 22.05.1867 | eine liegende Hochdruckdampfmaschine bis zu 24 Pferdekräfte | 2.750,00 | ||
151 | 22.05.1867 | eine Transmission und diverse andere Teile | 955,39 | 3.705,39 | |
152 | 12.06.1867 | vier Reservoirs | 304,50 | drei dieser Reservoirs tragen die Fabrikummern 836 bis 838 | |
152 | 12.06.1867 | eine doppelwirkende liegende Luftpumpe | 500,00 | ||
152 | 12.06.1867 | eine stehende hydraulische Presse für 7.500 Zentner Druck mit doppelter Druckpumpe | 2.200,00 | 3.004,50 | |
152 | 29.07.1867 | Monteurarbeiten vom 23. Januar bis zum 22. Juli | 403,12 | ||
152 153 | 29.07.1867 | Dampfrohrleitung, Reparatur von zwei Dampfkesseln, drei Reservoirs und diverse andere Teile | 1.875,05 | siehe Anmerkung [5] | |
153 | 29.07.1867 | zurück diverse Stücke | − 9,09 | 1.865,56 | |
154 | 31.08.1867 | fünf Gasentwicklungsapparate und Roste dazu | 42,40 | ||
153 | 11.09.1867 | Reparatur eine Röhrendampfkessels, Verstemmen des Kessels, ein neues Ventil und eine neue Spindel | 60,25 | ||
154 | 15.10.1867 | fünf Gasentwicklungsapparate mit Deckel | 11,00 | ||
154 | 16.11.1867 | fünf Kochkessel mit je zwei Gußdeckeln | 747,45 | Fabriknummer 880 bis 884 | |
154 | 16.11.1867 | eine Rammdeckplatte, ein Manometer, ein Druckrohe, Platten, Schrauben | 130,13 | 877,58 | |
154 | 31.12.1867 | Reparaturen und [vermutlich] Ersatzteile | 76,06 | ||
156 | 31.01.1868 | vom 11.1.: vier Kochkessel, fünf Fuß hoch, aus zwei alten Kesseln, acht Fuß hoch, hergestellt, plus benötigtes neues Material | 280,00 | ||
156 | 31.01.1868 | vom 22.1.: zwei neue Siebböden dazu | 26,12 | 306,12 | |
157 | 03.03.1868 | Verschiedene Lieferungen und Reparaturen | 871,36 | Position wird nicht näher ausgeführt | |
157 | 30.04.1868 | Verschiedene Lieferungen und Reparaturen | 8,00 | Position wird nicht näher ausgeführt | |
158 | 31.05.1868 | neun Platten | 69,21 | ||
158 | 16.06.1868 | Verschiedene Lieferungen und Reparaturen | 2.060,06 | Position wird nicht näher ausgeführt | |
158 | 30.06.1868 | drei Platten | 20,40 | ||
163 | 31.08.1868 | sechs Platten | 33,48 | ||
161 | 29.12.1868 | ein Rühraggregat, ein Reservoir, mehrere Montagen und Reparaturen, Material | 1.395,39 |
Wir könnten nunmehr versuchen, zwischen Juli 1867 und Juni 1868 eine passende Zusammenstellung herauszuarbeiten, aber die Buchungen geben das nicht her. Nichtsdestotrotz werden die im Geschäftsbericht angegebenen 7.200 Gulden wohl stimmen.
Wilhelm Büchner, ein Bruder des Dramatikers und Revolutionärs Georg Büchner, betrieb in Pfungstadt auf dem Gelände einer Mühle und früheren Zuckerfabrik eine Ultramarinfabrik. Diese hatte er zunächst 1842, zusammen mit einem Partner, im Darmstädter Mühlweg auf dem Gelände der kurz zuvor geschlossenen Stearinkerzenfabrik von Georg Friedrich Pabst errichtet. Diesen Kerzenfabrikanten wiederum haben wir schon im 5. Kapitel kurz kennengelernt. 1845 siedelte Büchner mit seiner Fabrik nach Pfungstadt über. Da dort für seine Zwecke der Wasserlauf der Modau als Antriebsquelle bald nicht mehr ausreichte, erwarb er 1852 vom Maschinenbauer Julius de Bary aus Offenbach eine Dampfmaschine von 8 bis 10 Pferdestärken. Ende der 1850er Jahre folgte eine zweite. Vermutlich besaß er weitere Dampfaggregate, bevor er 1864 von der Maschinenfabrik einen Dampfkessel mit 5 Atmosphären Überdruck kaufte. 1872 kamen zwei weitere von den Arbeitern der Maschinenfabrik angefertigte Dampfkessel hinzu. Worin hingegen im Geschäftsjahr 1867/68 die Lieferung(en) in Büchners Pfungstädter Fabrik bestand(en), ist (derzeit) nicht näher bestimmbar. Büchner, der sich als Pfungstädter Wohltäter aufführte, hatte kein Problem damit, daß seine Fabrik die Umgebung in einen Blauschleier hüllte.
„In Pfungstadt stieß Wilhelm Büchner mit seinen unternehmerischen Aktivitäten nicht immer nur auf Begeisterung. Zwar war er der größte Arbeitgeber in der weiter wachsenden Stadt, aber die Farbenfabrik forderte auch ihren Tribut. Blauer Nebel legte sich auf Gebäude, Felder und Wiesen. Selbst in einer Zeit mit geringem Umweltbewusstsein wurde das als störend empfunden, ohne wirklich etwas dagegen ausrichten zu können. Filteranlagen, die die Blaufärbung der Abgase verhindert hätten, gab es noch nicht.“
Nun ja, das mag sein. Aber hätte sich Wilhelm Büchner mit derselben Inbrunst dem Abgasproblem gewidmet, mit welcher er dem Ultramarin auf die Spur gekommen war, dann hätte es eine Lösung gegeben. Der entscheidende Punkt ist: dem Unternehmer Büchner kostet es zu viel, auch nur darüber nachzudenken. Dann doch lieber kostenfrei die Umgegend verpesten! [6]
Zu Lieferungen für Kleyer & Beck und zur Maschinenfabrik von Heinrich Blumenthal lassen sich derzeit keine Angaben erschließen. – Im August und September 1865 hatte die Maschinenfabrik mehrere gleichlautende Annoncen geschaltet, die im November auch in Bayern veröffentlicht wurden. Demnach fertige sie
„alle Arten stationairer Dampfmaschinen, Locomobilen, Locomotiven mit schmaler und breiter Spur, Werkzeug- und hydraulische Maschinen, Mühlen-, Brauerei- und sonstige Fabrik-Einrichtungen, sowie sie zugleich durch ihre ausgedehnten Kesselschmiede-Werkstätten und ihre großen Blechvorräthe in der Lage ist, Dampfkessel jeder Größe und Construction in kürzester Zeit zu liefern.
Dampfmaschinen von 3, 6, 9–11 Pferdestärken mit zugehörigen Kesseln, ferner stehende und liegende Locomobilen von 3, 6, 8, 10–12 Pferdestärken, sowie viele Werkzeug-Maschinen als: Drehbänke, Hobel-, Bohr-, Stoß-, Feil-, Loch- und Scheermaschinen sind stets in größerer Anzahl vorräthig.
In der Gießerei können Stücke bis 150 Centner gegossen werden.“ [7]
Zu einigen wenigen produzierten Dampfkesseln, wie sie hier offeriert werden, sind weitere Informationen verfügbar. In den Archiven sind beispielsweise Beschreibungen, Prüfgungszeugnisse, ja sogar eine Blaupause erhalten. Der Kundenkreis dürfte den lokalen Raum überschritten haben, wobei „lokal‘ durchaus eine relative Bezugsgröße darstellt. Womöglich würden Recherchen in Nassau, Rheinhessen, der Pfalz, Baden, Frankfurt, Kurhessen und Bayern weitere Exemplare zutage fördern.
Datum | Kessel Nr. | Empfänger | Preis | Technische Daten | Dokument |
1858 | unbekannt | E. Merck Darmstadt | 2.346,45 fl. | ?? | |
1861 | unbekannt | Blaufarbenwerk Marienberg | ?? | 3 Atmosphären; 1864/65 repariert und evtl. umgebaut | Beschreibung in HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686 |
1861 | (38) | Blaufarbenwerk Marienberg | ?? | 4 ½ Atmosphären, zum Betrieb einer 8pferdigen lokomobilen Dampfmaschine | Beschreibung und Prüfungsattest in HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686 |
1864 | unbekannt | Wilhelm Büchner, Pfungstadt | ?? | 5 Atmosphären | Prüfungsattest |
1865 | 517 | August Stetter, Darmstadt | ?? | 6 Atmosphären | Prüfungszeugnis |
1865 | 611 | Philipp Engel, Pfungstadt | ?? | 6 Atmosphären | Prüfungszeugnis |
1865 oder 1866 | 665 | eigener Bedarf | ?? | Röhrenkessel | |
1866 | 768 | Weber und Heß, Pfungstadt | ?? | 6 Atmosphären | Anlagenbeschreibung und Prüfungszeugnis |
1865 | 789 | eigener Bedarf | ?? | Röhrenkessel, 6 Atmosphären , ausgebessert 1878 | Beschreibung, als Transkript |
1866 | unbekannt | E. Merck Darmstadt | 2.700 fl. | Röhrenkessel | verbucht Januar 1867 |
1867 | unbekannt | Wolfgang Reuter, Darmstadt | ?? | 6 Atmosphären | Beschreibung |
1867 | 960 | Blaufarbenwerk Marienberg | ?? | 6 Atmosphären, zum Betrieb einer 30pferdigen Dampfmaschine | Beschreibung in HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686 |
1868 | 938 | Heil und Chelius, Hofgut Wickstadt | ?? | 4 Atmosphären | Prüfungsprotokoll in HStAD G 15 Friedberg Nr. V 599 |
1871 | unbekannt | Gebrüder Reubold, Weilbacher Eisenwerk | ?? | Geschäftsschreiben | |
1872 | 1207 | E. Merck Darmstadt | 4.198,19 fl. | Röhrenkessel, 5 Atmosphären | |
1872 | 1209 | Blaufarbenwerk Marienberg | ?? | Röhrenkessel aus zwei Zylindern, 5 Atmosphären | Beschreibung, Prüfungszeugnis und Gutachten in HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686 |
1872 | 1210 | Blaufarbenwerk Marienberg | ?? | Röhrenkessel aus zwei Zylindern, 5 Atmosphären | Beschreibung und Prüfungszeugnis in HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686 |
1872 | 1211 | Blaufarbenwerk Marienberg | ?? | Röhrenkessel aus zwei Zylindern, 5 Atmosphären | Beschreibung und Druckprobenattest in HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686 |
1872 | 1212 | Wilhelm Büchner, Pfungstadt | ?? | Prüfungszeugnis | |
1872 | 1213 | Wilhelm Büchner, Pfungstadt | ?? | Beschreibung | |
1873 | 1250 | E. Merck Darmstadt | 5.336,58 fl. | Röhrenkessel, 5 Atmosphären | Beschreibung |
1873? | 1296 | Hessische Ludwigsbahn, Mainz | lokomobiler Dampfkessel | Zuordnung nicht gesichert [8] | |
(1875) | unbekannt | Gandenberger'sche Maschinenfabrik von Georg Göbel, Darmstadt | ?? | Röhrenkessel, 5 Atmosphären | Beschreibung |
1875 | 1322 | E. Merck Darmstadt | 6.212,16 M. | Röhrenkessel, 5 Atmosphären | Prüfungszeugnis |
1875 | unbekannt | E. Merck Darmstadt | 4.881,60 M. | Röhrenkessel, 5 Atmosphären | |
1876 | 1334 | Friedrich Müller, Pfungstadt | ?? | 6 Atmosphären | Beschreibung |
1877 | 1360 | L. C. Wittich'sche Hofbuchdruckerei, Darmstadt | ?? | 6 Atmosphären | Revisionsbericht |
1878 | unbekannt | E. Merck Darmstadt | 5.414,78 M. | Röhrenkessel, 5 Atmosphären | |
1879 | 1393 | Städtisches Hospital Darmstadt | ?? | Röhrenkessel, 6 Atmosphären | Beschreibung und Blaupause |
Bei den Fabriknummern der Dampfkessel handelt es sich keineswegs um durchlaufende Nummern allein für dieses Produkt. Die Maschinenfabrik hat niemals insgesamt 1.400 Dampfkessel produziert! Vielmehr wurden wohl alle größeren Gegenstände mit einer einheitlichen Seriennummer versehen, nur die ab 1861 gefertigten Lokomotiven wurden extra gezählt. Hierzu gibt es einen Beleg aus den Merck'schen Kontenbüchern. Für 1867, wo wir anhand obiger Tabelle Fabriknummern im 800er-Bereich erwarten würden, treffen wir tatsächlich entsprechende Angaben an. So werden im Juni 1867 drei von der Maschinenfabrik gelieferte Reservoirs mit den Fabriknummern 836 bis 838 verbucht und im November 1867 fünf Kochkessel mit den Fabriknummern 880 bis 884. In gewisser Weise ließe sich anhand dieser spärlichen Angaben eine ungefähre jährliche Produktionszahl errechnen; allein, es handelt sich um sehr unterschiedliche Produkte mit sehr verschiedenen Produktions- und Lieferzeiten. Daß und wie sehr die Gründerkrise hier erhebliche Spuren hinterlassen hat, wird an der nur noch gering ansteigenden Numerierung nach 1873 deutlich.
Abbildung 12.04: Blaupause des Dampfkessels 1393 für das Städtische Hospital in Darmstadt, wohl von 1879. Quelle: HStAD G 15 Darmstadt Nr. 61.
Um 1840 herum erhielt die damals noch als „Buschbaum & Comp.“ firmierende Maschinenfabrik eine Dampfmaschine von Keßler und Martiensen aus Karlsruhe. Seither scheinen alle Dampfmaschinen, Dampfkessel und wohl auch ein großer Teil der Werkzeugmaschinen aus eigener Produktion zu stammen. Folgerichtig treffen wir 1878 auf ein Genehmigungsverfahren, bei dem ein dreizehn Jahre zuvor gebauter und nunmehr reparierter Dampfkessel eine neue Verwendung als Reservedampfkessel finden sollte.
des liegenden Röhrenkessels Nº 789 der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt
Dieser Dampfkessel ist im Jahr 1865 von der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt gefertigt und erhielt in diesem Jahre eine neue Feuertafel, ferner eine neue hintere Rohrwand von derselben Firma.
Derselbe diente früher zum Betrieb einer 20pferdigen Dampfmaschine unserer alten Fabrik in der Frankfurter Straße und soll jetzt als Reservekessel zum Betrieb einer 30pferdigen Dampfmaschine in unserer neuen Dreherei am Landwehrweg verwendet werden.
Er hat einen Cylinder von 1300 mm lichter Weite, 3000 mm Länge und 14 mm Wandstärke. Die beiden oberen Rohrwände sind 18 mm dick und durch aufgenietete Winkeleisen verstärkt. In derselben sind 44 schmiedeiserne Siederöhren von 75 mm äußerem und 70 mm innerem Durchmesser eingesetzt. Der an der vorderen Rohrwand aufgenietete Wasserablaß-Stutzen hat eine lichte Weite von 40 mm bei einer Länge von 600 mm und 9 mm Wandstärke.
Die Heizfläche soweit sie von Wasser umgeben ist, enthält 40 [Quadratmeter].
Zur Erkennung des Wasserstandes sind an der Feuerthürseite ein Wasserstandsanzeiger und 2 Probirhähne vorgeschraubt, wovon der untere 10 centtm. über dem höchsten Punkte der Rauchkanäle, sowie der Siederöhren sitzt.
Zur Messung des Dampfdrucks sitzt seitlich am Dom ein doppeltes Sicherheitsventil, welches durch Hebel und Gewichte mit 261,5 Kilogramm belastet werden kann, was einem Dampfüberdruck von 6 Atmosphären entspricht.
Der lichte Durchmesser der Ventile ist 70 mm, die mittlere Sitzfläche derselben hat 74½ mm Durchmesser.
Die Speisung de Kessels geschieht durch zwei Injectoren. Beide von einander unabhängige Speisevorrichtungen sind mit Speiseventilen versehen.
Auf dem Vorkopf des Wasserablaßstutzens ist folgendes eingeschlagen:
M. E. D. 789. 6 At.
1865.
An der Stirnwand des Kessles befindet sich das eiserne Kesselschild mit der Firma Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt, der Kesselnummer 789, der Jahreszahl 1865 und die höchste zulässuge Dampfspannung 6 Atmosphären.
Darmstadt den 31 Januar 1878.
[Stempel:] Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt
[Unterschriften:] L Weber Horstmann
Quelle: HStAD G 15 Darmstadt Nr. 30.
Neben der Herstellung von Dampfmaschinen und Dampfkesseln wurde die Maschinenfabrik von Fall zu Fall damit beauftragt, bestehende Anlagen zu reparieren oder zu modifizieren. In den Akten des Kreisamts Darmstadt findet sich beispielsweise das Prüfungszeugnis für einen 1866 von der Maschinenfabrik reparierten Dampfkessel. Dieser war 1859 von der Dampfkesselfabrik Jacques Piedboeuf in Aachen an die Jordan'sche Maschinenfabrik geliefert worden. Dabei wurde festgehalten, daß er „der längeren Dienstzeit wegen“ statt mit viereinhalb nur noch mit vier Atmosphären Überdruck betrieben werden solle. Bemerkenswert ist bei diesem Kessel, daß er a) nicht vom führenden Unternehmen vor Ort produziert worden war und b) keine Eigenfertigung aus dem Hause Jordan gewesen ist. Dabei hatte die Jordan'sche Maschinenfabrik in den Jahrzehnten zuvor durchaus die Kapazität zur Herstellung von Dampfmaschinen und Dampfkesseln. Schon 1831 annoncierte diese, dreißig verschieden aufgebaute Dampfmaschinen herstellen zu können. Andererseits war das Aachener Unternehmen so etwas wie die „Wiege des deutschen Dampfkesselbaus“. [9]
Wilhelm Büchner war nicht der einzige Fabrikant, der im südhessischen Raum synthetisches Ultramarinblau herstellen ließ. Im Lautertal bei Bensheim suchte 1852 August von Plönnies um die Genehmigung zum Bau einer Ultramarinfabrik nach. Nach seinem Tod vier Jahre später wurde hieraus eine Aktiengesellschaft, die 1890 den Vereinigten Ultramarinwerken beitrat. Inzwischen zu Ciba-Geigy gehörig, wurde das Werk 1996 geschlossen und die Produktion nach Lampertheim verlegt. Wie die Büchner'sche Fabrik legte auch das Werk in Marienberg gerne einen Blauschleier über das Lautertal. [10].
Der Kessel der Locomobile Nº 38, welcher sammt der Maschine in der Maschinenfabrik & Eisengießerei Darmstadt angefertigt wurde, hat eine Heizfläche von 160 und eine Rostfläche von 5 ½ hessischen □ Fußen.
4 Zoll über der äußersten Kante der Feuerbüchse befindet sich die Nominalhöhe des Wasserstand, den man, ist der Kessel gefüllt, leicht durch 2 Probirhahnen und einen Wasserstandsanzeiger, erkennen kann.
Aus der Zeichnung ersieht man, daß der Kessel, unwesentliche Abänderungen ausgenommen, nach Analogie der Locomotivkessel erbaut ist.
Die Länge desselben von der hinteren Wand der Feuerbüchse bis zur Stirne der Rauchkammer beträgt 120″, davon kommen auf den Feuerbüchsmantel, welcher 36″ im Lichten weit und in dem die Feuerbüchse exentrisch, doch mit paralleler Längenaxe befestigt ist, 37″, ferner auf den mittleren Theil 71″, und auf die Rauchkammer 12″.
29 Röhren, 2″ weit im Lichten und außen 2″, 4‴ dick gestatten den Durchzug der Heizgase und stellen den größten Theil der Heizfläche dar.
Die Maschine dient zunächst zum Betrieb der Mühlen des Blaufarbenwerks Marienberg.
Ihr Nutzeffect beträgt bei einem Ueberdruck von 4 ½ Atmosphären 8 Pferdekräfte.
Die Feuerung geschieht durch Steinkohlen. Infolge gesetzlicher Bestimmung wurde dem Blech das 28″ weiten Cylinders eine Stärke von etwa 2‴ gegeben, und zu dem Feuerbüchsenmantel 3,6‴ dickes Eisenblech der besten Qualität verwendet.
Auch der Dom, der 22″ hoch ist und einen Durchmesser von 18″ hat, ist von vorzüglichem, [ein nicht entzifferbares Wort] 4‴ dickem Extrablech gefertigt.
Endlich sind noch 2 Sicherheitsventile angebracht. Sie haben ein jedes eine freie Öffnung, von 200 □ ‴ Hessisch Maaß.
Um die Speisung nicht zu vergessen, so geschieht sie durch eine Pumpe, welche von der Schwungradwelle und durch ein Exentrir in Gang gesetzt wird.
Quelle: HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686; das Dokument ist undatiert, stammt aber wohl von 1861. Die hier verwendeten Maßeinheiten sind Zoll und Linien nach hessischem Maß; demnach entsprechen die in obiger Beschreibung genannten 2 Zoll und 4 Linien 6 Zentimetern.
1861 lieferte die Maschinenfabrik einen Dampfkessel mit einem Überdruck von 3 Atmosphären, der 1864/65 repariert und wahrscheinlich umgebaut wurde und der danach nur noch mit 2 Atmosphären betrieben werden konnte. 1862 wurde auf dem Gelände der Blaufarbenfabrik eine in der Maschinenfabrik gefertigte lokomobile Dampfmaschine mit der Fabriknummer 38 aufgestellt, bei der ein Dampfkessel mit 4 ½ Atmosphären Überdruck eine achtpferdige Dampfmaschine mit der nötigen Energie versorgte. Diese Dampfmaschine scheint einige Jahre später durch eine dreißigpferdige ersetzt worden zu sein, zu der die Maschinenfabrik 1867 einen Dampfkessel mit sechs Atmopshären (Fabriknummer 960) Überdruck beigesteuert hat. Dieser Dampfkessel scheint einen ebenfalls von der Maschinenfabrik 1864 gelieferten ersetzt zu haben, der zum Zeitpunkt der Lieferung wiederum als ein „dritter“ benannt wurde. Demnach wurde offensichtlich der Dampfkessel der Lokomobile als ein eigener zweiter vorhandener betrachtet. Um für etwas Verwirrung zu sorgen, wurde der Dampfkessel von 1861 als „A“ und der von 1864 als „B“ bezeichnet. Wer die 30pferdige Dampfmaschine gebaut hat, wird nicht genannt; es gibt keinen Hinweis darauf, daß auch hier die Maschinenfabrik zum Zuge gekommen ist.
dreier Dampfkessel von 60 □ m Heizfläche und 5 Atmosphären Ueberdruck für das Blaufarbenwerk Marienberg bei Bensheim.
Diese stationären Kessel sind in der Maschinenfabrik & Eisengießerei Darmstadt gefertigt, dieselben bestehen aus je zwei vertical übereinander liegenden Cylindern, welche durch 3 Rohrstutzen von 380 mm lichter Weite mit einander communiciren.
Die unteren Cylinder von 1138 mm Durchmesser, 5282 mm Länge und 9 mm Blechstärke enthalten einen ausziehbaren Feuerapparat, bestehend aus einer cylindrischen Feuerbüchse von 850 mm lichten Durchmesser, 2850 mm lichter Länge und 11 mm Blechstärke und aus 57 Siederohren von 69 mm äußerem und 63 mm innerem Durchmesser und 2400 mm Länge zwischen den 16 mm starken Rohrwänden. Diese Cylinder werden ganz von heißer Luft umspült, der darüberliegende jedoch nur zur Hälfte.
Die obere Cylinder ist [sic!] 5300 mm lang, hat einen lichten Durchmesser von 950 mm und eine Blechstärke von 8 mm. In der Mitte deßselben befindet sich ein abschraubbarer Dom von 700 mm lichten Durchmesser, 800 mm Höhe und 8 mm Blechstärke. An der vorderen Stirnwand des oberen Cylinders ist ein, aus dem Mauerwerk vorstehender Stutzen angenietet von 400 mm lichten Durchmesser und 10 mm Blechstärke zur Anbringung der Wasserstandszeiger und der Probierhähne, wovon der tiefste in der Höhe des niedrigsten Wasserstandes liegt. Das doppelte Sicherheitsventil von 90 mm lichten Durchmesser mit Hebel und Gewichtsbelastung, ein Dampfablaßventil und ein Dampfabsperrventil sind an dem Dom angebracht. Die Metallfedermanometer nebst dem Controlmanometerhahne befinden sich an der Vordereite der Kesselmauer. Die Kesselspeisung geschieht durch zwei von einander unabhängigen Speisevorrichtungen mit einem Speiseventil, welches am hinteren Ende des oberen Kessels angebracht ist. Die Kessel sollen höchstens mit 5 Atmosphären Ueberdruck arbeiten und sind hiernach in besagter Fabrik auf 10 Atmosphären amtlich geprüft worden, was durch drei Zeugniße constatirt wird.
An jeden Kesseln befindet sich ein Metallschild worauf der Name der Fabrik, Maschinenfabrik & Eisengießerei Darmstadt und der höchst zuläßige Dampfdruck 5 Atmosphären steht – ferner die laufende Kesselnummer 1209 – 1210 und 1211.
[Stempel:] Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt
Die Kessel sollen mit Steinkohlen gefeuert und zum Betrieb einer Dampfmaschine von 60 Pferdekraft benutzt werden. Die benachbarten Gebäude gehören sämmtlich zum Blaufarbenwerk, fremde Nachbarn sind überhaupt nicht vorhanden. Die innerhalb 25 Meter Entfernung vom Schornstein liegenden Gebäude des Blaufarbenwerks haben eine Höhe von 8,5 bzw. 10 Meter.
Marienberg den 29. November 1872
Für die Actien-Gesellschaft Blaufarbenwerk Marienberg
J. Rauch (?) Hoffmann
Quelle: HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686.
1872 wird der Dampfkessel 960 wieder verkauft und offenbar durch eine Dampfkesselanlage mit drei gleichen zweiröhrigen Dampfkesseln ersetzt. Diese in der Maschinenfabrik hergestellten Dampfkessel mit den Fabriknummern 1209 bis 1211 waren noch anfangs der 1880er Jahre in Betrieb, als nach den vorhandenen Unterlagen vier Dampfkessel vorhanden waren. Ob der vierte Dampfkessel derjenige von 1861 gewesen ist, ist möglich, aber nicht eindeutig belegbar. Die Existenz dieses vierten scheint jedenfalls bei der Revision 1880 für einige Unklarheit gesorgt zu haben, denn das Kreisamt Bensheim und das Blaufarbenwerk Marienberg korrespondierten über die nötige (und bei Inbetriebnahme auch tatsächlich erteilte) Konzession dieses vierten Kessels. Ebenfalls 1880 wurde der Dampfkessel 1211 durch die Maschinenbaugesellschaft Carlsruhe repariert; aufgrund einer Konstruktionsänderung wurde eine erneute Druckprobe angeordnet. Der Dampfkessel 1209 wurde vom Blaufarbenwerk schon nach der Anlieferung bemängelt; ein Gutachten stellte 1872 zwar mangelhaftes Blech, aber keine Beeinträchtigung für den Betrieb fest.
Auf den Wunsch des Directors des Blaufarbenwerks Marienberg Herrn Dr. Hoffmann bagab sich der unterzeichnete Ingenieur am 8 October nach Marienberg um daselbst einen Dampfkessel, welcher während des Transportes Beschädigungen erhalten hatte, auch sonstige Materialfehler zeigen sollte, zu inspiziren und zu begutachten.
Fraglicher Dampfkessel ist ein Röhrenkessel mit darüberliegendem einfachen Cylinderkessel, hervorgegangen aus der Maschinenfabrik & Eisengießerei Darmstadt und trägt die Fabrik-Nummer 1209.
Nach genauer Besichtigung des Kessels habe ich zu constatiren, daß derselbe an einzelnen wenigen Stellen Abschabungen des Bleches in geringer Ausdehnung zeigte. Die stärkste Abschabung hatte eine Tiefe von ca. 3mm und verlief sich auf einer Fläche von ca. 40 □ cm.
Nach meinem Dafürhalten ist hierdurch der Kessel nicht um einem nennenswerthen Theil in seiner Festigkeit geschwächt. –
Dagegen ist das Blech des hinteren Bodens am Ober-Kessel offenbar mangelhaft, indem es voller Schlackenresten ist. Am vorderen Boden des Unterkessels ist das Blech an mehreren Stellen blasig, zum Theil tief hineingehend doppelt. Der Boden am Wasserstandsvorkopf zeigte Risse im Umbug. – Das Mannloch am Boden des Domes ist zu vesrtärken durch einen aufzulagernden Ring. –
Die vorerwähnten Materialfehler sind solche, die an einem guten Kessel nicht vorkommen sollten. Da indessen die amtliche Druckprobe Seitens des Herrn Maschinenmeisters Becker die Widerstandsfähigkeit des Kessels in seinen einzelnen Theilen constatirt hat, so glaube ich daß man sich hierüber beruhigen kann.
Mannheim 24 November 1872.
Der Ingenieur: C[arl] Isambert.
Quelle: HStAD G 15 Bensheim Nr. V 686.
Zusammengefaßt: zwischen 1861 und 1872 lieferte die Maschinenfabrik nach Marienberg sechs Dampfkessel und eine lokomobile Dampfmaschine mit eigenem Dampfkessel.
Der Bekanntheitsgrad des Darmstädter Maschinenbauunternehmens mag auch damit zusammenhängen, daß es 1867 mit einer Lokomobile auf der Pariser Weltausstellung vertreten war. Im Gegensatz zur Londoner Ausstellung von 1862 war sie nicht nur im Katalog vertreten, sondern vor Ort.
Seit ihrem Bestehen, zunächst noch als Buschbaum & Comp., beteiligte sich die Maschinenfabrik an lokalen wie nationalen Ausstellungen. 1862 wagte sie den Sprung ins Ausland, wenn auch nur in den für deutsche Aussteller bestimmten Katalog zur Londoner Weltausstellung. Darin führte sie ihr zu diesem Zeitpunkt neuestes Produkt, eine kleine Tenderlokomotive, vor. Erst 1867 nahm sie die Gelegenheit war, eine europäische Hauptstadt aufzusuchen, um dort ihre Maschinen vorzuführen.
1867 beteiligte sich die Maschinenfabrik und Eisengießerei mit ihren Lokomobilen und Werkzeugmaschinen an der Weltausstellung in Paris, die vom 1. April bis zum 3. November auf dem Champ de Mars stattfand, und kehrte mit einer silbernen Medaille heim. Angesichts der dortigen inflationären Medaillenvergabe besagt dies jedoch nicht allzu viel. Es wurden nämlich 64 Grand Prix, 883 Gold-, 3653 Silber- und 6565 Bronzemedaillen verteilt, hinzu kamen 5901 ehrenvolle Erwähnungen. Bei 52.200 Ausstellern wurde demnach durchschnittlich jeder dritte mit einer Ehrung bedacht.
Die Ausstellungsstücke aus Darmstadt waren den Klassen 52 (Motoren etc.) und 54 (Werkzeugmaschinen) zugeordnet. In den Berichten der Jury erscheint die Darmstädter Maschinenfabrik wie folgt:
„Les machines locomobiles sont en très-grand nombre. La plupart de constructeurs français en ont exposé. La manufacture de Darmstadt occupe un rang distingué dans cette spécialité; parmi les constructeurs anglais, on remarque MM. Clayton et Shuttleworth, Carett Marshall et Cie, les ateliers Reading Iron Works, etc., etc.“ [11]
Johann Friedrich Radinger erwähnt in einem in den österreichischen Berichten über die Weltausstellung in Paris 1867 abgedruckten Artikel über Regulatoren, daß die in Paris ausgestellte Lokomobile mit einem Feder-Regulator ausgestattet gewesen sei. Die hessischen Aussteller waren seitens der Landesregierung materiell unterstützt worden.
„Zur Bestreitung der Kosten der Betheiligung unseres Großherzogsthums an der Pariser Industrie-Ausstellung haben die Stände nach längeren Verhandlungen eine Summe von 20.000 fl. verwilligt. Die Regierung hatte einen Voranschlag von 28.600 fl. aufgestellt und hierzu kamen noch 3.000 fl. für Herstellung von Fußböden und Plafonds im Ausstellungspalast. Von Seiten unserer Regierung wurden den Ausstellern nur die Kosten für die Herstellung der Tische und Ausstellungsschränke im Betrage von nahezu 5.000 fl. in Anrechnung gebracht und werden dieselben jetzt erhoben; sämmtliche übrigen Kosten, wie für die Ausstattung der Ausstellungsräume, den Hin- und Rücktransport der Ausstellungsgegenstände, die Kosten der Commissäre und für den Druck etc. trägt die Regierung. Außer den von den Ständen bewilligten 20.000 fl. sind hierzu noch ca. 6.000 fl. erforderlich, die aus dem Fonds für öffentliche und gemeinnützige Zwecke entnommen werden.“ [12]
Darmstädter und hessische Kapitalisten mit Steuergeldern zu füttern und dies auch noch als gemeinnützig zu bezeichnen, zeigt, mit welcher Mentalität schon immer zugegriffen wird. Doch selbst diese großzügige Finanzierung scheint einigen Herren nicht gereicht zu haben; was sie über eine konkurrierende Zeitung zum Ausdruck brachten.
„Die Nummer 246 der ‚Main-Zeitung‘ enthält einen Artikel, ‚aus dem Großherzogthum‘, d[atiert mit] 17. Oct[ober], welcher sich über die angeblich hohen Beträge äußert, die den hessischen Ausstellern von der Großherzoglichen Centralstelle für Gewerbe und den Landesgewerbverein abgefordert werden, trotz der Summe von 20.000 Gulden, welche die Stände für diesen Zweck bewilligt haben. Die bemerkte Correspondenz besagt weiter, die Anforderung geschehe mittelst eines gedruckten Formulars, in welchem die Summe eingeschrieben sei, die zu bezahlen ist, so daß Niemand erfahre, für was die Unkosten sich berechnen.
Der in diesem Schriftsatz enthaltene Vorwurf ist durchaus ungerechtfertigt, keiner der Herren Aussteller, welcher die verschiedenen ihm von der Großh. Centralstelle für die Gewerbe und den Landesgewerbverein zugegangenen Circularschreiben gelesen und deren Inhalt nicht vergessen hat, kann im Zweifel darüber sein, für was ihm Kosten berechnet werden. Ueberdies wurde jedem Aussteler von der Centralstelle auf Verlangen hierüber nähere Auskunft ertheilt werden.
Die factischen Verhältnisse sind folgende: In dem Voranschlag, welcher vor zwei Jahren dem früheren Landtage vorgelegt wurde, waren die Kosten der diesseitigen Betheiligung an der Pariser Ausstellung zu 28.600 fl. berechnet, die Stände haben nur 20.000 fl. bewilligt, und der frühere Finanzausschuß ging hierbei von der von der Absicht aus, daß ein Theil der weiter erforderlichen Mittel von den Ausstellern zu übernehmen sei und ein anderer Teil aus dem Fonds für öffentliche und gemeinnützige Zwecke bestritten werden könne. Bei der Aufstellung des Voranschlags konnte man noch nicht ahnen, daß die kaiserl[ich] französische Commission die Herstellung der Fußböden und Plafonds im Ausstellungspalast den einzelnen betheiligten Staaten für ihre Räume überlassen werde, wofür auf den hessischen Antheil über 3.000 fl. entfallen und daher der Voranschlagssumme von 28.600 fl. zuzusetzen sind. Nachdem dies bestimmt worden war und nachdem der ständische Ausschuß auf Bewilligung von nur 20.000 fl. vorlag, wurden, wie dies den Ausstellern durch ein besonderes Circular mitgetheilt worden ist, ihnen nur die Kosten für die Wiederherstellung der Tische und Ausstellungsschränke überwiesen, während alle übrigen Kosten, als: Transport der Güter hin und zurück, Stadttransport in Paris, Auf- und Abladen der Colli, Herstellung der Wände, Fußböden, Plafonds, allgemeine Decorationen, Keller, Büreaus's, Aufstellung und Einpackung der Waaren, soweit hierfür nicht besondere Leute erforderlich sind, Wegbringen, Aufbewahren und Wiedereinbringen der leeren Kisten, Kosten der Commissäre und von 3 Jurymitgliedern, Druck des Specialcatalogs in deutscher und französischer Sprache, Druckkosten für Formularien, Declarationen, Postporto's etc. etc. von der Gr[oßherzoglichen] Staatsregierung übernommen worden sind. Die Kosten für Tische und Schränke, welche in Paris angefertigt wurden, betrugen mit Anstrich und Verglasung circa 5.000 fl., und nahezu diese Summe ist auf die betheiligten Aussteller nach Maßgabe des von denselben besetzten Raums und der speciellen Kosten des benutzten Tisches oder Glasschranks, repartirt worden; hiernach haben manche Aussteller gar nichts, andere sehr wenig und andere dagegen natürlich mehr zu bezahlen; für keinen Aussteller berechnen sich jedoch die Kosten über 400 fl. Die Großherzogliche Staatsregierung wird dagegen noch circa 6.000 fl. aus dem Fonds für öffentliche und gemeinnützige Zwecke zu den von den Ständen bewilligten 20.000 fl. zuzuschießen haben, um die von ihr übernommenen Kosten zu decken.
Aus dem Vorstehenden geht hervor, daß den diesseitigen Ausstellern die weitgehendsten Erleichterungen für ihre Betheiligung an der Pariser Ausstellung gemacht worden sind. Die Rechnungen können demnächst auf dem Büreau der Großherzoglichen Centralstelle für die Gewerbe und den Landesgewerbverein eingesehen werden.“ [13]
Man und frau könnte den Eindruck gewinnen, daß sich manche Aussteller im Schlaraffenland wähnten und felsenfest der Meinung waren, daß ihren die Kosten ihrer Vergnügungsreise zum Zwecke der Akquise neuer profitabler Kundschaft vollständig aus der Staatskasse zu begleichen ist. Andererseits war die Aktion recht erfolgversprechend. Allein von den 116 Ausstellern aus dem Großherzogtum Hessen gewannen – nach einer ersten vorläufigen Aufstellung – auf der Industrieausstellung drei eine Goldmedaille, 21 eine Silbermedaille, 33 eine Bronzemedaille; und für fünfzehn weitere reichte es noch zu einer ehrenvollen Erwähnung. Die Erfolgsquote lag demnach bei 61 %. Wenn wir bedenken, daß nur neun Jahre später auf der Industrieausstellung in Philadelphia über die Qualität deutscher Maschinenbauprodukte gespottet wurde – „billig und schlecht“ –, dann ist für Paris die Qualität des inflationären Preisvergabeunwesens ernsthaft zu bezweifeln. Und selbst hier reichte es für die Darmstädter Maschinenfabrik nur zu einer drittklassigen Bewertung. [14]
Im September 1868 beteiligte sich die Maschinenfabrik an der landwirtschaftlichen Tier-, Maschinen- und Produktenausstellung auf dem Gelände der Blumenthal'schen Fabrik [15] in Darmstadt; also quasi in Sichtweite der eigenen Werkshallen. Preise wurden bei dieser Gelegenheit für die ausgestellten Maschinen keine vergeben.
„Eine besonders wichtige und lehrreiche Seite der Ausstellung boten die Leistungen in der Maschinen-Industrie dar. Wir nahmen bereits Gelegenheit, hervorzuheben, wie die Abtheilung für landw[irthschaftliche] Maschinen und Geräthe durch eine überaus zahlreiche Beschickung, und durch eine überraschende Mannigfaltigkeit von Erzeugnissen hervorragte. Zum Beweise hierfür mag die Angabe des Kataloges dienen, in welchem allein für jene Abtheilung 424 Numern nachgewiesen wurden. Es verdient hier ferner bemerkt zu werden, daß der landw[irthschaftliche] Verein besondere Prämien für ausgezeichnete landw[irthschaftliche] Maschinen und Geräthe auzusetzen sich nicht entschließen konnte. Ist es an sich schon eine schwierige Aufgabe, der Bedeutung der einzelnen Kategorieen von Maschinen und Geräthen durch eine entsprechende Vertheilung der Auszeichnungen einen zutreffenden Ausdruck zu geben, so mußte man namentlich erkennen, daß es eine kaum zu lösende Aufgabe sei, die Leistungen der verschiedenen Instrumente derselben Art auf Grund kürzerer, vor der Oeffentlichkeit abzuhaltender Prüfungen gegen einander abzuwägen. Auf einer vorübergehenden Ausstellung sind selten alle die erforderlichen Bedingungen vereinigt, unter welchen sich die Eigenthümlichkeiten der einzelnen Apparate und Werkzeuge scharf beurtheilen lassen. Die Zeit der Ausstellung ist zu kurz, der Andrang des Publicums zu störend, das Material für den Betrieb, die Art der Ausstellung und Handhabung der Maschinen etc. nicht immer den Zwecken derselben entsprechend, und diese Wahrnehmungen sind so überzeugend, daß selbst die Fabrikanten auf solche Concurrenzen einen Werth nicht mehr zu legen scheinen, nicht die Aussicht, eine Auszeichnung zu erlangen, sondern das unmittelbare geschäftliche Interesse hinreicht, die Neigung zur Beschickung der Ausstellungen rege zu halten.
Unsere Ausstellung von Maschinen etc. hatte hiernach den Charakter eines Marktes angenommen, und es nicht zu bezweifeln, daß sie in dieser Form die Interessen der Fabrikanten wie der Landwirthe vollkommen befriedigt hat, letztere namentlich deßhalb, weil ihnen eine reiche Auswahl geboten war, und die Fabrikanten die Gelegenheit nicht unbenutzt ließen, ihre Maschinen so weit als thunlich in Thätigkeit zu setzen und auf diese Weise die Beurtheilung derselben zu erleichtern. Wenn überdies der landw[irthschaftliche] Verein eine öffentliche, später zu besprechende Prüfung verschiedener Maschinen und Geräthe für Bodencultur veranlaßte, so geschah dies nicht zunächst im Interesse der Fabrikanten, sondern aus keinem anderen Grunde, als um die Landwirthe auf einige neuere Erscheinungen aufmerksam zu machen, und sie in den Stand zu setzen, sich über den Zweck und die Leistung der betreffenden Apparate im Allgemeinen zu informiren. – Eine eigentliche Concurrenz war mit diesem Prüfungsgeschäfte nicht verbunden.“ [16]
Diese Passage ist das einzige mir bislang begegnete Eingeständnis irgendwelcher Veranstalter, daß die reichlich verteilten Preismedaillen nicht viel wert sind. Die für den Zeitraum vom 23. bis zum 27. September angesetzte Leistungsschau prämierte hingegen insbesondere zahlreiche Rinder, Schweine, Pferde etc. Anschließend bedankten sich einige Viehzüchter artig bei Herrn Blumenthal dafür, daß er ihrem Vieh auf seinem Gelände ein sicheres Obdach geboten habe. [17].
Die Maschinenfabrik war mit ihrer auf der Basis einer Lokomobile von Ransome und Sims gebauten Dampfdreschmaschine vertreten. Und weiter:
„Diejenigen Maschinen, welche am Meisten dazu beitrugen, der Ausstellung ein reges Bild zu verleihen, waren unstreitig die Wasserhebemaschinen, die sich um das in der Mitte des Platzes befindliche Bassin gruppirt hatten. Größere Pumpwerke, drei an der Zahl, von 8pferdigen Locomobilen getrieben, hatte zunächst die Actien-Maschinenfabrik und Eisengießerei zu Darmstadt vorgeführt. Die Ausstellerin, deren umsichtige und thätige Direction die Ausführung größerer Wasser-Hebe-Maschinen in den Kreis ihrer Aufgabe gezogen, und in diesem Zweige der Maschinen-Industrie sehr glückliche Erfolge aufzuweisen hat, lieferte in den getroffenen Anordnungen ein ebenso imposantes als belehrendes Schauspiel. Wir sind dessen gewiß, daß namentlich die Landwirthe in unserer vom Druckwasser des Rheins gar häufig bedrängten Niederung in den hier gewonnenen Anschauungen ernstlichen Anlaß finden werden, der Frage der Aufstellung von Dampf-Entwässerungs-Maschinen von Neuem näher zu treten und dieselbe in eifrigere Behandlung zu nehmen.
Die bezeichneten Pumpen beruhen sämmtlich auf demselben Principe, nach welchem durch rasches Rotiren des in ein Gehäuse eingeschlossenen Flügelrades das Wasser nach außen geschleudert wird und beim Ausfließen von unten nachsaugt (Centrifugal-Pumpen). Zwei der ausgestellten Maschinen hatten 6″ weite Rohre und 19″ große Flügelräder, und lieferten ungefähr 560 Ohm Wasser per Stunde auf eine Höhe von 24′ [Fuß, WK]. Dieselben waren nur in der Ausstellung in so fern verschieden, als die eine ein selbstständiges Untergestell hatte, während die andere auf dem Vorderwagen der sie bewegenden Locomobile selbst befestigt war und dadurch für den Transport und die Wiederaufstellung viele Bequemlichkeiten darbot. Die dritte Wasserhebemaschine hatte ein 10″ weites Rohr, lieferte entsprechend mehr Wasser und war auf einem zweiräderigen Wagen angebracht. […]
Die Darmstädter Actien-Maschinenfabrik etc. hatte ferner, und es mag dies noch im Vorübergehen an dieser Stelle notirt werden, eine calorische Maschine von einer Pferdekraft geliefert, welche einen Schiele'schen Patent-Ventilator in Bewegung setzte. Jene Maschine scheint hinsichtlich des Kohlenverbrauches sehr vortheilhaft zu sein; es stehen indeß einer allgemeinen Einführung derselben noch mancherlei unabwendbare Störungen entgegen. Von besonderem Interesse war endlich noch ein von derselben Ausstellerin zur Schau gebrachter Schiele'scher Schmiedeheerd, bei welchem ein durch Treten bewegter Ventilator den Blasbalg ersetzt.“ [18]
Leider erfahren der mit dieser Darstellung beworbene Leser und so manche Leserin nichts über die hier nur angedeuteten Störungen. Andere Störungen erschwerten einem Mannheimer Unternehmen die Teilnahme an der Ausstellung. So annoncierte J. P. Lanz & Comp. mehrfach während der Ausstellung in den lokalen Blättern:
„Wir bringen unseren Freunden zur Kenntniß, daß der Grund unserer Nichtbetheiligung bei dieser Ausstellung in unserem als ‚Ausländer‘ begründeten Ausschluß besteht.“ [19]
Diese Annonce scheint für einigen Wirbel gesorgt zu haben, denn kurz darauf schaltete das Mannheimer Unternehmen mit Datum vom 26. September eine weitere Annonce:
„Es wird uns soeben in freundlichster Weise mitgetheilt, daß unsere Betheiligung gestattet worden wäre, wenn sie durch Vermittlung einer Darmstädter Vertretung geschehen wäre. Wir hatten s. Z. diesen Ausweg versucht, um unsere Betheiligung zu ermöglichen, leider kam uns aber dieser Gedanke so spät, daß bis wir eine Vertretung in Darmstadt gefunden hatten, die definitive Anmeldung unseres Vermittlers erst mehrere Tage nach dem Anmeldungstermin geschah.“ [20]
Das nennt man dann wohl ein nichttarifäres Handelshemmnis. Inzwischen hatte die Angelegenheit Wellen geschlagen, weshalb sich die „Darmstädter Zeitung“ bemüßigt fühlte, den Sachverhalt aus Darmstädter Sicht darzulegen:
„Während inländische und fremde Besucher einig sind im Lobe der hier veranstalteten landwirthschaftlichen Ausstellung und das zweckmäßige, den Räumlichkeiten entsprechende Arrangement derselben von allen Sachverständigen gerühmt wird, war es der ‚Main-Zeitung“ vorbehalten, diese Ausstellung zum Gegenstandes eines ihrer bekannten Klagelieder zu machen und die Ausstellungs-Commission, zum Dank für die seit mehreren Wochen dem Unternehmen gewidmete rastlose Thätigkeit, zu verdächtigen. Was zunächst die ‚renommirte mechanische Werkstätte von Lutz‘ dahier angeht, deren Producte an einem ungünstigen und abgelegenen Ort aufgestellt sein sollen, so hat sich wohl jeder Besucher davon überzeugen können, daß die ‚renommirte‘ Firma Lutz dieses Loos mit anderen nicht minder renommirten Firmen – wir erwähnen die Blumenthal'sche Maschinenfabrik und Gebr. Buschbaum dahier – theilt, sowie daß an dem ihr zugewiesenen Ausstellungsplatze der lebhafteste Verkehr herrschte. Für alle Maschinen bot der innere Hof nicht Raum, und so mußte ein Theil derselben in dem äußeren Raum einen Platz finden, in welchem dieselben, ohne einander zu verdecken, am leichtesten aufgestellt werden konnten. Die Bekanntmachung der Firma J. P. Lanz und Comp. in Mannheim angehend, so ist die Behauptung derselben, sie sei als dem Auslande angehörig von der Concurrenz ausgeschlossen worden, eine böswillige Entstellung des Sachverhaltes. Die Ausstellungsgegenstände der gedachten Firma konnten lediglich aus dem Grunde nicht angenommen werden, weil der zur Anmeldung angesetzte Termin nicht eingehalten worden war, und die Firma erst vier Tage vor Eröffnung der Ausstellung, nachdem man bereits über alle Räumlichkeiten verfügt hatte, ihre Absicht, sich an der Concurrenz zu betheiligen, zu erkennen gab.
(Nachschrift.) In ihrer neuesten Nummer, die uns eben in die Hände kommt, berichtigt sich zwar die ‚Main-Zeitung“; wir halten jedoch das Gebahren des Organs ‚der deutschen Fortschrittspartei in Hessen‘ für zu charakteristisch, als daß wir nicht Mittheilung davon machen sollten.“ [21]
Die von der Maschinenfabrik ausgestellten Entwässerungsmaschinen könnten direkt an die Ausstellung anschließend beim Tunnelbau zwischen Hetschbach und Frau Nauses zur Entwässerung zum Einsatz gekommen sein. Es ist eher unwahrscheinlich, daß die Maschinenfabrik gerade zufällig passende Ausstellungsstücke auf Lager hatte, aber naheliegend, daß sie vor Auslieferung ihrer guten Stücke selbige noch gewinnbringend vorgeführt hat. Einen direkten Nachweis, daß es sich um dieselben Maschinen gehandelt hat, gibt es jedoch nicht. Am 19. Oktober war im „Neustäster Anzeiger“ folgender Kurzbericht zu lesen:
„Neustadt, 18. Oct. (Odenwaldbahn.) Das Hauptbureau der Eisenbahnbausection Höchst hat dieser Tage seinen Wohnsitz nach Michelstadt verlegt.
Die Tunnelbauten bei Hetschbach und Frau Nauses, vorerst noch im Graben betr. Schachte bestehend, nehmen ihren rüstigen Fortgang und ziehen, besonders Sonntags, aus der Umgegend viele Neugierige herbei. Mehrere Dampfmaschinen sind fortwährend im Gange, um das Wasser, das in immer bedeutenderen Massen den Arbeiten hindernd entgegentritt, aus den Schachten herauszupumpen, – ein Umstand, der, mit noch verschiedenen sonstigen, bei dem Bau des Tunnels Heubach – Sandbach nicht zu befürchten gewesen wäre.“ [22]
Vom 3. bis zum 6. Juli 1869 fand in Darmstadt eine weitere Ausstellung speziell zu landwirtschaftlichen Gerätschaften statt, an der sich das Unternehmen ebenfalls (auch organisatorisch) beteiligte. Der Ort der Ausstellung war wie im Jahr zuvor um die große Freifläche zwischen dem Blumenthal'schen Anwesen, der Gasfabrik und der Blumenthalstraße gruppiert, unter Einbeziehung seiner dortigen Maschinenfabrik.
„In den Tagen vom 3.–6. Juli d[ieses] J[ahres] fand dahier eine Ausstellung von landwirthschaftlichen Maschinen und Geräthschaften statt, welche auf's Neue dargethan hat, auf welch' hoher Stufe sich die Maschinenindustrie des hiesigen Platzes befindet. Die Ausstellung, von 6 hiesigen Firmen veranstaltet und vorzugsweise beschickt, erfüllte nach verschiedenen Richtungen vollkommen ihren Zweck, insofern ihr einmal eine hervorragende Bedeutung für die Einführung landwirthschaftlicher Maschinen und Geräthe zugeschrieben werden muß, indem sie ferner wesentlich dazu beigetragen hat, den Namen der einheimischen Maschinenindustrie in weiten Kreisen Anerkennung und Achtung zu verschaffen und die einschlägigen Geschäfte zu heben und indem sie schließlich einen lebhaften Marktverkehr und ansehnlichen Absatz veranlaßte. Ausgestellt waren:
Von der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt Dampfmaschinen, Wasserhebmaschinen und Kesselarbeiten. Hiervon wurden eine 20 pferdekräftige Locomobile zu 4000 fl., Wasserreservoirs zu 300 fl., Hebeapparate für 2000 Centner zu 200 fl., Locomobilekessel zu 775 fl., und eine Bohrmaschine zu 800 fl. abgesetzt.
Von der Blumenthal'schen Maschinenfabrik Dampfdreschmaschinen von jeder Größe und Construction mit Locomobilen – abgesetzt im Preise von 1700 fl. bis 5000 fl. –, sowie Erntemaschinen.
Von Jean Lutz dahier Hand- und Göpeldreschmaschinen, Putzmühlen, Centrifugalpumpen, in Preisen von 30 bis 450 fl. verkauft.
Von Kleyer und Beck Maschinen für Bierbrauereien, insbesondere Locomobilen mit rotirender Pumpe, Schrotmühlen, Malzreinigungsmaschinen etc., verkauft im Preise bis zu 3000 fl.
Von W[ilhelm] Venuleth und Fr[iedrich] Heißner Maschinen für Branntweinbrennereien und zwar von ersterem eine Maischmaschine mit doppelter eiserner Bütte und hohlem Rührwerk für Wasserkühlung, sowie stationäre Dampfmaschinen und Kühlapparate etc., abgesetzt im Preise von 100 bis 2000 fl., von Kupferschmied Heißner continuirlich und periodisch arbeitende Dampfbrennapparate in vorzüglicher Ausführung, verkauft in Preisen von 800 bis 3000 fl. Ein continuirlich arbeitender Dampfbrennapparat war ausgestellt, welcher pro Stunde 400 Maas Maische destillirte.
Zu erwähnen sind ferner Feuerspritzen von A. Hartmann zu Großbieberau, welche zu 300 bis 1000 fl. abgesetzt wurden, Häckselmaschinen zu 50 fl., Schrotmühlen zu 75 fl., Rübenschneidmaschinen zu 16 fl. Pumpen in großer Auswahl von Fabrikanten Jung dahier. Im Ganzen betheiligten sich circa 26 Geschäfte. Von den auf dem Ausstellungsplatze befindlichen Gegenständen wurden während der viertägigen Dauer der Ausstellung für 105.000 fl. alsbald verwerthet und weiter, auf Grund der ausgestellten Exemplare für 100.000 fl. Verkäufe abgeschlossen.
Wegen Mangel an Arbeitern nimmt der Bedarf an landwirthschaftlichen Maschinen immer mehr zu und ist allgemein ein Geschäftsaufschwung bemerklich. Eine der obengenannten Fabriken bezieht einen großen Theil der benöthigten Maschinen aus England.
Die hier bestehende Fabrik chemischer und pharmaceutischer Apparate hat sich in den letzten Jahren in erfreulicher Weise ausgedehnt, namentlich sind die, während längerer Zeit unterbrochen gewesenen Verbindungen mit Nordamerika wieder hergestellt. Das Exportgeschäft hat sich überhaupt im laufenden Jahre überraschend vergrößert.“ [23]
Quelle: Jahresbericht der Großherzoglich Hessischen Handelskammer zu Darmstadt für die Jahre 1867/69, Seite 90–91 [online bsb münchen].
Die Maschinenausstellung in Darmstadt wurde nicht nur in der lokalen Presse eifrig beworben. Nachdem die Riedbahn nur wenige Tage zuvor Worms erreicht hatte, genauer: den Bahnhof Rosengarten auf dem rechten Rheinufer, finden sich auch weitgehend aus Darmstadt übernommene Anpreisungen in der „Wormser Zeitung“.
„Darmstadt, 4. Juni. Vom 3.-6. Juli wird hier eine Ausstellung von Maschinen und Geräthen zu landwirthschaftlichen und gwerblichen Zwecken stattfinden. Die Ausstellung verspricht eine umfangreiche zu werden. Anmeldungen zur Ausstellung werden bis zum 10. d[ieses Monats] durch den Präsidenten des Comité's, Herrn Director Ludwig Weber, entgegengenommen werden. Die angemeldeten Gegenstände müssen den 1. Juli hier eintreffen und werden an die Blumenthal'sche Maschinenfabrik adressirt. Als Ausstellungsplatz hat wiederum mit bekannter Liberalität Herr Blumenthal die Räumlichkeiten seines Etablissements zur Verfügung gestellt.“ [24]
Das vom kaufmännischen Leiter der Maschinenfabrik und Eisengießerei geleitete Komitee versorgt die einschlägige Presse mit wohlwollend formulierten Artikelvorlagen, heutzutage auch als Pressemitteilung bekannt. Es ist kaum anzunehmen, daß die Redaktion der „Darmstädter Zeitung“ sich dieses Loblied selbst ausgedacht hat.
„Darmstadt, 16. Juni. Die vom 3. bis 6. Juli hier statthabende Maschinen-Ausstellung wird großartige Dimensionen annehmen, und es ist namentlich das landwirthschaftliche Maschinenwesen, welches auf das Umfangreichste vertreten sein wird. Alle zweckmäßigen Maschinen und Geräthe, die sich bei der Landwirthschaft, sei es beim Kleinbesitz oder beim Großbesitz, als nutzbringend erwiesen haben, werden vorhanden sein, und erstrecken sich die bis jetzt eingelaufenen Anmeldungen auf folgende, als: Alle Arten und Geräthe zur Bearbeitung des Bodens, Geräthe und Maschinen zur Saat; Maschinen zur Ernte, wie Mähemaschinen, Heuwender und Pferderechen; Dreschmaschinen in den verschiedensten Größen und Constructionen, wie: Handdreschmaschinen, schmale und breite Göpeldreschmaschinen, große und kleine Dampfdreschmaschinen, alle Arten von Futterzubereitungsmaschinen, wie Schrotmühlen, Quetschwalzen, Rübenzerkleinerer und Häxelmaschinen; Pumpen, Pumpwerke und durch Dampf bewegte Wasserhebmaschinen, Gartenspritzen und Feuerspritzen, Motoren der verschiedensten Art; außerdem die dem heutigen Stand der Wissenschaft und der Technik entsprechenden Einrichtungen, Apparate und Maschinen zur Branntweinbereitung, wie auch ein Branntwein-Controlapparat und ebenso die vollkommenste Einrichtung und Hülfsmaschinen zur Bierbrauerei etc.
Es sind dieses meist Gegenstände, wofür sich der Landwirth, der Techniker interessirt, nichts desto weniger dürfen die Landwirthinnen und überhaupt unsere Hauswirthinnen gleichfalls die Ausstellung besuchen, denn auch sie werden des Interessanten und Nützlichen Vieles finden, wie z. B. Nähmaschinen, Wringmaschinen, Waschmangen, Kochapparate, Kochheerde, Fleischhackmaschinen, Wurstfüllmaschinen, Bohnenschnitzer und Aepfelschäler, große und kleine Buttermaschinen etc.“ [25]
„Darmstadt, 22. Juni. Zu der vom 3. bis 6. Juli zu Darmstadt statthabenden Maschinenausstellung sind bereits 200 größere und ebensoviel kleinere Maschinen angemeldet worden. – Das landwirthschaftliche Maschinenwesen wird hierbei besonders hervorragend vertreten sein, und wird der Techniker und Landwirth nur selten eine Gelegenheit finden, so viel des Neuen und Praktischen neben einander zu sehen. Auch die für die Monsheimer Genossenschafts-Brennerei bestimmten Apparate und Maschinen, sowie ein Dispositionsplan über die ganze Einrichtung derselben werden ausgestellt sein. Hoffen wir im Interesse unserer Landwirthschaft, daß hiermit eine Veranlassung gegeben wird, die Zweckmäßigkeit solcher „Genossenschaftsbrennereien“ recht vielseitig zu erörtern. Wie wir vernehmen, hat das Comite bei den verschiedenen Eisenbahnverwaltungen gebeten, daß zum Besuche dieser Ausstellung, Fahrkarten zu ermäßigten Preisen ausgegeben werden.“ [26]
Wo wir schon beim Thema sind: Alkohol und sein Konsum waren bei den ausgebeuteten niederen Klassen genauso verbreitet wie im sittsamen Bürgertum. Bei Ersteren wurde der Alkoholismus bekämpft, weil er sich zum einen auf die Arbeitsleistung und zum anderen auf den dann unberechenbar werdenden Gemütszustand auswirkt. Außerdem ist eine willkürlich eingeführte repressive Maßnahme zur Herrschaftsstabilisierung doch recht praktisch. Gleichzeitig war Alkohol als Beruhigungsmittel erregter und frustrierter Arbeiter nützlich und zudem noch profitabel. Aus den Schilderungen der lokalen Presse in der zweiten Jahrhunderthälfte muß bei Letzteren der Eindruck entstehen, daß das (männliche) Bürgertum keine sich irgendwie bietende Gelegenheit ausgelassen hat, sich feuchtfröhlich die Kanne zu geben. Darüber freute sich auch das Staatssäckel. Nun begab es sich, daß dort, wo sich ohnehin Agrarindustrielle, Großbauern und Vertreter des verarbeitenden Gewerbes versammeln würden, zu einer noch zu gründenden Lobbygruppe eingeladen wurde.
„Darmstadt, 21. Juni. Aehnlich, wie es in Nordeutschland bereits der Fall, ist von einer Anzahl süddeutscher Brennereibesitzer, gelegentlich der hier demnächst stattfindenden Maschinenausstellung, die Gründung eines Vereines beabsichtigt, welcher die Vertretung der gemeinsamen Interessen übernehmen soll. Der Verein wird ferner als Mittelpunkt für gegenseitige Mittheilungen über neue Erfahrungen in der Brennerei dienen und in dieser Weise, da die Steuererhöhung einen durchaus rationellen Betrieb der Brennerein nöthig macht, für die Interessenten von wesentlichem Nutzen sein.“ [27]
„Darmstadt, 20. Juni. Das Bedürfniß, gegenüber der demnächst eintretenden Erhöhung der Maischraumsteuer die gemeinsamen Interessen der Brennereibesitzer zu fördern und zu vertreten, ist die Gründung eines Vereins süddeutscher Brennereibesitzer während der in den ersten Tagen des nächsten Monats hier stattfindenden Maschinenausstellung beabsichtigt. Die Einladungen hierzu sind bereits ergangen.“ [28]
Doch auch andere Interessen fanden ihren Weg in die lokale Presse. Parallel zur Maschinenausstellung sollte nämlich am 6. Juli in Darmstadt ein Zuchtviehmarkt abgehalten werden.
„Darmstadt, 19. Juni. Der am 6. Juli hier stattfindende Zuchtviehmarkt wird wohl der Bedeutendste aller bis jetzt abgehaltenen Märkte werden, da zu gleicher Zeit die hiesige Maschinen-Ausstellung abgehalten wird, zu welcher nicht nur die Landwirthe aus hiesiger Gegend, sondern auch jene aus weiter Ferne erscheinen werden. – In richtiger Würdigung dieses Verhältnisses machen die betreffenden Handelsleute bereits die größten Anstrengungen, um die ausgesuchtesten und vollkommensten Thiere dem Markte zuzuführen. – Es ist kaum ein Jahr her, daß unsere Zuchtviehmärkte errichtet wurden, und trotzdem gelten dieselben bereits als ‚Haupt-Bezugsort‘ für ausgezeichnetes Zucht- und Milchvieh. Alle schönen Thiere, die der Odenwald züchtet, werden aber auch ausschließlich hierher zu Markt gebracht. – Bei dem letzten Markte, auf welchem binnen 4 Stunden über 300 Stück des herrlichsten Viehs verkauft wurden, traten besonders viele rheinhessische Landwirthe und Händler als Käufer auf, da aber jetzt die Riedbahn bis nach Worms läuft, sehen wir bis zum nächsten Markt einem besonders starken Besuch aus Rheinhessen entgegen.“ [29]
Wie bei jedem größeren – wie wir heute sagen würden – „Event“ boten damals die lokalen Eisenbahnunternehmen verbilligte Fahrkarten an.
„Die Directionen der Main-Neckar-Bahn und der Hessischen Ludwigsbahn haben zum Besuch der Maschinen-Ausstellung (vom 3. bis 6. Juli) besondere Vergünstigungen gewährt. Die Main-Neckarbahn gibt Retour-Billete für die ganze Dauer der Ausstellung; die Ludwigsbahn bewilligt an den vier Tagen der Ausstellung gegen Lösung einer gewöhnlichen Fahrkarte freie Rückfahrt. Die Eintrittspreise betragen: für die ganze Dauer der Ausstellung: 30 kr., den 3. und 5. Juli für einmaligen Besuch 12 kr., den 4. und 6. Juli nur 6 kr.“ [30]
In einer Ankündigung des Ausstellungs-Comités klang das ein wenig anders. Während die Angaben zur Main-Neckar-Bahn bestätigt werden, scheint es sich bei den Fahrten der Hessischen Ludwigsbahn vor allem um drei Züge gehandelt zu haben. Beim Aschaffenburger Zug Nr. 77, der in Darmstadt um 9.00 Uhr eintrifft, beim Mainzer Zug Nr. 72, der genau eine Viertelstunde später ankommt, und bei dem Zug Nr. 143 auf der Riedbahn von Rosengarten her, Darmstadt an um 10.50 Uhr, werden an allen vier Tagen bei gleichzeitigem Lösen einer Eintrittskarte und eines Fahrscheins freie Rückfahrt gewährt. [31]
Die Ausstellung wird von der lokalen Presse mit einer Lobhudelei bedacht, wie sie bei Verkaufsveranstaltungen des lokalen Gewerbes nis zum heutigen Tage einfach dazugehören.
„Darmstadt, 3. Juli. Die heute eröffnete Maschinen-Ausstellung, die wir besuchten, ist in der That großartig und gereicht den hiesigen Industriellen, welche dieselbe veranstalteten und vorzugsweise beschickten, zur größten Ehre. Beim Betreten des etwa 3 Morgen großen Ausstellungsplatzes, der mit Maschinen übersät ist, wird man zwar anfangs verwirrt von den vielerlei Dingen, die sich dem Auge darbieten, von dem Getöse der arbeitenden Maschinen und dem bunten Leben und Treiben; prüft man jedoch näher, so entrollt sich ein schönes und Achtung gebietendes Bild unserer heimischen Industrie. Denn obgleich Maschinen für Landwirthschaft und verwandte Fächer die Mehrheit der vorhandenen Objecte bilden, so findet doch auch jeder Gewerbtreibende und selbst jede Hausfrau vieles für sie Nützliche und Interessante.
Die Dampfmaschinen und mächtigen Wasserhebmaschinen, Dampfpumpen und Kesselarbeiten der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt wird Jedermann mit Bewunderung betrachten. Landwirthe finden eine reiche Auswahl an von der Blumenthal'schen Maschinenfabrik ausgestellten Dampfdreschmaschinen jeder Größe und Construction sowie schönen und leistungsfähigen Erntemaschinen. Göpel-Dreschmaschinen sind von Lutz in besonders schöner Construction und solider Ausführung ausgestellt. In Locomobilen, Centrifugalpumpen, Putzmühlen etc. findet sich eine große Auswahl von den verschiedensten Ausstellern.
Für Branntweinbrennerei haben W. Venuleth und Friedr. Heißner das Beste und das Bewährteste ausgestellt. Von Ersterem heben wir besonders eine Maischmaschine mit doppelter eiserner Bütte und hohlem Rührwerk für Wasserkühlung neben vielen Dampfmaschinen u. a. m. hervor. Fr. Hetzner hat einen continuierlich arbeitenden Dampfbrennapparat aufgestellt, welcher pr[o] Stunde 400 Maas Maische detillirt, eine sehr beachtenswerthe neue Construction in vorzüglicher Ausführung, deren Vortheile so einleuchtend sind. daß sich dieser Apparat überall rasch Eingang verschaffen wird.
Maschinen für Bierbrauereien sind von Kleyer und Beck ausgestellt, und erkennt man an der Solidität sowie an der Leistungsfähigkeit, wovon einzelne dieser Maschinen durch ein Locomobile getrieben, Proben ablegen, daß diese Firma ihren werit verbreiteten Ruf wohl verdient. An diese reihen sich dann einerseits die eleganten und tüchtigen Feuerspritzen von Hartmann in Groß-Bieberau, andererseits die in größter Auswahl ausgestellten Pumpen von Jung. Sehr interessant für Jedermann und namentlich für jede Frau sind die nützlichen Haushaltungsmaschinen von Möser, sowie die Nähmaschinen von Jakobi, Hardt und Gerhardt, und selbst wer sich für Maschinen und praktische Geräthe nicht interessiren sollte, wird die Ausstellung nicht unbefriedigt verlassen, denn die galvanoplastischen Gegenstände, welche Herr von Kreß in einer Gruppe ausgestellt hat, wie man sie wohl selten zu sehen bekommt, gewähren dem Kunstsinnigen und dem Freunde der Natur reiche Befriedigung (s[iehe] Feuilleton).
In einem folgenden Artikel werden wir die verdienstlichen Leistungen anderer Firmen besprechen.“ [32]
Hat sich die Großherzogliche Handelskammer für ihren vierten Jahresbericht bei diesem Zeitungsartikel großzügig bedient oder lag gar beiden ein von den Veranstaltern formulierter Ausstellungsprospekt zugrunde? Was das galvanoplastische Atelier von Georg Ludwig von Kreß betrifft, so weist das Feuilleton derselben Ausgabe der „Darmstädter Zeitung“ vom 3. Juli darauf hin, daß sich selbiges in der ehemaligen Buschbaum'schen Werkstätte am Mühlweg befindet, also „da, wo früher Hämmer, Feilen und Dampfmaschinen arbeiteten, vollbringt jetzt der galvanische Strom geräuschlos seine Niederschläge […].“ – Womit selbst dieser Exkurs zur Galvanoplastik auf allerlei Umwegen wieder zur Maschinenfabrik zurückführt.
Die im Bericht der Handelskammer vorzufindenden Angaben über den Erfolg der Veranstaltung dürften einem späteren Bericht der lokalen Presse entnommen sein; auch hier wahrscheinlich beruhend auf einer Mitteilung des Ausstellungskomitees.
„Darmstadt, 9. Juli. Die Maschinenausstellung zu Anfang der Woche hat aufs neue bewiesen. auf welch' hoher Entwicklungsstufe sich dieser Industriezweig und namentlich die Anfertung landwirthschaftlicher Maschinen befindet. Die betreffenden Fabrikate sind, nach dem Urtheil Sachverständiger, in solcher Gediegenheit, Solidität und reichhaltiger Auswahl zur Anschauung gebracht worden, daß der Ausstellung eine hervorragende Bedeutung für die Einführung landwirthschaftlicher Maschinen und Geräthe nicht versagt werden kann. Gleich bei der Eröffnung entwickelte sich ein lebhafter Marktverkehr, und bereits der zweite Tag ließ an vielen der größeren und werthvolleren Apparate die Bezeichnung ‚verkauft‘ ersehen, so daß am Schluß der Ausstellung nur noch weniger der bedeutenderen Gegenstände ohne dises Prädicat zu finden waren. Das Unternehmen dürfte daher in beiden Richtungen als ein gelungenes zu bezeichnen sein. Von den auf dem Platze befindlichen Gegenständen sollen nach uns gewordener Mittheilung für die Summe von 105.000 fl. alsbald verwerthet und weiter, aufgrund der ausgestellten Exemplare, für etwa 100.000 fl. Verkäufe abgeschlossen worden sein. (Der Mangel an Arbeitskräften und die Nothwenigkeit, dieselben durch Maschinen zu ersetzen, mag wesentlich zur Belebung des Geschäfts beigetragen haben. D[ie] R[edaction.])
Die Blumenthal'sche Maschinenfabrik setzte Dampfdreschmaschinen mit Locomobilen zum Preise von 1.700 bis 5.000 fl. ab; W. Venuleth stationäre Dampfmaschinen u[nd] Kühlapparate etc. zum Brennereibetrieb im Preise von 100 bis 2.000 fl.; Jean Lutz Hand- und Göpeldreschmaschinen, Putzmühlen, 1 Centrifugalpumpe in Preisen v[on] 30 bis 450 fl.; Kleyer u[nd] Beck Locomobile mit rotirender Pumpe, Schrotmühlen, Malzreinigungsmaschinen etc. im Preis bis zu 3.000 fl.; Maschinenfabrik und Eisengießerei 20pferdekräftige Locomobile 4.000 fl., Wasser-Reservoirs zu 300 fl., Hebeapparat für 2.000 C[en]t[ne]r zu 200 fl., Locomobilekessel zu 775 fl., Bohrmaschine zu 800 fl.; A. Hartmann zu Großbieberau Feuerspritzen zu 300 bis 1.000 Fl., Häckselmaschinen zu 50 fl., Schrotmühlen zu 75 fl., Rübenschneidmaschinen zu 16 fl.; C. Häußer zu Fauerbach Pflüge, Ringelwalzen, Pferdehacken, Eggen von 12 bis 100 fl. etc. etc.
Auch die Firmen Ph. Jung, Ph. Röder, L. W. Möser, H. Gruber, Ch. Fr. Nau, C. Schnabel und Andere solles sich eines bedeutenden Absatzes ihrer Fabrikate und ansehnlicher Bestellungen zu erfreuen gehabt haben. Die Ausstellung, von 6 Firmen ins Leben gerufen, war, was noch hervorgehoben zu werden verdient, viel stärker beschickt, als ihre Vorgängerinnen am hiesigen Platze, die gemachten Geschäfte übertragen die der letzteren in weit überwiegendem Maße. Das große Interesse des Publikums bekundete sich dadurch, daß etwa 27.000 Personen die Ausstellung besucht, von welchen etwa 12.000 Eintrittskarten gelöst hatten.“ [33]
Da fragt man oder frau sich natürlich, wie es sein kann, daß mindestens 15.000 Personen keine Eintrittskarten gelöst haben. Dies konnten die Herren Fabrikanten angesichts wohlgefüllter Auftragsbücher wohl verkraften, weshalb sie zum vergnüglichen Teil übergingen.
„Darmstadt, 8. Juli. Die vorgestern beendete Maschinen-Ausstellung, welche besonders der hiesigen Industrie sehr förderlich sein wird und dem Comité zur Ehre gereicht, fand an demselben Abend einen des Unternehmens sehr würdigen Abschluß.
Das Comité hatte nämlich auf Abends 9 Uhr auf dem Ausstellungsplatz selbst ein Festbanquett veranstaltet, an welchem alle Fabrikanten, welche die Ausstellung mit Maschinen beschickt hatten, Theil nahmen und zu dem eine Anzahl Ehrengäste eingeladen und erschienen waren. Wir verzeichnen u. A. als Vertreter der landwirthschaftlichen Vereine S[ein]e Excellenz H[er]rn Geh[eimer] Staatsrath v. Bechtold; als Vertreter der Wissenschaft, insbesondere der Maschinenbaukunde, der erst kürzlich von Berlin an das hiesige Polytechnikum berufene Herr Professor [Robert Rudolph] Werner, sowie der derzeitige Director dieses Instituts Herr Professor [Philipp] Waibler; als Vertreter des Handelsstandes, Herr F[ranz] Weber, Präsident der Handelskammer, als Vertreter des Landesgewerbvereins Herr Commerzienrath Franz Fink; – als Vertreter der städtischen Interessen war von den Eingeladenen bedauerlicher Weise Niemand erschienen.
Toaste und sinnige Reden folgten auf einander und galten selbe dem Unternehmen selbst, dem Emporstreben unserer Industrie, der Untersttzung zur Errichtung dieses Ziels durch Verallgemeinerung der einschlägigen Wissenschaften, dem gemeinschaftlichen Weiter- und Zusammenwirken der hier vereinigten Kräfte zum raschen Fortschritte auf volkswirthschaftlichem Gebiete etc. etc.
Um Mitternacht setzten sich sämmtliche Wassermaschinen nochmals in Gang und trieben gewaltige Wassermassen in die Höhe, gleichzeitiig wurde das Maschinenfeld durch bengalisches Feuer brillant beleuchtet, was ein eben so seltenes als überraschend schönes Schauspiel bot.
Nachts drei Uhr schloß diese Feier mit der festen Verabredung, im nächsten Jahr die Ausstellung in noch größeren Dimensionen zu wiederholen.“ [34]
So ein nächtlicher Alkoholpegel, verbunden mit Selbstbeweihräucherung, Selbstilluminierung und Autosuggestion kann erstaunliche Früchte tragen. Die versprochene Maschinenausstellung fand dann tatsächlich statt, und zwar vom 4. bis zum 5. Juli 1870. – Wenige Wochen später, vom 14. August bis zum 15. September 1869, gab es eine weitere Industrieausstellung, diesmal in Mainz. Dies nutzten die hessischen Gewerbevereine zu einer Generalversammlung ihres Landesverbandes, welche am Eröffnungstag stattfand. Deren Teilnehmer erhielten selbstverständlich bevorzugte Eintrittskarten für den ersten Vormittag die Ausstellung und auch Fahrpreisermäßigungen seitens der Hessischen Ludwigsbahn. Auf der Versammlung wurden nicht nur organisatorische Fragen geklärt, das Verhältnis zum Zolltarif inhaltlich diskutiert oder in geselliger Runde gebechert.
„Der Präsident theilte mit, daß die Frage wegen Beaufsichtigung der Dampfkessel in Anregung gebracht worden sei, daß die Centralstelle eine Commission ernannt habe, bestehend aus den Herren Director Horstmann aus Darmstadt, Maschinenfabrikant Schulz aus Mainz, Maschinenfabrikant Schmaltz aus Offenbach und Maschinenmeister Becker aus Darmstadt um diese Frage einer Vorberathung zu unterziehen. Auf Einladung des Präsidenten trägt Herr Maschinenmeister Becker den Commissionsbericht vor. Derselbe spricht sich für staatliche Controle und Prüfung der Dampfkessel bei der ersten Anlage derselben aus, wünscht dann aber eine fortgesetzte Ueberwachung durch die Thätigkeit einer Privatgesellschaft, welcher die Dampfkesselbesitzer als Mitglieder beizutreten hätten, und befürwortet die Bildung einer solchen Gesellschaft, ähnlich der bereits in Mannheim bestehenden, für das Großherzogthum Hessen und wünscht, daß hierzu die Initiative von Seiten des Landesgewerbvereins ergriffen werde. Weiter beantragt die Commission einige Abaenderungen in den diesseitigen Bestimmungen für die Anlage und den Betrieb der Dampfkessel, welche sich auf die Stärke der Kesselbleche und die Dampfproben bei älteren Kesseln beziehen. Gegenbemerkungen zu diesen Anträgen wurden nicht gemacht, und beschloß die Versammlung einstimmig, daß im Sinne des Commissionsberichts Seitens des Landesgewerbvereins weiter vorangegangen werde.“ [35]
Offensichtlich wurden die wichtigsten Fabrikanten der drei großen hessischen Städte Darmstadt, Mainz und Offenbach in eine Frage einbezogen, die sie selbst betrifft und die sie in ihrem durchaus profitablen Sinne mit beeinflussen konnten. Überhaupt war die Stimmung bestens, wie sie eben ist, wenn Männer unter sich sind.
„Um 3 Uhr vereinigten sich über 250 Gewerbvereins-Mitglieder und Aussteller zu einem gemeinschaftlichen Mittagessen im Local der Casino-Gesellschaft ‚Hof zum Guttenberg‘, bei welchem der Vorstand des Localgewerbvereins zu Mainz, Herr Carl Franz Deninger, den ersten, mit der lebhaftesten Acclamation begleiteten Toast auf Seine Königliche Hoheit den Großherzog ausbrachte. Der Präsident des Landesgewerbvereins, Ministerialrath Schleiermacher, brachte den zweiten Toast der Stadt Mainz; dieser wie die übrigen nun folgenden Toaste wurden ebenfalls sehr beifällig aufgenommen, und es galten die weiteren Vorträge und Trinksprüche der Stadtverwaltung von Mainz, dem Ausstellungscomité, dem Ministerialrath Schleiermacher, der Verbindung der Kunst und der Industrie, der Verbindung der Industrie mit der Landwirthschaft und innigem Zusammenwirken beider großen Gewerbtätigkeiten, insbesondere aber dem Vertreter und eifrigen Förderer der Landwirthschaft, S[eine]r Excellenz dem Herrn Geh[eimen] Staatsrath von Bechtold, der friedlichen Entwicklung der Industrie; den Vorständen der Localgewerbvereine; dem Andenken des Franz Carl Deninger Vater; dem Generalsecretär Fink u. s. w. Die Stimmung war eine recht animirte, und höchst befriedigt kehrten die von Auswärts gekommenen Mitglieder mit den Abendzügen heim.“ [36]
Wie gut, daß es damals noch keine eigenen Kraftfahrzeuge gegeben hat. Der kollektive Alkoholpegel dürfte bei so vielen Toasten erheblich gewesen sein, zumal sich eine derart gesellige Runde allerlei neue Vorwände ausgedacht haben mag, um weiter zu toasten. Ist das heute anders? Ich glaube nicht.
Jahr | Ort | Ausstellung | Bemerkung | Kapitel |
1837 | Darmstadt | Gewerbeausstellung | als Buschbaum & Comp. | 2 |
1839 | Darmstadt | Gewerbeausstellung | als Buschbaum & Comp., Silbermedaille | 2 |
1840 | Mainz | Gewerbeausstellung | als Buschbaum & Comp. | 2 |
1842 | Mainz | Industrieausstellung | als Buschbaum & Comp. | 2 |
1854 | München | Industrieausstellung | belobende Erwähnung | 5 |
1861 | Darmstadt | Landesgewerbeausstellung | Große Medaille aus vergoldetem Silber | 9 |
1862 | London | Weltausstellung | nur im Katalog des Zollvereins aufgeführt | 9 |
1865 | Köln | Landwirtschaftliche Ausstellung | Silbermedaille | 10 |
1867 | Paris | Weltausstellung | Silbermedaille | 12 |
1868 | Darmstadt | Landwirtschaftsausstellung | 12 | |
1869 | Darmstadt | Landwirtschaftliche Maschinenausstellung | Mitveranstalter | 12 |
1870 | Darmstadt | Landwirtschaftliche Maschinenausstellung | Teilnahme nicht belegt | 13 |
1873 | Wien | Weltausstellung | 14 | |
1876 | Darmstadt | Industrieausstellung | Preismedaille | 16 |
Es ist nicht auszuschließen, daß sich das Unternehmen bis zur Wiener Weltausstellung an weiteren regionalen und internationalen Ausstellungen beteiligt hat; Hinweise hierauf gibt es bis dato nicht.
Irgendwann im Verlauf des Jahres 1869 scheint ein Berichterstatter Darmstadt und die Maschinenfabrik aufgesucht zu haben. Seine Eindrücke gab er in einer mehr dem Bergbau und Stahlproduktion verpflichteten Zeitschrift wieder. Die typisch handelspolitischen Untertöne gehören bei solchen Anlässen dazu, wenn es um die Förderung des Wohlstands einer kleinen verschworenen Gemeinschaft geht. Da wird auch schon einmal ein Landesherr angegangen. Vorurteilsfreie (vermögende) Bürger finden es nämlich zum Wohle ihres Geldsäckels vollkommen in Ordnung, ihre Umgebung und die dort lebenden Menschen zu verrußen und zu verqualmen. Und nein: das muß frau und man nicht aus der damaligen Zeit heraus verstehen. Dieses mindset ist auch heute überall dort anzutreffen, wo willfährige Regierungen die Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen zulassen. Das kann im Frackingland USA sein oder in den Urwäldern des Amazonas, im Hambacher Forst und in der Teslarepublik Brandenburg.
Aus der Provinz Starkenburg, 4. Sept. [Eisenindustrie.] Die Ausbildung des Main-Neckarbahnnetzes schreitet rüstig voran – ausser den bereits befahrenen Linien Mainz-Frankfurt, Mainz-Darmstadt-Aschaffenburg, Darmstadt-Gernsheim, wird an den Linien Bensheim-Worms und Darmstadt-Erbach, der sogenannten Odenwaldbahn, rüstig fortgearbeitet. Auf der ersteren fehlten vor Kurzem noch die Schienen, welche, wegen Ueberhäufung der rheinisch-westfälischen Werke mit Aufträgen, nicht rechtzeitig geliefert werden konnten, jetzt aber eingetroffen sind, sodass die Bahn noch diesen Herbst in Betrieb kommt.
Da die meisten dieser Bahnen in Darmstadt münden, diese Hauptstadt wenigstens passiren, so hat sich an dieser Stelle bereits etwas Industrie ausgebildet, obwohl der dynastische Widerwille gegen rauchende Schornsteine dieselben möglichst nach Offenbach, der grosshessischen Industriestadt par excellence verwiesen, von der Residenz aber ferngehalten hat. Die Strömung der Zeit erweist sich indessen auch gegen dynastische Willkür als übermächtig und die vorurtheilsfreieren Bürger Darmstadts begreifen längst die Nothwendigkeit, der Stadt allmälig einen anderen Charakter, als den einer bloss kleinstaatlichen Residenz zu geben, um im Fall einer Erweiterung des Norddeutschen Bundes die Verödung ihres Heimathortes zu hindern. Trotz dieses guten Willens ist es aber schwer genug geworden, den Grund zu bescheidenen Anfängen einer Localindustrie zu legen, umsomehr als die unmittelbare Umgebung keinerlei natürliche Hülfequellen darbietet, die einen Fingerzeig hierbei hätten geben können.
Dem Besucher gereicht es deshalb zur besondern Genugthuung, das Wachsen und Gedeihen der von einer Actien-Gesellschaft begründeten Eisengiesserei und Maschinen-Fabrik Darmstadt zu constatiren, deren technische Leitung in den Händen von Herrn Horstmann sich befindet. Zwischen der Stadt und den östlich abführenden Bahnlinien vortheilhaft gelegen, beschäftigt sich die Fabrik vorzugsweise mit Grubenmaschinen und Eisenbahn-Hülfsvorrichtungen, nachdem sie in den ersten Stadien ihrer Entwicklung Verschiedenes in ihr Programm aufgenommen hatte und dadurch verhindert worden war, tüchtige Erfahrungen in bestimmten Specialitäten zu machen, Durch die Verbindung mit den überrheinischen Gruben hat die Fabrik einiges Renommé erlangt, welches in zwei neuen Bestellungen vorzugsweise Ausdruck gefunden hat, die sich gegenwärtig in Arbeit befinden. Die eine derselben ist eine über 100 Pferde starke Fördermaschine für die Steinkohlengrube Königin Louise bei Zabrze in Oberschlesien, sammt Trommeln und Seilkörben; die andere eine Maschine zur Luftcompression, welche die Schlesische Gesellschaft für Bergbau und Zinkhüttenbetrieb (A. Schmieder) in Lipine bei Morgenroth, ebenfalls in Oberschlesien, bestellt hat, um Steinbohrmaschinen in einer ihrer Gruben zu betreiben. Die Bohrapparate selbst werden von Tigler in Ruhrort oder von Sievers & Co. in Kalk bei Deutz bezogen.
Der Guss ist ziemlich gut und die Leiter der Fabrik haben den vernünftigen Grundsatz, da sie Alles per Fracht beziehen, nur das beste Material anzuschaffen. Sie vergiessen nur Coltness-Roheisen mit gewaschenen sehr schönen Cokes; das Schmiedeeisen und den Stahl beziehen sie aus Hörde und von anderen renommirten Werken und verwenden nur sehr wenig Abfälle und Alteisen, das sie bei Qualitätswaare übrigens stets ausschliessen. Das Formmaterial ist ein rother nicht sehr haltbarer Sand zum frischen Guss, ein fetterer feinerer Sand zum Masseguss; beide werden vor der Verwendung gebrannt und gemahlen, müssen aber oft neu eingemischt werden; sie brennen sich schnell todt. Die Vorrichtungen sind 2 Cupolöfen für grossen und 1 neu erbauter für kleinen Guss; Flammöfen sind nicht vorhanden.
Kesselschmiede und Drehwerkstatt bieten nichts Besonderes dar; einige Apparate bedürfen sogar dringend der Erneuerung oder des Ersatzes durch besser construirte Einrichtungen, Indessen wird alles Vorhandene gut ausgenutzt und dadurch die Möglichkeit der Erweiterung und Reorganisation am Besten vorbereitet.
Sehr interessant sind die hier fabricirten kleinen Locomotiven nach der in Crewe durch Ramsbottom ausgeführten Bauart, welche für den inneren Fabrikdienst sich sehr gut eignen und hier speciel für den Eisenbahnbau geliefert werden sollen. Wie in Crewe, werden sie, sobald sie bei Wendungen und Krümmen der Geleise umfallen, durch einige Arbeiter leicht aufgerichtet und sofort wieder dienstfähig gemacht.
Eisenbahnweichen, Brückenwaagen und verwandte Gegenstände bilden eine andere Classe der Fabrication, die sich eines regen Betriebes erfreut und hauptsächlich dazu beigetragen hat, der Anstalt am Ort selbst Boden zu gewinnen.
Wir können nicht umhin, das unserm Führer Gesagte hier zu wiederholen: dass nämlich der Beruf der Fabrik ein doppelter sei, einmal die Industrie an Ort und Stelle fest zu begründen und anzusiedeln; dann für die norddeutschen Hüttenproducte eine nach Süden vorgeschobene Verbrauchs- event. sogar eine Handelsstation zu bilden und dadurch der einheimischen Gewerbsthätigkeit einen grossen Dienst zu leisten. Die norddeutsche Industrie, die lebensfähigste Branche des gesammten vaterländischen Gewerbes, bedarf eines Hinterlandes, um sich und damit das Ganze gegen den Einfluss auswärtiger Concurrenz zu schützen und dieses natürliche Hinterland sind die oberen Flussgebietshälften des Rheines und der Donau; die von Süden wie von Osten und Westen nicht so viel erwarten können, als vom Norden her. Da sich dieses Verhältniss durch andere von Süden nach dem Norden wandernde Handelsproducte ausgleicht, liegt für Süddeutschland nichts financiel Beängstigendes in der angedeuteten Beziehung und es ist die Pflicht sämmtlicher Regierungen, besonders aber der Handelsbehörden, den Wünschen nach einer möglichst freien Ausgleichung der beiderseitigen Handelsvortheile einen steten und unablässig dringenden Ausdruck zu geben, d. h. auf eine Reform des Transportwesens, was Tarife, Haftbarkeit der Frachtführer und Leistungsfähigkeit der Verkehrsanstalten anbetrifft, unaufhörlich hinzuarbeiten.
Quelle: Der Berggeist. Zeitung für Berg-, Hüttenwesen und Industrie Nro. 72 vom 7. September 1869 [online bsb münchen].
Durch eine Änderung des Handelsgesetzbuchs wird 1869 im Norddeutschen Bund eine eingeschränkte Koalitionsfreiheit für Arbeiter hergestellt. Gewerkschaftliche Zusammenschlüsse entstehen, Streiks brechen aus. Auch wenn Darmstadt auf der Südseite des Mains nicht zu dem Teil des Großherzogtums gehört, der in den Norddeutschen Bund integriert ist, so nutzen die hiesigen Arbeiter die neu gewonnenen Freiheiten dennoch aus. Sie legen organisiert die Arbeit nieder und es ist nicht zu viel gesagt, daß Darmstadt von einer Art Streikwelle erfaßt wird. Das ist gut so, denn die Löhne sind mickrig und die Arbeitszeiten viel zu lang. Und so kommt es, daß auch die Arbeiter der Maschinenfabrik und Eisengießerei „feiern“. Damit leiten wir über in das folgende Kapitel.
Die Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei wird fortgesetzt in Kapitel 13 mit einer Streikwelle, einem gewonnenen Krieg und einem Gründerboom, der zu den schönsten Hoffnungen Anlaß gibt. Bevor die Träume 1873 platzen.
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