Fabrik. Blick auf das Fabrikgelände. Quelle: Adreßbuch 1908.

Industriegleise im Fabrikviertel Darmstadt

Die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt

Kapitel 16: Darmstadts Honoratioren ertränken die Krise.

Das seit 1837 als Buschbaum & Comp. bestehende und 1844 zur Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt umfirmierte Unternehmen wurde mit Unterstützung der ebenfalls in Darmstadt ansässigen Bank für Handel und Industrie 1857 in eine Aktien­gesellschaft umgewandelt. Die Liquidation des Unternehmens wurde mit der General­versammlung am 21. Dezember 1878 eingeleitet.

Die Umstellung der Produktion auf den Bau kleiner Tenderlokomotiven paßte gut zu Eisenbahn­spekulation des Gründerbooms. Während der Wiener Weltausstellung platzte die Blase, zurück blieben Katzenjammer, Scherben und Schulden. Die Darmstädter Maschinenfabrik konnte sich noch zwei Jahre mit dem Abarbeiten des Auftrags­polsters durchhangeln. Auf einer eigens in Darmstadt anberaumten Industrie­ausstellung bemühten sich die trunkseligen Fabrikanten und Honoratioren darum, ihre Erzeugnisse im schönsten Licht darzustellen, obwohl die Welt­öffentlichkeit die Qualität deutscher Produkte nicht ganz so rosig sah. Doch Aufträge blieben rar, und wenn es sie gab, dann zu unzumutbaren Konditionen. Als die Verluste 1878 zu groß wurden, zog die Bank für Handel und Industrie die Reißleine.


Dieses Kapitel zur Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei ist die Fortsetzung von Kapitel 15 mit dem Lokomotivbau in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre.

16

Darmstadts Honoratioren ertränken die Krise

Die Blase des Gründerbooms zerplatzt

Zur Weltausstellung in Wien vom 1. Mai bis zum 2. November 1873 reiste die Maschinenfabrik mit zwei ihrer kleinen Tender­lokomotiven an. Die eine war normalspurig und hörte auf den Namen „Darmstadt“, die andere war als Bauzug­lokomotive mit einer Spurweite von 900 mm ausgestattet. Die versammelte Fachwelt war wenig begeistert, was aber weniger an der Qualität der Maschinen lag und mehr an den Vorstellungen der Männerwelt. Diese hatte so ihre eigene Wahrnehmung des Verhältnisses von Kraft und Eleganz. Gegen diese doch recht unpassende Wahrnehmung richtete der Ingenieur Carl Schaltenbrand in einer Artikelserie für die „Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure“ seine Kritik, die 1876 Eingang in sein Lehrbuch über Lokomotiven fand. [1]

Lokomobile.
Abbildung 16.01: Dampfwinde mit Zentrifugalpumpe, ausgestellt auf der Wiener Weltausstellung. Quelle: Engineering, 9. Januar 1874, Seite 38.

Das engliche Fachblatt „Engineering“, das zunächst die beiden Lokomotiven als „crude indeed“ getadelt hatte, dann aber zurückrudern mußte und zugestand, daß sie ihrem Einsatz­zweck durchaus dienlich waren, stellte ein weiteres Produkt aus Darmstädter Produktion vor. [2]

„The above engraving represents a handy little machine which was exhibited at Vienna by the Darmstadt Maschinen­fabrik und Eisen­giesserei, and mentioned by us on page 314 of our last volume. It is a combined steam winch and pump, intended for the use of contractors and others. The whole machine is carried on a rectangular frame of 7 in. by 3 in. channel iron. The boiler is placed in the centre of the frame; it is supported by wrought-iron brackets, and fixed from one side. The engine has a single cylinder, vertical and inverted, carried by light cast-iron angle framing, which is bolted to the boiler at its upper end. The winch, in the construction of which there is nothing calling for special mention, is placed on the front of the frame, and driven from the engine in the usual way. A small centrifugal pump is placed at the hinder end of the machine, and is driven by a strap from the flywheel of the engine, which has a turned rim for that purpose. The engine can of course be used to drive a circular saw, or other machinery external to itself, when required, and is in every respect a handy affair. The whole is carried upon four wooden wheels, and fitted with shafts for horse transport. The boiler is intended to work at 90 Ib. pressure.“

Die Zuordnung dieser Lokomobile zur Maschinenfabrik ist womöglich ein Irrtum des „Engineering“. Weder der deutsche Ausstellungs­katalog noch W. Schwabes Bericht über die Ingenieur-Section der Weltausstellung nennen für unsere Maschinenfabrik diese Dampfpumpe; hingegen stellte das kürzlich nach Darmstadt übergesiedelte Unternehmen Lossen & Schäffer Dampfpumpen aus. Die Maschinenfabrik und Eisengießerei hingegen war mit einer „Locomobile älteren englischen Musters“ vertreten. [3]

Lossen und Schäffer

Das Unternehmen der beiden Geschäftspartner Joseph Lossen aus Frankfurt am Main und Gottlieb Schäffer aus Kirchheim an der Teck bestand nur fünfzehn Monate. Der Beginn seiner Geschäftstätigkeit in Darmstadt ist auf den 1. Mai 1873 datiert. Die beiden Geschäfts­partner hatten sich 1873 ein preußisches Patent für eine Dampf­schieber­steuerung erteilen lassen. Joseph Lossen suchte im August 1873 wohl nicht nur in Schweinfurt zwei tüchtige Modellschreiner, „welche auf Dampf­maschinen gearbeitet haben“ sollen. Das gemeinsame Unter­nehmen besaß eine Dampf­maschine des französischen Herstellers Générateurs Inexplosibles Belleville. Gottlieb Schäffer verließ das Unter­nehmen zum 1. August 1874, während Joseph Lossen das Geschäft vorerst unter eigenem Namen, dann mit einem Bruder bis etwa 1887 weiter­betrieb. Auf dem Firmen­gelände an der Allee Nr. 25 siedelte sich um 1889 die Rummel-Brauerei an. [4]

Schon in den ersten Wochen der Wiener Ausstellung platzte die Spekulations­blase des Gründer­booms. Neben Immobilien standen auch Eisenbahnen zur Disposition. Da sich die Darmstädter Fabrik erst einige Jahre zuvor auf kleine Tender­lokomotiven für Bauunter­nehmer, Kohlegruben, Eisenbahn­bauten und Nebenbahnen spezialisiert hatte, traf sie die nun beginnende Gründerkrise besonders hart. Zunächst konnte sie noch die bis dato eingegangenen Aufträge abarbeiten, danach aber standen harte Zeiten bevor.

Über den Geschäftsbetrieb der Maschinenfabrik sind aus den 1870er Jahren nur einige verstreute und mehr oder weniger aussagekräftige Angaben vorhanden. In den Geschäftsberichten der Bank für Handel und Industrie wird nur grob angedeutet, ob es dem Unternehmen gut gehe oder nicht, was angesichts der marginalen Bedeutung des Unternehmens für die Bank auch nicht verwundern darf. Deren Aktionäre waren am Ausgang der Millionengeschäfte der Bank bei der Zeichnung oder Plazierung von Anleihen mehr interessiert als an den Krümeldividenden einzelner Industrie­beteiligungen. Darüber hinaus schöpfte die Darmstädter Handelskammer in ihren Jahresberichten aus den uns nicht mehr vorliegenden Geschäftsberichten der Maschinenfabrik, so daß wenigstens einige Kennziffern erhalten sind. Immerhin sind glücklicherweise die Geschäftsberichte des Unternehmens für die Geschäftsjahre 1875/76 und 1877/78 erhalten geblieben. [5]

1871 hatte die Bank für Handel und Industrie ihren Bestand an Prioritätsaktien der Maschinenfabrik um 8.000 Gulden aufgestockt, so daß sie nunmehr bei einem nominellen Gesamtkapital von 400.000 Gulden über Aktien im Wert von 121.000 Gulden verfügte. Über das Geschäftsjahr 1870/71 selbigen Unter­nehmens befand die Bank, es habe „vortheilhaft gearbeitet und gute Resultate erzielt“. 1873 setzte das Unter­nehmen noch 473.834 Gulden um, rund ein Fünftel des Gesamt­umschlags der acht damaligen Darmstädter Maschinen­baufabriken. 260 Arbeiter erwirtschafteten den Aktionären damals einen Reingewinn von 44.652 Gulden. [6]

Wir hatten schon in Kapitel 13 gesehen, daß in der Maschinenfabrik nicht nur Lokomotiven produziert wurden, sondern allerlei Dampfkessel, Bahnbedarf und noch einiges mehr. Markant sei, so Arthur Uecker in seiner Darstellung unter Bezugnahme auf die Produktlisten von 1873 und 1875,

„neben dem relativ großen Umfange der Produktion ihre außerordent­liche Mannig­faltigkeit. Die Bedeutung diese Werkes liegt keineswegs auf dem Gebiete der Massen­produktion, vielmehr geht aus den beiden Aufstellungen mit Deutlich­keit hervor, daß hier nach unseren heutigen Begriffen noch eine Herstellungs­weise mit relativ geringer Arbeits­teilung vorliegt, insofern, als von einer großen Arbeiterzahl nicht weniger als (im Jahre 1875) über 24 verschiedene Produktions­arten in jeweils geringer Zahl hergestellt wurden, so daß die für eine Herstellung großen Stils in heutiger Zeit typische Konzentration des Produktions­apparates auf relativ wenige Produkte in jener Zeit noch nicht vorhanden ist.“ [7]

Demnach hätte sich das Unternehmen beim Versuch, eine ausreichende Produktion aufrecht­zuerhalten, verzettelt und es zudem versäumt, Produktions­linien zu errichten, die auf Massenproduktion anstelle von Spezialisierung setzte. Der Darstellung Ueckers ist jedoch entgegen­zuhalten, daß er den monopolistischen Produktions­prozeß seiner Zeit, also ein halbes Jahrhundert später, auf eine Zeit überträgt, die geprägt ist vom Übergang manufaktur­mäßiger, handwerklicher Produktion in industrielle Großfertigung. Zudem fragt er nicht danach, ob insbesondere in der Gründerkrise ein Unternehmen jeden Auftrag annehmen mußte, den es bekommen konnte, um wenigstens die Fixkosten abzudecken. Dennoch wird seine Sichtweise mehr als nur ein Körnchen Wahrheit beinhaltet haben.

Submission auf Ausweichen.
Abbildung 16.02: Ausschreibung der Main-Neckar-Bahn zur Lieferung von 30 Weichen. Gut möglich ist es, daß die Maschinen­fabrik den Zuschlag erhalten hat. Quelle: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen, Nº 23 vom 24. März 1873 [online bsb münchen].

Jedenfalls wurden die Zeiten härter, auch wenn das Geschäft noch halbwegs florierte. Die Produktion von Schmalspur­lokomotiven war anfällig gegen konjunkturelle Schwankungen. Mit der Gründerkrise gingen die Bestellungen gerade für diese „Spezialität“ zurück. Solange in Neubauten investiert wurde, wurden Dampframmen und Bauzugloks benötigt und bestellt. Doch schon direkt um die Ecke, im Blumenthal­viertel, stoppte der Bauboom. Die von der Blumen­thal'schen Terrain­gesellschaft geplante Ausdehnung gutbürger­licher Wohn­bauten (das heutige Johannes­viertel) schleppte sich bis in die 1890er Jahre dahin. In ihrem Jahresbericht für 1874 malte die Darmstädter Handels­kammer deshalb eher düstere Farben.

„Am hiesigen Platze befinden sich dermalen acht Maschinen­fabriken, die zusammen etwa 700 Arbeiter beschäftigen. Der Gesammtumschlag betrug im abgelaufenen Jahre ca. 2 Millionen Mark.

Das bedeutendste Geschäft in dieser Branche ist die Maschinenfabrik und Eisengießerei dahier. Dieselbe befaßt sich hauptsächlich mit Anfertigung von schmal­spurigen Locomotiven für Secundär-Bahnen und Eisenbahn­bauten, sowie mit Anfertigung von Locomobilen, Dampf­rammen etc.

Dieses Geschäft hatte im vergangenen Jahre unter dem Einfluß des Minderverkehrs der Eisenbahnen und der dadurch bedingten Zurückhaltung von Aufträgen Seitens der Eisenbahn­verwaltungen zu leiden. Hierzu kommt noch, daß durch in der Gründerperiode neu entstandene oder durch Umwandlung in Actien­gesellschaften planlos erweiterte Maschinen­fabriken eine Concurrenz entstand, mit der solide Etablissements in den meisten Fällen nicht gleichen Schritt halten konnten. Jene suchten ihre Existenz durch Verschleudern ihrer Waare oder durch wenig solide Leistungen zu fristen. Eine Folge dieses Zustandes war, daß die Offerten für alle auf dem Submissions­wege durch Eisenbahnen etc. zu vergebene Leistungen Resultate ergaben, welche in der Regel um 50% und mehr für einen und denselben Gegenstand von einander abwichen. Unter diesen Umständen war es auch der Maschinenfabrik nicht möglich, auf letzterem Wege Aufträge zu erhalten, und mußte die Arbeiterzahl auf 240 Köpfe reducirt werden; nur da, wo auf dem Wege engerer Submission Lieferungen vergeben wurden, für welche die Fabrik zur Concurrenz eingeladen, war es ihr öfters gelungen, namhafte Aufträge zu nicht ganz ungünstigen Bedingungen zu erhalten.

Das Institut hofft indessen, daß es demnächst bei wieder­erwachtem regeren Verkehr um so bedeutendere Aufträge erhalten wird.

Das Absatzgebiet der Maschinenfabrik und Eisengießerei erstreckte sich im Jahre 1874 vorzugsweise auf den Norden Deutschlands.

Das Rohmaterial bezog die Fabrik, mit Ausnahme des schottischen Roheisens, zum größten Theile aus dem Inland; nur wenig wurde aus Frankreich bezogen.“ [8]

Ergebnis Submission Weichen.

Abbildung 16.03: In Kassel wurde am 16. April 1874 das Ergebnis einer Ausschreibung der Main-Weser-Bahn über 140 Stück gewöhnliche Weichen (Los 1) und drei Stück ganze englische Weichen, das sind vollständige Doppel­kreuzungs­weichen, (Los 2) festgestellt. Die Maschinenfabrik lag etwa im Mittelfeld der Gebote; aus Hannover wurde ein eindeutiger Kampfpreis eingereicht, der gewiß nicht die Herstellungs­kosten decken konnte. Quelle: Der Berggeist Nro. 33 vom 24. April 1874 [online bsb münchen].

Das Geschäftsjahr 1874/75 sollte sich als noch drückender erweisen. Dennoch gelang es den Aktionären, sich aus dem Geschäftsgewinn in Höhe von 44.096,49 Mark eine Dividende von 5% auf die Vorzugsaktien und von anderthalb Prozent auf die Stammakltien zu gewähren. Daß zur gleichen Zeit die in der Fabrik beschäftigten Arbeiter durchschnittlich 24,36 Mark weniger Lohn erhielten, versteht sich von selbst. Anders ausgedrückt: die niedrigere Lohnsumme trug zur Hälfte zum Nettogewinn bei und finanzierte hierdurch die Kuponschneider. [9]

Krise!

Das Ergebnis des Geschäftsjahres 1874/75 ist in einem Jahresbericht der Darmstädter Handelskammer erhalten.

Die Lage der Maschinenfabriken in Südhessen 1875.

„Die Maschinenfabriken hatten im vergangenen Jahre fast ohne Ausnahme unter der allgemein herrschenden Geschäftsstockung zu leiden. In allen Fabriken fanden Arbeiterentlassungen in größerem oder geringerem Maße statt, da die Ueberwinterung des Arbeiterstandes bei den hohen Arbeitslöhnen und dem Mangel an Aufträgen sich als undurchführbar zu erkennen gab.

Von verschiedenen Seitem wird Klage geführt, daß die Aufhebung der Zölle ohne Rücksicht auf die jetzige kritische Lage der Geschäfte statt­finden solle, insbesondere da von den Nachbar­staaten ein Gleiches nicht geschehen sei, und wird die Ansicht geäußert, daß eine Verschie­bung dieser Maßregel bis zu einer besseren Zeit wohl am Platze sei.

Bilanz zum 30. Juni 1875.
Abbildung 16.04: Bilanz zum 30. Juni 1875. Quelle: Darmstädter Zeitung vom 9. Dezember 1875 [online ulb darmstadt].

Die Geschäftsergebnisse der Maschinenfabrik und Eisengießerei dahier waren geringer als im vorher­gehenden Jahre. Noch in keinem Jahre hatte dieses Etablissement so wenig feste Aufträge erhalten, wie in dem verflossenen, und mußte daher öfters auf Lager gearbeitet werden. Der Gesammt­umschlag betrug 578.024 Mark 47 Pfennig, der übrigens dem Durchschnitts-Umschlag der letzten 12 Jahre nahezu gleichkommt. Der hierbei erzielte Bruttogewinn betrug 44.096 Mark 49 Pfennig oder 7 5/8% des Umschlags gegen 46.733 Mark 19 Pfennig oder 6 1/3% des Umschlages im Vorjahre.

Es wurden im Laufe des vergangenen Jahres folgende Maschinen angefertigt und abgeliefert: 12 Locomotiven von 30, 50 und 200 Pferde­kräften, 8 Locomobilen von 8, 10 und 20 Pferdekräften, 5 Dampf­maschinen von 6, 8, 20 und 35 Pferde­kräften, 2 Zwillings­dampf­maschinen mit Förder­haspel, 1 Förder­anlage, 4 Nasmüth'sche Dampf­rammen, 9 Röhren-Dampf­kessel, 13 Locomotiv­kessel, 18 Locomobil­kessel, 4 Vorwärme­kessel, 6 Centrifugal­pumpen, 3 verschiedene Kolben­pumpen, 3 Bohr­maschinen, 2 Plan­drehbänke, 2 Support-Drehbänke, 1 Feil­maschine, 1 Sieb­maschine, 1 Rändel­maschine, 1 Hebe­krahnen von 50% Tragkraft, 2 Walzwerke, 2 Ventilatoren, 1 Wasser­krahnen, 55 Ausweichen, 10 Ausrück­ständer etc.

Was schließlich die Preise für die Maschinen anlangt, so standen dieselben so niedrig wie seit langen Jahren nicht, und konnte daher genanntes Etablissement seine Fabrikate nicht mit dem den Fabrikationskosten entsprechenden Fabriknutzen verwerthen, wodurch ein Ausfall am Gewinn und somit auch am Jahresumschlag entstehen mußte. Die Fabrikate gingen meist an die Kaiserlichen Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen und an verschiedene preußische Staatsbahnen, ferner an mehrere Bergwerks­verwaltungen in Westphalen, Rheinpreußen und Nassau, sowie an eine Anzahl von Eisenbahn­unternehmer, wogegen hier in der Nähe nur wenige bedeutendere Abnahmer genannt werden.

Der Absatz der Maschinenfabrik von Kleyer und Beck betrug in Folge der ungünstigen Verhätnisse im Jahre 1875 dem Gewichte nach noch nicht die Hälfte von dem im vorhergegangenen Jahre. Es wurden 1875 von derselben circa 2500 [Zen]t[ne]r Maschinen und Maschinentheile abgeliefert; hiervon gingen 9/10 in das Zollvereins­inland und 1/10 in das Ausland.

Die Blumenthal'sche Maschinenfabrik, welche sich hauptsächlich mit der Herstellung von Dampfdresch­maschinen und anderen landwirth­schaft­lichen Maschinen befaßt, bemerkt, daß in Folge der vorjährigen schlechten Erndte das Geschäft sehr darnieder liege. Die Fabrikate wurden sämmtlich im deutschen Reiche abgesetzt.

Die Maschinenfabrik von Jos[eph] Lossen dahier, welche sich speciell mit Anfertigung von Dampfpumpen, Wasserwerken und unterirdischen Wasserhaltungs­maschinen, sowie auch Dampfmaschinen beschäftigt, wurde durch das Darniederliegen der Eisenindustrie gleichfalls in Mitleidenschaft gezogen, in Folge dessen eine Reduction der Arbeiter um 1/3 stattfinden mußte.

Die Fabrikation von Werkzeugmaschinen wird von der Maschinenfabrik von Fritz Buschbaum dahier betrieben. Derselben gelang es, da sie besonders mittlere und kleinere Werkzeug­maschinen anfertigt, für welche ziemlicher Absatz vorhanden war, ihre Fabrik im vergangenen Jahre ungeschmälert im Gang zu erhalten und ein verhältniß­mäßig zufrieden­stellendes Resultat zu erzielen. Die Rohstoffe wurden zu 90% aus dem Zollvereins­inland, zu 2% aus Oesterreich (steyermärkischer Werkzeug­stahl) und zu 8% aus dem übrigen Zollvereins­ausland (Sheffielder Werkzeug­stahl) bezogen. Der Absatz ging zu 95% in das deutsche Reich, der Rest nach Oesterreich und in das übrige Zollvereins­ausland.

Genannte Firma hat im vorigen Jahre ein neues Ausstellungs­gebäude errichtet, wodurch sie in den Stand gesetzt ist, eine große Anzahl der von ihr verfertigten Maschinen zur Besichtigung und Probe auf Lager zu halten.

Von den übrigen hier bestehenden Fabriken dieser Branche sind uns keine Mittheilungen zugekommen.

Die zu Groß-Bieberau bestehende Fabrik für Feuerspritzen hat zwar im vergangenen Jahre keine Zunahme des Geschäftes zu verzeichnen, war jedoch mit dem Ergebniß zufrieden. Die Rohstoffe bezog diese Fabrik sämmtlich aus dem deutschen Reiche; die Fabrikate wurden zu 90% im deutschen Reich, zu 10% in Oesterreich abgesetzt.

Die zu Gustavsburg bestehende Süddeutsche Brückenbau-Actien­gesell­schaft hat im vergangenen Jahre für Eisenbahn­brücken­bauten genügende Beschäftigung gehabt; auch für Straßen­brücken war in Folge der niedrigen Eisenpreise einiger Bedarf. Es wurden in 1874 von derselben an eisernen Brücken 78 Oeffnungs­felder mit 4 bis 66 Meter, zusammen 1510 Meter Lichtweite und 2380 Tonnen Gewicht, außerdem pneuma­tische Fundation ausgeführt. Bezugs­quelle für Rohstoffe und Absatz­gebiet war ausschließ­lich das deutsche Reich.

Die Fabrikation von Nähmaschinen wurde von der allgemeinen Geschäfts­stockung nicht berührt. Bei Ueberhäufung mit Aufträgen war der Betrieb ein flotter.“

Quelle: Auszug aus dem Jahresbericht der Großherzoglich Hessischen Handelskammer zu Darmstadt für das Jahr 1875, Seite 67–69.

Die hier genannten Produkte des Unternehmens für das Geschäftsjahr 1874/75 lassen sich direkt keinen Kunden zuordnen. Bei der Zwillingsmaschine mit Förder­haspel ist an eine Kohlengrube zu denken und bei der Dampframme an einen Kanal- oder Eisen­bahnbau. Auch wäre es interessant zu erfahren, an wen die dreizehn Lokomotiv­kessel gegangen sein mögen. Für die zwölf ausge­lieferten Lokomotiven mag dies einfacher erscheinen, doch hier sind die Liefer­listen nur fragmen­tarisch und vermut­lich mit dem Jahr der Auslieferung über­liefert; da das Geschäfts­jahr aber nicht dem Kalender­jahr entsprach, ist die Zuordnung selbst hier recht schwierig. [10]

Die Maschinenfabrik beteiligte sich reichsweit an diversen Ausschreibungen, ohne immer zum Zug zu kommen. So suchte die Königliche Berg­inspektion in Saarbrücken Ende 1874 einen Lieferanten für eine große Förder­maschine mit zwei Spiral­seilkörben eiserner Konstruktion. Zu dieser Submission reichten fünfzehn Unternehmen aus ganz Deutsch­land und ein weiteres aus Prag ihre Angebote ein. Die Offerten reichten von 41.700 Mark (Wever amp; Co. aus Barmen) bis 78.000 Mark (Maschinen­fabrik und Eisen­gießrerei Darmstadt). Wobei das Angebot aus Darmstadt nicht unbedingt als Ausreißer nach oben zu betrachten ist, denn zwei weitere Unternehmen gaben 75.000 Mark als ihren Kampfpreis an. [11]

Das Geschäftsjahr 1875/76.

„Uebergehend auf die letztjährige Thätigkeit unseres Etablissements im Allgemeinen, haben wir auch in diesem Jahre uns vorzugsweise mit dem Bau von Locomotiven und zwar sowohl solcher von normaler Spur, wie auch von schmalspurigen für Bauunternehmer, sowie von Locomobilen, welche beide Maschinen wir vorzugsweise zu unseren Specialitäten zählen, beschäftigt, und nur um den Ausfall an ausreichenden Aufträgen in diesen beiden Branchen zu decken, haben wir auch andere, wenn auch weniger passende Aufträge, bei denen wir aber in der Regel unsere vorhandenen Modelle benutzen konnten, übernommen.

Wir lieferten hierbei u. a.:

Zusammen M. 383.562. während der Rest des Umschlags sich auf kleine Arbeiten und Reparaturen und Gußlieferungen vertheilt.

In unserer nächsten Nähe haben wir mit der Firma E. Merck dahier und der Main-Neckar-Bahn einen namhaften Verkehr gehabt, während unsere meisten Lieferungen nach entfernteren, zum Theil nach dem vorzugs­weise als deutsche Industrie­bezirke geltenden Gegenden Westfalens und des Rheinlandes, gingen. Es laufen u. a. fünf unserer Locomotiven bei Stettin und Königsberg, drei unserer großen 30pf[er]digen Locomobilen mit mehreren Centrifugal­pumpen arbeiten bei Temesvar an der öster­reichisch-serbischen Grenze.“

Quelle: Auszug aus dem Geschäftsbericht der Direktion für die Generalversammlung am 28. Dezember 1876, Seite 8–9; als Anlage 3 zur Unternehmensgeschichte vorhanden.

So klar und eindeutig die Angabe zu sein scheint, daß fünf Lokomotiven bei Stettin und Königsberg „laufen“, so gar nicht so einfach ist es, sie aus der überlieferten Lieferliste zu rekonstruieren. Nach der sogenannten Schmeiser-Liste lieferte die Maschinenfabrik 1875 und 1877 jeweils eine Lokomotive an Feuerloh & Lenz in Stettin, 1875 und 1876 jeweils eine Lokomotive an den Bauunternehmer Carl Holmgren nach Deutsch-Eylau, 1876 und 1877 jeweils eine Lokomotive an die Zementfabrik in Stettin, und schon 1874 zwei Lokomotiven an die Eisenbahn Marienburg-Mlawka, wobei selbige auch später ausgeliefert worden sein könnten. Der „namhafte Verkehr“ mit der Main-Neckar-Eisenbahn bestand im wesentlichen aus dem Umbau von vier 1846 zur Streckenöffnung gelieferten Sharp-Lokomotiven. [12]

Annonce von Zentrifugalpumpen.
Abbildung 16.05: Annonce von Zentrifugal­pumpen in der Darmstädter Zeitung vom 16. März 1876 [online ulb darmstadt].

Im August und September 1875 suchte die Maschinen­fabrik einen Lehrling „unter günstigen Bedingungen“ für ihr kauf­männisches Bureau. „Nur solche, welche das Zeugniß der Reife für Unter-Prima besitzen, können bei Besetzung dieser Stelle Berück­sichtigung finden.“ [13]

Drei Jahre nach der Wiener Welt­ausstellung hatte die Maschinen­fabrik selbst Zentrifugal­pumpen im Programm. Aus den über­lieferten Bruch­stücken der Geschäfts­berichte des Unter­nehmens geht hervor, daß sie 1874/75 sechs und im folgenden Geschäfts­jahr maximal acht dieser Pumpen abgesetzt hatte. Im März 1876 annoncierte sie „zur Ent­wässerung besonders gut geeignete“ derartige Geräte mit einem Durchfluß von 92.000 Kubikfuß pro Tag bei einer Rohrweite von drei Zoll und vier Metern Förder­höhe, bei größerer Rohrweite ent­sprechend mehr. [14]

Am 18. April 1876 wurde das Geschäfts­lokal im ehemaligen „Neuen Chausse­haus“ an der Frankfurter Straße aufgegeben und in die Baulich­keiten an der Blumenthal­straße transferiert. Damit dürfte der Umzug der „alten Fabrik“ in die seit 1857 aufgebauten Hallen der „neuen Fabrik“ zum Abschluß gekommen sein. Somit stand das Etablissement am alten Standort leer und wartete vergebens auf einen geneigten Käufer. [15]

„Fabrik-Localitäten

zu verkaufen oder zu vermiethen.

Die durch Umzug der Maschinenfabrik und Eisengießerei dahier freigewordenen, an der Frankfurter Straße und in der Nähe der Eisenbahn gelegenen Fabrik Localitäten, welche eine von allen vier Seiten durch Straßen begränztes und geschlossenes Quadrat von nahezu 5 Morgen Gelände bilden, sind im Ganzen oder getheilt zu verkaufen oder zu vermiethen.

Dampfmaschine von circa 20 Pferdekräften mit Kessel, Transmissionen, Krahnen zum Heben schwerer Stücke, Gasleitungen in den Werkstätten und andere Bequemlichkeiten sind noch an Ort und Stelle und können je nach Wunsch dem Käufer oder Miether überlassen werden.

Die Localitäten sind in Folge ihrer günstigen Lage zu jedem größeren Geschäft geeignet und befinden sich darin drei Brunnen, welche stets und selbst beim stärksten Betrieb, das erforderliche Wasser in ausreichendem Maße geliefert haben.

Nähere Mitteilungen zu beziehen durch die
Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt.“

Quelle: Annonce in der Darmstädter Zeitung vom 27. Juni 1876 [online ulb darmstadt].

Ausschnitt aus dem Stadtplan 1874.

Abbildung 16.06: Ausschnitt aus dem Stadtplan von 1874 von Ferdinand Heberer [online ulb darmstadt]. Der Plan ist geostet.

Die „alte Fabrik“ liegt als Gebäudekomplex nördlich der Kahlertstraße zwischen Frankfurter und Viktoriastraße. Die „neue Fabrik“ befindet sich in dem Gebäudekomplex nördlich der Landwehr­straße zwischen den Gleisen der Hessischen Ludwigsbahn und der Blumenthal­straße. Das zugehörige Blumenthal­viertel, später Johannesviertel genannt, ist noch im Entstehen begriffen.

Um den Absatz ihrer in Lizenz gefertigten (oder vielleicht auch nur von ihr vertriebenen englischen) Dreschmaschinen zu befördern, war das Unternehmen sogar bereit, quasi als Auftragsfertigung das Ausdreschen der Ernte einzelner Gutsbesitzer oder einer Gemeinde zu übernehmen. Am 31. Juli 1876, so kündigte es eine Annonce in der „Darmstädter Zeitung“ an, werde man mit dem Ausdreschen der Ernte des Ökonomen Großmann auf dem Hofgut Kranichstein beginnen. Aus den teilweise nur fragmen­tarisch über­lieferten Geschäfts­berichten für 1874/75 und 1875/76 ist allerdings nicht zu erkennen, daß in den beiden Jahren auch nur eine dieser Dresch­maschinen verkauft worden ist. [16]

Auch in der Folgesaison bemühte sich die Maschinenfabrik, ihre Lagerware loszuwerden, diesmal überregional,

Annonce Dampfdreschmaschinen.

Abbildung 16.07: Annonce der Dampfdreschmaschinen von Ransomes and Sims in den Landwirthschaftlichen Mittheilungen Nº 29 vom 22. Juli 1877 [online bsb münchen].

Tabelle 16.1: Kennziffern des Unternehmens von 1869/70 bis 1877/78 als Fortsetzung der Geschäftszahlen für 1863/64 bis 1869/70. Angaben in Mark; zum Vergleich 1869/70 auch die gerundete Umrechnung in Gulden. Die Zahl der Arbeiter ist (ab 1872/73) gerundet. Nach dem Geschäftsbericht zur XXI. General­versammlung 1878.
Geschäfts­jahrUmschlagBrutto­gewinnZinsenDiverse UnkostenNetto­gewinnAbschreibung⌀ Zahl ArbeiterLohn­summeDividende Prio/Stamm
1869/70 (fl.)379.44763.78512.37615.19536.21410.925266105.4826 / 3½ %
1869/70 (M.)650.480,58109.346,2921.215,8926.049,2562.089,1518.728,71266180.825,466 / 3½ %
1870/71438.582,86113.123,5020.881,0629.149,8663.092,5817.949,14246147.673,637 / 4½ %
1871/72673.134,86149.595,4417.537,4928.612,5165.729,1555.296,15272200.530,377 / 4½ %
1872/73739.378,29177.906,8320.257,0033.111,8376.548,0055.855,53283229.488,068 / 5½ %
1873/74740.945,45106.612,5326.108,4633.781,2240.722,8518.816,31258218.598,295 / 2 %
1874/75578.024,00110.008,9328.363,7537.549,1844.096,0018.695,90243196.623,375 / 1½ %
1875/76527.804,3252.025,3430.234,7841.298,31−19.507,7510.953,56241196.579,15keine
1876/77431.265,9239.584,6631.351,7237.987,06−29.754,1210.075,78203151.089,70keine
1877/78384.926,9220.410,3231.337,5937.109,35−48.036,62keine178130.636,11keine
Tabelle 16.1: Kennziffern des Unternehmens von 1869/70 bis 1877/78 als Fortsetzung der Geschäftszahlen für 1863/64 bis 1869/70. Angaben in Mark; zum Vergleich 1869/70 auch die gerundete Umrechnung in Gulden. Die Zahl der Arbeiter ist (ab 1872/73) gerundet. Nach dem Geschäftsbericht zur XXI. General­versammlung 1878.
Geschäfts­jahrUmschlagBrutto­gewinnZinsenDiverse UnkostenNetto­gewinn
1869/70 (fl.)379.44763.78512.37615.19536.214
1869/70 (M.)650.480,58109.346,2921.215,8926.049,2562.089,15
1870/71438.582,86113.123,5020.881,0629.149,8663.092,58
1871/72673.134,86149.595,4417.537,4928.612,5165.729,15
1872/73739.378,29177.906,8320.257,0033.111,8376.548,00
1873/74740.945,45106.612,5326.108,4633.781,2240.722,85
1874/75578.024,00110.008,9328.363,7537.549,1844.096,00
1875/76527.804,3252.025,3430.234,7841.298,31−19.507,75
1876/77431.265,9239.584,6631.351,7237.987,06−29.754,12
1877/78384.926,9220.410,3231.337,5937.109,35−48.036,62
 
Geschäfts­jahrAbschreibung⌀ Zahl ArbeiterLohn­summeDividende Prio/Stamm
1869/70 (fl.)10.925266105.4826 / 3½ %
1869/70 (M.)18.728,71266180.825,466 / 3½ %
1870/7117.949,14246147.673,637 / 4½ %
1871/7255.296,15272200.530,377 / 4½ %
1872/7355.855,53283229.488,068 / 5½ %
1873/7418.816,31258218.598,295 / 2 %
1874/7518.695,90243196.623,375 / 1½ %
1875/7610.953,56241196.579,15keine
1876/7710.075,78203151.089,70keine
1877/78keine178130.636,11keine

Mit dem Geschäftsjahr 1875/76 reichte der ausgewiesene Bruttogewinn nicht mehr aus, um Zinsen und andere Unkosten abzudecken. Mitte 1878 war hierdurch fast ein Viertel des nominellen Aktienkapitals „aufgefressen“. Die im Geschäftsbericht für 1877/78 aufgeführte Übersicht nennt als Gesamtrendite der Aktionäre über die vergangenen fünfzehn Jahre eine Dividende von 4,6 % auf die Prioritäts- und von 2,4 % auf die Stammaktien. Allerdings müßte hier nachgerechnet werden, ob sich dieser Wert auf das nominelle Gesamtkapital bezieht, das offenbar bis zum Schluß nicht vollständig gezeichnet war. Das Geschäftsjahr 1870/71 fällt aufgrund des Deutsch-Französischen Krieges aus dem Rahmen; vor allem im Herbst 1870 hab es massive Geschäftsstockungen. So manche Arbeiter durften sich entweder als Kanonenfutter bewähren oder wurden – wie in Kapitel 13 gezeigt – von den beiden Direktoren Weber und Horstmann kurz gehalten.

Geschäftsbericht 1875/76.
Abbildung 16.08: Protokoll der XIX. General­versammlung am 28. Dezember 1876, welches den Geschäftsbericht für 1875/76 enthält [online].

Die für das Geschäftsjahr 1874/75 veröffentlichte Bilanz beinhaltet einige problematische Posten. Für fertige Maschinen und Maschinen in Arbeit werden 291.693,62 Mark veranschlagt. Aus dem Geschäfts­bericht für 1875/76 wissen wir, daß ein nicht näher bestimm­barer, aber gewiß nicht kleiner Teil dieser Maschinen erst einmal in der Hoffnung auf bessere Zeiten ins Lager gewandert sind. Gleich­zeitig über­steigt das Creditoren­konto das Debitoren­konto um das Zwei­einhalb­fache, was keine gesunde Geschäfts­entwicklung andeutet. Hinzu kommen weitere, zum Teil hypo­thekarisch abgesicherte Kredite in Höhe von 137.142,85 Mark. Im Grunde genommen sind die Kredit­linien mit einer halben Million Mark schon recht weit ausgereizt. Doch es sollte noch schlimmer kommen.

Dringend benötigtes Kapital floß jedenfalls nicht durch den Verkauf der „alten Fabrik“ in die leeren Kassen. Immerhin kamen einige kleinere Mieteinnahmen zustande, als die Stadt Darmstadt für einige Klassen ihrer Mädchenschule (vermutlich) das ehemalige „neue Chausseehaus“ an der Frankfurter Straße belegte. [17]

Irgendwer war da wohl zu optimistisch: Im Geschäftsbericht der Bank für Handel und Industrie für 1877 wird bei der Maschinenfabrik ein nicht bedeutender Verlust konstatiert, doch ist dort auch von „Aufträgen in befriedigendem Umfange“ die Rede. [18]

Bemerkenswert ist, daß trotz der Wirtschaftskrise das Lohnniveau bis 1876 etwa gleich blieb; erst danach – vielleicht auch nach Entlassung besonders qualifizierter Arbeiter oder durch Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit – sackte es erheblich ab. Im Geschäftsjahr 1875/76 malochten in der Dreherei und der Montage durchschnittlich 116 Arbeiter, die im Schnitt 836,11 Mark im Jahr verdienten. In der Kesselschmiede und Schmiede waren es durchschnittlich 76 Arbeiter, die 808 Mark erhielten. Am schlechtesten wurde die Arbeit in der Eisengießerei entlohnt; dort erhielten durchschnittlich 37 Beschäftigte 677,80 Mark. Das war aber weitaus mehr als beispielsweise beim florierenden Geschäft E. Merck. Dort erhielten die am besten verdienenden Arbeiter der Fabrik I (Alkaloide) einen Wochenlohn von nicht einmal 10 Mark. Da lagen die Löhne der Dreher und Monteure in der Maschinenfabrik um mehr als 50% höher – jeweils als Durchschnittswert mit starken individuellen Spreizungen.

Im Februar 1876 wurden „in Folge der ungünstigen Geschäfts­konjunkturen eine größere Anzahl Arbeiter entlassen“. [19]

Eine betriebseigene Arbeiterkrankenkasse gab es auch. Die Arbeiter zahlten hierin 1875/76 2.906,21 Mark ein, das entspräche etwa 1,5% ihres Lohns. Weitere Zuschüsse in Höhe von 1.318,64 Mark zahlte das Unternehmen; möglicher­weise handelte es sich aber um Geldstrafen, die den Arbeitern für angebliche oder tatsächliche Vergehen gegen die Arbeitsordnung aufgebrummt wurden. Aus dieser Krankenkasse wurden 1873 [eventuell verschrieben aus 1875] 121 Kranke mit 2.539,42 Mark unterstützt, die ärztliche Versorgung und Medikamente kosteten weitere 1.298,44 Mark. [20]

Die Industrieausstellung 1876

Inmitten der wirtschaftlichen Flaute organisierte ein von lokalen Gewerbe­treibenden gebildetes Ausstellungs­komitee eine Industrie­ausstellung in Darmstadt. Im Schatten der 1876er Welt­ausstellung in Philadelphia führten regionale Fabriken und Handwerker einem interessierten Publikum den Stand der lokalen Industrie vor Augen. Auf dem Marienplatz war hierzu eigens eine Halle errichtet worden, um die gezeigten Maschinen zu beherbergen. Diese Halle mitsamt ihrer Einfriedungen war im Mai 1876 mit 4.520 Mark veranschlagt und ausgeschrieben worden. [21]

Die Ausstellung wurde am 12. August 1876 in Beisein von Großherzog Ludwig III. eröffnet. Selbst­verständ­lich wurden dort die üblichen Honoratioren­reden gehalten, die das Selbst­verständnis und Selbst­bewußtsein der Männer einer süd­hessischen Provinz­metropole zum Ausdruck brachten. Minister­präsident Kempff unterließ es dabei nicht, den Finger in eine aktuell schwärende Wunde zu legen: [22]

„Unsere Ausstellung kann sich ihrem eng begrenzten Zweck und Umfang nach nicht an die Seite stellen den großen Weltausstellungen, sie wird aber doch vielleicht mit dazu beitragen, das herbe Urtheil zu mildern, welches man über die deutsche Industrie auf der Ausstellung in Amerika gefällt hat. Ob und wieweit dasselbe verdient ist, oder welche besondere Gründe dazu geführt haben, daß die deutsche und die hessische Industrie sich sehr wenig an der Ausstellung in Philadelphia betheilgte, dies zu untersuchen, kann nicht meine Aufgabe sein. Dieses herbe Urtheil aber wird eine Mahnung an die deutsche Industrie sein, Alles aufzubieten, um nicht zurückzubleiben und sich selbst eine würdige Stellung neben anderen Nationen zu sichern.“

Das Urteil aus Philadelphia lautete schlicht: „billig und schlecht“. [23]

Der Eröffnungsrede folgte der obligatorische Hochruf auf den anwesenden Gast von Gottes Gnaden, und die Ausstellung ward eröffnet. Selbst­verliebt befand man:

„Alle Anwesenden zeigten sich aufs Höchste von dem Dargebotenen befriedigt. Ueberall bildeten sich kleine Kreise, welche die einzelnen Ausstellungen eingehender betrachteten;“

Und landete beim obligatorischen Besäufnis.

„nicht die kleinsten vor den Bieren der Herren Hildebrand von Pfung­stadt (unter denen ein vier Jahre altes Gebräu besondere Anerkennung fand) und Rummel von Darmstadt, die jedem Durstigen nach Belieben ihr köstliches Naß spendeten. Lange noch blieben die Theilnehmer nach der Eröffnungs­feier in der Restauration im Saalbau und der Maschinen­halle beisammen. Um 2 Uhr begann dann das Festmahl im ‚Darmstädter Hof‘.“

Auszug aus dem Katalog.
Abbildung 16.09: Auszug aus dem Katalog der Industrie-Ausstellung in Darmstadt 1876.

Je länger ich mich mit der Geschichte Darmstadts vor dem Ersten Weltkrieg beschäftige und je mehr zeitgenössische Texte ich hierbei studiere, desto deutlicher wird mir, daß die lokalen Honoratioren keine Gelegenheit ausgelassen haben, sich die Kanne zu geben. Dies förderte nicht nur eine spezifisch deutsche Gemütlichkeit, sicherlich angereichert durch Zoten und antisemitische Einlagen, sondern diente vor allem dem Zusammen­halt einer verschworenen Clique reicher und notabler Männer vor den Unbilden der Außen­welt, seien es wirt­schaftliche Probleme und Heraus­forderungen oder die Arbeiter­bewegung in Gestalt der Sozial­demokratie. Selbige sollte zwei Jahre später verboten und ihre Anhänger massiv verfolgt werden. In der „Darmstädter Zeitung“ war die Hetze gegen die Sozial­demokratie an der Tagesordnung.

Die Ausstellung selbst war für den Zeitraum vom 12. August bis zum 11. September 1876 angesetzt, wurde jedoch kurz vor Ablauf bis zum 17. September verlängert. Ein Teil der ausgestellten Gegen­stände war im Saalbau zu bewundern, die Maschinen­halle hingegen befand sich auf dem heute [2020] brach liegenden und als Parkplatz genutzten Marien­platz. Der Eintritts­preis war mit einer Mark für damalige Verhält­nisse nicht gerade günstig und entsprach etwa dem halben Tageslohn eines einfachen Arbeiters; was durchaus zu einer gewissen Empörung führte. Das Ausstellungs­komitee recht­fertigte den Eintritts­preis mit den eigenen wieder einzu­bringenden Kosten. Zur Verbesserung des Budgets trug eine Verlosung bei, deren Gewinne aus den ausgestellten Gegen­ständen angekauft worden waren. [24]

Unter den Ausstellern war zuvorderst die Maschinenfabrik und Eisengießerei vertreten, was sich nicht zuletzt in der ausgiebigen Darstellung ihrer Produkte in der „Darmstädter Zeitung“ ausdrückte.

„Es ist keine leichte Aufgabe die Fülle des in der Maschinen­ausstellung dem Auge Dargebotenen übersichtlich zu schildern.

Wir beginnen mit einer Betrachtung derjenigen Gegenstände, welche die Maschinenfabrik und Eisengießerei hier zur Ausstellung gebracht hat. Es bilden diese eine bedeutende Zahl.

Im Betrieb ist eine fahrbare Locomobile von vier Pferdekraft, mit Lastaufzug und Centrifugalpumpe combinirt. Sie hebt mit dem ersteren direkt bis 20 [Zen]t[ne]r Baumaterial und betreibt andererseits die Pumpe zum Entwässern von Baugruben oder eine andere bei solchen Arbeiten vorkommende Maschine.

Ebenso ist eine Gesteinsbohr­maschine, welche Löcher von 4 C[en]t[i]m[eter] Weite bohrt, in Thätigkeit. In Stollen und Schächten betreibt man sie mit compromirter Luft, in Steinbrüchen mit Dampf.

Weiter bemerken wir eine liegende Locomobile von 8 Pferdekraft, wie sie bei der Land­wirthschaft, im Eisenbahn- und Bergbau angewendet werden. Um vor- und rückwärts sowie mit verschiedener Expansion zu arbeiten und in der Aufstellung der Locomobilen ungehindert zu sein, ist sie mit einer Umsteuerung versehen.

Wir begegnen ferner einer liegenden Dampfmaschine mit Expansions­regulator, wodurch selbst bei unregelmäßigem Kraftbedarf eine Regulirung des Ganges der Maschine durch den Wärter nicht mehr nöthig ist.

An Werkzeugmaschinen ist eine Drehbank von 250 Mm. Spitzenhöhe mit gekröpfter Wange und Vorrichtung zum Gewindeschneiden aufgestellt. Auch finden wir Centrifugalpumpen von 10, 6, 4 und 3 ″ Rohrweite, wovon die erste 120 Cubikmeter auf 5 Meter Höhe pro Stunde auswirft. Die zugehörigen Röhren sind größerer Leichtigkeit wegen aus Schmiedeeisen gefertigt.

Dann ist zu erwähnen eines stehenden Röhrenkessels von 7 Cubikmeter Heizfläche zum Betrieb einer 4-pferd[igen] Locomobile mit runder Feuerbüchse, quer aufsteigenden Siederöhren und zusammen­geschraubtem Mantel. Er erzeugt während der Verdampfung eine lebhafte Wassercirculation in den Röhren und verhindert dadurch ein Festsetzen von Kesselstein, welcher übrigens durch Auseinander­schrauben des Kessels vollständig entfernt werden kann.

Ebenso eines 8-pferd[igen] Locomobilkessels, dessen Feuerbüchse mit Ankerschrauben an dem äußeren Mantel angehängt ist. Dadurch wird eine große Sicherheit gegen das Eindrücken der Feuerbüchsdecke, sowie leichte Reinigung desselben erzielt.

Hieran reiht sich eine Ausweiche mit Gußstahlzungen nach dem System der Main-Neckar-Bahn, wie solche von der Fabrik für diese Bahn gefertigt wurden.

Die Hauptbranche der Fabrik ist der Bau von Locomotiven für Neben­bahnen und bedauern wir sehr, daß dieselbe, wie wir hören, durch dringende Aufträge verhindert war, eine solche Locomotive zur Ausstellung zu bringen.“ [25]

Leider liegen zu den hier vorgestellten Maschinen keine technischen Zeichungen oder gar Fotografien vor, damit wir uns die Ungetüme besser vorstellen können. [26] – Überhaupt wird das Geschehen auf dem Ausstellungs­gelände durch aus­führliches Vorstellen der einzelnen Unter­nehmen und Produkte in den Spalten der „Darmstädter Zeitung“ Woche um Woche präsentiert. Zum Schluß gibt es – welch Wunder! – eine weitere Gelegen­heit zum kollektiven Umtrunk.

„Soeben haben sich eine Anzahl Industrieller und das Comité der Darmstädter Industrie-Ausstellung dahin geeinigt, daß der Schluß der Ausstellung durch eine gemüthliche Zusammenkunft gefeiert werden soll. Dieselbe findet Montag den 18. d[es] M[ona]ts um 8 Uhr Abends bei Herrn Ritsert im Schützenhofe statt. Essen nach der Karte.“ [27]

Wenige Tage nach Ausstellungsende werden nicht nur die Losgewinne verkündet, sondern auch die Preise für die Aussteller. Die Medaillen­flut von einhundert prämierten Ausstellern, gefolgt von 129 Anerkennungs-Diplomen läßt den Verdacht aufkommen, daß sich das lokale Gewerbe auch hier aus­führlich selbst feiert und beglück­wünscht, denn bei 229 Gewinnern dürfte so ziemlich jeder Aussteller wohlwollend bedacht worden sein. Derartige – bei solch ausgiebiger Verleihung im Grunde wertlose – Medaillen zierten dann nach­folgend die Briefköpfe so manches Unternehmens. Die Maschinen­fabrik und Eisen­gießerei wurde bei der Namens­nennung der Preis­medaillen in der „Darmstädter Zeitung“ an fünfter Stelle aufgeführt; ob hiermit eine Rang­reihenfolge vorliegt oder bloß eine unsystematische Zusammen­fassung aller Preis­träger, läßt sich anhand der vorliegenden Zeitungs­artikel nicht aussagen. [28]

Außerhalb Darmstadts war die Konkurrenz geradezu mörderisch. Wie in so manchem Bericht beklagt, wurden bei Ausschreibungen Gebote mit großen Spannweiten eingereicht. Dies mag in manchen Fällen tatsächlich ein Kampfpreis weit unter den Gestehungskosten gewesen sein, in anderen Fällen vielleicht aber auch einer besseren Auslastung und Arbeitsorganisation geschuldet. Von den sicherlich zahlreichen Geboten, welche die Darmstädter Maschinenfabrik abgegeben hat, ist eines als Submissions­resultat der Oberschlesischen Eisenbahn vom März 1877 erhalten. Vermutlich wird die Maschinenfabrik hier trotz eines niedrigen Gebotes bei der Lieferung von 140 Weichen mit oder ohne Unterplatten nicht zum Zuge gekommen sein.

Submissionsergebnis der Oberschlesischen Eisenbahn.

Abbildung 16.10: Submissions-Resultate betreffend Lieferung von Weichen, Herzstücken etc., datiert Breslau am 29. März 1877. Quelle: Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen, Nº. 28 vom 9. April 1877 [online bsb münchen].

Aber auch die fabrikeigene Eisengießerei hatte unter den Zeitumständen zu leiden, wie der Geschäftsbericht für 1875/76 konstatiert:

Die Ursache zu dem geringen Umschlag unserer Gießerei liegt theils in den mehrfach geschilderten ungünstigen Zeit­verhältnissen, theils darin, daß in den letzten Jahren hier und in den benachbarten Städten 5 neue Gießereien entstanden sind, welche unsern Ansatz schmälern, während unser eigener Bedarf, seit wir uns vorzugsweise mit dem Locomotiv­bau beschäftigen, ein namhaft geringerer ist, als früher.“

In Darmstadt zählten hierunter vermutlich die Dampfkessel­fabrik von Theodor Rodberg und sicher die Eisengießerei von Arnold & Reuling, die bald darauf von Carl Schenck übernommen wurde. Die Herdfabrik von Philipp und Louis Roeder ist erst später hinzugekommen sein. [29]

Zwei Dampfkessel

Zu den vier Gründern des Aktien­unternehmens gehörte 1857 der Inhaber der Wittich'schen Hofbuch­druckerei, Reinhard Ludwig Venator. Als selbige Druckerei, noch angesichts einer boomenden Wirtschaft, im Mai 1873 an das Groß­herzogliche Kreisamt das Gesuch richtete, eine Dampf­maschine auf dem eigenen Grund­stück an der Rhein­straße (Haus­nummer 23) errichten zu dürfen, wurde die Maschinen­fabrik und Eisen­gießerei mit dem Auftrag zur Herstellung und Lieferung derselben bedacht. Indes, die Arbeiten zogen sich, unter anderem aufgrund von Ein­sprüchen der Anlieger, vier Jahre lang hin. Diesen Nachbarn in der Rhein­straße, Grafen­straße und Bleich­straße war die Aufstellung eines Dampfkessels wohl nicht geheuer, ganz zu schweigen von den Abgasen. Sie mühten sich darum, den Abstand des Kessels von der Grundstücks­grenze, die Errichtung einer Schutzmauer und einen 18 Meter hohen Schorn­stein durchzu­setzen. Erst am 28. März 1877 konnte deshalb der Dampfkessel mit der Fabrik­nummer 1360 abgenommen werden. [30]

„Gesellschaft zur Revision und überwachung von Dampfkesseln mit dem Sitze in Offenbach a. M.

Auf Grund der Verfügung Großh. Ministeriums des Innern, d. d. Darmstadt, den 9. Febr. 1875, – Nr. M. I. 15116 – begab sich der unterzeichnete Ingenieur der Gesellschaft heute in das Kesselhaus der L. C. Wittich'schen Hofbuchdruckerei in Darmstadt um den, genannter Firma gehörigen Dampfkessel mit der Bezeichnung: Maschinenfabrik & Eisengießerei Darmstadt, Nr. 1360. 6at. 1877. bezüglich seiner Garnitur gemäß der Bekanntmachung des Reichs-Kanzleramts, betreffend die Anlegung von Dampfkesseln, d. d. Berlin, den 29. Mai 1871, zu revidiren.

Es wurde hierbei constatirt, daß die Garnitur des Dampfkesels allen Bestimmungen der erwähnten Bekanntmachung vollkommen genügt, und die Anlage desselben den Bedingungen der Genehmigungsurkunde vom 16. März 1877 entsprechend ausgeführt ist.

Der Dampfkessel besitzt zur Erzeugung des Wasserstandes und Dampfdruckes ein Wasser­standsglas, zwei Probirhähne und ein mit Control­flansch versehenes Feder­manometer, ferner zwei Speise­vorrichtungen, welche nicht von derselben Betriebs­vorrichtung abhängig sind.

Es sind 2 Sicherheitsventile vorhanden, die mittelst Hebel und Gewicht so belastet sind, daß sie bei Eintritt der höchsten zulässigen Spannung von sechs Atmosphären Ueberdruck den Dampf entweichen lassen.

Bei denselben sind folgende Maße und Gewichte zu notiren:

 Ventil No. 1Ventil No. 2
Lichter Durchmesser45 m/m45 m/m
Sitzbreite2,5 m/m2,5 m/m
Länge des Hebels vom Drehpunkt bis zur Ventilmitte60 m/m60 m/m
Länge des Hebels vom Drehpunkt bis zum Aufhängepunkt des Belastungsgewichts360 m/m360 m/m
Gewicht des Ventilkegels mit Druckstift0,5 Kgr.0,5 Kgr.
Gewicht des Hebels1,5 Kgr.1,5 Kgr.
Belastung17,5 Kgr.17,5 Kgr.

Gemäß der Nachtrags­bestimmung der Groß­herzoglichen Verordnung vom 4. August 1857 und der Verfügung Großh. Ministeriums des Innern, d. d. Darmstadt, 18. April 1876 – Nr. M. d. I. 5389 – werden die Belastungs­gewichte der Sicherheits­ventile mit dem Stempel ‚amtlich revidirt R. G. O.‘ versehen und im Kessel­hause eine Tafel aufgehängt, auf der die oben angegebenen Verhält­nisse aufgezeichnet sind.

Offenbach a. M., den 28. März 1877.

Der verpflichtete Ingenieur der Gesellschaft:

A. Arnold“

Etwa zur gleichen Zeit stellte die Maschinenfabrik und Eisengießerei einen Dampfkessel, der beim Umzug aus der „alten Fabrik“ in der Frankfurter Straße mitgenommen wurde, in einem Gebäude der „neuen Fabrik“ an der Blumenthal­straße wieder auf. Zum Betrieb benötigte sie eine amtliche Genehmigung. Mit der hier vorliegenden, im „Darmstädter Tagblatt“ am 2. April 1878 veröffent­lichten Bekannt­machung wurde der Formalie genüge getan, eventuelle Einwände im büro­kratischen Dickicht zu versenken. Es handelt sich hierbei um den liegenden Röhren­kessel Nr. 789, den das Unternehmen 1865 für die eigene Produktion von den eigenen Arbeitern hatte bauen lassen. [31]

Bekanntmachung im Darmstädter Tagblatt.

Abbildung 16.11: Bekanntmachung des Kreisamtes Darmstadt im Darmstädter Tagblatt vom 2. April 1878 [online ulb darmstadt]. Die hierin genannte Hausnummer 21 ist ein Verschreiber; es muß „24“ heißen.

Letzte Klimmzüge

Wenn die Geschäfte nicht laufen, sind die ersten Leidtragenden die Arbeiterinnen und Arbeiter eines Unternehmens. Ende 1877 wurden wieder einmal einige Arbeiter mitsamt ihren Familien der Fürsorge der Suppenanstalt überstellt.

Darmstadt, 10. Dez.  In der Maschinenfabrik und Eisengießerei mußte wieder eine größere Anzahl von Arbeitern wegen Mangels an Aufträgen entlassen werden. Weiter Kündugungen in diesem Etablissement sollen noch bevorstehen.“ [32]

Es dauerte einige Zeit, bis die Alarmglocken auch bei der Bank für Handel und Industrie begannen zu klingeln. Als Vorbereitung auf die Aufsichtsrats­sitzung des Instituts am 25. Februar 1878 meinte die Darmstädter Direktions­abteilung noch:

„Auch die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt kann über den bisherigen Verlauf des Betriebsjahres 1877/78 insofern nicht klagen, als sie im vorigen Herbst ziemlich ansehnliche Verkäufe gemacht hat und auch neuerdings, nachdem ein kurzer Stillstand in den Aufträgen eingetreten war, wieder mit Arbeit in ganz befriedigender Ausdehnung versehen ist.“ [33]

Hatte ein Optimist noch gemeint, 1877 könne man eine befriedigende Auftragslage vorweisen, so zeigte die Bilanz dies Geschäftsjahres 1877/78 mitsamt der Gewinn- und Verlust-Rechnung schonungslos die Schieflage des Unternehmens auf. Die Geschäfte liefen noch schlechter als im Vorjahr, an eine Dividenden­ausschüttung war gar nicht erst zu denken.

Bilanz zum 30. Juni 1877.

Abbildung 16.12: Bilanz des Geschäfts­jahres 1876/77. Quelle: Darmstädter Zeitung vom 22. Dezember 1877 [online ulb darmstadt].

Die Darmstädter Handelskammer vermerkt: „Wenn nicht baldige Besserung eintritt, so werden viele Etablissements es vorziehen müssen, ihren Betrieb ganz einzustellen, als noch fernerhin mit Verlust zu arbeiten.“ [34]

Und so kam es in diesem Fall dann auch. Doch zuvor übte sich das Unter­nehmen in kreativer Buchführung. [35]

Fünfzehn Jahre nach der Ende 1863 abgeschlossenen Restrukturierung des Aktienkapitals stellte man fest, daß die in den Büchern auftauchenden Werte, insbesondere die der Immobilien und Maschinen, nicht mit den tatsächlich realisierbaren Werten übereinstimmen. Gerade in der überhitzten Konjunktur zu Beginn der 1870er Jahre hatte die Maschinenfabrik ihre Bauten erweitert und neue Maschinen installiert, aber auch gefertigt. In den ersten Jahren der Gründerkrise hingegen war hier ein deutlicher Wertverlust zu verzeichnen. Andererseits wirkte sich die Expansion Darmstadts nach Nordwesten mit Fabrikviertel und Blumenthal­viertel auf die Grundstückspreise aus. Der Aufsichtsrat des Unternehmens veranlaßte daher die beiden Direktoren Franz Horstmann und Ludwig Weber, sachkundige Dritte für ein entsprechendes Gutachten aufzusuchen. In einer etwas größer gewordenen Kleinstadt wie Darmstadt kannten sich Fabrikanten und Handwerker, Betriebsleiter und Ingenieure, so daß an ein unbefangenes und unabhängiges Urteil schwer geglaubt werden kann. Beauftragt wurden als Experten der Maschinenmeister Heinrich Schuchmann aus der Central­werkstätte der Main-Neckar-Eisenbahn, der Bauunter­nehmer Louis Riedlinger, der Zimmermeister August Ruths und der Bautechniker Heinrich Heyl.

So wurde beispielsweise der etwa 4000 Quadrat­klafter umfassende Grund­besitz der „neuen Fabrik“, der zwischen 1858 und 1865 für drei Gulden pro Quadrat­klafter erworben wurde, nunmehr auf 51,75 Mark taxiert. Die daraus resul­tierende Wert­steigerung war enorm. War das Grund­stück 1865 umge­rechnet nur 20.558,20 Mark wert, so wird der Wert des Geländes nunmehr auf 207.000 Mark geschätzt. Anderer­seits wurde die neue mechanische Werk­stätte mit Kessel­haus, Kamin und Kanal um 26.198,80 Mark auf 123.520 Mark herab­gesetzt. Alle Positionen zusammen betrachtet ergaben jedoch – wie erwartet und auch erwünscht – eine deutliche Wert­steigerung um 223.583 Mark.

„Würden die Resultate der neuen Schätzung zur Aufstellung unserer Bilanz benutzt worden sein, so würden nicht nur die Verluste der beiden vorangegangenen Betriebsjahre ausgeglichen sein, sondern sich noch ein Gewinn von M. 105.255,41 ergeben haben, der dem Verlust aus dem Jahre 1862/3 auf M. 85.459,04 reduciren würde.

Wenn einerseits die Aufstellung uneres Inventars nach den seitherigen Grundsätzen nothwendig war um das Resultat des abgelaufenen Betriebsjahres beurtheilen zu können, ist auf der anderen Seite nach unserer Ansicht kein Grund vorhanden, ein auf Grundlage der neuen Abschätzungen aufgestelltes Inventar nicht als Ausgangspunkt für die Beurtheilung unserer ganzen finanziellen Lage bezüglich der in unserem Inventar liegenden Sicherheit anzunehmen, worauf wir hier im Hinblick auf die Tagesordnung der für heute Nachmittag anberaumten außer­ordentlichen General-Versammlung ganz besonders aufmerksam zu machen uns erlauben.“

Was, ohne daß dies im Geschäftsbericht weiter ausgeführt wird, aber sicherlich impliziert war, bedeutet, daß die mit der damaligen Restrukturierung des Aktien­kapitals verbundene Halbierung des Wertes der Stamm­aktien ein Stück weit wieder zurück­genommen werden könnte. Diese Aussicht erfreut natürlich die damals vom Wertverlust betroffenen Aktionäre. Inwieweit das alles nur Wunsch­denken war, würde das kommende Jahr zeigen.

Die Aufhübschung der Bilanzen konnte nämlich nicht über­tünchen, daß die Geschäfte einfach nicht liefen. Bestenfalls wäre eine weitere Atempause ermöglicht worden, in der Hoffnung auf bessere Zeiten. Die Ironie der Geschichte will es dann auch, daß in dem Moment, als die Abwicklung des Unter­nehmens beschlossen wurde, leichte Erholungs­tendenzen am Konjunktur­himmel sichtbar wurden.

Doch so waren Entlassungen die Folge der anhaltend schlechten Geschäftslage. Die Zahl der Arbeiter schwankte zwischen 203 und 159 und die ausgezahlten Löhne sanken erheblich im Vergleich zu denen im Geschäftsjahr 1875/76. Erreicht wurde dies vermutlich durch die Entlassung besser verdienender Arbeiter und vor allem durch kürzere tägliche Arbeitszeiten.

Tabelle 16.2: Arbeitslöhne der Maschinen­fabrik und Eisengießerei im Vergleich zwischen 1874/75 und 1877/78. Es handelt sich jeweils um statistische Durch­schnittswerte in Mark. Quelle: Geschäfts­berichte für 1875/76 und 1877/78.
Geschäftsjahr1874/751875/761876/771877/78
Betroffene ArbeiterAnzahlJahres­lohnAnzahlJahres­lohnAnzahlJahres­lohnAnzahlJahres­lohn
Dreherei, Montage118,2836,67115,8836,11    
Kesselschmiede, Schmiede70,8804,6275,5808,00    
Werkstätten incl. Schmiede, Kesselschmiede    163,9757,28143749,43
Eisengießerei38,2700,0036,4677,8031,9655,3029 ⅔653,16
Gesamt243,4807,30240,8816,37203 ¼743,31178,3732,60
Tabelle 16.2: Arbeitslöhne der Maschinen­fabrik und Eisengießerei im Vergleich zwischen 1874/75 und 1877/78. Es handelt sich jeweils um statistische Durch­schnittswerte in Mark. Quelle: Geschäfts­berichte für 1875/76 und 1877/78.
Geschäftsjahr1874/751875/76
Betroffene ArbeiterAnzahlJahres­lohnAnzahlJahres­lohn
Dreherei, Montage118,2836,67115,8836,11
Kesselschmiede, Schmiede70,8804,6275,5808,00
Werkstätten incl. Schmiede, Kesselschmiede    
Eisengießerei38,2700,0036,4677,80
Gesamt243,4807,30240,8816,37
Geschäftsjahr1876/771877/78
Betroffene ArbeiterAnzahlJahres­lohnAnzahlJahres­lohn
Dreherei, Montage    
Kesselschmiede, Schmiede    
Werkstätten incl. Schmiede, Kesselschmiede163,9757,28143749,43
Eisengießerei31,9655,3029 ⅔653,16
Gesamt203 ¼743,31178,3732,60
Zeitungsannonce.
Abbildung 16.13: Annonce der Direktion mit der Einladung zur bald darauf verschobenen General­versammlung. Quelle: Darmstädter Zeitung vom 19. November 1878 [online ulb darmstadt].

Die Lohnsummen, inklusive der in der obigen Tabelle nicht erfaßten Arbeiter, betrug 1874/75 190.623,37 Mark, 1875/76 196.579,15 Mark, 1876/77 151.089,70 Mark und 1877/78 130.636,11 Mark.

Der im Geschäftsjahr 1877/78 aufgetretene Verlust veranlaßte das Unternehmen, ein weiteres hypothekarisch abgesichertes Anlehen in Höhe von 150.000 Mark aufzunehmen. Die damit verbundenen 300 Teil­schuld­verschreibungen zu je 500 Mark dienten der Bank für Handel und Industrie als Sicherheit für den inzwischen horrende auf­gelaufenden Konto­korrent­kredit. Insgesamt stand das Unternehmen zum 30. Juni 1878 bei diversen Banken mit 228.174,11 Mark in der Kreide, davon alleine mit 186.500 Mark bei der Darmstädter Bank.

Die für den 11. Dezember 1878 angesetzte ordentliche General­versammlung versprach somit einigen Diskussions- und Klärungsbedarf. Dies wurde erst recht deutlich, als kurz darauf die Versammlung um zehn Tage verschoben wurde und im Anschluß eine außer­ordentliche General­versammlung die Liquidation des Unternehmens beschließen sollte. Auf diese Vorgehensweise hatten sich die Hauptaktionäre verständigt und der Aufsichtsrat der Bank stimmte aufgrund eines ausführlichen Berichts seiner Darmstädter Direktions­abteilung zu.

„Bericht der Directions­abtheilung Darmstadt zur Sitzung des Aufsichtsraths vom 25. November 1878.

Wir müssen schon im Eingang unseres heutigen Berichts constatiren, daß wir Ihnen in demselben zwei für unser Institut unerfreuliche Meldungen zu erstatten haben über Ereignisse, deren eines lange vorauszusehen oder doch befürchtet war, während das zweite durch neu hinzugetretene Ihnen bereits gemeldete ungünstige Umstände sich erklärt; wir sprechen von den Verhältnissen der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt einerseits und von denen des Syndicats des Peruanischen Guano-Geschäfts andererseits und gestatten uns hierüber nachstehend unter den entsprechenden Rubriken zu berichten.

Industrielle Unternehmungen.

Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt. Die Verhältnisse dieser Gesellschaft sind im Lauf des mit dem 30. Juni c. beschlossenen letzten Geschäftsjahres und seitdem bis heute in verstärktem Maß derart zurückgegangen, daß die Actionäre derselben sich vor die Frage gestellt sehen, ob nicht in Liquidation getreten werden solle. So peinlich unser Institut ein solch unglückliches Ende der von ihr vor fast 21 Jahren mitbegründeten und in der Hoffnung auf gedeihliche Weiter­entwicklung gern gestützten Fabrik auch berühren muß, – dieselbe schien auch durch während einer Reihe von Jahren erzielte schöne Resultate unsere Hoffnung verwirklichen zu wollen, – so können wir uns doch heute der Ueberzeugung nicht verschließen, daß die sofortige Liquidation ins Auge gefaßt werden muß, wenn die Unternehmung ihr Schicksal in der Hand behalten und sich nicht der Gefahr ausgesetzt sehen will, gegen ihren Willen zum Ende zu kommen und sich der Möglichkeit der guten, ruhigen und ehrenhaften Durchführung der Liquidation beraubt zu sehen. In einer am 22. d[iesen] M[ona]ts stattgehabten Besprechung einer Anzahl größerer Actionäre der Gesellschaft ist dann auch die Ueberzeugung zum Durchbruch gekommen, daß das Unternehmen nur dann möglicher­weise glücklich über die schweren Zeiten hinaus gebracht werden könnte, wenn alsbald ein Betriebsfonds demselben – in namhaftem Betrag – à fonds perdu als Prioritäts Actie Lª. B oder dgl. – zur Verfügung gestellt würde, doch sind allseitig Zweifel darüber ausgesprochen worden, daß es möglich sei, von den Actionären einen solchen Fonds in genügender Höhe zu erhalten und ist es deshalb unzweifelhaft, daß die demnächst stattfindende General­versammlung der Actionäre der Gesellschaft die Liquidation beschließt.

Die Liquidation wird ungestört verlaufen können, wie Sie aus den nachstehend wieder­gegebenen Umrissen des Liquidations­plans entnehmen wollen.

Es sollen die guten verkäuflichen, in Arbeit befindlichen Maschinen, unter entsprechender Reduction des Arbeiter­bestands auf 50 Mann, fertig gestellt werden, was bis zum April nächsten Jahres geschehen sein wird und wodurch diese Maschinen, in denen bis heute ℳ 75.000,– Geld stecken, einen Verkaufswerth von ℳ 130.000,– erreichen; dazu treten bereits fertige, verkäufliche Maschinen mit ℳ 20.000,– und die – guten – Debitoren der Firma mit ℳ 41.000,–
zusammen ℳ 191.000,–

Hieraus sind zunächst zu bestreiten:

1. die Waarengläubiger (ℳ 46.000,–) und Tratten (ℳ 20.000) der Gesellschaft inclusive sämmtlicher bis Ende März auf die Darlehen an die Gesellschaft (Bank, Süddeutsche Immobilien-Gesellschaft und Süddeutsche Boden­creditbank etc.) sowie die 5% Obligationen der Gesellschaft erwachsenden Zinsen und sämmtliche bis zum 31. März fälligen oder fällig werdende Steuern, Versicherungs­prämien etc. mit zusammenℳ 104.000,– 
ferner ein kleiner Bankcredit u. Anzahlungenℳ 22.000,– 
zusammenℳ 126.000,– 
2. noch bis Ende März zu zahlende Löhne und Gehälter (ℳ 25.000,–) u. Material (ℳ 28.000) für gedachte Fertigstellung von Maschinenℳ 53.000,–ℳ 179.000,–
und bleiben disponibel ℳ 12.000,–

Diese ℳ 12.000 und die übrigen sehr bedeutenden Activa der Gesell­schaft hätten dann zur Deckung folgender Forderungen zu dienen:

I. 5% Obligationen der Gesellschaft ℳ 163.714,29
II. Südd. Bodencreditbank ℳ 77.000,–
III. Südd. Immobilien Gesellschaft ℳ 60.000,–
IV. Bank ℳ 184.000,–
V. Diverses ℳ 6.000,–
 zusammenℳ 490.714,29
Hiervon gehen zunächst ab obigeℳ 12.000,– 
und jedenfalls die Forderung der Südd. Boden­credit­bank mitℳ 77.000,– 
 zusammenℳ 89.000,–

Es ist nämlich die genannte Gesellschaft für den Betrag ihrer Forderung auf den Werth der sog. alten Fabrik angewiesen wie auch die Südd. Immobilien Gesellschaft – nach der Boden­creditbank – auf diese Immobil angewiesen ist. Fragliche alte Fabrik, die in guter Lage steht, ist nämlich auf fl. 90.000,– bewerthet gewesen d. i. auf ca. ℳ 154.000,–, es ist also bestimmtest anzunehmen, daß mindestens die Forderung der Südd. Boden­creditbank aus diesem Immobil befriedigt werden wird und kann dieselbe als weiter nicht in Betracht kommend jedenfalls ausgeschieden werden.

Sonach müßte aus den restlichen Activen der Gesellschaft nur noch der Betrag von ℳ 401.714,29 oder rund ℳ 402.000,– gedeckt werden.

Es wäre aber ein Erwerbspreis von ℳ 402.000,– für die neue Fabrik sammt allen weiteren vorhandenen Activen als beispiellos billig zu bezeichnen, wenn man sich vergegen­wärtigt, daß z. B. in die Heilbronner Maschinenbau­gesell­schaft, die heute noch mit einem Nutzen von ca. 2% arbeitet, die weniger als ⅓ des Areals der hiesigen neuen Fabrik und ⅓ der Leistungs­fähigkeit der letzteren besitzt, über ℳ 380.000,– gesteckt sind, dabei ist zu bemerken, daß die Heilbronner Fabrik viel weniger günstig für den Betrieb gelegen ist als die hiesige. Um die oben ausge­sprochene Anschauung weiter zu belegen, zählen wir nach­folgend die größeren Activa's der hiesigen Gesell­schaft einzeln auf.

Es sind vorhanden:

1. Immobilien  unmittelbar am Bahnkörper und zugleich in der Stadt gelegen 
a. Terrain 3941 Quadratklafter, das nach heute veranschlagt werden darf auf ℳ 40,– per Quadratklafter =ℳ 157.600,–
b. darauf befindliche, sehr gut eingerichtete Gebäude für den Betrieb der Fabrikℳ 388.000,–
zusammenℳ 545.600,–
(nach dieser Tage von zuverlässigen Experten vorgenommener Schätzung sogar ℳ 559.500,–) 
2. Maschinenℳ 196.700,–
3. Werkzeuge und Gerätheℳ 80.000,–
4. Magazinsvorrathℳ 30.400,–
5. Guß- und Materialvorräthe der Gießereiℳ 7.800,–
6. Mobiliarℳ 5.500,–
7. Vorräthe der Maschinenfabrik (20.000,–), aber nicht berücksichtigte fertige u. halbfertige Maschinen (20.000,–), Modelle (12.300,–), Diverses (3.000,–) zusammen im Werth von über ℳ 55.000,–, die wir indessen ganz außer Ansatz lassen 
und ergeben die Pos. 1 bis 6 einen Werth vonℳ 866.000,–

Es ist noch zu bemerken, daß in den pos. 4 und 5 ein Betriebsfonds von ℳ 38.000,– steckt, wozu noch aus der, gar nicht mitgerechneten, pos. 7 ℳ 20.000,– an Vorräthen der Maschinenfabrik treten, zusammen ℳ 58.000,–

Endlich dürfen wir nicht unterlassen, hier nochmals hervorzuheben, daß wir in der Bilanz des Vorjahrs im Hinblick auf die ungünstige Situation der hiesigen Fabrik – über getroffene gänzliche Abschreibung der in unserem Besitz befindlichen Actien – eine Reserve von ℳ 100.000,– schon gelegt hatten.“

Quelle: Der Bericht als Anlage zum Protokoll der Aufsichtsrats­sitzung der Bank für Handel und Industrie am 25. November 1878. [36]

Wir werden im folgenden Kapitel sehen, daß die Berichterstatter arg optimistisch waren, was die Verwertung der Immobilien betraf.

Die Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei wird fortgesetzt in Kapitel 17 mit der Abwicklung des damals größten Darmstädter Maschinenbau­unternehmens.

Quellen- und Literaturverzeichnis.


Anmerkungen

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Sechzehntes Kapitel zur Geschichte der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt.

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Bearbeitungsstand: 30. Oktober 2021.
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