Die schon zuvor bestehende Maschinenfabrik und Eisengießerei in Darmstadt wurde mit Unterstützung der ebenfalls in Darmstadt ansässigen Bank für Handel und Industrie 1857 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Liquidation des Unternehmens wurde mit der Generalversammlung am 21. Dezember 1878 eingeleitet.
Arthur Uecker, dem offensichtlich keine Originaldokumente des Unternehmens vorlagen, veröffentlichte 1928 seine bis zum beginnenden 21. Jahrhundert allein maßgebliche Untersuchung über die Industrialisierung Darmstadts im 19. Jahrhundert. Hierbei bezog er sich, was die Maschinenfabrik und Eisengießerei anging, vorwiegend auf Angaben der Jahresberichte der Großherzoglichen Handelskammer zu Darmstadt. Seine darauf fußende Darstellung des Unternehmens wird im Folgenden wiedergegeben.
Über Arthur Fritz Uecker ist wenig bekannt. Der Bucheinband weist ihn als Diplom-Volkswirt aus; aufgrund der hier vorliegenden, an der Universität Heidelberg eingereichten Dissertation trägt er zudem einen Doktortitel.
Arthur Ueckers Buch ist in der Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt in mehreren Exemplaren vorhanden. Das hier vorliegende Exemplar wurde offenkundig gezielt im Hinblick auf die Maschinenfabrik und Eisengießerei ausgewertet; die Markierungen des (vermutlich männlichen) Ausleihers verraten einen wenig bibliotheksgerechten Umgang mit dem benutzten Buch; der Eintrag ist jedoch älter, denn der Schreiber war noch der Kurrent- bzw. Sütterlinschrift verhaftet. Ob es gar Arthur Uecker selbst gewesen ist?
Arthur Uecker erwähnt die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt zunächst am Rande in zwei verschiedenen Zusammenhängen. Auf den Seiten 89 bis 92 gibt er eine aus den zeitgenössischen Adreßbüchern gewonnene Übersicht über die Darmstädter Fabriken in den Jahren 1850, 1865 und 1870. Unter der Rubrik Maschinen und Eisenwaren wird 1850 die Rößler'sche Fabrik erwähnt, während in den Jahren 1865 und 1870 die ihr nachfolgende Aktiengesellschaft unerwähnt bleibt, obwohl sie im Adreßbuch aufgeführt ist. Auf Seite 94 führt er als Darmstädter Aussteller auf der Londoner Industrieausstellung von 1862 neben der Firma J. Jordan und Sohn die „Maschinen und Eisengießerei‘ auf. Dies ist insofern bemerkenswert, weil Eckhart G. Franz im Gemeinschaftswerk „Darmstadts Geschichte“ das Unternehmen übergeht:
„Die Darmstädter Maschinenfabrikation hatte mit einem Export von 90000 Zentnern im Stichjahr 1860 wesentlichen Anteil am Frachtaufkommen der Bahn. Auf der großen Londoner Weltausstellung vom Sommer 1862 war diese bedeutendste Branche der Darmstädter Industrie allerdings nur durch den ältesten ihrer Betriebe, die Maschinenfabrik J. Jordan, vertreten, die ebenso wie die Firma E. Merck, Hochstätter-Tapeten, Schuchard-Hüte und Wenck-Zigarren mit einer der begehrten Preismedaillen ausgezeichnet wurde.“ [1]
Uecker scheint hier nicht genauer nachgeforscht zu haben. Zwar führt der Ausstellungskatalog des Zollvereins für die Londoner Weltausstellung die Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt nicht einfach nur auf, sondern enthält eine nähere, auch bildliche Darstellung der von diesem Unternehmen ausgestellten Lokomotive bzw. des Lokomobils. Doch wie vierundzwanzig andere Firmen, die sich 1861 angemeldet haben, war das Unternehmen mit keinen Gegenständen vor Ort vertreten [2]. Vielleicht hat sich die Maschinenfabrik und Eisengießerei mehr davon versprochen, für ein deutsches Publikum im Ausstellungskatalog aufgeführt zu sein, als den beschwerlicheren Weg zu wählen, ihren Lokomotiverstling auf den langen Weg über Rhein, Nordsee und Themse zu schicken. – Uecker geht nunmehr auf Seite 99 näher auf das Unternehmen ein.
Abbildung 1: Die Darstellung auf den Seiten 99 und 100 des Buches.
Der zweite größere Block mit einer den Jahresberichten der Großherzoglichen Handelskammer entnommenen Beschreibung der Maschinenfabrik und Eisengießerei Darmstadt findet sich auf den Seiten 147 bis 149.
Abbildung 2: Die Darstellung auf den Seiten 147 bis 149 des Buches.
Sofern nicht direkt auf älteres Quellenmaterial zurückgegriffen wird oder werden kann, ist Ueckers Darstellung der Industrialisierung Darmstadts ein sinnvoller Ausgangspunkt zur Erforschung des Unternehmens, aber nicht mehr. Bei der Durchsicht der von ihm genutzten Quellen wird sich herausstellen, daß es weitaus mehr herauszufinden gibt und daß sich Uecker an einer Stelle, nämlich in Bezug auf die Brennerei- und Brauereimaschinen, bei der Interpretation des zugrunde liegenden Jahresberichtes geirrt und damit auch spätere Autoren, die ihm folgen, in die Irre geführt hat.
»» [1] Eckhart G. Franz in: Friedrich Battenberg, Jürgen Rainer Wolf, Eckhart G. Franz (auch Gesamtredaktion) und Fritz Deppert : Darmstadts Geschichte. Fürstenresidenz und Bürgerstadt im Wandel der Jahrhunderte [1980], Seite 361.
»» [2] Das Gewerbeblatt für das Großherzogthum Hessen listet in seiner Ausgabe 35 vom September 1861 die angemeldeten Aussteller aus dem Großherzogtum auf, darunter auf Seite 278 auch die Maschinenfabrik und Eisengießerei. In Ausgabe 35 vom August 1862 hingegen wird mitgeteilt, daß von den 125 angemeldeten Ausstellern aus dem Großherzogtum nur einhundert vor Ort gewesen sind; aus der Liste auf den Seiten 273 bis 275 geht hervor, daß das Darmstädter Unternehmen tatsächlich nicht in London präsent war. Uecker scheint das Gewerbeblatt von 1862 nicht konsultiert zu haben. Andererseits heißtes im „Illustrirten Katalog der Londoner Industrie-Ausstellung von 1862“ auf Seite 238, bei den Lokomobilen der achten Klasse seien nur zwei aus Deutschland eingeliefert worden, und zwar von den Maschinenbaugesellschaften aus Darmstadt und Köln. Ist mit der Darmstädter Fabrik Jordan gemeint?
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