Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der alten Riedbahn.
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Bahnwärterhaus an der Hammelstrift.
Bahnwärterhaus.
Zwei Gleise am Posten 82.
Riedbahngleise Posten 82.
Hessische Ludwigsbahn.
Hessische Ludwigsbahn.
Bergschneise.
Bergschneise Posten 85.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Der Posten 76 an der Pfützen­straße in Griesheim

Bilder aus 75 Jahren

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darm­stadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Doku­mentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Strecken­abschnitt zwischen Darm­stadt und Goddelau. Die Geschichte der Riedbahn wird an anderer Stelle meiner Webseite ausführ­lich abgehandelt.

Westlich des Griesheimer Bahnhofs kreuzte die Riedbahn eine in Richtung Büttel­born ver­laufende Seiten­straße, die Pfützen­straße. Der hier errichtete Posten mit der Nummer 76 ver­änderte im Verlauf der Jahre sein Aussehen. Auf dieser Seite werden ver­schiedene Ansichten des 20. Jahr­hunderts zusammenge­tragen. Ansichten aus dem 19. Jahr­hundert sind vermut­lich aufgrund der Banalität des Motivs nicht gefertigt worden.

1977, sieben Jahre nach Auf­lassung diese Bahnüber­gangs mangels vor­handenen Gleises, rumpelte es an dieser Stelle noch einmal. Mehrere Güter­waggons hatten sich bei Messel „selbständig gemacht“ und wurden vom Darm­städter Fahr­dienst­leiter auf das nachts nicht befahrene Gleis von Darmstadt nach Gries­heim umgeleitet. Der Prellbock am Gleisende wurde durch die Wucht des Aufpralls weg­gerissen und die Schotter­waggons demolierten ein Wohnhaus. Diese Geschichte wird an anderer Stelle nacherzählt.

Ich danke dem Stadt­archiv Griesheim und Ria Herz (†) für die Über­lassung ihrer Auf­nahmen zur Pfüzen­straße. Der Ausschnitt aus dem Stadtplan ent­stammt dem Internet­auftritt der Stadt Griesheim. Die freie Nutz­barkeit für nicht­kommerzielle Zwecke ist einfach vor­bildlich zu nennen.


Ein Posten mit Stellwerk

Stadtplan Griesheim.

Abbildung 1: Stadtplan Griesheim, aus der Online­version von etwa 2010.

Selbst auf einem neueren Stadtplan ist die alte Riedbahn­trasse noch auszumachen. Zwar wurde das Schotterbett in Richtung Wolfskehlen durch einen „Promenadenweg“ überlagert bzw. ersetzt, und an der Schöneweiber­gasse wurde die aufgelassene Flucht durch Wohnhäuser und eine Seniorinnen­residenz überbaut, doch schon ab der Georgstraße zieht sich ein Richtung Ostnordost verlaufender Grünstreifen zwischen Gewerbe- und Neubaugebiet hin zum Wald Richtung Darmstadt. Markiert sind auf dem Plan die Posten 74 (heute noch anhand eines umgebauten Bahnwärterhauses aufzufinden) bis 78.

Bahnhofsansicht. Quelle: Stadtarchiv Griesheim.

Bild 2: Bahnhof Griesheim, von der Pfützenstraße aus gesehen, wohl zwischen 1902 und 1911 aufgenommen. Das (zumindest mir bekannte) früheste bildliche Zeugnis des Postens 76. Quelle: Stadtarchiv Griesheim, em2005.0002.


Stellwerk Pfützenstraße.
Bild 3: Stellwerk II an der Pfützenstraße, 1920 oder 1921. Quelle: Stadtarchiv Griesheim, em 2008.0046.

1900/01 war die Strecke um ein zweites Gleis erweitert worden. Ein Plan aus dem Jahr 1903 zeigt zwei durchgehende Bahnsteiggleise und ein am nördlichen Rand befindliches Ausweich­gleis. Diese Anordnung änderte sich mit Herannahen des Ersten Weltkrieges, als nördlich des Ausweich­gleises eine Militärrampe aufgeschüttet wurde, um Material und Mannschaften vom und zum Lager am Griesheimer Sand zu befördern.

Bereits auf dem Plan von 1903 wird die Bude am Bahnübergang als „Stellwerk II“ bezeichnet; welche Weichen und Signale von hier aus gesteuert wurden, ist unbekannt. Fast zwei Jahrzehnte später, also während der französischen Besatzung Griesheims, stehen und sitzen Gleisarbeiter in Positur am nun deutlich ausgebauten und an der Südseite befindlichen Stellwerk an der Pfützenstraße. Vom Lichteinfall her wird die Aufnahme am späten Nachmittag, eventuell auch frühen Abend entstanden sein.

Firmengelände Nothnagel.
Bild 4: Blick über die Pfützenstraße auf das Gelände der Fa. Nothnagel, 1966 oder später. Quelle: Stadtarchiv Griesheim, em 2008.0051.

Weitere Aufnahmen dieses Bahnübergangs zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sind mir (derzeit) nicht bekannt. Aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stammt eine von der Fa. Nothnagel in Auftrag gegebene Luftbildauf­nahme des Firmengeländes. Die drei unterhalb des Bahnübergangs befindlichen Gleise werden in Richtung Wolfskehlen zu einem vereinigt, was für einen Aufnahmezeit­punkt zwischen 1966 und 1971 spricht. 1965 oder 1966 wurde das zweite Streckengleis wieder entfernt, kurz nach Einstellung des Personenverkehrs im September 1970 wurde die Trasse westlich der Pfützenstraße komplett aufgegeben. Das Stellwerk befindet sich am unteren Bildrand links der Gleise. Das markante Gebäude in der Bildmitte wurde beim Aufprall mehrerer Schotterwagen 1977 derart beschädigt (siehe weiter unten), daß es abgerissen werden mußte.

Motiv 1955.
Bild 5: Bahnübergang und Stellwerk, 1955. Quelle: Ria Herz.

Ein Jahrzehnt früher, 1955, läßt sich vor dem Nothnagel­schen Gelände Ria Herz mit ihren Kindern fotografieren. Obwohl keinesfalls daran gedacht war, den Bahnüber­gang mitsamt seines Stellwerks als Motiv mit abzulichten, liegt hiermit eines der wenigen Bilddoku­mente aus den Griesheimer Eisenbahn­tagen vor. Im Hintergrund (Bildmitte, halblinks) ist der noch vollständige Schornstein der Bonbonfabrik Pasquay zu erkennen.

Motiv 1965.
Bild 6: Bahnübergang und Stellwerk, 1965, also zehn Jahre später. Quelle: Ria Herz.

1965 wurden Griesheim aus Anlaß seiner 800-Jahr-Feier die Stadtrechte verliehen. Entsprechend herausgeputzt fuhr eine Kutsche vom Nothnagel­schen Anwesen in die Stadt. Leider ist auf dem Bild nicht auszumachen, ob das zweite Streckengleis noch liegt.

Schotterwagen.
Bild 7: Schotterwagen im Garten, 1977. Quelle: Ria Herz.

Abschließend sei ein weiteres Bild als Folge des Schotterwagen­unfalls 1977 gezeigt. Wenn wir uns das rechte Gleis (unterhalb des Bahnüber­gangs) auf Bild 3 verlängert vorstellen, dann ist verständlich, weshalb die aus Messel mit einer Endgeschwindig­keit von vielleicht fünfzig, vielleicht auch siebzig Stundenkilo­metern herangerollten schwerbe­ladenen Schotter­wagen den Prellbock einfach beiseite schoben und schnurgerade weiter driftend die Grund­stücksmauer zerfetzten und das Wohnhaus trafen. Die beiden Bewohnerinnen blieben glücklicher­weise unverletzt.