1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.
Westlich des Griesheimer Bahnhofs kreuzte die Riedbahn eine in Richtung Büttelborn verlaufende Seitenstraße, die Pfützenstraße. Der hier errichtete Posten mit der Nummer 76 veränderte im Verlauf der Jahre sein Aussehen. Auf dieser Seite werden verschiedene Ansichten des 20. Jahrhunderts zusammengetragen. Ansichten aus dem 19. Jahrhundert sind vermutlich aufgrund der Banalität des Motivs nicht gefertigt worden.
1977, sieben Jahre nach Auflassung diese Bahnübergangs mangels vorhandenen Gleises, rumpelte es an dieser Stelle noch einmal. Mehrere Güterwagen hatten sich bei Messel „selbstädig gemacht“ und wurden vom Darmstädter Fahrdienstleiter auf das nachts nicht befahrene Gleis von Darmstadt nach Griesheim umgeleitet. Der Prellbock am Gleisende wurde weggerissen und die Schotterwagen demolierten ein Wohnhaus. Diese Geschichte wird an anderer Stelle nacherzählt.
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Abbildung 1: Stadtplan Griesheim, Onlineversion, ca. 2010.
Selbst auf einem neueren Stadtplan ist die alte Riedbahntrasse noch auszumachen. Zwar wurde das Schotterbett in Richtung Wolfskehlen durch einen „Promenadenweg“ überlagert bzw. ersetzt, und an der Schöneweibergasse wurde die aufgelassene Flucht durch Wohnhäuser und eine Seniorinnenresidenz überbaut, doch schon ab der Georgstraße zieht sich ein Richtung Ostnordost verlaufender Grünstreifen zwischen Gewerbe- und Neubaugebiet hin zum Wald Richtung Darmstadt. Markiert sind auf dem Plan die Posten 74 (heute noch anhand eines umgebauten Bahnwärterhauses aufzufinden) bis 78.
Bild 2: Bahnhof Griesheim, von der Pfützenstraße aus gesehen, wohl zwischen 1902 und 1911 aufgenommen. Das (zumindest mir bekannte) früheste bildliche Zeugnis des Postens 76. Quelle: Stadtarchiv Griesheim, em2005.0002.
1900/01 war die Strecke um ein zweites Gleis erweitert worden. Ein Plan aus dem Jahr 1903 zeigt zwei durchgehende Bahnsteiggleise und ein am nördlichen Rand befindliches Ausweichgleis. Diese Anordnung änderte sich mit Herannahen des Ersten Weltkrieges, als nördlich des Ausweichgleises eine Militärrampe aufgeschüttet wurde, um Material und Mannschaften vom und zum Lager am Griesheimer Sand zu befördern.
Bereits auf dem Plan von 1903 wird die Bude am Bahnübergang als „Stellwerk II“ bezeichnet; welche Weichen und Signale von hier aus gesteuert wurden, ist unbekannt. Fast zwei Jahrzehnte später, also während der französischen Besatzung Griesheims, stehen und sitzen Gleisarbeiter in Positur am nun deutlich ausgebauten und an der Südseite befindlichen Stellwerk an der Pfützenstraße. Vom Lichteinfall her wird die Aufnahme am späten Nachmittag, eventuell auch frühen Abend entstanden sein.
Weitere Aufnahmen dieses Bahnübergangs zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sind mir (derzeit) nicht bekannt. Aus der zweiten Hälfte der 1960er Jahre stammt eine von der Fa. Nothnagel in Auftrag gegebene Luftbildaufnahme des Firmengeländes. Die drei unterhalb des Bahnübergangs befindlichen Gleise werden in Richtung Wolfskehlen zu einem vereinigt, was für einen Aufnahmezeitpunkt zwischen 1966 und 1971 spricht. 1965 oder 1966 wurde das zweite Streckengleis wieder entfernt, kurz nach Einstellung des Personenverkehrs im September 1970 wurde die Trasse westlich der Pfützenstraße komplett aufgegeben. Das Stellwerk befindet sich am unteren Bildrand links der Gleise. Das markante Gebäude in der Bildmitte wurde beim Aufprall mehrerer Schotterwagen 1977 derart beschädigt (siehe weiter unten), daß es abgerissen werden mußte.
Ein Jahrzehnt früher, 1955, läßt sich vor dem Nothnagelschen Gelände Ria Herz mit ihren Kindern fotografieren. Obwohl keinesfalls daran gedacht war, den Bahnübergang mitsamt seines Stellwerks als Motiv mit abzulichten, liegt hiermit eines der wenigen Bilddokumente aus den Griesheimer Eisenbahntagen vor. Im Hintergrund (Bildmitte, halblinks) ist der noch vollständige Schornstein der Bonbonfabrik Pasquay zu erkennen.
1965 wurden Griesheim aus Anlaß seiner 800-Jahr-Feier die Stadtrechte verliehen. Entsprechend herausgeputzt fuhr eine Kutsche vom Nothnagelschen Anwesen in die Stadt. Leider ist auf dem Bild nicht auszumachen, ob das zweite Streckengleis noch liegt.
Abschließend sei ein weiteres Bild als Folge des Schotterwagenunfalls 1977 gezeigt. Wenn wir uns das rechte Gleis (unterhalb des Bahnübergangs) auf Bild 3 verlängert vorstellen, dann ist verständlich, weshalb die aus Messel mit einer Endgeschwindigkeit von vielleicht fünfzig, vielleicht auch siebzig Stundenkilometern herangerollten schwerbeladenen Schotterwagen den Prellbock einfach beiseite schoben und schnurgerade weiter driftend die Grundstücksmauer zerfetzten und das Wohnhaus trafen. Die beiden Bewohnerinnen blieben glücklicherweise unverletzt.
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Die Fotos aus dem Stadtarchiv Griesheim sind mit Quellenangabe (also Stadtarchiv Griesheim) zu benutzen.
Ria Herz hat freundlicherweise mehrere Bilder aus ihrem Fotoalbum für dieses Webseite zur Verfügung gestellt, von denen hier drei gezeigt werden. Ihr sei hierfür genauso gedankt wie dem unermüdlichen Nachforscher, der aus privaten Fotoalben so manches sonst unwiderbringliche Bild hervorbringt. Diese Bilder unterliegen dem Urheberrecht und sind nicht frei verwendbar.
Der Ausschnitt aus dem Stadtplan entstammt dem Internetauftritt der Stadt Griesheim. Die freie Nutzung für nichtkommerzielle Zwecke ist einfach vorbildlich zu nennen.
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