Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Blicke in das ehemalige Bundesbahn-Ausbesserungswerk
an der Schwelle zum 21. Jahrhundert
1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten vor allem der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.
1872 errichtete die Hessische Ludwigsbahn zwischen den Strecken nach Mainz und Worms auf der westlichen und nach Aschaffenburg auf der östlichen Seite eine Wagenreparaturwerkstätte. Diese wurde im Laufe der Jahrzehnte erweitert und modernisiert und diente der Reichsbahn wie der Bundesbahn als logistischer Stützpunkt. Mit dem Rückzug der Bahn aus der Fläche wandelten sich die hier erbrachten Dienstleistungen, die Belegschaft schrumpfte. Für das an die Börse zu bringende Unternehmen Deutsche Bahn AG erwies sich das Ausbesserungswerk als unprofitabler Klotz, der 2000 dichtg emacht wurde. Zurück bleiben Erinnerungen und erstaunlich wenige Bilder.
Der Wasserturm im Ausbessungswerk auf OpenStreetMap.
An eine ausführliche Darstellung der Geschichte und der Geschichten rund um das Werk wage ich zur Zeit gar nicht erst zu denken. Zwar liegen mir zwei Jubiläumsschriften vor, aber damit ist das Thema bestenfalls angerissen. Sofern das eine oder andere Puzzlestück hinzukommt, wird es hier eingefügt.
Ich danke Andreas Burow, Jörn Schramm und Peter Wöllert dafür, daß sie mir ihre Aufnahmen zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt haben.
Nachdem das Ausbesserungswerk Ende Mai 2000 seine Tore schloß, wurden die Einrichtungen für zerstörerische Zwecke noch eine Zeitlang weiter genutzt. So dokumentierte beispielsweise der Fotograf Jörn Schramm Ende August 2000 die Zerlegung zweier Diesellokomotiven. Zuvor jedoch traf er sie noch unversehrt an.
Bild 1: Mehrere Diesellokomotiven warten am 5. August 2000 im Ausbesserungswerk auf ihre Zerlegung. Aufgereiht standen 212 018-6, 212 053-3, 212 112-7 und 212 204-2. Alle Loks waren, wie der Fotograf vermerkt, in tadellosem äußerem Zustand, was sie der Pflege im Bw Darmstadt verdankten. Zwar technisch in Ordnung, waren sie betriebswirtschaftlich nutzlos. Also weg damit! Die Nummern der V 60 und der Köfs hat er, worüber er sich im Nachhinein selbst ärgert, leider nicht notiert. Aufnahme: Jörn Schramm.
Wir befinden uns hier an den im Nordosten des Werks gelegenen Schrottbansen. Der Wasserturm konnte vor übereifrigen Vergangenheitsentsorgern gerettet werden und steht zur Zeit als Solitär neben dem Neubau der HSE-Firmenzentrale. Ein Bundesbahnplan von 1964/65 zeigt uns den nordöstlichen Teil des Werksgeländes.
Abbildung 2: Schrottbansen und Wasserturm an der Frankfurter Straße. Wenn wir das am rechten Bildrand befindliche Ausziehgleis am Radsatzhof schnurgerade verlängern, gelangen wir auf die Bahnstrecke nach Kranichstein. In der Tat handelt es sich hierbei um die Gleisflucht aus den 1850er Jahren. Norden ist links.
Einen Tag nach Jörn Schramm kam Andreas Burow am 6. August 2000 auf dieselbe Idee, die zur Verschrottung vorgesehenen Lokomotiven der Nachwelt zumindest im Bild zu erhalten.
Bild 3: Dabei schrieb er sich die weiteren Nummern auf – 360 351-1, 332 080-1 und 332 166-8. Aufnahme: Andreas Burow.
Bild 4: Auch der Portalkran entging seinem Schicksal nicht. Aufnahme: Andreas Burow.
Das Gelände war entlang der Frankfurter Straße mit einem Lattenzaun versehen, der schon einige Löcher aufwies, als Jörn Schramm bald darauf nochmals vorbeischaute und die Zerlegung zweier Lokomotiven auf den Gleisen 5a und 5b unterhalb des Schrottkrans dokumentieren konnte.
Bild 5: Am 29. August 2000 erwischte es zunächst 212 053-3. Der Blick führt über die Gleise 34 bis 42 auf dem Plan und weiter über die Schenckallee. Bei dem Bau links im Hintergrund könnte es sich um das im Plan als Untergestellrichthalle bezeichnete Gebäude handeln. Aufnahme: Jörn Schramm.
Bild 6: Am selben Tag wurde auch 212 112-7 auseinander genommen. Hier muß man oder frau schon einige Fantasie mitbringen, um diesem Torso eine Diesellokomotive zuzuordnen. Der Mast im Hintergrund steht beim HEAG-Umspannwerk nördlich der Schenckallee. Aufnahme: Jörn Schramm.
Drei Jahre später muß es eine Führung durch das nun ausgemusterte Ausbesserungswerk gegeben haben. Peter Wöllert ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen und hat einige Bilder der Außenanlagen angefertigt.
Bild 7: Drei Jahre Leerstand wurden von der Darmstädter Jugend ausgiebig genutzt, um ihr künstlerisches Talent unter Ausschluß der Öffentlichkeit zu schärfen. Aufnahme: Peter Wöllert.
Bild 8: Die Gleise zwischen dem Sensfelder Weg und der Richthalle versprühen den Charme der Einsamkeit. Linkerhand steht das Kesselhaus mit vorgelagertem Kompressorraum, es folgt der Kohlenbansen und das Hauptlager mit vorgelagerter Rampe. Bei dem nachfolgenden Haus müßte es sich um das Büro der Stoffabteilung handeln. Der linke Spitzbunker beherbergte das Stofflager. Aufnahme: Peter Wöllert.
Bild 9: Vor der Richthalle sind schon einzelne Schwellen und Gleise herausgerupft worden, ansonsten sieht das Gelände zwischen Pallaswiesenstraße (direkt im Rücken des Fotografen) und Richthalle einfach nur sich selbst überlassen aus. Heute befindet sich auf der Freifläche ein großer Parkplatz und ein Schnellrestaurant. Das ist ganz gewiß ein sinnstiftender Fortschritt. Aufnahme: Peter Wöllert.
Bild 10: Im rückwärtigen Teil des Geländes ist das Zerstörungswerk schon fortgeschrittener. Links der zweite Spitzbunker und rechts die Untergestellrichthalle (?). Aufnahme: Peter Wöllert.
Bild 11: Das einzige, was heute noch neben den im Nationalsozialismus errichteten Spitzbunkern an die Geschichte des Ausbesserungswerks erinnert, ist der Wasserturm. Er steht heute etwas verlassen neben der Zentrale der HSE, modert vor sich hin und harrt seinem Schicksal. Es soll Barbaren geben, die auch dieses Industriedenkmal entsorgt wissen wollen. Es könnte ja der lukrativen Verwertung des Geländes im Wege stehen. Aufnahme: Peter Wöllert.