Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Auf der Riedbahn.
Hauptbahnhof.
Darmstadt Hauptbahnhof.
Wasserturm am Hauptbahnhof.
Wasserturm.
Uniformen.
Eisenbahnmuseum
Kranichstein.
Bahnwärterhaus.
An der Hammelstrift.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Der Darmbach und die Wikipedia

Man sollte nicht unbesehen glauben, was in Büchern geschrieben steht

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten vor allem der Strecken­abschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

Das Brücklein

Vor nunmehr fünfzehn Jahren, das war 2008, schrieb ich meine erste Unterseite zu diesem Webprojekt über die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau. Damals wußte ich noch nicht, daß daraus mehrere hundert weitere Unterseiten entstehen würden und ich mich zudem ausgiebig mit der Darm­städter Straßenbahn- und Industrie­geschichte befassen würde. Ich war noch in einer Art Findungs­phase und wollte die Gleis­anlagen in Darmstadt und der näheren Umgebung verstehen lernen. Hierbei dachte ich mir, daß mir das voluminöse zwei­bändige (aufgrund der zwei Halb­bände des zweiten Bandes eigentlich drei­bändige) Werk „Eisenbahn in Hessen“ weiter­helfen könnte. Bei der Lektüre des Textes zu einem stehen­gebliebenen Darmstädter Bauwerk geriet ich jedoch ins Stutzen. Da konnte etwas nicht stimmen.

Die systematische Aufbereitung und Darstellung der Eisenbahn­bauten des 19. und frühen 20. Jahr­hunderts ist ein gewaltiges Unter­fangen. Volker Rödel und Heinz Schomann heben mit den Versuch gewagt und im Grunde erfolgreich bestanden. Bei einer Darstellung der Eisenbahnge­schichte und der Dokumentation von 115 hessischen Eisenbahn­strecken waren Fehler trotz sorg­fältigster Vorgehens­weise geradezu unvermeidlich. Dies war den Autoren auch bewußt.

Im zweiten Band behandelt Heinz Schomann die zwischen 1839 und 1878 neu angelegten hessischen Eisenbahn­strecken. Für den hier erörterten Zusammen­hang von Interesse sind die 1846 zwischen Frankfurt-Louisa und Heidelberg eröffnete Main-Neckar-Eisenbahn und die 1858 zwischen Mainz und Darmstadt gebaute und noch im selben Jahr bis Aschaffen­burg verlängerte Main-Rhein-Bahn.

In Darmstadt unterquerte das von Mainz her­kommende Gleis mittels eines Viaduktes die bestehende Main-Neckar-Bahn und verlief in einer langen Gleiskurve – entlang der späteren „Knell“ – hin zu dem ersten, mehr provisorisch angelegten Ludwigs­bahnhof neben dem Bahnhof der Main-Neckar-Bahn am heutigen Steuben­platz., den es so damals noch nicht gegeben hat. Diese Kurve liegt einige hundert Meter östlich des Durchlasses für den Darmbach entfernt.

Auf Seite 243 des genannten Bandes wird mit Bild 27 eine Eisenbahn­brücke in der Nähe der Straße Im Tiefen See abgebildet. Dieses am Rande eines Firmenpark­platzes gelegene eher unscheinbare denkmalge­schützte Bauwerk wird in der Legende so charakterisiert:

„In einer Grünanlage westlich der Straße Rest der ursprüng­lichen, weiter südlich errichteten ‚Rhein-Main-Bahn‘ – Trasse: Beidseitig mit Bund­sandstein abgemauerter Bahndamm von 1857, dessen Mitte eine Bogen­brücke für einen Weg­durchlass öffnete (nach­träglich vermauert).“

Und das stimmt einfach hinten und vorne nicht. Das Brücklein befand sich auf der Trasse der Main-Neckar-Bahn und überquerte nicht einen Weg (der wäre mit Schranken und Bahn­wärterhaus versehen gewesen), sondern den mitunter nur als Rinnsal wahr­nehmbaren Darmbach.

Durchlass.

Bild 1: Der Durchlaß des Darmbachs unter der Main-Neckar-Bahn. Aufnahme vom Juni 2014.

Auf meiner ersten Unterseite dieses Projekts hatte ich 2008 diesen Sach­verhalt ausführlich diskutiert. Die Angelegen­heit konnte demnach als geklärt angesehen werden.

In der Wikipedia

Sieben Jahre später, im September 2015, erstellte ein nur über seine IP benannter User auf der Wikipedia einen neuen Artikel zu einer ehemaligen Eisenbahnbrücke in Darmstadt. Dieser Artikel wurde nach­folgend leicht verändert, blieb jedoch im wesentlichen erhalten. Und so präsentierte er sich Ende März 2023. Wir lesen:

„Die inzwischen zugemauerte einjochige Sandstein­brücke über den Darmbach stammt aus der Bauzeit der Main-Rhein-Bahn um das Jahr 1857 und ist die älteste noch vorhandene Bahnbrücke in Darm­stadt.“

Screenshot.

Abbildung 2: Screenshot des Wikipedia-Artikels vom 31. März 2023.

Als Referenz wird nunmehr ein anderes Werk, nämlich die 1994 erschienene „Denkmal­topographie Darm­stadt“, angegeben. In der CD-Fassung dieser Ausgabe heißt es jedoch:

„Die einjochige, inzwischen zugemauerte Sandstein­brücke stammt noch aus der Bauzeit der MainNeckar-Bahn 1846 und ist die älteste noch vorhandene Bahn­brücke in Darm­stadt. Sie überquert den Darm­bach.“

Hm …

Wurde der Text bei der Übertragung vom Buch auf das digitale Medium korrigiert?

Eher zufällig entdeckte ich diesen Miniartikel Ende März 2023 auf der Suche nach etwas ganz Anderem. Ich kommentierte den grund­legenden Fehler des Artikels auf der Diskussions­seite und erlaubte mir, das Datum des Erbaus des Durchlasses unter der Bahn richtig mit 1846 anzugeben. Kurz darauf war ein eifriger Wikipedia-Autor zur Stelle und rückte das Datum wieder mit 1857 zufalsch.

Betrachten wir zum Schluß einen unbe­stechlichen Plan.

Flurkarte.

Abbildung 3: Diese auf 1904 datierte Flurkarte zeigt rechts von der Bildmitte (und links von dem gelben „Fleck“) den Durchlaß unter der Main-Neckar-Bahn. Quelle: Stadt­archiv Darmstadt, Bestand 51, Nr. 132, Blatt 68. Die gesamte Karte ist in besserer Auf­lösung auf der Webseite von Kristof Doffing zu finden.

Fazit

Mir liegt die Buch­fassung der „Denkmal­topographie Darmstadt“ nicht vor. Vielleicht stand da ursprüng­lich wirklich 1857. Das hieße, frau und man sollte nicht unbesehen alles glauben, was in einem Buch veröffent­licht wurde. Ich habe schon viel zu viele sachliche Fehler in Büchern aus seriöser Verlags­produktion gesehen. Wenn ein unbekannter Autor einen solchen Text unbesehen für die Wikipedia übernimmt, wird der Wahrheits­gehalt auch nicht besser. Auch in der Wikipedia habe ich schon so manchen Unfug korrigieren müssen.