Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Das Werkstättengleis neben der Kläranlage
Erkundungen neben der alten Riedbahntrasse
1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.
Das Werkstättengleis wurde zusammen mit der Westverlagerung des Hauptbahnhofs um 1910 angelegt und verlor seine wesentliche Funktion mit der Schließung des Lokausbesserungswerks am Dornheimer Weg 1955. Der nördliche Anschluß an die Bergschneise wurde gekappt. Zwischen etwa 1977 und 2005 diente der hier vorgestellte Abschnitt der Logistik des Miele-Vetriebszentrums in der Bunsenstraße.
Diese Seite begibt sich auf Spurensuche und zeigt die Reste der Gleisanlagen entlang der Kläranlage der Stadt Darmstadt zwischen Akazienweg und dem Prellbock nahe der alten Riedbahntrasse. Meine eigenen Aufnahmen stammen aus dem Zeitraum zwischen 2008 und 2016.
Unter Brombeeren auf Schatzsuche
Bild 1: Brücke über die Pallaswiesenstraße bzw. Mainzer Straße in Höhe des Akazienwegs. Das Werkstättengleis verläuft hier etwa in Süd-Nord-Richtung vom Hauptbahnhof zur Bergschneise.
Bild 2: Von der Brücke aus bietet sich mit Blick nach Süden das Bild eines mit Stacheldraht und Sicherheitspersonal hermetisch abgeschlossenen Areals, auf dem zuweilen Hunderte von Autos darauf warten, weitertransportiert zu werden. Eine Übergabe an diesen Autologistiker wurde 2012 im Bild festgehalten.
Bild 3: In Höhe des Zauns zweigt Weiche 401 vom Werkstättengleis ab und verläuft parallel zum Akazienweg. Genutzt wird es schon länger nicht mehr.
Bild 4: Blick von der Brücke nach Osten auf die Pallaswiesenstraße. Rechts vorne das Gelände der Autologistikfirma, rechts hinten die ehemalige Turmwagenhalle der Bundesbahn, in der Mitte die Brücken der verschiedenen Bahnlinien nach Mainz, Frankfurt, Aschaffenburg oder in den Odenwald, sowie links die Einfahrt in die Kläranlage.
Bild 5: Das Auflager für ein zweites Gleis wurde von Anfang an vorbereitet, aber nie genutzt.
Bild 6: Auf der Brücke mit Blick Richtung Norden.
Bild 7: Seit dem Winter 2010/11 steht hier der metallische Charme des Verbotenen.
Bild 8: Zuvor war es noch möglich, das Gleis bis zu seinem Endpunkt abzugehen, sofern nicht Brombeersträucher oder gar ganze Buschareale den Zugang erschwerten. Ganz rechts leuchtet ein bißchen Rot, und das ist das nächste interessante Objekt.
Bild 9: Das Mitte der 1970er Jahre erbaute Vertriebszentrum der Miele in der Bunsenstraße beherbergte zum Zeitpunkt der Aufnahme einen Eleketrogerätehandel. Der zugehörige Gleisanschluß befindet sich auf der Rückseite des Gebäudes.
Bild 10: Neckisch, wie die Geschäftswelt zuweilen daherkommt, steht wenige Meter vom ehemaligen Miele-Gebäude entfernt dieses Ensemble. Der gelbe Wagen wurde nachträglich dazugestellt. Das Gleis- und Tiefbauunternehmen AGT macht hier Werbung in eigener Sache.
Bild 11: Weiche des Gleisanschlusses Miele.
Bild 12: Neben der Weiche des Gleisanschlusses heißt es unmißverständlich: „Gleisanschlußgrenze Fa. Miele“. (Satz ist nicht doppelt gemoppelt, sondern dient der Indexierung durch Suchmaschinen.)
Bild 13: Flankenschutz bietet diese Gleissperre. Das Gleis führt ins Gebäude, am Tag dieser Aufnahme ist das Tor verschlossen. Rechts neben dem Gleis ist zwischen Gleissperre und Tor der Weg gepflastert. Während an der Weiche Schienenprofile von 1958 und 1959 auf eine Zweitverwertung schließen lassen, wurde zumindest eine Rillenschiene 1976 von Krupp gefertigt und bald darauf hier verlegt.
Bild 14: Eines Tages im Juli 2008 stand das Tor auch offen, und wir sehen, daß das Gleis wirklich ins Lagergebäude hineinreicht.
Bild 15: Jörn Schramm hat den Gleisanschluß noch in Betrieb erlebt. Die Gleissperre ist geschlossen, das Tor offen, und im Dunkeln sehen wir … nichts.
Bild 16: Findige Spielkinder haben der Weichenlaterne des Miele-Anschlusses einen vollkommen neuen Sinn beschert. Im April 2013 fand ich dort versteckt einen Geocache, mit einem Logbuch, das brav ausgefüllt war, und mit drei hölzernen als Enten gestalteten Spielsteinen. Ich habe ihn, um das Spiel nicht zu stören, wieder zurückgestellt.
Bild 17: Der weitere Weg ist … nun ja … ein wenig mühsam, zumindest im Sommer.
Bild 18: Im Winter hingegen lassen sich interessante Strukturen ausmachen. Offensichtlich verlief hier einst parallel zum Gleis ein Weg, unter den ein Bächlein geleitet wurde. Im Hintergrund erwartet uns das Ende dieser Darstellung, der Gleisprellbock.
Bild 19: Im Herbst 2013 hat die Südhessische freundlicherweise das Gestrüpp entlang ihres Zauns entfernen lassen, so daß wir auch das östliche Mäuerchen (rechts am Zaun) freigelegt sehen können. Wetten, daß die Brombeeren sich das nicht gefallen lassen?!
Bild 20: Nun sind Prellböcke nichts Besonderes; und dieser hier reiht sich in die Belanglosigkeit ihres Daseins ein. Wäre da nicht ein Detail, das mir erst beim Sichten der Bilder aufgefallen ist. Die verschiedenen Stahlträger, aus denen er gefertigt wurde, tragen die Jahreszahlen 1926, 1963 und 1973. Es kann als sicher angenommen werden, daß das Gleis hier schon 1955 endete. Wurde der Prellbock nachträglich ausgetauscht oder erneuert, oder wurde er erst dann als Gleisabschluß hier hingestellt, als die Zufahrt zur Miele zwingend einen Schutz vor freilaufenden Wagen erforderte?
Während weltweit jährlich Hunderte von Millionen Kinder dem Hunger überlassen werden, obwohl es weltweit ausreichend Lebensmittel gibt, während weltweit kleine und große Konflikte zum Wohle insbesondere auch deutscher Waffenkonzerne geschürt und geführt werden, während hierzulande Millionen Menschen durch sozialdemokratische Agenden in Niedrigstlohnjobs gepreßt werden und der Verfassungsschutz Neonazibanden aufzubauen hilft, sie materiell fördert und vor dem Zugriff einer meist ohnehin desinteressierten Polizei deckt, sind dies die Fragen, mit deren Beschäftigung wie uns davon abhalten, parteiisch zu sein und die Profiteure von Hunger, Armut, Rassismus und Massenmord zu benennen, anzuklagen und zu enteignen.
Bild 21: Betrachten wir daher, wenn wir durch Feld und Wald spazieren, kontemplativ dieses vor sich hinrostende Exemplar einer Vergangenheit, die nicht wiederkommt, und harren der Zukunft, die nicht menschlicher zu werden droht. – Nebenbei: Auch an diesem Prellbock haftete schon solch ein Geocache, vermutlich der Vorgänger des nun in der Weichenlaterne versteckten.
Bild 22: Vielleicht sollte ich nicht so leichtfertig an dieser versteckten Ecke des Internets vor mich hin philosophieren. Denn Jörn Schramm war vor Jahren hier und hat den Prellbock tatsächlich noch anders vorgefunden. Anstelle des heutigen Stahlskeletts stand hier noch eine Holzkonstruktion. Im Hintergrund wacht der Weiterstädter Fernsehturm, der heute – zumindest was die abstrahlenden Senderanlagen angeht – etwas gerupft aussieht.