Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Ankunft in Goddelau
Erkundungen auf der alten Riedbahntrasse, Teil 9
1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.
Zwischen Griesheim und Goddelau wurde die Riedbahn ab dem 1. Dezember 1965 nur noch eingleisig betrieben. Zu Beginn der 1970er Jahre wurde das Teilstück von Griesheim über Wolfskehlen zum Bahnhof Goddelau-Erfelden komplett abgebaut. Nur noch wenige Bauten haben ihre Spuren auf dem Riedboden hinterlassen.
Diese Seite gibt den Stand von 2010 wieder. Seither können sich einige Veränderungen an der Bausubstanz ergeben haben. Die eigenen Aufnahmen entstanden 2008 und 2010.
»» Im März 2023 veröffentlichte die Dadina eine von ihr in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie für eine Verlängerung der Straßenbahn von Griesheim über Wolfskehlen nach Goddelau. Eine Variante sieht die Nutzung der einstigen Gleistrasse zwischen Wolfskehlen und Goddelau vor. Dazu habe ich mir einige Gedanken gemacht.
Ein besonderer Dank geht an Karl Aßmann, Eva Lorenz, sowie Georg und Michael Menzendorff, die für diese Seite eigene Aufnahmen beigesteuert haben.
Auf einem Radweg und durchs Gebüsch
Während in Wolfskehlen das alte Bahnhofsgelände durch ein auch schon nicht mehr so neues Neubaugebiet vollständig überbaut worden ist, markiert ab der Verbindungsstraße von Wolfskehlen nach Goddelau, der alten Bundesstraße 44, ein Grünstreifen die aufgelassene Riedbahntrasse. Dieser Grünstreifen wird abrupt durch die Südumgehung unterbrochen und verwandelt er sich nachfolgend in einen Erholungs- und Radweg. Dieser auf der alten und an dieser Stelle geschwungenen Bahntrasse angelegte Rad- und Wanderweg ist großzügig ausgebaut und scheint auch gut gepflegt zu werden.
Bild 1: Irgendwo zwischen der ehemaligen Station Wolfskehlen und der Ludwigstraße in Goddelau muß Eva Lorenz im August 1988 diese Plattform mit eisernem Zubehör gefunden haben. Da die Riedbahntrasse zwischen Wolfskehlen und Goddelau auf einer längeren Strecke von Büschen und Bäumen gesaünt ist, kann es sein, daß ich dieses Gebilde zwanzig Jahre später übersehen habe. Vielleicht wurde es aber auch zwischenzeitlich entsorgt. Es könnte sich um den Standort des Vorsignals zum Einfahrtssignal von Goddelau gehandelt haben.
Bild 2: Durchlaß für den Abzweig des Scheidgrabens.
Kurz vor der Bebauungsgrenze von Goddelau überquert der Weg den Abzweig des Scheidgrabens zur Kläranlage auf einer kleinen Brücke, bevor er die ehemalige Bahntrasse nach rechts abbiegend verläßt. Er umgeht hierbei die auf der alten Trasse errichteten Sportanlagen des TSV Goddelau. Kurz hinter der Bachbrücke, in der Nähe des Sportgeländes, weist seit 2010 eine Informationstafel des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald auf den historischen Streckenverlauf des ersten Riedbahnteilstücks hin. Hierbei wird auch auf die mit der Riedbahn verbundenen Badezüge nach Stockstadt hingewiesen.
Bild 3: Infotafel zur Riedbahn.
Die Sportanlagen und die zugehörige Gaststätte umgehend kommen wir zu einem Neubaugebiet. Begleitet von einem auf der Trasse verwachsenen Grünstreifen geht es unter den Betonpfeilern der Kreisstraße 156 zur Schallschutzwand der ICE-Strecke von Frankfurt nach Mannheim.
Ein letzter Zug
Kurz vor Einstellung des Eisenbahnverkehrs zwischen Griesheim und Goddelau Ende September 1970 suchten Georg und Michael Menzendorff ein Jahr zuvor die schon eingleisige Riedbahnstrecke auf, um eine der noch verkehrenden Dampfloktraktionen zu erwischen. Sie lauerten nicht nur einer der Darmstädter 65er auf, sondern lichteten zudem noch den Streckenposten 63 an der Goddelauer Ludwigstraße ab. Hierüber berichteten sie in Wort und Bild im Historischen Forum von Drehscheibe Online.
Bild 4: Der weitgehend freie Blick nach Norden reicht bis zur Wolfskehler Dorfkirche.
Bild 5: Der einfach gehaltene Streckenposten 63. Hier war niemals ein Bahnwärterhaus vorgesehen; der Schrankenwärter dürfte in der Regel im Ort gewohnt haben.
Bild 6: Das Objekt der Begierde war damals jedoch ein dampfgeführter Reisezug, gezogen von der Darmstädter 065 001. Einen Packwagen suchen wir heute im Personenverkehr vergebens, in den 60er Jahren war dies jedoch ein vollkommen gewohnter Anblick. Zwar wurde nach und nach die Güterannahme eingestellt und der Transport der Gummikonkurrenz überlassen, aber zumindest die größeren Stationen hatten noch ihre Güter- und Eilgutabfertigungen.
Bevor in Goddelau die Umgehungsstraße nach Erfelden als Ersatz der Bahnübergänge an der Bahnhof- und der Ludwigstraße gebaut wurde, lag das ehemals nach Darmstadt führende Gleis noch bis zu einem Prellbock vor der Ludwigstraße. Es war sogar mit einer Oberleitung überspannt.
Bild 7: Das Ende des Stumpfgleis Richtung Darmstadt. Der Prellbock steht neben dem Hektometerstein 46,2. Direkt dahinter, aber hier durch die Gräser verdeckt, verlief der Wirtschaftsweg nach Erfelden. Aufnahme: Eva Lorenz, August 1988.
Bild 8: Das Stumpfgleis Richtung Darmstadt, der Prellbock ist hierauf nur zu erahnen. Aufnahme: Eva Lorenz, August 1988.
Bild 9: Karl Aßmann nahm Ende der 1980er Jahre das Stumpfgleis aus einem Richtung Frankfurt ausfahrenden Zug auf.
Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Szenerie geändert. Nunmehr trennt eine Schallschutzwand die nach Frankfurt führende Riedbahn von der Ortsbebauung. Als neue Lärmquelle ist die Kreisstraße nach Erfelden hinzugekommen, die auf einer Brücke die früheren Bahnübergänge 62 und 63 ersetzt. Zwischen Brücke und der neuen Unterführung für Radfahrerinnen und Fußgänger fand ich an der Grenze zu einem Mehrfamilienhauskomplex einen kleinen Mauerrest, wohl die steinerne Befestigung des Riedbahn-Abzweigs nach Darmstadt.
Bild 10: Der kleine Mauerrest am Wegesrand.
Bild 11: Nahansicht des Mauerrestes.
Bild 12: Am früheren Hausbahnsteig mit Blick auf die nördliche Ausfahrt.
Horst Schomann beschreibt im 2. Band von „Eisenbahn in Hessen“ auf Seite 369 das Stationsgebäude wie folgt:
„Typenbau von 1869 (wie Bf Gernsheim) traufenständig östlich der Strecke: Doppelgeschossiger Gelbsandsteinbau mit breitem Geschossfries und Fensterrahmung sowie übergiebelten Mittelrisaliten zwischen niedrigerem Wartesaal (N[ord]) und Dienstraum (S[üd]). Nördlich separater Güterschuppen aus Sandstein, südlich traufenständiges Betriebsgebäude mit Zwillingsgiebeln zur Strecke – beide von 1869. Unterführung zu den sechs Gleisen mit polychromer Verkachelung, Eisengeländer und Perronhallen um 1912, ebenso wie ein weiterer Güterschuppen aus Fachwerk jenseits der Strecke.“
Der Bahnhof hat seine frühere Bedeutung weitgehend eingebüßt. An der 1964 elektrifizierten Hauptstrecke von Frankfurt nach Mannheim wurden 1969 die beiden Wassertürme abgerissen. Spätestens mit Stillegung des Gleises nach Griesheim 1970 waren hier im Regelfall ohnehin keine Dampfloks mehr anzutreffen. An den heutigen fünf Bahnsteiggleisen endet die S-Bahn-Linie 7 aus Frankfurt, halten Regionalzüge von und nach Frankfurt, Mannheim und Worms und brausen in gemäßigtem Tempo die ICEs gen Norden und Süden durch. Zweimal pro Tag und Richtung ist auch ein TGV dabei. Zudem rumpeln Güterzüge durch das an den Außenanlagen weitgehend sich selbet überlassene Ambiente. Es gibt dann noch einige Gütergleise und eine in einem vergitterten Käfig eingesperrte Rangierlok.
Bild 13: Das Empfangsgebäude von Goddelau in der Straßenansicht.