Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Die Erkundung
Spurensuche entlang der Riedbahn und ihrer Umgebung
1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau. Die Geschichte der Riedbahn wird an anderer Stelle meiner Webseite ausführlich abgehandelt.
Hinterlassenschaften der ehemaligen Riedbahn zwischen Darmstadt und Goddelau sind durchaus noch zu finden. Manche Relikte erschließen sich erst bei näherer Betrachtung, manche bleiben rätselhaft, manche verschwanden sogar noch nach 2008, als diese Webseite ins Leben gerufen wurde. Drei der fünf Bauwerke der obigen Slideshow (die in der Druckfassung dieser Seite nicht erscheint) gibt es fünfzehn Jahre später nicht mehr und eine Lokomotive rangiert auch nicht mehr über die Gräfenhäuser Straße.
Diese Übersichtsseite faßt diejenigen Unterseiten des Riedbahnprojekts zusammen, die sich weniger auf frühere Karten, Bilder und Darstellungen stützen, sondern die das zeigen, was heute noch vorzufinden ist. Eine Erkundung eben. Historische Einsprengsel sind hierbei nicht zu vermeiden.
Die Karte
Der Streckenverlauf zwischen Darmstadt und Goddelau wird am besten zunächst anhand einer auf 1886 datierten Topographischen Karte erklärt, zumal diese Karte den Zustand von Strecke und Umgebung eher wiedergibt als moderne Karten. Vermutlich handelt es sich bei dieser Karte um eine überarbeitete Fassung, die auf der Grundlage des älteren Kartenmaterials von 1886, aber erst um die Jahrhundertwende, erstellt wurde. Die hierauf eingetragene Chemische Fabrik Merck beispielsweise ist erst um 1900 von ihrem alten Standort am Ostrand der Altstadt auf das heute genutzte Gelände zwischen Täubcheshöhle und Frankfurter Straße bzw. zwischen Nordbahnhof und Arheilger Gemarkung umgezogen.
Auf einer modernen Kartendarstellung von OpenStreetMap habe ich die zu erkundende Streckenführung eingetragen:
Abbildung 1: Karte zum Verlauf der Riedbahn mit Angabe von Erkundungspunkten. Mit Ziffern bezeichnete Fundstellen gehen auf den Verlauf der Riedbahn selbst ein, während mit Buchstaben bezeichnete Fundstellen auf Darstellungen verweisen, die mittelbar mit der Riedbahn im Zusammenhang stehen.
Zum Streckenverlauf
- (1) Vom Ludwigsbahnhof zum Exerzierplatz.
1869 begann die Riedbahn am 1944 zerstörten Darmstädter Ludwigsbahnhof und führte in weitem Bogen schließlich nach Südwesten. Nach 1912 wurde dieser Streckenabschnitt als Zuführgleis zum Wagenausbesserungswerk auf der Knell und zur Andienung einer Reihe von Industriebetrieben entlang der Kasinostraße und an der Landwehrstraße genutzt. Siehe hierzu auch die Darstellung zu den Industriestammgleisen „G“ und „H“. - (2) Vom Hauptbahnhof mit neuer Schleife.
Ab 1912 verkehrte die Riedbahn vom neu erbauten Hauptbahnhof; die Streckenführung nach Goddelau mußte daher angepaßt werden. - (2a) Das Überwerfungsbauwerk am Wöhlerweg.
2021/23 sollte die Brücke für das kommende halbe Jahrhundert denkmalgerecht saniert werden, aber es kam anders. - (2b) Brücke der Riedbahn über die Main-Rhein-Bahn.
Mit der neuen Schleife verbunden ist eine kleine Kreuzungsbrücke mit dem von Mainz kommenden Streckengleis der Main-Rhein-Bahn. - (3) Das heutige Gleisende.
Heute endet das Gleis der Riedbahn auf einem Industriegelände und wird ab und zu von einigen Kesselwaggons befahren. Aufgenommen habe ich diesen eingeschränkten Güterverkehr im Sommer 2009 und im Frühjahr 2010. - (3a) Vom Exerzierplatz zum Werksgelände.
Das heutige Firmengelände von Evonik/Röhm in Weiterstadt-Riedbahn steht auf dem früheren Kavallerie-Exerzierplatz. Zu speziellen, dem adligen Offizierskorps vorbehaltenen Turnieren wurde die Darmstädter Bevölkerung mit Sonderzügen gebracht. Von etwa 1914 bis 1920 stand im Zwickel zwischen alter und neuer Riedbahn eine Luftschiffhalle, die auf eine französische Anordnung hin abgerissen werden mußte. Der neu errichtete Rouvenhof nutzte das Gelände vielleicht schon ab den 1920er Jahren. - (3b) Neue Schienen zwischen Bergschneise und Röhm.
Obwohl seit anderthalb Jahren ohne Güterverkehr, wurde der Streckenabschnitt Ende 2021 noch einmal mit frischen Schienen versehen. Ein weiteres Beispiel absurder BWL-Logik: Fördermittel dürfen nicht verfallen, auch wenn die Strecke tot ist. - (4) In Weiterstadts Stadtteil Riedbahn.
Hinter dem heutigen Gleisende bestimmt Schotter den weiteren Weg bis zur ehemaligen Landstraße von Darmstadt nach Weiterstadt mit dem Posten 84. Hier installierte die Deutsche Bundesbahn mit einer automatisch angesteuerten Blinklichtanlage eine für die 1950er Jahre innovative Einrichtung. - (5) Rund um die Blockstelle Pallaswiese.
Auf halbem Weg zwischen Darmstadt und Griesheim stand eine Blockstelle namens „Pallaswiese“. Sie wurde 1970 ein letztes Mal porträtiert. - (5a) Die kleine Darmbachbrücke an den Pallaswiesen.
Kurz darauf wurde der Darmbach überbrückt. Die kleine Darmbachbrücke wurde 2012 abgetragen. - (6) Im Weigandsbusch bei Griesheim.
Ein Waldstück zwischen Weiterstadt und Griesheim trägt den Namen Weigandsbusch und lädt zur genauen Spurensuche ein. Gerhard Schreiner hat Ende der 1950er Jahre die Metamorphose des Bahnübergangs am Posten 79 von einer dem Fernverkehr dienenden Landstraße zur einer Schnellstraße fotografisch dokumentiert; diese Bilder sind auf mehreren Seiten verteilt zu sehen. - (7) Griesheim.
In Griesheim selbst ist nicht mehr viel zu sehen. Auf dem alten Bahnhofsgelände wurden der städtische Bauhof angesiedelt und neuer Wohnraum geschaffen. - (7a) Griesheim um 1990.
Das war vor mehr als dreißig Jahren noch anders. Die damals teilweise schon gerupften Bahnanlagen wurden vor ihrem Abbau noch fotografisch dokumentiert. - (8) Von Griesheim nach Wolfskehlen.
Westlich von Griesheim läßt sich der Streckenverlauf noch erahnen; Spuren gibt es jedoch nur noch wenige zu finden und einzelne Hektometersteine scheinen neue Liebhaber gefunden zu haben. Zu Posten 68 und Posten 70 ist älteres Bildmaterial vorhanden. Der Bahnhof von Wolfskehlen wurde um 1900 herum auf einer Gruppenaufnahme von beim Bau der Telegrafenleitung beschäftigten Arbeitern mit verewigt. - (9) Ankunft in Goddelau.
In Goddelau mündet der östliche Zweig der Riedbahn auf die Strecke von Mannheim nach Frankfurt. Zum Bahnhof Wolfskehlen gibt es eine eigene Darstellung, und der Streckenverlauf zwischen der Station Leeheim-Wolfskehlen über Goddelau-Erfelden nach Stockstadt am Rhein wird anhand älteren Karten- und Bildmaterials näher betrachtet. In Stockstadt befand sich ein im Altrhein eingelassenes Schwimmbad, welches das vergnügungssüchtige Darmstädter Bürgertum im 19. Jahrhundert mittels eigener Badezüge aufzusuchen pflegte.
Im Darmstädter Norden
- (A) Ein Durchlaß für den Darmbach.
Angaben in zwei denkmaltopografischen Bänden wecken Zweifel und ein Informationsflyer unterstützt die richtige Interpretation einer kleinen denkmalgeschützten Brücke im Darmstädter Nordwesten. - (B) Die Verbindungsbahn ist eine von der Hessischen Ludwigsbahn 1874 errichtete Verbindungsstrecke zwischen dem Mainzer und dem Aschaffenburger Zweig der Main-Rhein-Bahn und dient bis heute vorwiegend dem Güterverkehr.
- (C) Am Stellwerk an der Hammelstrift wurde die Verbindungsbahn mit der Riedbahn und der Main-Rhein-Bahn verknüpft.
Das in einigen Unterlagen auch als Haltestelle Hammelstrift bezeichnete Anwesen wurde zu keiner Zeit für die Personenbeförderung als Ein- oder Ausstieg genutzt. Das baufällige Gebäude stand wohl nicht unter Denkmalschutz und wurde daher im Dezember 2010 abgerissen. - (D) Rund um den Posten 85 an der Bergschneise.
Die heutige Blockstelle an der Bergschneise ist das Relikt eines zweigeschossigen Stellwerksbaus. Dieser wiederum wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs errichtet, nachdem die ursprüngliche Blockstelle vermutlich von alliierten Bombentreffern beschädigt oder zerstört worden war. Diese ursprüngliche Blockstelle bediente auch die Schranken des nahegelegenen Bahnübergangs 85. In der Nähe standen zudem der Posten 42 der Main-Rhein-Bahn, gleichzeitig als Blockstelle Pfarrwiese genutzt, sowie ein Durchlaß unter der Main-Neckar-Bahn für den landwirtschaftlichen und Forstbetrieb. Dieser heute keinem Zweck mehr dienende Durchlaß wurde beim Neubau einer Eisenbahnbrücke parallel zur Bundesstraße 3 zwischen 2008 und 2010 verfüllt. Zu den Metamorphosen dieses Durchlasses in seinen beiden letzten Jahren gibt es eine eigene Bilderseite. - (E) Ein Osterspaziergang im April 1962.
Ein Bild aus einem Familienalbum lädt zu einer heute nicht mehr möglichen Wanderung von der Riedbahn in eine zwischen Arheilgen und Weiterstadt gelegene Gastronomie ein. - (F) Das Werkstättengleis.
Zu den Lokomotivwerkstätten auf der Westseite des Hauptbahnhofs führte ein eigenes Gleis, welches vom anfangs des 20. Jahrhunderts neu erbauten nördlichen Bogen der Riedbahn abzweigte. Hierzu gibt es eine begleitende Bilderseite, die den Streckenverlauf nördlich der Pallaswiesenstraße an der Kläranlage vorbei zeigt. Als eine Art südlicher Ausläufer zweigte unterhalb der Dornheimer Weg-Brücke der HEAG-Anschluß mit dem Kartoffelkellergleis ab.
Ergänzende Betrachtungen
- Darmstadt.
Die Übersichtsseite zu Darmstadt mit seinen Bahnanlagen. - Goddelau-Erfelden.
Die Übersichtsseite zu Goddelau-Erfelden mit seinen Bahnanlagen. - Griesheim.
Die Übersichtsseite zu Griesheim mit seinen Bahnanlagen. - Wolfskehlen.
Die Übersichtsseite zu Wolfskehlen mit seinen Bahnanlagen. - Topografische Karte.
Eine auf 1886 datierte Topografische Karte zeigt den Verlauf der Strecke zwischen Wolfskehlen und Darmstadt. Ergänzt durch einen Ausschnitt einer weiteren Karte zu Goddelau.. - Hektometersteine.
Diese auch als Kilometersteine bezeichneten Betonsäulen sind entlang der Riedbahntrasse noch an einigen Stellen aufzufinden, obwohl ihr Bestand aus verschiedenerlei Gründen schwindet. - Verschwunden und entsorgt.
Verschwundene Relikte der Darmstädter Eisenbahngeschichte an der Riedbahn und im Fabrikviertel von 2008 bis 2015.