Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Die Verbindungsbahn
Die Güterzugstrecke im Norden Darmstadts
1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau. Die Geschichte der Riedbahn wird an anderer Stelle meiner Webseite ausführlich abgehandelt.
Die von vornherein sogenannte „Verbindungsbahn“ verknüpft den westlichen und den östlichen Ast der Main-Rhein-Bahn. Gebaut wurde sie 1873/74, um mit durchlaufenden Güterzügen den damaligen Ludwigsbahnhof der Hessischen Ludwigsbahn umgehen zu können. Auch anderthalb Jahrhunderte später ist sie eine wichtige Durchgangsstrecke im Netz der Deutschen Bahn.
»» Die Fundorte zu einzelnen Bildern sind auf dem Lageplan von 1906 eingezeichnet.
Die beiden Aufnahmen von Ulrich Richter wurden mir freundlicherweise von der Forschungsgemeinschaft Verkehrsgeschichte e. V. in Reinheim zur Verfügung gestellt.
Von den Anfängen
Ende der 1860er Jahre stieß der kleine Bahnhof der Hessischen Ludwigsbahn in Darmstadt an seine Grenzen. Die neu erbaute Riedbahn und die Odenwaldbahn brachten nicht nur mehr Personenzüge in die südhessische Residenzstadt. Der regionale wie überregionale Güterverkehr mußte ebenso über die Anlagen des Kopfbahnhofs abgewickelt werden. Durchfahrende Güterzüge aus dem Rheinland nach Bayern waren eine wichtige Einnahmequelle für die private Eisenbahngesellschaft. Die Verzögerungen im Betriebsablauf beim Umspannen der Güterzüge drohten dazu zu führen, daß der Güterverkehr sich weniger hinderliche Strecken suchte.
Die Lösung dieses Platzproblems bestand darin, zum einen den Personenbahnhof auf repräsentative Weise auszubauen. Beim Güterverkehr bot es sich an, diesen im Norden Darmstadts am Ludwigsbahnhof vorbeizuführen. Es wurde daher eine Verbindung zwischen der Hammelstrift im Nordwesten der Stadt und Kranichstein im Nordosten projektiert. Der Bau des Gleises für diese Verbindungsbahn wurde auf einer Aktionärsversammlung der Hessischen Ludwigsbahn am 28. April 1871 formal beschlossen. Im Vortrag des Verwaltungsrats wurde diese Maßnahme zum einen mit der Überlastung der Bahnhofsanlagen in Darmstadt, zum anderen mit der Konkurrenzfähigkeit der Gütertransitstrecke von Mainz nach Aschaffenburg begründet.
Bild 1: Das Ende 1979 abgerissene Empfangsgebäude des Bahnhofs Kranichstein um 1975. Das ursprünglich wohl recht einfache Gebäude wurde Mitte der 1890er Jahre aufgestockt. Aufnahme: Ulrich Richter.
Es waren jedoch noch Vorarbeiten zu leisten. Die Strecken von Darmstadt nach Mainz und Dieburg waren zweigleisig auszubauen. Für die Verknüpfung von Riedbahn und Verbindungsbahn mit der Main-Rhein-Bahn mußte ein Stellwerk errichtet werden. Am 22. April 1873 schrieb die Hessische Ludwigsbahn die Arbeiten zur Erbauung dieses Dienstgebäudes als Überwachungsstation an der Hammelstrift aus. Als Richtwert für die Kosten wurden 10.576 Gulden und 24 Kreuzer genannt.
Zudem wurden vier Bahnwärterhäuser entlang der Strecke eingeplant. Zwei davon lassen sich sicher verorten, die beiden anderen sind nicht so klar. Eines stand am nordöstlichen Eck der Kreuzung der Verbindungsbahn mit der Straße von Darmstadt nach Arheilgen. Seit 1890 kreuzte dort zudem die Dampfstraßenbahn nach Arheilgen die Bahnstrecke. Diese Kreuzung wurde um 1910 durch eine Brücke ersetzt. Ein weiteres bewachte den Bahnubergang der Kranichsteiner Hammelstrift und ist auch heute noch als Wohnhaus anzutreffen. Ein drittes könnte sich am heutigen Bahnübergang in Kranichstein befunden haben. Das vierte ist unklar. Eine Ausschreibung zum Bau dieser vier Sicherungsposten habe ich nicht finden können.
Die Verbindungsbahn wurde am 1. Juni 1874 offiziell und nur für den Güterverkehr eröffnet. Gleichzeitig mit der Verbindungsbahn wurde auf dem Kranichsteiner Gelände ein Rangierbahnhof errichtet, dem eine kleine Bahnstation angeschlossen wurde. Anfangs hielten hier nur am Nachmittag und Abend je Fahrtrichtung zwei Personenzüge. Die Güterzüge der Verbindungsbahn wurden damals und werden auch heute noch erst hinter Kranichstein kurz vor dem Gleisbogen nach Messel auf die Hauptstrecke geleitet.
Durch den Bau des neuen Darmstädter Hauptbahnhofs veränderten sich ab 1910 im Norden Darmstadts die Gleisanlagen. Die Verbindungsbahn erhielt am Nordbahnhof eine Stichstrecke auf die Main-Neckar-Bahn und 1923, als französische Truppen die Region westlich von Darmstadt besetzt hielten, einen neuen, auch heute noch vorhandenen Gleisanschluß für den Chemie- und Pharmakonzern Merck. Im Westen wurde die Verbindungsbahn bis zu einer neuen Blockstelle an der Stockschneise verlängert, wobei weitgehend die vorhandenen Anlagen genutzt wurden. Das Stellwerk an der Hammelstrift wurde durch eine neue Blockstelle an der Bergschneise ersetzt, wo sich nunmehr Riedbahn und Verbindungsbahn trafen. Die Main-Rhein-Bahn nach Mainz erhielt zwei neue Gleiskurven und wurde erst an der Stockschneise auf ihre ursprüngliche Trasse zurückgeführt. Zudem wurde von der Bergschneise aus ein drittes Gleis parallel zur Riedbahn in Richtung Griesheim gebaut, das an der Straße nach Gräfenhausen weiter nach Süden in das neue Lokomotivwerk am Dornheimer Weg gelegt wurde, das sogenannte Werkstätten- oder – im Rangiererjargon – Vierlingsgleis.
Bild 2: Aus dem fahrenden Zug auf dem Viadukt abgelichtet: die Gleisanlagen an der Bergschneise mit dem noch vollständigen Stellwerksaufbau. Auf der hellen Fläche hinter dem Stellwerk stand der Vorgängerbau. Das Werkstättengleis wurde schon abgebaut. Aufnahme: Ulrich Richter, wohl Ende der 1960er Jahre.
Bei dieser um 1910 erbauten Blockstelle an der Bergschneise handelte es sich nicht um den heute noch vorhandenen Kasten unterhalb der Umgehungsstraße. Es muß direkt neben den Gleisverbindungen ein größeres Gebäude gestanden haben, das vermutlich 1944/45 durch alliierte Bombenangriffe zerstört wurde. Dieses wurde nicht wiederaufgebaut, sondern durch ein neues zweistöckiges Gebäude ersetzt.
Von Kranichstein westwärts
Personen- und Güterzüge, die von Messel aus nach Kranichstein verkehren, kommen an einem Bahnwärterhaus vorbei, dem gegenüber einst die Blockstelle Krautstraße stand, und durchfahren hierbei die sogenannten Mainzer Berge. Kurz vor den ausgedehnten Gleisanlagen des Rangierbahnhofs Kranichstein, wird eine kleine steinerne Brücke unterfahren, die Spaziergängerinnen, Forstarbeitern und früher auch Eisenbahnern zur Überquerung der Main-Rhein-Bahn dient(e). Erstaunlicherweise habe ich von dieser Brücke keine Aufnahme von der Kranichsteiner Seite auf meiner Festplatte. Bavor diese Brücke gebaut wurde, muß auch hier ein Bahnwärterhaus gestanden haben.
Noch vor dem Bahnhof Kranichstein werden die Güterzüge auf eigene Gleise und somit auf die Verbindungsbahn geleitet. Sie fahren am ehemaligen Bahnbetriebswerk Darmstadt-Kranichstein vorbei, in dem nunmehr seit einem halben Jahrhundert das Eisenbahnmuseum zu finden ist. Wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht, wird hier zweimal im Jahr ein besonderes Programm für Interessierte jeglichen Alters geboten.
Bild 3: Ein Kesselwaggonzug aus Richtung Aschaffenburg erreicht mit 185 575 im August 2014 Kranichstein und wird gleich auf die Gütergleise der Verbindungsbahn geleitet. Wie es der Zufall wollte, kam zum selben Zeitpunkt aus der Gegenrichtung ein anderer Kesselwaggonzug.
Bild 4: Die Brücke, von der herab ich den Zug fotografiert habe, aber im Mai 2009 und im Gegenlicht.
Bild 5: Überrest des einstigen Ablaufberges im Oktober 2010.
Bild 6: Das Rangierstellwerk „R1“ ist schon lange außer Betrieb. Es war ein SpDrL20 von 1960 und hatte auf einem Stelltisch 32+16 Felder mit 55 Innen- und 16 Außentasten.
Bild 7: Die als „Mainz 4981“ beschilderte Güterzuglokomotive fuhr zu den Kranichsteiner Bahnwelttagen 2010 ein letztes Mal. Hier gibt es letzte Instruktionen vor einer Führerstandsmitfahrt.
Bild 8: Das Eisenbahnmuseum verfügt über eine erlesene Uniformsammlung, deren Grundstock der 2018 verstorbene Gerhard Klatt (links) gelegt hat. Matthias Mampel (rechts) mimt ansonsten gerne einen Geometer beim Bau der Bagdadbahn und sein Theodolit ist ein wahres und vor allem funktionsfähiges Schmuckstück. Aufnahme vom Mai 2013.
Bild 9: Derweil wartet eine Vectron mit ihrem Containerzug auf die Erlaubnis zur Weiterfahrt. Aufnahme vom Juni 2016.
Bild 10: Das Fahrdienstleiterstellwerk am Bahnübergang von Arheilgen nach Kranichstein im August 2008. Es wurde nach rund sechzig Jahren Betriebsdauer Ende 2020 von einem ferngesteuerten elektronischen Stellwerk abgelöst.
An Kleingärten vorbei
Am Stellwerk in Kranichstein trennen sich die Güterzug- und Personenzuggleise und treffen erst am Nordbahnhof wieder aufeinander. Diese Konstruktion mag seltsam erscheinen, hat jedoch historische Ursachen. Verlängern wir die Trasse des Personenzuggleises nämlich gedanklich in schnurgerader Richtung weiter, dann treffen wir nicht auf den Nordbahnhof, sondern auf die „Knell“. Dies ist die ursprüngliche Streckenführung zum einstigen Ludwigsbahnhof. Die 1873/74 erbaute Verbindungsbahn scherte sich nicht um das schon vorhandene Gleis, sondern nutzte das damals freie Gelände großzügig für eine eigene optimierte Linienführung. Als um 1910 die Gleisanlagen komplett umgekrempelt wurden, wurde am Nordbahnhof der Einfachheit halber auf die vorhandene Trasse der Personenzugstrecke verschwenkt.
Ende der 1960er Jahre erwog die Bundesbahndirektion Frankfurt die Aufgabe der Güterzugstrecke zwischen Nordbahnhof und Kranichstein. Den Autoren einer diesbezüglichen „betrieblichen Begründung“ schien die Personenzugstrecke ausreichend leistungsfähig zu sein. Allenfalls wären Flaschenhälse an den beiden Endbahnhöfen zu erwarten, die es zu beseitigen gelte. Zum Glück wurde diese „Optimierung“ nicht umgesetzt. Wir ersehen daraus, daß es nicht einer Bahnreform mitsamt eines Hartmut Mehdorn bedurfte, um die Funktionsfähigkeit der Eisenbahn nachhaltig schädigen zu wollen.
Vom Bahnübergang am Fahrdienstleiterstellwerk in Kranichstein aus verlaufen fünf bzw. sechs Gleise in südwestlicher Richtung. Neben den beiden Gleisen der Personenzug- und der Güterzugstrecke gibt es ein Umsetzgleis, das noch vor dem nächsten Übergang endet, und gab es ein weiteres Gleis, das als Güterzugumgehung direkt zum Ostbahnhof geführt wurde. Dieses Gleis wurde in den 1970er Jahren mit der vordergründigen Aussage eines maroden Oberbaus aufgegeben und beim Bau der Straßenbahn nach Kranichstein auch in einem längeren Stück gekappt.
Zwischen dem Stellwerk in Kranichstein und dem Nordbahnhof wird die Verbindungsbahn von drei Wegen gequert. Der Posten 50 am Arheilger Mühlchen besaß noch in den 1970er Jahren ein eigenes Schrankenwärterhäuschen. Der Weg vom Kranichsteiner Ableger der Hammelstrift zur Maulbeerallee, der Posten 4, war ursprünglich durch ein Bahnwärterhaus gesichert, das erstaunlicherweise noch steht und heute Wohnzwecken dient . Zwischen der Güterzug- und Personenzugstrecke befindet sich eine Kleingartensiedlung, die nach Süden bis fast zur Odenwaldbahn reicht. Der Schreberweg am östlichen Ende der Bahnsteige des Nordbahnhofs quert daher gleich dreimal eine Bahnstrecke, was öfter einmal zu dem Effekt führtt, daß sich eine Schranke in dem Moment öffnet, wenn die nachfolgende geschlossen wird. Längere Wartezeiten sind hier nicht selten. Manch ungeduldigen Zeitgenossen dünken sich unsterblich und umgehen die heruntergelassenen Schranken. Das einstmals vorhandene Schrankenwärterhäuschen am Posten 3 hat schnöder Technik im Betonkasten Platz gemacht.
Bild 11: Der Bahnübergang am Woogsweg im März 2013.
Bild 12: Am Posten 4 steht das Bahnwärterhaus gut abgeschirmt. Aufnahme vom März 2015.
Bild 13: Dasselbe Bahnwärterhaus am östlichen Ende der Maulbeerallee im April 2015.
Bild 14: Typische Situation am Schreberweg. Aufnahme vom April 2014.
Bild 15: Eine Nohab der Altmark Rail nähert sich mit einer weiteren Lokomotive dem Schreberweg. Der Betonklotz am linken Bildrand hat den Schrankenposten Nummer 3 ersetzt. Aufnahme vom Mai 2014.
Bild 16: Vom Bahnsteig der Aschaffenburger Strecke schauen wir auf das vorläufige Ende der am Schreberweg beginnenden Gleiskurve. Nachmittags kommt der Merckgüterzug vom Umsetzen aus Kranichstein zurück. Bei dieser Aufnahme im September 2016 bestand dieser jedoch aus nur einem einzigen Kesselwaggon. Wir sehen dahinter die von derselben Lokomotive zuvor von VW aus Dieburg mitgebrachten gedeckten Wagen. Bis Ende des 20. Jahrhunderts befand sich an der Stelle des Merck-Bürogebäudes im Hintergrund der Gleisanschluß des Chemieunternehmens Schmitt und Ziegler.
Bild 17: Derselbe Ort, aber anderer Blickwinkel von der Brücke der Frankfurter Straße. Ein leerer Kohlenzug durchfährt den Nordbahnhof im Oktober 2015.
Am Nordbahnhof
Der Nordbahnhof ist eine kleine Schaltstelle im Darmstädter Personen- und Güterverkehr. Nach Osten geht es nach Asdchaffenburg und in den Odenwald, nach Westen meist zum Hauptbahnhof. Als die Bahnanlagen um 1910 umgebaut wurden, dachten die Planer großzügig und perspektivisch. Sie erwarteten eine weitere Zunahme des Personen- und Güterverkehrs. Möglichst kreuzungsfrei sollten daher die Züge im Hauptbahnhof ankommen, weshalb die Main-Rhein-Bahn und die Odenwaldbahn auf separaten Bahnkörpern, also viergleisig nebeneinander, geführt wurden. Damit war es möglich, parallele Ein- und Ausfahrten zu ermöglichen, was die Sparbrötchenplaner seit den 1960er Jahren durch systematischen Rückbau sich betriebswirtschaftlich nicht rechnender Gleise und Bauten nunmehr verhindern.
Von der Verbindungsbahn ging eine zweigleisige Güterzugstrecke zum Güter- und auch Hauptbahnhof ab, die nach kriegsbedingten Zerstörungen nach 1945 nur eingleisig wieder aufgebaut wurde. 1923 wurde ein neuer Gleisanschluß für Merck eingerichtet, weil der alte an den Bahnhof Arheilgen angebunden war; und der war nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg französisch besetzt und wurde vom französischen Militär bis 1924 auch häufiger blockiert. Um 1970 kam der Gleisanschluß für Schmitt und Ziegler hinzu. Bei Umbau der Gleisanlagen um 1910 wurde eine eingleisige Verbindungskurve zwischen dem Nordbahnhof und dem Bahnhof Arheilgen errichtet, die seit 2005 durch eine spezielle Weichenverbindung auch Zügen der Odenwaldbahn nach Frankfurt dient. Diese Gleisverbindungen wurden über ein Stellwerk direkt unterhalb der Brücke gesteuert, bis 1972 das Zentralstellwerk am Darmstädter Hauptbahnhof diese Aufgabe übernahm.
Das Umsetzen der von mir Merckgüterzug getauften Leistung in Kranichstein hat historische Ursachen. Solange Kranichstein noch Drehscheibe für den Güterverkehr der Region war, wurden die Züge in den Odenwald und zu Merck dort abgewickelt. Zwar dürfte es theoretisch denkbar sein, zwischen Nordbahnhof und Kranichstein eine spezielle Signalisierung einzubauen, damit dieser Güterzug noch vor dem Schreberweg umkehren kann, aber der Aufwand wäre wohl unverhältnismäßig. Und deshalb rangiert dieses Zügelchen ein- oder zweimal täglich nach Kranichstein und wieder zurück.
Bild 18: Unterhalb der Frankfurter Straße gehen die beiden Gleise der Verbindungsbahn nach rechts ab. Aufnahme vom Mai 2015.
Bild 19: Das Gleiswirrwarr am Nordbahnhof im Mai 2015.
Bild 20: Von Mainz-Bischofsheim herkommender Kesselwaggonzug in Richtung Aschaffenburg. Aufnahme vom Mai 2018.
Bild 21: Lokomotive 294 737 hat soeben den Anschluß Merck verlassen und macht sich zum Umsetzen auf den Weg nach Kranichstein. Aufnahme vom September 2013.
Hammelstrift, Berg- und Stockschneise
Als die Verbindungsbahn 1873/74 erbaut wurde, endete sie im Westen an der Main-Rhein-Bahn von Darmstadt nach Mainz. Diese 1858 in Betrieb genommene Strecke erhielt 1869 einen Ableger nach Worms, die Riedbahn. Diese wurde jedoch betrieblich getrennt von der Main-Rhein-Bahn gehalten. Erst 1874 entstand die Notwendigkeit, diese beiden Eisenbahnen zu verknüpfen, um Güterzüge auch von Worms, Biblis oder Griesheim aus nach Kranichstein und darüber hinaus leiten zu können. Deshalb wurde ein Stellwerk an der Hammelstrift errichtet [⇒ E1]. Unabhängig hiervon war schon ein Bahnwärterhaus entstanden [⇒ E2].
Nicht ganz vier Jahrzehnte später wurde der Verknüpfungspunkt von der Hammelstrift zur Bergschneise [⇒ E9] verlegt. Ein neues Stellwerk, diesmal an der Südseite, entstand. Zu den nunmehr zwei Gleisen der Riedbahn gesellte sich ein drittes, das als Werkstättengleis in das Lokomotivwerk am Dornheimer Weg geführt wurde. 1944/45 scheint dieses Stellwerk zerstört worden zu sein. Es wurde nicht wieder aufgebaut, sondern durch einen zweigeschossigen Bau unterhalb des Viadukts der Main-Neckar-Bahn ersetzt [⇒ E3]. Das zweite Riedbahngleis von der Bergschneise zum Hauptbahnhof wurde nach 1945 ebenso nicht mehr wiederhergestellt. Das Werkstättengleis wurde mit der Schließung des Lokwerks Mitte der 1950er Jahre überflüssig. Der Personenverkehr auf der Riedbahn wurde 1970 eingestellt, die Strecke bis Griesheim eingekürzt und 1990 ganz dicht gemacht. Derzeit besteht hier nur noch ein Rangiergleis bis zum Evonik-Gelände in Weiterstadt, aber auch dieser Gleisanschluß wird seit dem Fühjahr 2020 nicht mehr bedient. Nachdem das Zentralstellwerk am Hauptbahnhof 1972 in Betrieb ging, wurde das Stellwerk an der Bergschneise zurückgebaut. Hier steht heute nur noch ein häßlicher, von Sprühpinklern neugestalteter Klotz. Das Viadukt wurde 2010 durch eine Spannbetonbrücke ersetzt.
Zwischen Berg- und Stockschneise muß es einmal eine Art Bahnübergang gegeben haben, den Posten 1. Welcher Übergang als Posten 2 firmierte, ist mir nicht klar; vielleicht handelt es sich hierbei um den Drängelgitterüberweg an der Wöhlerwegsiedlung neben dem 2010 abgerissenen ehemaligen Stellwerk Hammelstrift. An der Stockschneise werden die zum Hauptbahnhof abzweigenden Gleise mit der Verbindungsbahn zusammengeführt [⇒ A1]. Als die Landstraße nach Gräfenhausen die Strecke noch ebenerdig kreuzte, stand daneben die Blockstelle Stockschneise. Diese dürfte bald nach 1972 verschwunden sein.
Bild 22: Diese Brücke über die Verbindungskurve nach Arheilgen und die Verbindungsbahn zur Bergschneise steht auf der 1846er Gleistrasse der Main-Neckar-Bahn. Sie dient dem internen Werksverkehr von Merck. Aufnahme vom Juni 2008.
Bild 23: Das ehemalige Stellwerk an der Hammelstrift im Mai 2009.
Bild 24: Links daneben stand ein Bahnwärterhaus (Posten 42) mit zugehörigem Stall.
Bild 25: Ein Radfahrer wartet am Drängelgitter des Bahnübergangs von der Hammelstrift zum Wöhlerweg die Durchfahrt eines Güterzuges ab. Manchmal bleibt so ein Zug auch vor dem Übergang stehen. Das ist keine Höflichkeit, sondern dem folgenden auf Rot stehenden Signal geschuldet.
Bild 26: Der oder das 2010 abgerissene Viadukt der Main-Neckar-Bahn an der Bergschneise. Links der Durchlaß der Verbindungsbahn, rechts derjenige der Riedbahn. Aufnahme vom August 2008.
Bild 27: Im März 2010 war die neue Spannbetonbrücke in Betrieb. Dahinter die Abbrucharbeiten am alten Viadukt, gefolgt von der Umgehungsstraße Arheilgen. Der Backsteinbau darunter beherbergt die Stellwerkstechnik an der Bergschneise.
Bild 28: Auf dem Reststummel der Riedbahn steht im April 2013 eine Rangierfahrt, die von der Evonik in Weiterstadt gekommen ist, und wartet auf die Freigabe zur Weiterfahrt.
Bild 29: Der Bahnübergang wurde beim Bau der Main-Rhein-Bahn eingerichtet und verfügte möglicherweise über ein Bahnwärterhaus. Er trug zunächst die Nummer 41, ab etwa 1910 war es Posten 1, der schon in den 1920er Jahren nur noch auf besondere Anforderung durch die Gemeinde Weiterstadt für deren Holzabfuhr geöffnet wurde. Zwei Metallgestänge sind das Relikt des Postens 1. Das vordere liegt am Boden, das hintere steht links vom Masten. Aufnahme vom April 2013.
Bild 30: An der Stockschneise verläßt ein Güterzug die Verbindungsbahn und fährt alsdann auf den Gleisen der Main-Rhein-Bahn weiter. Aufnahme vom April 2011.
Bild 31: Die Aufnahme des Güterzuges entstand auf diesem Sockel. Sein Zweck ist mir unklar. Um dorthin zu gelangen, sind Dornen und Nesseln zu überwinden.
Bild 32: Wilder Übergang an der Brücke der Landstraße nach Gräfenhausen (am linken Bildrand zu denken). Aufnahme vom Juni 2010.
Bild 33: Die Aufnahme ist in so ziemlich jeglicher Hinsicht eine Katastrophe. Sie entstand im September 2010 beim Versuch, einen herannahenden Güterzug bei prallem Gegenlicht unter einer dunklen Brücke hindiurch abzulichten. Ich würde sie auch eher dem digitalen Papierkorb übereignen, wenn sie nicht meine wahrscheinlich einzige Aufnahme der vorherigen Blockstelle an der Stockschneise gewesen wäre. Der Knick am Seitenweg hat nämlich einen Grund. Auf dem verbuschten Rasen stand das Gebäude.
Bild 34: Die Landstraße nach Gräfenhausen von Weiterstadt aus gesehen. Links daneben an den bunten Bäumen, demnach gegenüber der Blockstelle, stand das Bahnwärterhaus 40. Aufnahme vom Oktober 2013.
Abbildung 35: Zu einer schlechten Aufnahme gehört ein in die Jahre gekommener Lageplan mit Stand 1964. Er zeigt den Bahnwärterposten auf der Nordseite und die Blockstelle auf der Südseite. Die Überführung wurde erst zu Beginn der 1970er Jahre gebaut.
Als der Umbau der Bahnhofsanlagen in Darmstadt im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts geplant wurden, war vorgesehen, die Blockstelle an der Nordseite der Eisenbahnstrecke zu errichten, und zwar zwischen der Stockschneise und der Straße nach Gräfenhausen. Ob das auch so umgesetzt wurde, ist unbekannt. Im Stadtarchiv Weiterstadt gibt es Auszüge aus einem Schriftverkehr zwischen der Bürgermeisterei und der Reichsbahn, in dem es auch um die Verlegung der Blockstelle an der Stockschneise ging. Leider erfahren wird hieraus nichts Nähertes; aber es ist denkbar, daß diese Blockstelle zu Beginn der 1920er Jahre an den späteren Standort verlegt worden ist. Heute ist dort die vom Stellwerk in Darmstadt ferngesteuerte Technik in einem schnöden Betonklotz untergebracht.
Weiterführende oder verwandte Darstellungen auf anderen Unterseiten des Riedbahn-Projektes
- Gleise voin Darmstadt nach Dieburg.
- Der Bahnhof und das Bahnbetriebswerk in Kranichstein, eine wünschenswerte Ergänzung.
- Die Verbindungskurve von Kranichstein zum Ostbahnhof und die Blockstelle Kastanienallee.
- Der Nordbahnhof.
- Die Gleisanschlüsse von Merck und von Schmitt und Ziegler am Nordbahnhof.
- Der Merck-Gütrerzug im Oktober 2012.
- Die Blockstellen Birnbaum, Sensfelder Weg und Löcherwiese.
- Vom Ludwigsbahnhof zum Exerzierplatz.
- Das Stellwerk an der Hammelstrift.
- Rund um den Posten 85 an der Bergschneise, mit Blockstelle Pfarrwiese.
- Vom Hauptbahnhof mit neuer Schleife.
- Das Werkstättengleis.
- Ein Osterspaziergang im April 1962.
Anmerkungen
Am Ende der angeklickten und eingefärbten Anmerkung geht es mit dem Return ( ⏎ ) zum Text zurück.
- Protokoll der dreiunddreißigsten General-Versammlung der Actionäre der Hessischen Ludwigs-Eisenbahn-Gesellschaft vom 28. April 1871. ⏎
- Darmstädter Zeitung vom 30. April 1873 [online ulb darmstadt]. ⏎
- Geschäfs-Bericht des Verwaltungsrathes der Hessischen Ludwigsbahn für die acht und dreißigste General-Versammlung der Actionäre über den Bau und Betrieb der Bahn im Jahre 1873, Seite 18. ⏎
- Der Sommerfahrplan 1974 in der Darmstädter Zeitung vom 2. Juni 1874 [online ulb darmstadt]. ⏎
- Die Angaben zu „R1“ nach einem Gleisplan der Strecke von Darmstadt nach Dieburg von ungefähr 1970, wiedergegeben auf der Unterseite Gleise von Darmstadt nach Dieburg. Abbildungen des Stellwerks und des Pultes auf stellwerke.de. ⏎
- Siehe auch die Fotoseite von Nick Jaussi über das Eisenbahnmuseum: A burning passion for steam trains von 2016. ⏎
- Bundesbahndirektion Frankfurt(M) : Umgestaltung der Gleisanlagen Darmstadt Nord – Da-Kranichstein; 36 B 82, 28. April 1969. ⏎
- Diese Verbindung zwischen Kranichstein und Ostbahnhof habe ich auf einer eigenen Unterseite behandelt: Das Überführungsgleis im Osten Darmstadts. ⏎
- In der Wikipedia fand ich im Juni 2023 einen Artikel zu diesem Bahnwärterhaus, der nicht gerade von Kenntnis der Darmstädter Bahnanlagen zeugt. ⏎
- Zwei Aufnahmen dieses Posten 3 aus den 1980er Jahren zeigt ein Beitrag im Historischen Forum von Drehscheibe Online. ⏎
- Eisenbahndirektion Mainz. Umgestaltung der Bahnhofsanlagen in Darmstadt. Mainz, im März 1910. Archiv Eisenbahnmuseum Darmstadt-Kranichstein. – Stadtarchiv Weiterstadt, Bestand XXV 3, Konvolut 1, Faszikel 10. Mit Dank an die Archivarin Maxi Jennifer Braun. ⏎