Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der alten Riedbahn.
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
An der Hammelstrift.
An der Hammelstrift.
An der Bergschneise.
Viadukt an der Bergschneise.
Riedbahngleise.
Riedbahngleise.
Markierungsstein der Hessischen Ludwigsbahn.
Hessische Ludwigsbahn.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Das Über­werfungs­bauwerk am Wöhlerweg

Spurensuche an der Riedbahn

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Strecken­abschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau. Die Geschichte der Riedbahn wird an anderer Stelle meiner Webseite ausführlich abgehandelt.

Als bis 1912 die beiden zu klein gewordenen Bahnhöfe am heutigen Steubenplatz nach Westen verlegt wurden, erhielt der neue Haupt­bahnhof ein geradezu muster­gültig geplantes Gleisvorfeld. Sich höhen­gleich kreuzende Strecken wurden tunlichst vermieden; stattdessen wurden aufwenige Kreuzungs­bauten zur Optimierung des Betriebs­flusses errichtet. Eine dieser Bauten ist die Stahl­konbstruktion, die zwischen den Brücken über die Gräfen­häuser Straße und der Bergschneise eine einstmals dreigleisige Strecke überspannt.

Ich danke Andreas Kohlbauer und Tilmann Wittig für die Überlassung ihrer Aufnahmen von den voarn­schreitenden Bauarbeiten.


Denkmalschutz

Zu Anfang des 21. Jahrhunderts plante die Deutsche Bahn, die fast einhundert Jahre alte Brücke in der Nähe des Wöhlerweges durch eine einfallslose Beton­konstruktion zu ersetzen. Ein ähnliches Vorhaben führte sie einige Jahre später einihe hundert Meter entfernt an der Bergschneise durch und ersetzte Mauerwerk durch Spannbeton. Doch das Darmstädter Denkmalamt sah nicht ein, ein technisches Bau­denkmal so einfach entsorgen zu lassen. Als sich jedoch herausstellte, daß die Neubau­kosten mit etwa drei Millionen Euro deutlich höher liegen würden als die Kosten einer Renovierung (1,8 Millionen Euro), konnte der städtische Denkmal­schützer Nikolaus Heiss die Bahn-Verantwortlichen davon überzeugen, dieses eisenbahn­technische Denkmal zu erhalten. Und so versprach die Deutsche Bahn 2006, die ihr marode erscheinende Brücke denkmal­gerecht zu restaurieren und zu ertüchtigen. Jahre vergingen, ohne daß etwas geschah. Vermutlich mußte der passende Fördertopf abgepaßt und angezapft werden. Jedenfalls verdichteten sich 2017 die Anzeichen, daß sich am Wöhlerweg etwas tun würde. [1]

„Wöhlerweg-Brücke: Ein technisches Denkmal von 1912 bleibt der Stadt erhalten

Dezernent Klaus Feuchtinger: „Ein Erfolg für den Denkmalschutz“ / Ein seltenes Bauwerk der Nietenkunst in grüner Idylle / Deutsche Bahn nimmt von eigenen Abrissplänen Abstand und will für 1,8 Millionen Euro renovieren

Sie liegt idyllisch, mitten im grünen Darmstädter Nordwesten: Jetzt ist es der Stadt gelungen, die historisch und denkmalschützerisch wertvolle Wöhlerweg-Brücke von 1912 zu retten. Darmstadts Umwelt- und Denkmalschutz­dezernent Klaus Feuchtinger stieß denn auch freudig mit dem obersten Denkmal­schützer der Stadt, Nikolaus Heiss, vor Ort mit einem Glas Sekt auf den gelungenen Coup an: „Das ist ein Erfolg für den städtischen Denkmalschutz.“ Der genaue Standort befindet sich an Kilometer 36,240 der Strecke Darmstadt Hauptbahnhof nach Aschaffenburg.

Das Bauwerk gehöre, wie Feuchtinger erklärte, „zum Ensemble des ebenfalls aus dem Jahre 1912 stammenden Darmstädter Haupt­bahnhofs.“ „Wir haben in Darmstadt nur ganz wenige Brücken­bauwerke, wo so aufwendig und qualitäts­voll gearbeitet wurde“, sagte er.

Doch dafür hatte die Deutsche Bahn 2004 lange kein Einsehen: Sie plante den Abriss dieses idyllisch gelegenen „Juwels der Ingenieur­baukunst“ (Feuchtinger) und einen kompletten, eher schmucklosen Neubau für etwa 3 Millionen Euro. Erst vor wenigen Wochen nahm die DB Abstand von den Abrissplänen und lenkte ein: „Es ist wichtig, solche Wegweiser in die Moderne zu erhalten“, freute sich Stadtrat Klaus Feuchtinger über die jähe Kehrtwende. Man könne die Gesellschaftsg­eschichte der Architektur „ohne solche Bauwerke gar nicht verstehen.“ Es bestehe ein öffentliches Interesse daran, das technische Denkmal am Wöhler­weg zu bewahren.

Die heutige „Aschaffenburg-Linie“ war Teil der historisch Eisenbahn­linien der Stadt, die bis ins Jahr 1846 zurück­reichen: Damals führte die Strecke von Frankfurt-Sachsen­hausen bis Heidelberg und Mannheim. Die Stadt konnte das Wöhlerweg-Brücken­denkmal auch deswegen retten, weil es gelang, die DB-Verantwortlichen von der Notwendigkeit eines Gutachtens zu überzeugen, wie Denkmalpfleger Nikolaus Heiss berichtet.

Ergebnis des Gutachtens: Die Errichtung einer völlig neuen Brücke käme mit etwa 3 Millionen Euro Bau- und Abrisskosten deutlich teurer als die Renovierung (1,8 Millionen Euro).

Vor allem die an der Wöhlerweg-Brücke angewendete Nietnagel-Kunst sei in der Region eine kostbare Seltenheit: „Da steckt enorm viel Arbeit drin, heute wird nur noch geschraubt und geschweißt“, weiß Heiss. Und: „Die Nietkunst beherrscht heute kaum noch einer.“

Zwar hielt das Votum der Gutachter die Bahn nicht davon ab, trotzdem Abriss-Antrag zu stellen – doch Argumente der städtischen Denkmal­schützer überzeugten am Ende doch: „Eine Brücke muss nicht 100 Jahre halten, 50 Jahre reichen völlig aus“, sagte Denkmalschützer Heiss.

Der prognostizierte Zeitraum eines halben Jahrhunderts sei völlig ausreichend – ein technisches Denkmal bleibe so als Dokument der Ingenieurs­baukunst des 20. Jahrhunderts „über weitere zwei Generationen erhalten“. Zudem seien die Veränderungen in diesem Zeitraum unübersehbar.

Die Entscheidung, das Brückenwerk doch nicht zu zerstören, fiel seitens der DB am 28. Februar 2006, doch erst vor etwa drei Wochen wurde die Stadt dazu offiziell informiert.

Eine Renovierung wird nach den Worten von Heiss etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen, ein Termin steht noch nicht fest. Demnach ist geplant, bei der Renovierung der Brücke einzelne Querträger und Obergurte auszutauschen und einige Bauteile zu verstärken.

Eingeweiht wurde die Wöhlerweg-Brücke 1912, entstanden ist die genietete Stahlbrücke in den Jahren 1910 bis 1912. Die Brücke gilt als gutes Beispiel der Ingenieur­baukunst in der Zeit zwischen der Jahrhundertwende und dem Ersten Weltkrieg. Sie gilt als Kultur­denkmal und steht im Sinne des Hessischen Denkmalschutz­gesetzes unter Denkmalschutz. Ein weiteres Bauwerk aus jener Zeit, das von der Stadt gerettet wurde: Die Brücke Am Dornheimer Weg.“

Quelle: Pressestelle der Wissenschafts­stadt Darmstadt : Wöhlerweg-Brücke: Ein technisches Denkmal von 1912 bleibt der Stadt erhalten, Presse­mitteilung vom 5. Mai 2006.

Die Brücke 1912.

Abbildung 1: Über­führung des Gleises Darm­stadt – Aschaffen­burg über die Gleise Worms – Darm­stadt, Darm­stadt – Wiorms und Aschaffen­burg – Darm­stadt. Bis 1944/45 verlief hier die Riedbahn noch zwei­gleisig. Das Häuschen im Hintergrund ist der Posten 42, der auch die Blockstelle Pfarrwiese als Zwischen­block der Aschaffen­burger Strecke beinhaltete. Quelle: Umge­staltung der Bahnhofs­anlagen in Darm­stadt, in: Zeit­schrift für Bauwesen, Jahrgang LXII, 1912, Heft VII bis IX, Spalte 443–460; Abbildung in Spalte 451 [online zlb berlin].

Die Brücke 2020.

Bild 2: Im April 2020 besuchte Andreas Kohlbauer die Brücke vor der anstehenden Sanierung und lichtete sie aus ähnlicher Perspektive ab.

Grundlegende Sanierung

Im Januar 2021 ging es los. Die benötigte Freifläche zur Lagerung der beiden Brücken­glieder war schon in den Monaten zuvor freigeräumt worden. Zwei mächtige Kräne bugsierten die Brücke auf die vorgesehene Fläche. Die folgenden Aufnahmen stammen von Andreas Kohlbauer (ak) und Tilmann Wittig (tw).

Kräne am Wöhlerweg.

Bild 3: Die Kräne an einem Wochenende im Februar 2021 (tw).

Der Pfeiler.

Bild 4: Die abgestellte Brücke, vorne der markante Portalrahmen (tw).

Bagger.

Bild 5: Der Bagger wurde dabei unterbrochen, den Beton am westlichen Widerlager abzuknabbern (tw).

Brücke abgestellt.

Bild 6: Die abgestellten Brückenglieder, ebenfalls im Februar 2021 (ak).

Provisorisches Gleisende.

Bild 7: Hier fährt für mehr als ein Jahr kein Zug mehr. Gleisende am östlichen Widerlager (ak).

Geplant war, die Bauarbeiten bis März 2022 abzuschließen. Die Deutsche Bahn wollte zudem die Gelegenheit nutzen, das Gleisbett etwa 20 Zentimeter tiefer zu legen, weil die hier tiefer gelegte Ober­leitung ebenso unter erhöhtem Verschleiß litt wie die durch­fahrenden Stromabnehmer. [2]

Arbeitszelt.

Bild 8: Das Arbeitszelt im November 2021 (tw).

Brücke im Arbeitszelt.

Bild 9: Innendrin die Brücke (tw).

Widerlager.

Bild 10: Die allgegen­wärtigen puber­tierenden Sprühnasen hatten auf dem Aufsatz des Portalrahmens ihre Krakeleien hinterlassen. Der Rest des Portals ist wohl schon den Weg alten Eisens gegangen (tw).

Bahndamm.

Bild 11: Der Bahndamm scheint noch nicht wieder hergerichtet worden zu sein; oder soll das so bleiben? (tw).

Bahndamm.

Bild 12: Im Januar 2022 lüftet sich ein wenig das Geheimnis (tw).

Bahndamm.

Bild 13: Und im März 2022 sieht das Ganze ein wenig fort­geschritten, aber noch nicht fertig aus (tw).

Stilleben.

Bild 14: Im August war die Baustelle verlassen. Logisch, es war ja auch ein Sonntag.

Treppe.

Bild 15: Der Treppen­aufgang wurde ein Stück weit fortgesetzt, aber wohl noch nicht vollendet.

Bahndamm.

Bild 16: Im September oder Oktober 2022 scheinen Christo und Jeanne-Claude post mortem vorbei­geschaut und dem Bahndamm eine Hülle verpaßt zu haben (tw).

Brücke im Arbeitszelt.

Bild 17: Im Gegenzug wurde Mitte Oktober 2022 das Zelt geöffnet. Doch was geschieht nun? (tw)

Im November und Dezember 2022 waren beide Fotografen vor Ort. Das geöffnete Zelt stellte sich nicht als Vorbereitung der Montage heraus. Ganz im Gegenteil, Haarrisse und der unklare Zustand der Nieten führten zu einer radikalen Lösung. Die Brücke wird zerlegt und verschrottet.

Ohne Arbeitszelt.

Bild 18: Ohne das Arbeitszelt glänzt die Brücke ein letztes Mal in der Sonne (ak).

Ohne Arbeitszelt.

Bild 19: Nur noch wenige Tage … (ak).

Zerlegung.

Bild 20: Das Zerstörung­werk beginnt (tw).

Zerlegung.

Bild 21: Aber es gibt noch einiges zu tun (tw).

Zerlegung.

Bild 22: Mitte Dezember ist die Demontage weiter voran­geschritten (tw).

Zerlegung.

Bild 23: Dann kam auch noch ein bißchen Schnee hinzu (tw).

Zerlegung.

Bild 24: Das letzte Stück wird angeknabbert (tw).

Zerlegung.

Bild 25: Das war's (tw).

Zerlegung.

Bild 26: Zurück bleibt ein Häufchen Elend in Eisen (tw).

Fortsetzung folgt.