Signal in Griesheim. Formsignal in Griesheim.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Badefreuden in Stockstadt

Dokumentation

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

Von Goddelau weiter nach Süden erreicht die Riedbahn Stockstadt (am Rhein). Der 1829 an dieser Stelle begradigte Rheinverlauf ließ aus einer weiten Flußschlinge einen Altrheinarm entstehen. An einer flachen Stelle bei Stockstadt etablierte sich ein Badebetrieb, der auch überregional Bekanntheit erlangte. Die Hessische Ludwigsbahn stellte den Badegästen deshalb einen eigenen Badezug bereit.

»»  Streckenbeschreibung und Bahnhofsanlagen von Stockstadt mit Plänen und Bildern.

Die Aufnahmen entstanden bei verschiedenen Gelegenheiten zwischen 2008 und 2012.


Bahnhof Stockstadt am Rhein.
Bild 1: Bahnhof Stockstadt am Rhein.

Mit Eröffnung des ersten Teil­stücks der bis Worms projektierten Riedbahn von Darmstadt nach Gernsheim am 15. April 1869 rückte die kleine Ried­gemeinde Stockstadt mit ihren damals rund 1.100 Bewohnerinnen und Bewohnern verstärkt in den Blick­punkt des Darmstädter Interesses. Zwar besaßen die hessischen Landes­fürsten auf dem Kühkopf ihr Jagd­revier, doch nun reizte es auch das städtische Bürger­tum, einen Ausflug ins Ried zu unternehmen. Die Fahrtzeit von rund einer halben Stunde brachte Stockstadt erheblich näher.

Doch Stockstadt mußte für seinen Eisenbahn­anschluß erst einmal bezahlen. Die Hessische Ludwigsbahn verband ihr Bau­projekt von Darmstadt nach Worms mit dem für eine Aktien­gesellschaft typischen Geschäfts­sinn. Sollte der Zug auf der freien Strecke am Ortsrand halten, war ein entsprechender Obolus in Höhe von 50.000 Gulden pro Meile (entspricht etwa 9,2 Kilometern) Strecken­länge fällig, nach heutigem Geldwert schätzungsweise 700.000 €. So zahlten Wolfskehlen 10.000 Gulden, Goddelau 14.000, Stockstadt und Biebesheim jeweils 12.000 und Gernsheim 50.000 Gulden in der Erwartung eines wirtschaftlichen Aufschwungs ihrer Gemeinden. Am 15. April 1869 wurde der Zugverkehr auf dem ersten Riedbahn­teilstück zwischen Darmstadt und Gernsheim aufgenommen.

Annonce der HLB 1869.
Abbildung 2: Annonce über Bade-Abonnement Karten 1869 in der „Darmstädter Zeitung“ vom 29. Juni 1869; Scan der mikro­verfilmten Zeitungs­ausgabe.

Die Hessische Ludwigsbahn erkannte schon im Eröffnungsjahr der Riedbahn das Bedürfnis des Bürgertums nach Sauberkeit und Erholungssuche; Arbeiterinnen und Arbeiter, die durchaus noch 16 Stunden am Tag malochen mußten, waren von derlei Planscherei ausgeschlossen. Ab dem 1. Juli 1869 gab die Bahngesellschaft Bade-Abonnementkarten für Wagen der II. und III. Klasse nach Goddelau-Erfelden, Stockstadt und Gernsheim heraus. Faktisch lief der Tarif, die volle Nutzung des Abonnements vorausgesetzt, auf eine Halbierung des Fahrpreises hinaus. Schon am 23. Mai 1869 vermeldeten die „Hessischen Volksblätter“ das Vorhaben als Gerücht.

„Gernsheim, 20. Mai. Wie man hört, beabsichtigt die Ludwigsbahn­gesellschaft vom nächsten Monat an Badebillete auszutheilen, und zwar ein Billet zu dem enorm billigen Preise von 1 fl. 45 kr. [das entsprach etwa dem Tageslohn eines Maschinenarbeiters in Darmstadt, WK], welches Billet einen Monat Gültigkeit hat und freie Fahrt zwischen Darmstadt und Gernsheim gewährt. Gewiß würde diese Gelegenheit von einem großen Theil der Residenzbewohner benützt werden, und die Ludwigsbahn sowie unser Städtchen gute Geschäfte dabei machen. Bereits haben sich die Darmstädter öffentlich lobend über die gute Aufnahme und Bewirthung, welche sie bei uns gefunden haben, ausgesprochen.“

Annoncen aus Gernsheim.
Abbildung 3: Zwei Annoncen für Freizeitvergnügungen in Gernsheim aus den „Hessischen Volksblättern“ vom 30. Juni 1869; Scan der mikro­verfilmten Zeitungs­ausgabe.

Interessenten aus Gernsheim und Erfelden annoncierten rechtzeitig ihre Badeanstalten; ein entsprechendes Angebot für Stockstadt läßt sich zunächst nicht nachweisen. Angaben dazu, wo sich in Gernsheim das Schwimmbad befunden haben mag, habe ich noch nicht herausfinden können.

Annoncen aus Erfelden und Darmstadt.
Abbildung 4: Annoncen aus den „Hessischen Volksblättern“ vom 19. Juni 1869; Scan der mikro­verfilmten Zeitungs­ausgabe.

Geschäftstüchtig dachte man nicht nur in Gernsheim, sondern auch in dem am Alrthein gelegenen Dörfchen Erfelden. Die Bahnstation Goddelau-Erfelden lag zwar eher an Goddelau als an Erfelden, aber das tat dem Sinn für ein gutes Geschäft keinen Abbruch. Aus der Annonce geht nicht hervor, ob die Badelustigen die anderthalb Kilometer zum Badestrand zu Fuß gehen mußten oder ob sie mit einem Fuhrwerk abgeholt wurden. Allein schon die Kombination von Badehaus und Gastwirtschaft versprach Sommerfrische und klingende Kassen. Die Ausrüstung für derlei Vergnügungen konnte man und frau beim Hoftheaterfriseur Wilhelm Schäfer am Ludwigsplatz erwerben.

Im Jahr darauf wurde das Angebot erweitert und um einen Monat ab Juni 1870 vorgezogen. Nunmehr galt es nicht nur für die Station Darmstadt, sondern für alle Stationen der Hessischen Ludwigsbahn, die mindestens zwei Meilen (15 Kilometer) von den am Rhein gelegenen (und nicht weiter benannten) Stationen entfernt waren. Die 50%ige Ermäßigung wurde beibehalten. In den Folgejahren scheint es diese Regelung nicht mehr gegeben zu haben.

Fahrpläne und Zeitungsannoncen lassen den Schluß zu, daß ab Juni 1875 einer der zuvor noch bis Worms durch­geführten Züge speziell auf den Badebetrieb zugeschnitten wurde und deshalb in Stockstadt oder Gernsheim endete. Im Juni 1877 annoncierte die Hessische Ludwigsbahn die im Sommerfahrplan angekündigten Badezüge „bis auf Weiteres“. Im Jahr darauf, noch vor der im Herbst 1879 erfolgten Anbindung Frankfurts und Mannheims an die Riedbahn, wurden dezidiert „Badezüge“ im Fahrplan ausgewiesen. So fuhr der Personen­zug Nº. 166 in Darmstadt um 17.41 ab, erreichte Stockstadt um 18.12 und endete in Gernsheim um 18.25, jeweils zur Ortszeit [1]. Die Rück­fahrt erfolgte mit Personen­zug Nº. 165 ab Gernsheim um 19.25 und ab Stockstadt um 19.39 mit Ankunft in Darmstadt um 20.13 Uhr [2].

Annonce der HLB 1877.
Abbildung 5: Ankündigung der Badezüge nach Gernsheim „bis auf Weiteres“ in der „Darmstädter Zeitung“ vom 14. Juni 1877 [online]. Tags zuvor hatte M. Kabey die Eröffnung des Rheinbades Stockstadt „ergebenst“ angezeigt.

Die Fahrtzeiten könnten darauf hindeuten, daß die Bahn­verantwortlichen den Bade­gästinnen und Badegästen gerade einmal eine Stunde Plansch­vergnügen gönnen wollten. Es wird wohl eher so gewesen sein, daß man aus Darmstadt eigens einen Zug nach Stockstadt brachte, um das Publikum wieder abzuholen. Wir dürfen somit vermuten, daß gerade in den Sommer­monaten etwas mehr freie Zeit eingeplant werden konnte, zumindest bei denjenigen, die nicht in den städtischen Büros, in den Fabriken mit ihren quälend langen Arbeits­zeiten oder in der Land­wirtschaft beschäftigt waren. Allerdings war der Zug­verkehr noch nicht so entwickelt, daß man und frau dann einfach eine Stunde früher oder später abfuhr. Die beiden vorangehenden Züge fuhren in Darmstadt im Sommer 1879 um 9.42 und 14.56 Uhr ab und kamen in Stockstadt um 10.13 und 15.26 Uhr an, jeweils Ortszeit. Der letzte Zug von Stockstadt fuhr um 20.39 Uhr nach Darmstadt zurück.

Kartenausschnitt von Stockstadt.
Abbildung 6: Karten­ausschnitt von Stockstadt. Die Badezüge aus Darmstadt kommen von Norden über Goddelau.

Die Wünsche der Bade­gäste waren offen­sichtlich auch in der Gegen­richtung (nach Worms) bestimmend für eine doch sehr drastische Verlegung einer Zuglage. In den bahn­internen Erläuterungen des Entwurfs zum Sommer­fahrplan 1879 finden wir für den Personen­zug Nº. 164 die Anmerkung: „Im Interesse des badenden Publikums während der Badezeit. Zur Gewinnung der Anschlüsse nur im Interesse der Sommer­vergnügungs­reisenden.“ Der zuvor um 19.43 Uhr in Darmstadt abdampfende Zug wurde zugunsten der Sommer­frische um ganze 62 Minuten später gelegt und erreichte Stockstadt folglich um 21.16 Uhr Ortszeit passend zur Abend­dämmerung.

Wer diese Bade­gäste waren, welcher gesell­schaftlichen Schicht oder Klasse sie angehörten, welche Frei­zeiten sie besaßen und welche Züge sie benutzten, dürfte nach rund 130 Jahren schwer herauszufinden sein. Tatsache ist, daß die Extra­züge auch in den folgenden Jahren verkehrten. In der Regel wurde der Zug nach Gernsheim beim Aushang des Sommer­fahrplans mit angegeben, es handelte sich demnach um einen regulären Zug, der auch außerhalb der Bade­saison gefahren wurde. Der Zug nach Darmstadt hingegen wurde lange Zeit nur per Extra­aushang bekannt gegeben.

Ein sogenannter „Dienstbefehl“ vom 2. Juli 1883 verdeutlicht, daß auch dem Personal dieser ihm vorenthaltene Bade­spaß eigens bekannt gemacht werden mußte. Der „Ober-Betriebs-Inspector“ instruierte das Personal der Hessischen Ludwigsbahn unter nachfolgender Angabe des Fahrplans mit folgenden Worten:

„an sämmtliche Stationen, Zugs- und Locomotiv­personale der Strecke Darmstadt – Stockstadt a/Rh., die Stations-Verwaltungen Biblis und Rosengarten; sowie die Bahn­meistereien Darmstadt, Wolfskehlen und Goddelau Erfelden

Vom Stichtag den 3ten Juli a[nno] und bis auf Weiteres werden nachstehende Extra­personen­züge zwischen Darmstadt & Stockstadt a/Rh. befördert.“

Bei der Rückfahrt um 18.57 Uhr Ortszeit – bahnintern wurde die Berliner Zeit mit einer Differenz von 19 bzw. 20 Minuten zur Ortszeit verwendet – solle der „Tender voraus“ verkehren, was darauf verweist, daß in Stockstadt niemals die an anderen Orten übliche Dreh­scheibe zum Wenden der Loko­motiven vorhanden war.

Kurz vor dem Stockstädter Bahnhof soll es eine Bedarfs­haltestelle an der sogenannten „Gipsmühle“ gegeben haben, an der die Bade­lustigen aussteigen und den kurzen Fußweg zum Altrhein­strand nehmen konnten. Damals soll das Rhein­wasser noch sauber gewesen sein.

Aufgang zum Bahnsteig Richtung Frankfurt bzw. Darmstadt.
Bild 7: Aufgang zum Bahnsteig Richtung Frankfurt bzw. Darmstadt.

Der Stockstädter Heimatkundler Erich Ellermann schreibt in seinem Buch zur Geschichte Stockstadts:

„Allen Riedbahn­benutzern und Kundigen der Strecke kann nicht entgangen sein, daß von den meisten Bahn­stationen im Umkreis nur Stockstadt eine dach­tragende, gut ausgebaute Unter­führung vorzuzeigen hat. Einen echten Bahn­steig, sozusagen. Auch das Bahnhofs­gebäude weicht in seiner Beschaffen­heit von denen anderer ab. Seine verspielte Eleganz, das zergliederte Walmdach mit funktions­losem Häubchen­turm und die verzierende Klinkerstein-Ornamentik lehnen stark an den Baustil der kurzen Gründerzeit von 1871/73 an und verraten somit auch schon sein ungefähres Alter. Stockstadt verdankt die Außen­seiter­stellung seines Bahnhofes der familiären Bindung des Darmst[ädter] großherzoglichen Hauses mit dem russischen Zarenhof. Die Schwester des Groß­herzogs Ernst-Ludwig II., Prinzeß Alice (Alicen-Hospital nach ihr benannt), heiratete 1894 den Zaren von Rußland Nikolaus II. Schon vorher weilte der junge Zarewitsch des öfteren zu Besuch bei der großherzog­lichen Familie in Darmstadt. Ernst-Ludwig unternahm mit seinem hohen Gast manche abwechslungsreiche Jagd­ausflüge auf die Insel ‚Kühkopf‘, wobei sie die Eisenbahn bis nach Stockstadt benutzten. Es hätte gegen die Hof­etikette verstoßen, die illustre Jagd­gesellschaft hochgestellter Persönlich­keiten, unter ihnen auch vornehme Hofdamen, über offene Gleise zu geleiten (zu dieser Zeit schon zweispurig). Außerdem wollte sich der Groß­herzog dem Zaren gegenüber, für dessen großzügiges Geschenk des russ[ischen] Kapelle auf der Künstlerkolonie revanchieren, indem er den Bahnhof Stockstadt eigens für ihn ausbauen ließ.“ [3]

Erich Ellermann besaß hier eine vielleicht zu lebhafte Phantasie, und auch die historischen Zusammen­hänge sind nicht so ganz zutreffend. Zunächst einmal ließ die Hessische Ludwigsbahn zur Strecken­eröffnung im April 1869 nur ein sogenanntes „provisorisches“ Empfangs­gebäude errichten, vermutlich ein einfacher Fachwerkbau. Erst nach der Übernahme der privaten Aktien­gesellschaft durch die Preußisch-Hessische Eisenbahn­gemeinschaft 1897 wurde mit dem Bau eines „definitiven“ massiven Steinbaus begonnen. Den Baustil mit der Gründerzeit in Verbindung zu bringen ist jedenfalls abwegig. Ob die Unterführung schon im November 1903 vorhanden war, als Zar Nikolaus II. tatsächlich einmal auf dem Kühkopf zum Frühstücken und zur Jagd verweilte, ist derzeit nicht aufzuklären.

Großherzog Ernst Ludwig war zwar innerhalb der jahrhunderte­alten hessischen Dynastie der zweite seines Namens, aber der erste Großherzog. Alice wiederum, nach der das Hospital benannt ist, war die zweite Tochter der Queen Victoria und somit seine Mutter. Ihre aus der Ehe mit Ludwig IV. hervorgegangene Tochter Alix hingegen war diejenige, die 1894 den Zaren heiratete. Die Orthodoxe Kirche auf der Darmstädter Mathildenhöhe datiert von 1897. Wenn die von Erich Ellermann erzählte Legende einen Sinn ergeben soll, kann die Unterführung erst danach angelegt worden sein; und das paßt dann auch zur selben Zeit vorgenommenen Errichtung des Steinbaus von Stockstadt.

An anderer Stelle betrachtet Erich Ellermann die Zeit um 1900 aus der Warte der Erholungs­suchenden:

„Aus der anfänglich experimental gedachten Sache entwickelte sich ein beachtliches Freibad guten Rufes weit über die Orts­grenzen hinaus. Der Ufer­streifen, in Parzellen unterteilt, wurde getrennt nach Geschlechtern benutzt. Kinder und Erwachsene unter sich, wie es die strengen Sitten damals vorschrieben. An Sonntagen trafen aus Frankfurt und Darmstadt regelrechte Bade­züge ein, die schon an der Crumstädter-Chaussee anhielten, um den Insassen den kürzesten Weg zur Gips­mühle zu bieten. Die Züge verblieben alsdann bis zum Abend und warteten auf die Rückkehr der verglücklichten Bade­ausflügler. Der Ausbruch des I. Welt­krieges schränkte den Bade­betrieb drastisch ein.“ [4]

Ehemaliger Ort des Badevergnügens.
Bild 8: Ehemaliger Ort des Badevergnügens auf dem Altrhein.

1893 wurde der Bau einer Bade­anstalt an der Stelle der bisherigen Freibad­fläche genehmigt. Diese Badeanstalt war ein rechteckiger Holz­kasten, durch den innen das Rhein­wasser hindurch­floß. Diese Konstruktion war mittels Seilen mit dem Ufer vertäut und über einen Steg erreichbar. Sie lag bis 1920 im Altrhein und wurde anschließend abgetragen. 1927 wurde an der Gips­mühle eine neue Bade­anstalt mit einem Sonnen­deck errichtet, in der ab dem folgenden Sommer der Bade­betrieb aufgenommen wurde. Die Holz­konstruktion wurde von fünfzehn Schwimm­körpern, sogenannten Döppern getragen. Sie war 26 Meter lang, etwas über zehn Meter breit und vier Meter hoch. Für die Sicherheit der Nicht­schwimmer und Schwimmerinnen war mittels einer speziellen Boden­konstruktion gesorgt. Die Baukosten von rund 15.000 Reichsmark hoffte der Bauherr, die Turn­gemeinde Stockstadt, durch Eintritts­gelder wieder hereinzubekommen, was jedoch angesichts sich verändernder politischer Umstände nicht gelang. Schulklassen, Sportvereine, Angehörige des Reichs­arbeits­dienstes und des Reichs­heeres hatten freien Eintritt. Nach fünfzehn Jahren war sie jedoch veraltet und baufällig, so daß sie in den letzten Kriegs­jahren abgetakelt wurde. Heute befindet sich das Freibad inmitten einer grünen Wiese in der Nähe der Altrheinhalle.

Auch hier mehr anekdotisch als zutreffend sind Erich Ellermanns Anmerkungen zu einem anderen, kleinen Bändchen mit älteren Ansichten des am Altrhein gelegenen Dorfes, wenn er schreibt:

„Die Bummel­züge aus Frankfurt und Darmstadt hielten zuweilen am Crumstädter Bahn­über­gang, um den Sommer­frischlern den Weg zum Bade­vergnügen zu verkürzen. Damals hatten die Lock­führer [sic!] noch freie Entschei­dung, denn es passierten nur eins bis zwei Züge am Tag die Strecke.“ [5]

Ich bezweifle, ob die Lok­führer diesen Ermessens­spielraum besaßen. Ohne Dienst­befehl lief gar nichts. Angesichts dessen, daß an dieser Stelle Mitte der 1890er Jahre inklusive durchrasender Schnellzüge und dahin­zuckelnder Güterzüge täglich gut fünfzehn bis zwanzig Züge pro Richtung verkehrten, scheint mir die Darstellung der Freiheit der Lok­führer doch arg idyllisch zu sein. Wahrschein­licher ist es, daß es ihnen bei ausreichendem Sicherheits­abstand zu anderen Zügen gestattet war, diesen Bedarfs­halt einzulegen.

Lokführer zu sein, war nur für diejenigen ein Traum(beruf), welche die harte Arbeit bei Wind und Regen, bei Hitze, Schmutz und mit heißen Kohlen niemals am eigenen Leib erlebt haben.

So bleibt abschließend festzuhalten, daß die damalige Fahrtzeit vom Ludwigs­bahnhof am Darmstädter Steuben­platz nach Stockstadt, die ziemlich exakt eine halbe Stunde betragen hatte, durch den modernen öffentlichen Personen­verkehr des Jahres 2008 nicht zu ermöglichen ist. Heute ist zudem in der Regel ein zwei­maliges Umsteigen auf dem Weg zwischen Darmstadts Innen­stadt und dem Altrhein bei Stockstadt erforderlich.


Literatur

Anmerkungen

Mittels eines Klicks auf die Nummer der jeweiligen Anmerkung geht es zur Textpassage zurück, von der aus zu den Anmerkungen verlinkt wurde.


 
 
 
Valid HTML 4.01 Transitional  Valid CSS!