Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Ein Unfall auf dem Ludwigsbahnhof 1871

Dokumentation eines Randgeschehens

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten der Strecken­abschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

Während des Deutsch-Französischen Krieges fuhren auch Lokomotiven anderer Eisenbahn­gesellschaften Darmstadt an. Eine davon verlor am 1. April 1871 die Orientierung und sorgte für gehörigen Sachschaden.

Die Zeitungen berichten …

In der „Darmstädter Zeitung“ erschien am 1. April 1871 folgende Kurzmeldung:

„Darmstadt, 1. April.  Heute Nacht, gegen 2 Uhr, fuhr eine einzelne Locomotive wider das östliche Gebäude des Main-Rhein-Bahnhofes, in welchem sich das Etappen­commando befindet. Die Gewalt des Stoßes war so bedeutend, daß die Mauer an der betreffenden Stelle vollständig zerstört wurde. Die Maschine steckt heute Morgen noch in dem Hause geradezu fest, so daß nur der hintere Theil auf den Perron hinausragt. Ein Unglücksfall ist nicht zu beklagen.“ [1]

Das „Mainzer Journal“ weiß ein wenig mehr und vielleicht auch genauer zu berichten:

Abbildung 1: Zeitungs­meldung des Mainzer Journals vom 3. April 1871 [online bsb münchen].

Dem Kurzbericht ist zu entnehmen, daß die Lokomotive noch einen Packwagen hinter sich herzog und nicht, wie die „Darmstädter Zeitung“ schrieb, solo unterwegs war. Zudem scheint es nicht der erste derartige Unfall gewesen zu sein. Der Name der Lokomotive „Westphalen“ verweist auf eine dreifach gekuppelte Güterzug­lokomotive der Rheinischen Eisenbahn mit der Loknummer 222. Sie wurde 1867 von Borsig in Berlin ausgeliefert.

Im Geschäftsbericht der Hessischen Ludwiugsbahn findet der Vorfall unter den aufgeführten Unfällen keine Erwähnung.

Wir befinden uns in der Schlußphase des Deutsch-Französischen Krieges, in einer Zeit, als Bismarcks Armee ihrem französischen Pendant freie Hand ließ, um die Pariser Commune zusammen­zuschießen. Das gemeinsame Interesse deutscher und französischer Kapitalisten und Grundeigentümer gegen die Revolution in Paris einte die ansonsten widerstrebenden Kräfte.

Abbildung 2: Bahnhofs­grundriß von Darmstadt von 1870 (Ausschnitt). Der Bahnhof der Hessischen Ludwigs­bahn (hier: Bahnhof der Main-Rhein-Bahn) besteht aus einem Bahnsteig mit vier Gleisen, an dessen linken Ende zwei Häuschen stehen. Das untere war wohl das hier getroffene. Quelle: Organ für die Fort­schritte des Eisenbahn­wesens: Ergänzungs­band: Samm­lung bewährter Bahnhofs­grund­risse; erschienen als Vierter Supplement­band 1870, [online ulb darmstadt].