Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Von Leeheim-Wolfskehlen nach Stockstadt (Rhein)
Teil 2: Goddelau-Erfelden (Nordseite)
Seit 1869 verband die Riedbahn die damals hessische Stadt Worms und das südliche Ried mit der großherzoglichen Residenzstadt Darmstadt. Als Konkurrenzstrecke zur Main-Neckar-Bahn ließ die Hessische Ludwigsbahn ein Jahrzehnt später die heute als Riedbahn geläufige Nord-Süd-Verbindung von Frankfurt am Main nach Mannheim am Neckar von unzähligen fleißigen und vermutlich nicht gerade üppig bezahlten Arbeitern errichten. Goddelau-Erfelden war ein wichtiger Verknüpfungspunkt von alter und neuer Riedbahn. Die nächsten Stationen im Norden und Süden waren und sind Leeheim-Wolfskehlen (heute S-Bahn-Haltepunkt Riedstadt-Wolfskehlen) und Stockstadt.
Ich habe diese Abhandlung auf vier Unterseiten aufgeteilt. Neues fotografisches Material ließ sich nur so sinnvoll einarbeiten. Ein besonderer Dank geht an Karl Aßmann, Georg Engelhardts Sohn, Klaus D. Holzborn, Jörn Schramm und Georg und Michael Menzendorff, die für diese Seite eigene Aufnahmen beigesteuert haben, an Peter Merschroth für eine Fotografie aus seiner umfangreichen Sammlung, sowie an das Archiv des Eisenbahnmuseums in Darmstadt-Kranichstein, in dem ich so manchen Gleisplan gefunden habe. Die Wiedergabe der beiden Aufnahmen von Karl Ernst Maedel erfolgt mit freundlicher Genehmigung. Ganz besonders aber bin ich Frau Lorenz zu Dank verpflichtet, die in den 80er und 90er Jahren eine Fülle an Material zusammengetragen hat, das ich hier verwenden darf. Für Unzulänglichkeiten in der Darstellung, gar fehlerhafte Zuordnungen, bin jedoch alleine ich verantwortlich.
- Teil 1: Leeheim-Wolfskehlen.
- Teil 2: Goddelau-Erfelden, nördlicher Bahnhofsteil.
- Teil 3: Goddelau-Erfelden, südlicher Bahnhofsteil.
- Teil 4: Stockstadt am Rhein.
Meine eigenen Aufnahmen entstanden zwischen 2008 und 2016.
Dieses Kapitel ist die Fortsetzung der Beschreibung der Gleisanlagen von Leeheim-Wolfskehlen.
Nur eine Überschrift.
Abbildung G00: Fahrkarte von Gernsheim nach Goddelau-Erfelden Ob für die Fahrt ein V 36-Wendezug benutzt wurde?
Die frühen Eisenbahngesellschaften planten ihre Strecken, ähnlich wie die Römer ihre Überlandstraßen, möglichst geradlinig, ohne auf die konkreten Verkehrsbedürfnisse des Publikums Rücksicht zu nehmen. Man nahm, was die Topografie hergab, und berührte Ortschaften nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ oder ein besonders lukratives Betriebsergebnis zu erwarten war. Der Bahnhof Goddelau-Erfelden hieß deshalb nach den beiden Dörfern, zwischen denen er gelegen war, ähnlich wie später auch Leeheim-Wolfskehlen weiter nördlich. Der Darmstädter Ast der Riedbahn verlief vom dortigen Ludwigsbahnhof zunächst in einer geschwungenen Führung parallel zur Main-Rhein-Bahn nach Mainz, zweigte an der Blockstelle Hammelstrift ab, um von dort fast schnurgerade an der nördlichen Peripherie von Griesheim vorbei bis zum südlichsten Rand von Wolfskehlen geführt zu werden. Beide Stationen standen zunächst auf freiem Feld. Von Wolfskehlen aus verbog sich die Strecke nach links, um die Dörfer entlang des Rheinufers abzuklappern.
Der andere Riedbahnast begann in Frankfurt und zweigte an der Station Goldstein, heute Stadion, von der Mainbahn ab. Er führte in gerader Linie an Walldorf und Mörtfelden vorbei nach Groß-Gerau, kümmerte sich nicht um einen Umsteigepunkt zur Main-Rhein-Bahn, und verlief von dort in südlicher Richtung gerade auf Goddelau zu. Die ersten Planungen sahen aus denselben geradlinigen Gründen sogar vor, schon bei Wolfskehlen in die 1869 eröffnete Riedbahn von Darmstadt nach Worms einzumünden. Bei der Einführung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs mit dem damals brandneuen ICE erwies sich die kurvige Einführung der von Frankfurt aus herkommenden Riedbahn als mißlich, weshalb Ende der 1980er Jahre die Linienführung angepaßt wurde. Bei Biblis muß aus demselben Grund ziemlich heftig abgebremst werden. Über eine Umfahrung von Biblis wurde schon in den 1960er Jahren nachgedacht, aber bis heute bleibt es bei Gedankenspielen. Der irgendwann vielleicht einmal gebaute Schnellfahrkorridor von Rhein-Main an den Neckar wird diese Überlegungen dann ohnehin obsolet werden lassen.
Der Bahnübergang 63
Die Bahnübergänge mit der Postennummer 63 an der Goddelauer Ludwigstraße queren die beiden schon voneinander getrennten Riedbahnäste nach Leeheim-Wolfskehlen und weiter nach Frankfurt in Richtung Norden und nach Wolfskehlen, Griesheim und Darmstadt in Richtung Nordosten. Aus Plänen und Fotografien geht hervor, daß an beiden Übergängen jeweils eine Wärterbude gestanden haben muß.
Schon die Hessische Ludwigsbahn hatte ihre Wärterposten durchnumeriert. Die Zählung der Posten begann mit Nummer 1 in Mannheim, so daß die bis heute vorhandenen Postennummern frühestens Ende der 1870er Jahre eingeführt worden sein können. Dies betrifft, nebenbei bemerkt, auch die Kilometrierung der Strecke. Sowohl Postennummern wie Kilometrierung wurden an der Nordseite des Bahnhofs Goddelau-Erfelden aufgesplittet und separat weitergeführt. Daher gab es von Nummer 63 bis 85 die Postennummern doppelt; und in archivalischen Schriftstücken zur Riedbahn muß dann immer etwas genauer geschaut werden, welcher Streckenast gemeint ist, um Posten mit gleicher Nummer richtig zuzuordnen.
Bild G01: In Verlängerung der Goddelauer Ludwigstraße führte hier eine Straße in Richtung Erfelden. Sie kreuzte am Posten 63 sowohl die Strecke nach Darmstadt, etwa in Höhe des Einbahnstraßenschildes, als auch die Strecke nach Frankfurt, im Hintergrund anhand der Oberleitung zu erkennen.
Bild G02: Die beiden Bahnübergänge über die Riedbahn aus ähnlicher Perspektive, etwa zwanzig Jahre früher. Vorne liegen noch die Gleisreste des Darmstädter Astes, während der Radfahrer auf dem Feldweg nach Erfelden der noch aktiven Strecke nach Frankfurt entgegenstrebt. Dahinter ist weites Land. Aufnahme: Eva Lorenz, August 1988.
Bild G03: Diese schon in mehreren Publikationen veröffentlichte Aufnahme soll den Schrankenposten 63 kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs zeigen. Die Häuser im Hintergrund gehören schon zu Goddelau, so daß wir hier am Bahnübergang zur Darmstädter Strecke stehen dürften. Von den drei Herren rechterhand sind die Namen überliefert: Ludwig Hartung (ganz rechts), Heinrich Hartung und noch ein Heinrich Hartung, der ein Bruder von Ludwig gewesen sein soll. Dem Hartung mit zivilem Strohhut gehörte das Zimmereigeschäft in der Bahnhofstraße [1]. Quelle: Sammlung Lorenz.
Bild G04: Kurz vor Einstellung des Bahnverkehrs zwischen Goddelau und Griesheim Ende September 1970 entstand im Jahr zuvor dieses Bild des Streckenpostens am Rande von Goddelau. Das zweite Gleis fehlt schon, während der Fahrdraht für Rangierzwecke einige hundert Meter weit über das Darmstädter Streckengleis gespannt wurde. Aufnahme: Georg und Michael Menzendorff.
Bild G05: Noch ganz ohne die heutige Lärmschutzwand präsentiert sich 1969 die elektrifizierte Riedbahn kurz vor der nördlichen Einfahrt nach Goddelau. Hier rollt ein bunt gemischter Güterzug gen Süden, ganz anders als heute, wo Ganzzüge häufig recht monoton aus Containern, Kesseln und Schüttwagen bestehen. Aufnahme: Georg und Michael Menzendorff.
Bild G06: Nördliche Ausfahrt Goddelau-Erfelden, aus dem Richtung Frankfurt fahrenden Zug aufgenommen. Dieses vermutlich in den 70er Jahren entstandene Bild zeigt rechts den Gleisstummel mit abschließendem Prellbock auf der ehemaligen Bahntrasse nach Darmstadt, sowie links den Wärterposten 63. Aufnahme: Karl Aßmann.
Bild G07: Der Weg am linken Bildrand knickt hinter dem Busch nach links ab und bildet dann den weiteren Verlauf der ehemaligen Straße nach Erfelden – oder handelte es sich bloß um einen besseren Feldweg? Bahnübergang 63 befände sich dann etwa auf Höhe des Pantografen des S-Bahn-Zuges. Hier fährt Triebwagen 420 271-9 mit einer weiteren Einheit kurz nach Verlassen des Bahnhofs Riedstadt-Goddelau bei Kilometer 46,2 in der Kurve Richtung Frankfurt Hauptbahnhof.
Der Bahnübergang war schon in den 1960er Jahren nur tagsüber zugänglich. Von April bis Oktober 1971 beispielsweise war er nur von 6 bis 20 Uhr geöffnet [2]. Zwischendrin wurde auch einmal gebaut. Wegen Umbau der Gleisanlagen war der Übergang im September 1971 für vier Tage vollständig dicht [3]. Im November 1971 war Übergang Nr. 62 von ähnlichen Gleisbauarbeiten betroffen; auch hier dauerte die Sperrung vier Tage [4].
Bild G08: Zur Beschleunigung des ICE-Hochgeschwindigkeitsverkehrs auf der Riedbahn wurden in Goddelau 1992/93 zwei Maßnahmen durchgeführt. Zum einen wurde die Kurve in Richtung Frankfurt entschärft. Auf dem ehemaligen Ausziehgleis mit dem zugehörigen Gleisanschluß des Holzhandels Horst wurde das Einfahrtsgleis nach Goddelau verlegt. Im weiteren Verlauf wurde die alte Trasse gekreuzt …
Bild G09: … und etwas weiter östlich in einer Art ausholender Gleisschwingung fortgeführt, um alsdann aufs alte Gleisbett zurückzukehren. Die andere Maßnahme bestand darin, den Bahnübergang 62 durch eine Brücke über die Riedbahn zu ersetzen. Für beide Aufnahmen nutzte Eva Lorenz 1992 oder 1993 die neue Brücke. [5]
Der Bahnübergang 62
An der Nordwestseite des Bahnübergangs 62 an der Straße nach Erfelden befand sich die Holzhandlung Horst. Diese erhielt wohl mit Beginn der französischen Besatzung 1919 einen eigenen Gleisanschluß. [6].
Bild G10: Der Holzhandel A. Horst vom Bahnübergang aus gesehen. Im Hintergrund stehen zwei Holzwaggons auf dem Anschlußgleis. Am Holzhandel führt das Ausziehgleis vorbei, es folgen die beiden Gleise der Riedbahn von und nach Frankfurt; im Vorrdergrund das Einfahrtsgleis aus Darmstadt. Quelle: Horst Zennen, Sammlung Lorenz.
Bild G11: Eine weitere Aufnahme der Holzhandlung. Beide sollen um 1960 herum entstanden sein. Quelle: Horst Zennen, Sammlung Lorenz.
Bild G12: Sozusagen in den letzten Zügen präsentiert sich der Bahnübergang 62 kurz vor seiner Schließung mit Blick auf Goddelau. Aufnahme: Eva Lorenz.
Wie schon in Leeheim-Wolfskehlen, so fotografierten sich die hier stationierten Bundesbahner auch in Goddelau-Erfelden gegenseitig in typischen Betriebssituationen.
Bild G13/14: Am Schrankenposten 62. Links beobachtet Heinz Lumpe, dem wir noch als Stellwerker begegnen werden, aufmerksam den Verkehr. Rechts findet ein Culemeyer-Transport zum Erdölfeld zwischen Wolfskehlen und Stockstadt statt. Aufgenommen vor 1964; Sammlung Lorenz.
Der Bahnhof Goddelau-Erfelden besaß zwei Culemeyer-Verladestellen. Eine befand sich in Höhe der alten Güterhalle, eine weitere in Höhe der Gurkenhalle (Lebensmittel Vatter). Täglich sollen zehn Öltransporte stattgefunden haben. [7]
Bild G15: 1960 oder 1961 fertigte Karl Ernst Maedel vom Bahnübergang 62 aus zwei Bilder ausfahrender Züge an. Schemenhaft ist auf den Scans eine Uhrzeit zu erahnen; es dürfte kurz vor neun Uhr morgens sein. Während auf dem ersten Bild mit der ausfahrenden 50 2292 nur ein Schienenbus zu sehen ist …
Bild G16: … sind es bei der kurz darauf erfolgten Ablichtung derer zwei. Dies paßt – Verspätungen einmal ausgeschlossen – zu folgenden Zugleistungen: Der linke Schienenbus wird um 9.42 Uhr als 3623 nach Darmstadt fahren. Der zweite Schienenbus ist auf dem zweiten Bild gerade erst um 9.37 Uhr als 3626 aus Darmstadt eingetroffen und wird um 9.42 Uhr weiter nach Worms fahren. Der mit 01 094 ausfahrende Eilzug müßte dann der E 595 von Freiburg nach Frankfurt, Abfahrt um 9.40 Uhr, sein. Aufnahmen: Karl Ernst Maedel. [8]
Das Stellwerksgebäude im Hintergrund schauen wir uns nach dem Gleisplan des Bahnhofsgeländes etwas näher an.
Die Gleisanlagen von Goddelau-Erfelden
Abbildung G17: Gleisplan des Bahnhofs Goddelau-Erfelden, Bearbeitungsstand 1973. Zu diesem Zeitpunkt waren die Bahnübergänge 63 (Ludwigstraße), 62 (Bahnhofstraße), 60 (Am Schwarzbach) und 59 (Bundesstraße 44 zwischen Stockstadt und Goddelau) noch vorhanden; ebenso der am Wärterposten 60 abzweigende Schienenstrang mit Gleis 18. Nach der Elektrifizierung der Strecke 1964 verschwanden die beiden Wassertürme (1969) und das alte Stellwerk „Gef“. [9]
Bild G18: Eine frühe Aufnahme zeigt das Befehlsstellwerk „Geb“ am Nordkopf von Bahnsteig 2 mit den Gleisen 2 und 3. Es handelt sich entweder um die „centrale Weichen- und Signalsteuerung“ von 1888 oder um das 1907 errichtete Stellwerk der Bauart Jüdel. Das Stellwerk selbst wechselte mehrfach die Bezeichnung. Es hieß um 1900 herum Stellwerk III und schließlich als Fahrdienstleiterstellwerk „Gef“. Links daneben die Güterhalle, rechts im Hintergrund die Holzhandlung Horst am Bahnübergang 62. Quelle: Spengler, Sammlung Lorenz. [10]
»» Die Stellwerke von Goddelau-Erfelden und die dazu gehörigen Stellwerksbezirke werden im dritten Teil ausführlicher vorgestellt.
Der Bahnhof
Als im April 1869 die ersten Züge von Darmstadt nach Gernsheim fuhren, mußten die Reisenden zunächst mit einer besseren Bretterbude vorlieb nehmen. Den Aktionären der Hessischen Ludwigsbahn wollte man nicht zuzumuten, auf eine angemessene Dividende verzichten zu müssen; und so ließ die Gesellschaft zunächst sogenannte „provisorische“ Stationsgebäude errichten. Nicht einmal bis zur Verstaatlichung der Gesellschaft 1897 waren alle Stationen der Riedbahn mit „definitiven“ Empfangsgebäuden versehen worden. Die Geschäftsberichte der Gesellschaft berichten eher kärglich von den Fortschritten zur Herstellung von Minimalstandards eines gewissen Reisekomforts.
1877 befand sich das definitive Stationsgebäude im Bau, auch ein Güterschuppen war errichtet worden, sowie eine neue Verladerampe wegen der Einführung der Riedbahngleise aus Frankfurt 1879. Im Jahr darauf war das Empfangsgebäude, ein Typenbau, fertiggestellt, sogar an einen Abtritt hatte man gedacht. 1880 gab es eine kleine Drehscheibe; der Verladeplatz wurde chaussiert. Ende 1882 waren die Nebengebäude im Rohbau, im Jahr darauf vollständig hergestellt. 1883 war auch eine Brückenwaage aufgestellt. 1885 wurden die Steine für den Bau eines Wohngebäudes für die Bahnbeamten aus dem Steinbruch der Hessischen Ludwigsbahn bei Flonheim geliefert. Im Jahr darauf war das Wohngebäude mit Waschküche und Stall errichtet worden; zudem wurde der Wartesaal neu hergestellt. [11]
Bild G19: Ansicht des Empfangsgebäudes vom Ort aus, Aufnahme vom August 2013.
Bild G20: Seit über zwanzig Jahren erfüllt das Gebäude keinen erkennbaren Zweck mehr. Automaten haben den Fahrkartenschalter ersetzt und Reisegepäck kann auch nicht mehr aufgegeben werden.
Bild G21: Anfang der 1970er Jahre bestand das Gebäudeensemble noch aus Sozialgebäude, Schlosserei, Schreinerei, Eilgutschuppen (gleisseitig links vom Empfangsgebäude), sowie Übernachtungsgebäude für das Bahnpersonal und Waschküche rechts davon. Die Aufnahme vom August 1988 zeigt das Mehrzweckgebäude, in dem Sozialräume, Werkstätten und die Basa untergebracht waren. Aufnahme: Eva Lorenz.
Bild G22: Das Vergleichsbild vom Juli 2013 auf das längst privatisierte Mehrzweckgebäude.
Bild G23: Wesentlich früher fiel der Spitzhacke ein Gebäude zum Opfer, das ohne Krieg und Militarismus gar nicht denkbar gewesen wäre. Zwischen dem Mehrzweckgebäude und dem Schrankenposten 62 wurde während des Ersten Weltkrieges eine sogenannte Weiterleitungshalle gebaut. In Goddelau-Erfelden wurden Züge zusammengestellt oder umgruppiert, die den Nachschub in beiden Weltkriegen an die Front brachten. Das zugehörige Personal, aber auch manches Material wurde in einer eigens errichteten Baracke untergebracht. [12]
Bild G24: Vor vierzig Jahren gab es hier noch keine Automaten, sondern Schalterdienst, und zwar montags von 5.00 bis 20.30 Uhr; dienstags bis samstags wurde erst um 6.00 Uhr aufgemacht. An Sonntagen war der Schalter von 7.00 bis 10.15 und von 11.50 bis 21.00 Uhr geöffnet [13]. Aufnahme: Eva Lorenz, 1995.
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Wasser und Züge
Bild G25: Sicherlich hundert Jahre hat diese Aufnahme auf dem Buckel, die ich in der Bahnhofsgaststätte „Zum Ali“ in Goddelau hängen sah und abfotografierte. Die Qualität der Wiedergabe dieser Aufnahme ist folglich bescheiden, aber das Motiv ist stark. Zwei Wassertürme versorgten den Bahnhof und die umfangreichen Gleisanlagen mitsamt ihrer Dampflokomotiven mit ausreichend Frischwasser. [15]
Bild G26: Der Geschäftsbericht für 1888 vermeldet die Errichtung eines Wasserreservoirs, das einige Jahre später durch einen zweiten Wasserturm ergänzt werden mußte. Quelle der Aufnahme unbekannt, Sammlung Lorenz.
Bild G27: Bahnhofsszene mit Wittfeld-Triebwagen auf dem Hausbahnsteig, wohl bei der Ankunft aus Darmstadt. Diese Aufnahme aus dem Fahrdienstleiterstellwerk entstand vielleicht in den späten 1920er oder frühen 1930er Jahren. Aufnahme: vermutlich Georg Spengler.
Bild G28: Rund drei Jahrzehnte später sehen wir Ende der 1950er Jahre um die Mittagszeit einen Transport mit Lademaßüberschreitung auf Gleis 2 stehen. Aufnahme: Georg Engelhardt.
Bild G29: Das hat sich der Fotograf näher angeschaut. Es scheint sich um den Transport eines von Siemens gefertigten Transformators zu handeln. Der Aufenthalt auf Gleis 2 könnte darauf hindeuten, daß der Zug von Darmstadt oder Aschaffenburg herkam.
Bild G30: Von 1928 bis 1939 fuhr der von 18 524 gezogene luxuriöse Fernschnellzug „Rheingold“ auf dem Weg aus den Niederlanden in die Schweiz auch durch Goddelau-Erfelden. Diese Aufnahme entstand ebenfalls aus einem Fenster des Befehlsstellwerks heraus; vermutlich durch Georg Spengler. Quelle: Sammlung Lorenz. [16]
Weitere Aufnahmen des Rheingold mit 18 524.
Im digitalen Archiv der Eisenbahnstiftung gibt es (mehr als?) zwei Aufnahmen. Hermann Maey lichtete den Rheingold Richtung Süden 1930 an der Blockstelle Peternach bei Boppard ab [online], ein Jahr später lauerte Carl Bellingrodt dem Gegenzug bei Brohl am Rhein auf [online]. Im Gegensatz zur Bildlegende zeigt die Aufnahme nicht FFD 102, sondern FFD 101.
Auch Georg Engelhardt bannte den Rheingold mit der damals modernen Zuglokomotive V 200 vom Stellwerk „Gs“ aus auf seinen Farbfilm; zu sehen im dritten Teil dieser Reihe.
Bild G31: In den 1950ern befuhr ein aus mehreren Triebwagen bestehender Fernschnellzug vom Rhein herkommend die Riedbahn, der „Rheinblitz“. Hier besteht er aus einem modernen Triebwagen der Baureihe VT 08, gefolgt von einem weiteren Triebwagen. Dabei handelt es sich vermutlich um einen SVT 06 der Bauert „Köln“. Siehe hierzu auch die Darstellung zu Schnelltriebwagen in den 1950ern auf der Riedbahn. Aufnahme: Georg Engelhardt, Ende der 1950er Jahre.
Bild G32: Eher eine Art Exot war der Ft 1124 von Frankfurt nach Metz aus französischer Produktion. Aufnahme: Georg Engelhardt, Ende der 1950er Jahre.
Bild G33: Wieder machen wir einen Sprung um etwa drei Jahrzehnte. Kurz nach sieben am Morgen durchfährt IC 571 „Breisgau“ den Bahnhof auf dem Weg nach Basel. Die Farbgebung der 103 144 entsprach dem verwirrten zeitgenössischen Geschmack des Bundesbahn-Managements. Linkerhand der Güterbahnhof mit einigem interessanten abgestellten Gerümpel, rechterhand deuten einige gelbe Fahrzeuge den Bau der neuen Überführung als Ablösung des Bahnübergangs 62 an. Aufnahme: Jörn Schramm, 21. April 1992.
Bild G34: Genau eine Woche später, allerdings diesmal am späten Nachmittag, durcheilt im strömenden Regen der von 110 318 gezogene D 1173 den Bahnhof. Sein Ziel, das er über Strasbourg und Avignon erreicht, ist Port Bou an der französisch-spanischen Grenze. Aufnahme: Jörn Schramm, 28. April 1992.
Bild G35: Unser Fotograf gelangte auf den Bahnsteig durch eine schon lange bestehende und einem anderen düsteren Zeitgeschmack entsprungene sehr bahntypische Unterführung. Aufnahme: Jörn Schramm, 21. April 1992.
Weitere Aufnahmen aus Goddelau-Erfelden.
Der Fotostream von Nancy Cunningham auf Google Plus (ihr wißt schon: Datenkrake) zeigt drei Bilder eines Transportes von vermutlich Displaced Persons im Sommer 1945 in Kranichstein und Goddelau-Erfelden. Außer dem aus Güterzugwagen bestehenden Zug auf dem Goddelauer Hausbahnsteig sind im Hintergrund das Stellwerk „Gm“ und rechts die Güteranlagen mit einigen abgestellten Wageneinheiten zu sehen. Der Fotograf gehörte vermutlich dem 713th Railway Operating Battalion der US Army an. Das Bild aus Goddelau kann hier betrachtet werden.
Am 13. März 1991 entgleiste am Nordkopf des Bahnhofs von Goddelau-Erfelden in Höhe der Holzhandlung Horst ein ICExperimental, vermutlich aufgrund von Gleisbauarbeiten, bei langsamer Fahrt. Von den Folgen der Entgleisung gibt es Aufnahmen von Wolfgang Pfaffenberger im Historischen Forum von Drehscheibe Online.
Bild G36: Auch Klaus D. Holzborn schaute sich das Malheur an. Im Hintergrund wartet 294 234, um den noch einzugeisenden Triebzugrest abzuschleppen.
Auf welchem Gleis
Die folgende Zusammenstellung gibt eine Übersicht über die ankommenden, abfahrenden und nach einem Zwischenstop weiterfahrenden Züge im Laufe der Jahrzehnte. Angestrebt wurde in etwa ein 20-Jahres-Rhythmus, wobei mitunter die Quellenlage die Auswahl des Jahres bestimmte. Selbst wenn ich die Züge nicht richtig durchgezählt haben sollte, ist die Aufstellung als Tendenz aussagefähig genug. Manch frühe Schnellzüge wurden später zu Eilzügen degradiert. Heutige Regionalexpresse wurden den Eilzügen zugeordnet, heutige Regionalbahnen und vorherige Nahverkehrs- und Nahschnellverkehrszüge den Personenzügen. Im Sommer 1989 gelangten zwei Züge aus Frankfurt als Eilzüge nach Goddelau-Erfelden, waren danach jedoch als Nahverkehrszüge eingruppiert. Praktischerweise wurden sie halbe/halbe als Personen- und Eilzug gerechnet. Hinsichtlich der geringeren Haltefrequenz im Sommer 1989 gegenüber dem Sommer 1969 wirkt sich die 1970 vollzogene Einstellung des Verkehrs von Goddelau-Erfelden nach Darmstadt zahlenmäßig aus.
Zughalte in Goddelau-Erfelden bzw. Riedstadt-Goddelau | |||||||||
Sommer 1869 | Winter 1889/90 | Sommer 1910 | Sommer 1928 | Winter 1937/38 | Sommer 1950 | Sommer 1969 | Sommer 1989 | Sommer 2013 | |
So 1869 | Wi 89/90 | So 1910 | So 1928 | Wi 37/38 | So 1950 | So 1969 | So 1989 | So 2013 | |
Schnellzüge | 0 | 3 | 3 | 2 | 2 | 2 | 0 | 0 | 0 |
Eilzüge / RE | 0 | 0 | 8 | 2 | 4 | 5 | 18 | 16 | 40 |
Personenzüge | 10 | 19 | 45 | 65 | 68 | 75 | 75 | 64 | 2 |
S-Bahnen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 74 |
Bild G37: Diese Aufnahme eines unbekannten Fotografen soll um 1930 herum entstanden sein. Sie zeigt einen von 57 2076 gezogenen Personenzug. Diese Lokomotive wurde 1920 bei Hanomag gebaut und ging zunächst an die Königliche Eisenbahndirektion Stettin. Sie gelangte 1945 nach Polen, wo sie 1971 ausgemustert wurde. Quelle: eigene Sammlung.
Bild G38: Arbeiter des in Crumstadt stationierten Reichsarbeitsdienstes (RAD) während ihrer Verpflegungspause auf dem Güterbahnhof von Goddelau-Erfelden. Ihre Aufgabe war es 1936, mit der Reichsbahn angelieferte vorgefertigte Barackenteile für den Aufbau des Lagers in Crumstadt umzuladen. Von Crumstadt aus zogen die Arbeitskolonnen durch das Hessische Ried, um Gräben und Kanäle für die Entwässerung zu ziehen. Quelle: Thomas Kraft, Crumstadt; Sammlung Peter Merschroth.
Auf welchem Gleis die Lokomotive mit ihrem Zug eingelaufen ist, läßt sich nicht genau bestimmen. Das Bild der jungen Männer mit den Bahnsteigen im Hintergrund hilft jedoch bei der Eingrenzung. Goddelau-Erfelden verfügte in den 1930er Jahren über fünf Bahnsteiggleise. Der Hausbahnsteig scheidet schon allein aus architektonischen Gesichtspunkten aus. Die beiden Mittelbahnsteige sind so ausgestattet, daß das Schild mit dem Stationsnamen jeweils in Fahrtrichtung am vorderen Ende des Zuges angeschraubt war; und links daneben hing die jeweilige Bahnsteiguhr. Die Bahnhofsunterführung ist an beiden Bahnsteigen von der Südseite aus erreichbar. Leider trägt das Lokomotivbild diesbezüglich nicht zur Klärung bei, weil schon der Abzug zu unscharf ist. Wir erkennen jedoch keine Uhr und das Stationsschild befindet sich am Ende des Bahnsteigs. Somit scheiden die beiden Durchgangsgleise 3 und 4 aus, weil auf deren Seite die Uhr gehangen hat. Demnach ist die Lokomotive entweder mit einem Personenzug aus Darmstadt auf Gleis 2 eingelaufen oder sie kam von Mannheim oder Worms auf Gleis 5 an. Schemenhaft ist im Hintergrund ein Stellwerksgebäude zu erkennen. Da jedoch am Ende beider Bahnsteige jeweils ein Stellwerk stand, hilft auch dies bei der Identifizierung nicht weiter.
Am Güterbahnhof
Schon im 19. Jahrhundert wurde auf der Westseite der Gleisanlagen der Grundstock für die späteren ausgedehnten Güteranlagen gelegt. In den beiden Weltkriegen bildeten die Gütergleise einen Teil der Nachschublogistik der jeweiligen Militärs. Deshalb waren die Bahnhofsanlagen von Goddelau-Erfelden im Zweiten Weltkrieg wiederholt das Ziel alliierter Bombenangriffe. Heute wird nur noch ein Teil dieser Gleise genutzt, um Überholungen durchzuführen oder Autotransportwagen dem Gleisanschluß des örtlichen Autologistikers zuzuführen. Die zu einem Güterbahnhof gehörenden Gebäude und Schuppen hingegen sind längst abgetragen worden. Das war Ende der 1980er Jahre noch nicht der Fall, so daß einige Aufnahmen dieses Ensembles erhalten sind.
Bild G39: In den Sommermonaten verstecken sich die traurigen Überreste der Gütergleise unter viel Gestrüpp. Nur ab und zu, wie hier im Mai 2013, blitzt ein Restbestand der Güterverladung aus dem Grün hervor. Hier das im Plan mit der Nummer 152 bezeichnete Gleis an der Ladestraße.
Bild G40: Auf einem der noch angebundenen Gütergleise steht die Deutz-Rangierlokomotive Nr. 57511 [info], zu ihrem eigenen Schutz in einem Käfig eingesperrt. Sie gehört zum örtlichen Reifenhandel Kurz, kam dort jedoch nicht mehr zum Einsatz. Das zugehörige Anschlußgleis wurde Mitte der 2000er Jahre gekappt. Aufnahme vom März 2014.
Bild G41: Schon nicht mehr benötigt wurde im August 1988 die Güterhalle an der Straße nach Erfelden. Aufnahme: Eva Lorenz.
Bild G42: Ähnlich trostlos präsentierte sich der ehemalige Güterschuppen für Gurken und andere landwirtschaftliche Güter. Aufnahme: Eva Lorenz.
Bild G43: Ein Blick von der gegenüberliegenden Seite. Aufnahme: Eva Lorenz.
Bild G44: Bei den sich selbet überlassenen Gleisen an der Westseite fand ich im Oktober 2015 noch das Lademaß vor.
Fahrt frei in den Süden
Bild G45: Am Richtung Stockstadt gelegenen Ende des Bahnsteigs zwischen den Gleisen 4 und 5 stand das mittlere der drei Goddelauer Stellwerke (Stellwerk II). An den Stellhebeln ließ sich Heinz Lumpe von seinem Kollegen Albert Roth ablichten. Durch das Fenster schemenhaft zu erahnen ist der südlichere der beiden Wassertürme; die offene Türe führt zum Abgang auf den Bahnsteig. Die Aufnahme entstand vermutlich Ende der 1950er Jahre. Quelle: Sammlung Lorenz.