Regionalbahn auf Weschnitzbrücke. Regionalbahn auf der Weschnitz­brücke 2010.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Die Weschnitzbrücken bei Biblis

Dokumentation

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Hauptverlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten eigentlich der Streckenabschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau, doch auch andere Begebenheiten entlang der Riedbahn sind von Interesse.

Als die Hessische Ludwigsbahn 1869 die Riedbahn von Darmstadt nach Worms eröffnete und 1879 das Teilstück von Biblis nach Mannheim, mußte sie hierzu jeweils südlich von Biblis das im Sommer recht unscheinbare Bachbett der Weschnitz mittels Brückenbauwerk überqueren. Bei Hochwasser konnte derselbe Bach sich zum reißenden Strom entwickeln, der durchaus in der Lage war, Biblis unter Wasser zu setzen. Im Laufe der Zeit wurden hierzu Dämme gebaut und verstärkt.

Im März 1945 wurde eine der beiden Brücken von sich zurückziehenden Nazi/Wehrmachts-Verbänden zerstört. Ihr Wiederaufbau benötigte vier Jahre. Hierzu sind einige Unterlagen erhalten, die nachfolgend dokumentiert und/oder benutzt werden.


Schadensfeststellung

Nachdem die US Army in der Nacht vom 22. zum 23. März 1945 den Rhein bei Oppenheim und Nierstein überquert hatte, begannen die sich weiter südlich befindlichen Nazi/Wehrmacht-Verbände, sich zurückzuziehen, allerdings nicht ohne verbrannte Erde in Form von gesprengten Brücken zu hinterlassen. In Biblis wurde neben einer Straßenbrücke die Eisenbahnbrücke in Richtung Mannheim zerstört. Zeitgenössischen Aussagen zufolge soll die Zerstörung weiterer Brücken von einheimischen Personen verhindert worden sein. Deshalb war es alsbald möglich, den Eisenbahnverkehr bis zum Rhein bei Worms wieder aufzunehmen, während auf der Strecke nach Mannheim vermutlich ein Notbehelf errichtet werden mußte. Das zu Jahresbeginn 1946 gültige Kursbuch weist jedenfalls Verkehr auf beiden Strecken aus. Der Notbehelf (in späteren Dokumenten wird von einer Behelfsbrücke geschrieben) konnte natürlich nicht ewig aufrecht erhalten werden, so daß man bei Konsolidierung der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse daran gehen konnte, diese Brücke zu erneuern.

Schadensfeststellung Vorderseite. Schadensfeststellung Rückseite.

Abbildung 1 a/b: Schadensfeststellung für die Weschnitzbrücke im November 1945. Man und frau beachte die Diskrepanz zwischen dem hand­schriftlichen und dem maschinen­schriftlichen Datum.

Die in diesem Vermerk festgehaltene Reparaturerfordernis des westlichen und des östlichen Teils der Brücke kann allenfalls als Provisorium begriffen werden. Doch erst im März 1947 scheint es dann möglich geworden zu sein, mit der Wiederherstellung der Brücke zu bgeinnen. So schreibt die Reichsbahn­direktion Frankfurt (Main) am 17. März 1947 unter dem Aktenzeichen 48 1153 Js 16/112 dem Betriebsamt 3 Darmstadt:

„Für die Wiederherstellung der Weschnitzbrücke bei Biblis in km 26,64 der Strecke Mannheim - Frankfurt (M) werden hiermit die Mittel in Höhe von 80 000 RM bei Titel 14 Ziffer 4 , 1 Buch Nr 1 12 51 zur Rechnung überwiesen.“ [1]

Zwei Tage später konnte folglich der Vorstand des Reichsbahn­betriebsamts 3 der Bahnmeisterei Biblis übermitteln, daß mit der Begleichung der Rechnungen begonnen werden könne. Daraus wäre zu folgern, daß schon Brückenbauarbeiten stattgefunden, selbige aber noch unter Finanzierungs­vorbehalt gestanden hatten.

»»  Die Eisenbahndirektion Mainz hatte 1929 einen Lageplan der Weschnitzbrücke der Strecke Mannheim  Frankfurt anfertigen lassen. Dieser Lageplan wurde zum Wiederaufbau der Brücke herangezogen und mit einigen in Rot gehaltenen Anmerkungen versehen.

Vorbereitungen

Der nächste in den mir vorliegenden Unterlagen faßbare Vorgang ist eine handschriftliche Vorlage für ein Schreiben der Bahnmeisterei Biblis an das Telegraphenbauamt Darmstadt vom 16. Juli 1948. Hierin kündigt sich die für die kommenden Monate geplante vollkommene Wiederherstellung der Weschnitzbrücke an. Unter dem Betreff „Freileitungsgestänge an der Strecke Mannheim - Frankfurt in km 26,95“ heißt es dort:

„Wir beabsichtigen am 15.9.48 (durch die Fa. Donges Darmstadt) mit den Bauarbeiten an der durch Kriegseinwirkungen zum Teil zerstörten Weschnitzbrücke in km 26,95 der genannten Strecke zu beginnen. Hierbei müssen zwei hohe Portalkräne aufgestellt werden. Das im Zuge der Bahnlinie laufende Gemeinschafts­gestänge behindert uns hierbei, sodass die Freileitungen in dem Feld zwischen der Weschnitz für die Zeit der Bauarbeiten abgenommen werden müssen. Wir schlagen vor diese eine Feldweite über die Brücke zu verkabeln so wie wir dies am 15. Juli einem ihrer Bautruppführer vorgeschlagen haben. Wir bitten um Mitteilung ob Sie mit dem Vorschlag einverstanden oder ob sonstige Schwierigkeiten im Wege stehen.“

Schreiben zum Freileitungsgestänge.

Abbildung 2: Schreiben der Bahnmeisterei Biblis an das Telegraphen­bauamt Darmstadt vom 4. August 1948.

„Unter Bezugnahme auf unser Schreiben vom 16. Juli 1948 teilen wir Ihnen mit, dass wir mit den Bauarbeiten an Weschnitzbrücke bereits am 16. Aug. 48 beginnen. Die Freileitung muss bis zu zu diesem Zeitpunkt, zwischen den genannten Feldern beseitigt (nach unserem Vorschlag vom 16.7.48 verkabelt) sein.

Wir bitten um Mitteilung, ob u. bis wann Sie mit der Umlegung beginnen können.“

Mit den Montagearbeiten vor Ort und der Lieferung der benötigten Stahlträger war die in Darmstadt ansässige Firma Donges Stahlbau beauftragt worden. Diese verfügte (und verfügt bis heute) über einen eigenen Gleisanschluß und konnte somit Material und Werkzeuge auf Güterwaggons transportieren. Demnach war vorgesehen, die Arbeiten vom 16. August bis zum 25. November 1948 durchzuführen.

Der Wiederaufbau bestand – abgesehen von Neben- und Restarbeiten – aus drei größeren Vorhaben: Zunächst wurde der östliche Brückenteil mit dem Gleis Richtung Frankfurt herausgenommen (im nachfolgenden Dokument Reparaturbrücke genannt) und – nach Versetzen der Brückenlager – durch einen Neubau ersetzt. Diese Reparaturbrücke wurde sodann, wie der Name sagt, repariert, und zwar vermutlich in Darmstadt bei der Firma Donges. In einem dritten Akt wurde sodann der westliche Brückenteil mit dem Gleis Richtung Mannheim ausgebaut und durch den reparierten östlichen Brückenteil ersetzt.

Auszug aus dem Montage-Terminplan.

Abbildung 3: Auszug aus dem Montage-Terminplan der Firma Donges Stahlbau vom 4. August 1948.

Nun war es nicht damit getan, die vorhandene Brücke auszubauen, sie provisorisch durch eine Reparaturbrücke auszutauschen, bis sie durch die reparierte Brücke ersetzt werden konnte. Es bedurfte weiterer Vor- und Nacharbeiten, für die ein eigener Kostenvoranschlag zu erstellen war. Handschriftlich finden wir daher einen Vermerk der Bahnmeisterei Biblis vor, der besagt:

Auszug aus dem Montage-Terminplan.

Abbildung 4: Vermerk der Bahnmeisterei Biblis vom 5. August 1948.

„Für alle notwendigen Vorabeiten zum Einbau der Weschnitzbrücke […] ist ein Gesamtkosten­anschlag aufzustellen, in der Rbd vorzulegen damit die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.“

Der Entwurf des Kostenvoranschlags für die Instandsetzung der beiden Überbauten der Weschnitzbrücke, aufgestellt durch die Bahnmeisterei Biblis am 12. August 1948, sah folgende Positionen vor:

Für Unvorhergesehenes wurden rund 10%, hier: DM 257,50, eingeplant, so daß die runde Summe von 2.800 DM veranschlagt wurde. Alsdann wurde am 16. August 1948 eine Arbeitszuglok geordert.

Anforderung Bauzuglok.

Abbildung 5: Vermerk der Bahnmeisterei Biblis vom 16. August 1948.

„Es werden am 19. u 20.8. eine Az Lok benötigt zum Entladen der Kräne u sonstigen Bauteilen an der Weschnitzbrücke.

Lok wird benötigt von 8.00 – 14.30

Lok muss bestimmt gestellt werden, da sonst das Einbauprogramm nicht eingehalten werden kann.“

Wurde hierfür eine kleine Tenderlokomotive verwendet oder eine V 36? – Interessant ist auch die in obiger Abbildung durchschimmernde Rückseite dieses halbierten Blattes. Hierbei handelt es sich um den „Nachweis über besonders zu erstattende Zulagen und Fahrtkosten“ für den Löhnungszeitraum vom 3. bis 9. November 1946. Das Bauunternehmen Heinrich Philipp Schäfer III. aus Biebesheim hatte vermutlich Anfang 1947 der Bahnmeisterei Biblis das Wegegeld seiner Arbeiter aus Stockstadt, Biebesheim, Gernsheim und wohl noch anderen Orten in Rechnung gestellt. Die Baustelle wird auf der oberen Blatthälfte nicht genant, sie muß jedoch südlich von Gernsheim gelegen haben, und zwar 24 km entfernt von Stockstadt, 20 von Biebesheim und 16 von Gernsheim. Diese Zweitverwertung von Abrechnungs­durchschlägen aufgrund des vorherrschenden Papiermangels ist auch bei anderen Dokumenten der Bahnmeisterei Biblis anzutreffen und dürfte dem Zeitgeist entsprechen. – Auch für weitere benötigte Arbeitszüge wurde vorgesorgt. [2]

Bahndienstfernschreiben.

Abbildung 6: Bahndienstfernschreiben des Betriebsamts 3 Darmstadt vom 19. oder 20. August 1948.

„Am Freitag den 20/8 u Samstag den 21/8.48 verkehren G 18312/18203 Az 19390 (a [bis] d) und Az 19235 (a [bis] d) nach Fahrplan des Ba 3 vom 17/8.48. Bei frühzeitiger Arbeitsbeendigung leitet Bf Biblis die Lok nach Darmstadt zurück.“

Der im Fernschreiben erwähnte Fahrplan fand sich in den Unterlagen nicht, hingegen weitere Fernschreiben ähnlichen Inhalts vom 20. August für den 23. August sowie vom 23. August für den 24. August. Ein wenig Licht in diese Arbeitszüge bringt nachfolgendes Fernschreiben vom 24. August 1948.

Bahndienstfernschreiben.

Abbildung 7: Bahndienstfernschreiben des Betriebsamts 3 Darmstadt vom 24. August 1948.

„Am Do[nnerstag] den 26.08. verk[ehren] für die B[ahn]m[eisterei] B[ib]l[is] folgende Fahrten Z[ug] 18312 mit 1 Wagen Brückenträger u[nd] 2 Schutzwagen 30 km[/h]h Da[rmstadt] Hbf ab 6.10 G[oddelau-]E[rfelden] 6.52 Sdz [= Stockstadt?] 7.02 B[iebes]h[eim 7.]10 G[ernshei]m [7.]18 G[roß-]R[ohrheim 7.]30 B[ib]l[is] an 7.40. Die Beförderung dieser Fahrt soll möglichst nur im Hauptgleis erfolgen. Die unvermeidliche Überholung […?…] Ausfahrt mit Vorsichtsbefehl üb[er] 10 km[/]h. A[rbeits]z[üge] 19390 (A bis D) u[nd] 19235 (A bis D) nach Fahrplan des B[etriebs]a[mts] 3 vom 17.08.48. Nach Beendigung der Arbeiten ist die Lok im Benehmen mit der Z[ug]l[eitung] Da[rmstadt] unter der N[umme]r 18293 nach Da[rmstadt] Hbf anzuordnen.“

Organisationsfragen

Während die Arbeiten voranschreiten, versucht die Bahnmeisterei Biblis, Schwellenhölzer für die neu einzusetzende Brücke zu organisieren. Sie schreibt daher am 3. September 1949 sn das Brückenbüro der Reichsbahndirektion Frankfurt/M.:

„Am 19.9.48. soll die neue Weschnitzbrücke im Gleis M[ann]heim Frankfurt durch die Fa. Donges, Darmstadt eingebaut werden. Auf der jetzigen beschädigten Brücke in dem genannten Gleis liegen 44 Stück Brückenschwellen, die mit Bügel an dem Flansch der Längsträger befestigt und der Flansch in die Hölzer eingelassen ist. Die Längsträger der alten Brücke sind Breitflanschträger und die der neuen Brücke Normal-Profil Träger, sodass die Auskämmungen nicht passen.

Ausserdem soll die alte Brücke nach Instandsetzung im Gl[eis] Ffm-Mheim als neue Brücke wieder eingebaut werden. Hierbei werden dann auch zweckmässig die passenden alten Brückenhölzer wieder verwandt. Es fehlen daher für die neue Brücke 44 Stück Brückenhölzer und zwar 22 St[ü]ck von je 3,20 m und 22 von je 4,20 m Länge.

Wir bitten dringend um Zuweisung der Hölzer.

Die Lieferung erfolgte über das Gleislager Hanau-Nord.

Anforderungszettel.

Abbildung 8: Rückgabezettel zum Verlangzettel des Gleislagers Hanau-Nord vom 14. September 1948.

In einer Besprechung mit dem Dezernenten der Abteilung 48 wird festgehalten, daß weitere Hölzer für den Belag erforderlich sein werden. „Außerdem fehlt noch die Riffelblech­abdeckung zwischen dem Gleis.“ Und schließlich sollten noch Längsbohlen auf die Belaghölzer gelegt werden. Selbiges wurde tags darauf durch die Bahnmeisterei Biblis beim Brückenbüro angefordert. Während dessen mußte die Strecke zwischen Lampertheim und Biblis für den Fortgang der Brückenarbeiten planmäßig an einigen Tagen zeitweise gesperrt werden. Ursprünglich war geplant, daß hierzu die Betra (Betriebs- und Bauanweisung) Nr. 621 am 9., 10., 13. und 14. September in Kraft tritt.

Betra Nr.  621.

Abbildung 9: Fernschreiben des Betriebsamts 3 Darmstadt vom 7. September 1948.

Demnach sollten der Schnellzug D 376 (Alpen-Nordsee-Expreß, Frankfurt ab 9.32, Mannheim an 10.51 Uhr) und der Güterzug Dg 6428 über die Main-Neckar-Bahn umgeleitet werden. Am 9. September teilte das Betriebsamt 3 Darmstadt mit, daß die für diesen Tag vorgesehene Sperrung nicht stattfinde, stattdessen ein Zusatztermin am 11. September (Samstag) eingeflochten werde. Die nächste Sperrung war für den 26. September 1948 vorgesehen.

Die Betra Nr. 622

Mit der Betra Nr. 622 wurden die erforderlichen Maßnahmen festgelegt. Die Anweisung bestand aus drei Teilen, dem Text selbst, dem zugehörigen Lageplan, in dem das Fahren im falschen Gleis besonders markiert war, und einem Bildfahrplan, der mangels besonderer Aussagekraft hier weggelassen ist.

Betra Nr. 622 Vorderseite. Betra Nr. 622 Rückseite.

Abbildung 10 a/b: Betra Nr. 622 vom 22. September 1948.

Betra Nr. 622 Lageplan Südhälfte. Betra Nr. 622 Lageplan Nordhälfte.

Abbildung 11 a/b: Lageplan zur Betra Nr. 622 vom 22. September 1948.

Vorbereitung auf den Wiedereinbau

Nun sollte die Brücke des Frankfurter Gleises ausgebaut, repariert und als Brücke des Mannheimer Gleises wieder eingebaut werden. Ursprünglich war geplant, die Arbeiten zügig durchzuführen und bis Ende November fertigzustellen. Dieser Zeitplan konnte wohl nicht wie geplant eingehalten werden. Als zusätzliches Problem trat somit das gerade im Winter unkalkulierbare Hochwasser der Weschnitz auf. Dies rief am das Wasserstraßenamt Gernsheim auf den Plan, welches am 3. Dezember 1948 bei der Reichsbahndirektion in Frankfurt/M. vorstellig wurde.

Die Arbeiten für die Wiederherstellung der vorgenannten Brücke sollton nach einer Mitteilung der Bahnmeisterei Biblis vom 27.8.48 etwa Ende November 1948 beendet sein. Nach einer Rücksprache bei der Bm. Biblis (t.R.J. Marquard) wurde jedoch festgestellt, dass frühestens im Januar mit der Montage des unterstromseitigen Brückenteiles begonnen werden kann. Die für die Aufstellung des Montagegerüstes abgeflachte und beschädigte Böschung des Hochwasserdammes kann daher auch erst nach diesem Zeitpunkt – bei anhaltendem starken Frost evtl. erst im Frühjahr – wiederhergestellt werden. Hierdurch und durch die infolge des Einbaues des Montagegerüstes und des Notjoches hervorgerufene Einengung des Abflußquerschnittes entsteht bei einem Hochwasser, mit dessen Eintritt von Mitte Dezember ab jederzeit gerechnet werden muß, eine erhebliche Gefahr für den Bestand des Dammes. Für die Folgen eines Dammbruches, bei dem sicher auch die Brückenwiderlager in Mitleidenschaft gesogen werden würden, wäre die Reichsbahn voll verantwortlich,

Es muß daher alles getan werden, der Gefahr eines Dammbruches rechtzeitig zu begegnen. Nach Angabe Ihres Herrn Marquard (Bm. Biblis) soll die Möglichkeit bestehen, von Goddelau-Erfelden aus jederzeit schnellstens einige Waggons Schotter herbeizuschaffen, mit dem die wasserseitige Böschung des Dammes bei steigendem Wasser verfüllt und geschützt werden kann. Ich nehne an, dass auch Siie diese Maßnahme für die zweckmäßigste halten und bitte, die Bm. Biblis anzuweisen, dass diese Maßnahme, wenn erforderlich, im Benehmen mit dem Wasserstrassenamt Gernsheim durchgeführt wird. Der dem Auf- und Abbau des Montagegerüstes dienende Gittermast müßte bei steigendem Wasser aus dem Abfluß­querschnitt entfernt werden.

Für baldige Stellungnahme zu meinen Ausführungen bes. zu der Bereitstellung des Schotters wäre ich dankbar.“

Die Besorgnus des Wasserstrassenamts war durchaus berechtigt. Gerade Biblis hat eine langjährige leidvolle Erfahrung mit Dammbrüchen vorzuweisen gehabt. Die Bahnmeisterei Biblis merkte hierzu jedoch an:

„Der über dem Flussbett liegende Gittermast wurde durch die Fa. Donges bereits beseitigt. Etwa 25 qm Erdmassen wurden an der Brücke bereits abgeladen und werden soweit als möglich an den angeschnittenen Dämmen eingebaut. Die restlichen Massen werden oben auf den Dämmen gelagert. Die Einschnitte an den Dämmen sind dann nur noch sehr gering sodass diese u. E. keine Gefahr mehr bedeuten. Die Säulen der Portale stehen jedoch bei Hochwasser in dem Bachprofil. Sie können jedoch vor Einbau des Überbaues im Gleis Ffm-M-heim nicht entfernt werden.“

Was war noch zu tun? Ein Ablaufplan der Firma Donges, vermutlich vom Dezember 1948, sah vom 27. Dezember 1948 bis 19. Februar 1949 folgende Arbeitsfolge vor: In den defekten Hauptträger neue Stahlblechkeile einpassen und einnieten. Anstrich, Verladen, zur Weschnitz transporieren und einbauen. Behelfsbrücke ausbauen und verladen. Reparaturbrücke einbauen und ausrichten. Portalkrane abbauen, Böschung herrichten, Baracken abbauen und verladen. – Hingegen machte sich das Dezernat 48 an die Vorgaben für die Restarbeiten zu der neu eingebauten östlichen Brücke (Frankfurter Gleis).

Abschrift zu Restarbeiten.

Abbildung 12: Abschrift eines Schreibens des Dezernats 48 an das Betriebsamt 3 Darmstadt vom 11. November 1948.

Tatsächlich sollte erst Ende Januar 1949 an der Wecshnitzbrücke weiter gebaut werden. Ein neuer Terminplan sah ab dem 25. Januar das Heben und Hochbocken der Brücke vor. Für Sonntag, den 13. Februar 1949, war der Austausch der westlichen Brücke vorgesehen. Damit würden sich die weiteren Arbeiten bis in den März hinein ziehen, etwa das Verschweißen der vier Schienenstöße der neuen Brücke am 6. März.

Mit der Betra Nr. 633 vom 7. Februar 1949 wurde für den Aus- und Einbau dieser Brücke die zeitweilige Sperrung der Strecke zwischen Lampertheim und Biblis angeordnet. Betroffen waren das Richtungsgleis nach Mannheim von 9.00 bis 16.00 Uhr und das Richtungsgleis nach Frankfurt von 8.30 bis 10.30 Uhr und von 12.00 bis 13.40 Uhr. Diesmal war von Biblis aus das Fahren im falschen Gleis vorgesehen. Bei einer vorgeschriebenen maximalen Fahrgeschwindigkeit von 40 km/h wurde ein Fahrzeitverlust von 6 Minuten bei Personen- und von 8 Minuten bei Güterzügen einkalkuliert. Der Lokführer des nach Lampertheim fahrenden Personenzuges 2608 sollte am Bahnhof Biblis die Befehle Bacd bis Lampertheim erhalten, am Lampertheimer Einfahrtsignal M die Befehle Ac. Über die Main-Neckar-Bahn umgeleitet wurden die Schnellzüge D 376 und D 204, sowie eine Reihe von Güterzügen. Sonderzüge waren nur nach besonderer Anordnung zuzulassen.

Zudem waren drei Sperrfahrten durchzuführen. Die erste Sperrfahrt sollte kurz nach 8.30 Uhr auf dem Frankfurter Gleis mit Lok und zwei Wagen durchgeführt werden, um die ausgebaute Brücke abzuholen. Diese Sperrfahrt mußte bis 10.30 Uhr in Biblis eingetroffen sein. Die zweite Sperrfahrt sollte kurz nach 12.00 Uhr zum Einbau der neuen Brücke verkehren und spätestens um 13.40 Uhr in Biblis ankommen. Die Betra Nr, 633 beschreibt den Vorgang so:

„Der alte Brückenüberbau wird in der ersten Sperrpause von 8,30 – 10,30 Uhr mit zwei Portalkranen und elektrischen Hebewinden gehoben, über die im Nachbargleis bereitgestellten SS-Wagen geschwenkt, abgesetzt und in den Bf Biblis gefahren. In der 2. Sperrpause von 12,00 – 13,40 Uhr wird die neue auf SS-Wagen im Bf Biblis bereitgestellte Brücke zur Baustelle gefahren, an die Portalkrane angehängt, gehoben, über die Öffnung geschwenkt und auf die Widerlager abgesetzt.“

Die dritte Sperrfahrt ab 14.30 Uhr diente auf dem Mannheimer Gleis der Probebelastung der neuen Brücke durch zwei Lokomotiven. Diese Probe mußte um 16.00 Uhr abgeschlossen sein. Der Zeitrahmen war demnach eng gesteckt. Die erhaltenen Unterlagen enthalten keinen Hinweis darüber, ob dieser Zeitplan eingehalten werden konnte. Die Firma Donges stellte für den 13. Februar 1949 für 13 Arbeiter den Lohn für insgesamt 113 ¾ Stunden in Rechnung; die maxumale Arbeitszeit betrug an diesem Sonntag 9 ¼ Stunden.

Aufräumen

Mit dem erfolgreichen Einbau des wiederhergestellten westlichen Brückenteils konnte man sich ans Aufräumen machen. Eine handschriftliche Skizze hält die geplante Restarbeiten fest; der Urheber dieser Skizze ist unbekannt.

Demontageplan.

Abbildung 13: Ablaufplan der Fertigstellung der Brückenarbeiten.

Am 14. Juni 1949 trafen sich paritätisch je drei Herren auf Seiten der Reichsbahn und des Wasserstrassenamtes Gernsheim zur Besprechung an der Weschnitzbrücke. Das Protokoll hält fest:

„Es wurde nachfoIgendes festgelegt:

Die von Seiten der Reichsbahn auf die Hochwasserdämme aufgebrachten Rasenstücke sind nur zum Teil angewachsen und sind daher nur da als Dambefestigung zu betrachten, wo sie nicht durch die lange Frühjahrstrockenheit verdorrt sind. Die vertrocknoten Rasenstücke sollen jedoch liegen bleiben, angeklatscht und neu mit Rasen eingesät werden. Die Arbeiten will das Wasserstrassenamt ausführen unter Hilfeleistung der Bahnmeisterei Biblis. Der dazu notwendige Grasssamen wird von dem Wasserstrassenamt Gernsheim geliefert. Das Flussbett ist von den Trümmern geräumt und wird als ausreichend gesäubert betrachtet.

Dagegen fehlt noch die Uferbefestigung unter der Brücke auf der Bibliser Seite vollständig und auf der Seite nach Bobstadt zu, ist die Uferbefestigung mit den vorhandenen Steinen nicht fachmännig ausgeführt. Ob die Reichsbahn zur Anlegung dieser Befestigung verpflichtet ist konnte keiner der Anwesenden nachweisen. Ausserdem steht nicht fest ob die geforderte Befestigung früher vor der Brückensprengung überhaupt im Sinne der heutigen Forderungen des Wasserstrassenamtes vorhanden waren. Für die Ausführung dieser Arbeiten muss ausser Stein und Schotter ein Geldbetrag von mehreren hundert Mark aufgebracht werden.

Sonstige Beanstandungen von Selten das Wasserstrassenamtes haben sich nicht ergeben.“

Lieferschein Donges.

Abbildung 14: Lieferschein der Firma Donges Stahlbau vom 17. September 1948.

Am 9. Februar 1951 ging es um die Gewährleistung der Firma Donges.

„Am 9. Februar 1951 fand an der Weschnitzbrücke in km 26.95 der Strecke Mannheim – Frankfurt eine Besichtigung zur Feststellung von Mängel an der Stahlbaukonstruktion statt, die von der Liefer und Einbaufirma (Donges, Eisenbau, Darmstadt) vor Ablauf der Gawährleistungsfrist evtl. zu vertreten wären. […]

Stahlbaumässige Mängel, die durch die Fa. Donges zu vertreten wären, wurden an den beiden Überbauten nicht festgestellt. Beide Überbauten müssen mit einen Anstrich versehen werden, da der Rost an vielen Stellen den beim Einbau ausgeführten Schutzanstrich bereits durchschlägt.“

Weschnitzbrücke nach Mannheim.

Bild 15: Die Weschnitzbrücke in Richtung Mannheim, im Juli 2010.


Auf der Webseite der Gemeinde Biblis finden sich einige interessante historische Aufnahmen vom Bahnhof und den Weschnitzbrücken. Auch wenn die Bildergalerie menügeführt zugänglich gemacht ist, ist es durchaus möglich, die Aufnahmen in voller Größe zu betrachten und (für den privaten Gebrauch) herunterzuladen.


Literatur

Anmerkungen

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