Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau
Walter Kuhl
Rangierfahrt auf der Riedbahn.
Auf der Riedbahn.
Feldbahnmuseum Frankfurt/Main.
Feldbahnmuseum
Frankfurt/Main.
Feldbahnmuseum Frankfurt/Main.
Feldbahnmuseum
Frankfurt/Main.
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Frankfurt/Main.

Die Riedbahn von Darmstadt nach Goddelau

Feldbahnen im hessischen Ried

Eine wohl noch unvoll­ständige Übersicht

1869 wurde die Riedbahn zwischen Darmstadt und Worms eröffnet. Die heutige Riedbahn mit ihrem Haupt­verlauf von Mannheim nach Frankfurt wurde erst zehn Jahre später errichtet. Dokumentiert wird auf meinen Riedbahn-Seiten vor allem der Strecken­abschnitt zwischen Darmstadt und Goddelau.

Feldbahnen wurden im hessischen Ried in Ziegeleien, landwirt­schaftlichen Betrieben oder zur Volks­belustigung erbaut. Diese Seite soll das Thema Feldbahn nicht vertiefen und wird sicherlich auch nur in Ansätzen die Feldbahnen im hessischen Ried vorstellen können. Im Grunde genommen bin ich auf dieses Thema auch nur gekommen, weil ein Gleisplan des Griesheimer Bahnhofs von 1903 eine kurze Schmalspur­bahn verzeichnet.

Ansonsten sei hier auf die (hoffent­lich) weiter­führende Literatur verwiesen.


Spuren in Sand und Stein

Gleisplan Griesheim 1903.

Abbildung 1: Der Ausschnitt aus dem Bahnhofs­plan von 1903 zeigt das kurze Schmal­spurgleis zwischen der Kleng­anstalt Nungesser und der Güter­rampe am Griesheimer Bahnhof.

Der Gleisplan des Griesheimer Bahnhofs aus dem Jahr 1903 zeigt ein etwa 30 Meter kurzes Schmalspur­gleis von der hier als „Klenganstalt Nungesser“ bezeichneten Samengroßhand­lung zur Güterrampe des Griesheimer Bahnhofs. Das Gleis wurde 1887 eingerichtet.

„In der Station Griesheim ist von einem, in der Nähe errichteten Fabrik­anwesen eine schmal­spurige Transport­bahn nach dem Verlade­platze herge­richtet worden. Auf Kosten des Besitzers desselben wurde in der Güter­halle eine weitere Thüre angebracht.“ [1]

Die Lore (oder Loren?) werden gewiß per Muskelkraft geschoben oder gezogen worden sein. Dies als Feldbahn zu bezeichnen, ist womöglich über­trieben. Das kurze Gleis dürfte an die Seitentüre in der Mitte der Frontseite des Gebäudes gereicht haben, das nicht mehr voll­ständig im Original­zustand erhalten ist. Das damit verbundene fast 12.000 Quadrat­meter große Gelände mit der Anschrift Bahnhof­straße 37 wurde 1938 von der Firma L. C. Nungesser an die orts­ansässige Möbelfabrik der Gebrüder Müller zu einem Preis von 28.000 Reichsmark verkauft. [2]

Die Griesheimer Bevölkerung lebte seit dem 16. bis ins 20. Jahr­hundert nicht unwesent­lich vom Sammeln diverser Samen von Gräsern und Heilkräutern, sowie von Tannenzapfen.

Weitere derartige Schmal­spurgleise sind mir zwischen der Strecken­gabelung bei Goddelau und der Einbindung der Riedbahn an der Berg­schneise nicht bekannt.

Klenganstalt Nungesser.

Bild 2: Einstmals die Klenganstalt Nungesser. Aufnahme vom Juni 2008.

Bensheimer Hof.

Bild 3: Einfahrt in den Bensheimer Hof. Aufnahme vom Juli 2010.

Peter Schneider beschreibt in einem Heft zur Groß-Gerauer Eisenbahn­geschichte die Situation rund um Groß-Gerau so:

„Auch im Gerauer Land wurden Feldbahnen eingesetzt, beispiels­weise im landwirtschaft­lichen Bereich auf den großen Gutshöfen wie dem Rheinfelder Hof in Wallerstädten oder dem Bensheimer Hof in Leeheim. Die Stichstrecken von den Höfen in das Feld waren fest installiert. Die Anbindungen zu den Ernte­bereichen wurden nach Bedarf vorüber­gehend verlegt. Als Zugtiere verwendete man Ochsenge­spanne. Im Rheinfelder Hof liefen die Schienen durch die umfangreichen Ställe und man entfernte den Mist mit den Kastenloren. Außerdem transportierte man die im Feld geernteten Kartoffeln zur hofeigenen Brennerei. Das Gleisnetz ist innerhalb der Hofanlage des Bensheimer Hofes weitgehend erhalten. Dieser Hof bevorzugte Kipploren für den Misttransport.

Aber auch beim Ausbau der Riedbahn­strecke Ende des letzten Jahrhunderts, beim Autobahn­bau in den Dreißigern, beim Torfabbau bei Berkach bis in die Siebzuger oder in den vielen Kiesgruben des Rieds wurden die Feldbahnen teilweise bis in die achtziger Jahre verwendet.“ [3]

Die Feldbahngleise (Spurweite 600 mm) und auch einige Loren sind auf dem Bensheimer Hof auch ein Dutzend Jahre nach dieser Schilderung noch vorhanden. Einzelne dieser Gleisreste sind auch außerhalb der Hofmauern zu entdecken.

Neugierige Feldbahn-Nerds nutzen die offene Architektur der Höfe, um sich umzuschauen und zu foto­grafieren. Vielleicht sollte der Hinweis, daß es sich um privaten Grund und Boden handelt, dazu gemahnen, hier sensibler vozugehen. Manchmal hilft höfliches Fragen. Manchmal ist es aber auch so, daß sich die Besitzer­innen und Besitzer von der x-ten Anfrage genervt zeigen und das Ansinnen negativ bescheiden. Damit müssen wir leben.

Rheinfelder Hof.

Bild 4: Feldbahnstück am Rheinfelder Hof. Aufnahme vom August 2010.

Nur noch zwei Reststücke der einstmals umfang­reichen Feldbahn­anlage (Spurweite 600 mm) am Rheinfelder Hof in Groß-Gerau-Waller­städten sind vorhanden. Rund 200 Meter südlich der Hofanlage führt dieser Gleisstumpf ins Feld, vielleicht einstmals von einer Weiche abzweigend. Innerhalb des Hofs existierte 2010 nur noch eine rund sieben Meter lange Gleiskurve von der Hof­einfahrt in die Ställe. Weichen, Loren oder andere Betriebsan­lagen sind verschwunden. Ohnehin war auch der Transport des Ernteguts von den umliegenden Feldern in die Hof­gebäude eine Knochenarbeit.

Ebenfalls im Groß-Gerauer Stadtteil Waller­städten verkehrte zu Zeiten des dortigen Safari­landes zwischen 1974 und 1985 eine Personen­bahn (Spurweite 750 mm) durch das Gelände. Gezogen wurde die Bahn von drei Schöma-Diesel­lokomotiven, Typ CHL 40 G, mit den Fabrik­nummern 3963 bis 3965.

Ehemalige Feldbahnen sind auch vom Ziegelwerk Ehrenfels in Riedstadt Erfelden, von der Fa. Schäfer in Biebesheim und der ehemaligen Zucker­fabrik in Gernsheim (heute: Merck) bekannt. Von der Feldbahn der Ziegelei Muth in Stockstadt findet sich im Band „Stockstadt am Rhein in alten Ansichten“ eine Ansicht auf Bild 68.

An den Rieselfeldern westlich Darmstadts liegt seit Jahr­hunderten das Hofgut Gehaborn, das seit Ende des 19. Jahr­hunderts in städtischem Besitz ist. Auch dieser landwirt­schaftliche Betrieb muß über eine eigene Feldbahn verfügt haben, was die „Darm­städter Zeitung“ am 28. August 1903 am Rande erwähnt:

„Für Herstellungen einer Geleisanlage auf dem Hofgut Gehaborn werden dem Gutspächter Klein daselbst 563,29 Mk. vergütet und diese Anlage in Eigentum der Stadt genommen.“

Daraus läßt sich schlußfolgern, daß diese Anlage wohl kurz zuvor fertig gestellt wurde. Ob davon heute noch irgend­welche Reste zu sehen sind? Überhaupt wäre zu fragen, welche weiteren Bauernhöfe mit Gleis­anlagen versehen wurden.

Hofgut Hohenau.

Bild 5: Feldbahnrest auf dem Hofgut Hohenau. Aufnahme vom August 2012. Mit freundlicher Genehmigung.

Wer von Trebur oder Geinsheim kommend per Fahrrad auf die Insel Langenau gelangen möchte, kommt kurz vor Erreichen des Rheins an einem alten Hofgut vorbei. Durch die Gitter des Hoftores läßt sich der hier gezeigte Gleisrest einer Feldbahn (Spurweite 600 mm) ausmachen. Im Innern des Hofes waren 2012 noch drei oder vier weitere Gleisstücke verborgen; mehr gibt es jedoch nicht zu sehen. So, wie die Gleise längs der Wirtschafts­gebäude angelegt sind, wurden die vom Feld her­kommenden Loren vermutlich nicht in die Stallungen hinein­geführt, sondern das Erntegut noch auf dem Hof ausgeladen. Zu Beginn des 20. Jahr­hunderts wurden hier Zuckerrüben angebaut, später diente die Feldbahn wohl eher (oder zusätzlich) dem Obst­transport.

»»  Zur Ziegelei Kurt Ehrenfels und ihrer Feldbahn sind einige Informationen im Internet im finden. Die Gebäude der Ziegelei stehen noch, wenn auch längst zweck­entfremdet, an der Straße von Stockstadt nach Erfelden, direkt hinter der 2015/16 fertig gestellten, architektonisch recht eintönig zusammen­geschusterten Reihen­hausanlage. Am gegenüber­liegenden Altrhein­ufer sind – zumindest auf Luft- bzw. Satelliten­bildern – noch die ausgebaggerten Lehmkuhlen als Wasser­reservoirs zu erkennen.

  • Bahn-Express / Jens Merte : Kurt Ehrenfels, Ziegelei Erfelden, 64560 Riedstadt [online].
  • Feldbahn- und Industriebahnmuseum Wiesloch e.V. : O&K Seilbagger der Ziegelei in Erfelden [online]
  • Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald : Die alte Erfelder Ziegelei [pdf auf archive.org].
  • Jens Merte (Hg.) : Museal erhaltene Lokomotiven Hatlapa. Angabe zur Feldbahnlok der Ziegelei Ehrenfels in Erfelden [online].

Eine unvollständige Übersicht

Der auf Mikrofiches gezogene Aktenbestand „Ermittlungen über den Bestand an schmal­spurigen Industrie- und Feld­eisenbahnen“ vom Ende des 19. und beginnenden 20. Jahr­hunderts verweist auf eine Fülle an kleineren und größeren Gleisanlagen in den drei Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen. In der folgenden Liste werden diejenigen aufge­führt, die im hessischen Ried zwischen Bergstraße und Rhein aufzufinden waren. Diese Liste ist sehr wah­rscheinlich unvoll­ständig. Die angeführten Jahres­zahlen verweisen auf eine Erfassung oder Erwähnung im betreffenden Jahr, ohne daß damit das Entstehung­datum, die Nutzungs­dauer oder dar Zeitpunkt der Entsorgung gemeint ist.

OrtBesitzer oder Örtlich­keitZweckLänge in MeternSpurweite in Milli­meternLoko­motivenJahrBemerkungen
AuerbachW. Hoffmann (Darmstadt)Marmor­bergwerk500700?1884 
DarmstadtWitwe (?) HoltzDampf­schneiderei150600nein1884Zimmermeister, Escholl­brücker Straße Nr. 8
DarmstadtGeorg MahrSägewerk150750nein1884am sogenannten Mahr'schen Gleis, zwei Kurven, eine Drehscheibe
DarmstadtGebrüder RoederHerdfabrik und Gießerei90500nein1884eine Drehscheibe und Rollmaterial, geliefert Darmstadt 1878
EichLeonhard BechtelBackstein­brennerei437400nein1884 
EberstadtPhilipp HeilPapierfabrik150750nein1884 
Escholl­brückenAdam Crämer [Krämer] II.Erd­transport1500600nein1908Straßen- und Eisen­bahnbau in Darmstadt, wohl beim Umbau der Bahnanlagen
Escholl­brückenAdam NumrichErd­transport1500900nein1884wohl nicht stationär, 1890: Länge 2.500
Escholl­/brückenValentin StrombergerErd­transport1000900nein1884 und 18871884 Einsatz auf dem Schieß­platz Griesheim, siehe seine Zählkarte.
GernsheimLudwig Debus 400400nein1891 
GernsheimHermann Hofmann 525400nein1891 
GernsheimHeinrich Lauer 700500nein1891 
GriesheimFriedrich AltvaterBauunter­nehmerje 500600 bzw. 700nein18901896: 1500 m Länge mit einer Spurweite von 600 mm
GriesheimPhilipp Feldmann und Philipp SchaffnerErd­transport1800500nein1887 
Groß-GerauActien­zuckerfabrikZuckerfabrik800500nein18901896 wird die Länge mit 645 m angegeben.
Hammer AuJohann Georg Oswald (Gimbsheim)Backstein­fabrik300400nein18841891: 580 m Länge
Hammer Au bei GernsheimFriedrich Gutzohr (?) II. (Gimbsheim)Backstein­fabrik400444nein1884 
Klein-RohrheimJacob Schnetz (?) 420500nein1891 
LampertheimGemeindeKultivierung Gelände2000700nein18841886: Schienen­länge 2000 m, daher Bahn­länge 1000 m
LampertheimMichael KorbFeld­eisenbahn2000600nein18931891: arbeitet bei dem endgültigen Ausbau des linken Ufers im Rhein­durchstich oberhalb von Worms. 1896: Kies­gewinnung und Erd­transport auf 1.700 m Länge.
LeeheimBensheimer HofLand­wirtschaft1500600nein1886transportable Feld­eisenbahn; 1896: 1.800 und 2.700 m
LeeheimBaron von Wangenheim (Dominalhof Haina)Land­wirtschaft1380600nein1890 
MitteldickGroß­herzogliche Ober­förstereiHolz­transport7000900nein1911 
MitteldickGroß­herzogliche Ober­förstereiHolztrans­port von Sprendlingen nach Kelsterbach15000600ja1911möglicher­weise schon enthalten in den Angaben zur Waldbahn
RaunheimMönchhofLand­wirtschaft3452600nein18901896: 4.850 m Länge
Raunheim (?)Dampf­baggerei und Schlepperei Frankfurt – MainzTransport­bahn2600 und 200900 bzw. 600ja1911Beförderung von Kies und Sand aus dem Mönchwald nach dem Main
Raunheim und KelsterbachGroß­herzogliche Ober­förstereiHolz­transport20500600ja1908Siehe dazu: Die Waldbahn von Buchschlag nach Klaraberg.
TreburJ. H. Claus und Johannes Jakob LöschSrtraßen- und Eisen­bahnbau (wohl in Darmstadt), Lagerplatz in Trebur400600nein19081911: Länge 2.900 m
WallerstädtenRheinfelder HofLand­wirtschaft2800600nein1886davon 100 m fest­liegend und 1700 m trans­portabel; 1890: 2.909 m Länge
Tabelle 1: Liste der in den Akten erfaßten Schmal­spurgleise in den Regionen Darmstadt, Gernsheim und Groß-Gerau.