Bahnhofsbild.
Der Bahnhof in Seitschen
Walter Kuhl
Der Bahnhof von Seitschen.
Der Bahnhof.
Ein Schuppen am Bahnhof von Seitschen.
Ein Schuppen.
Die Bahnhofsrestauration.
Die Bahnhofsrestauration.
Bewegung im Bahnhof.
Auf der Durchreise.
Alte Ansicht.
Wie es einmal war.

Der Bahnhof in Seitschen.

1846 eröff­nete die Säch­sisch-Schlesi­sche Eisen­bahn­gesell­schaft die Station Seitschen (sorbisch: Žičeń) an der Strecke von Dresden nach Gör­litz. 160 Jahre später ver­ließ der letzte Fahr­dienst­leiter das Stations­ge­bäude, einige Jahre später wurde es auf einer Auktion in Dresden ver­steigert.

Die folgende Darstellung ist eine vorsichtige Annäherung und muß im Detail noch verifiziert werden.

Die Bahnhofssiedlung von Seitschen

Ein Bahnhof prägt seine Umgebung

Bahnhofsplan.

Abbildung 1: Der Bahnhof, die Gleisanlagen und seine Umgebung etwa 1920 bis 1970 auf der Grundlage der Daten von OpenStreetMap.

Die Station Seitschen verdankt ihre Existenz wohl der Land­wirtschaft. Die aufstrebenden Städte Dresden und Görlitz benötigten Getreiide und Schlachtvieh und so lag es nahe, daß Seitschen schon 1846/47 direkt angebunden wurde. Die wenigen bäuerlichen Bewohnerinnen und Bewohner der umligenden Dörfer dürften wohl kaum genügend Rendite versprochen haben. Folglich wurde das benachbarte Demitz-Thumitz zunächst auch nicht mit einer eigenen Station bedacht.

Das erste Gebäude dürfte der Güter­schuppen (G) gewesen sein. Schon 1846 kam eine Kalk-Niederlage (N) hinzu. In den frühen 1850er Jahren wurde die Bahnhofs­restauration (R) mit ange­schlossener Postagentur erbaut. Dazu gesellte sich ein Kohlen­handel (K), der wohl ununter­brochen bis in die 1980er Jahre vom Besitzer der Restauration betrieben wurde. Um 1910/1920 muß auch die benachbarte Saatgut-Lagerhalle (S) errichtet worden sein. Das Futter­mittelwerk (F) wurde schon zu DDR-Zeiten direkt mit Lastwagen oder Fuhrwerken bedient.

Die Straße von Seitschen (GS) nach Gaußig (GA) verlief bis 1914 auf dem Weg (A) und querte die Bahnstrecke mittels eines Bahn­übergangs (Ü). Das Bahn­wärter­haus (M) war für den lokalen Bahnwärter und zusätzlich für den Oberbahn­wärter für den Abschnitt von Seitschen nach Bautzen ausgelegt. Nebenan stand ein Pferdestall (C). Das Post­gebäude (P) wurde 1895 fertig­gestellt. Zwischen 1895 und 1914 wurden in der Nähe des Bahnhofs zwei Villen (V) errichtet. 1914 wurde der von einem eigenen Bahnwärter­posten gesicherte Übergang aufgelassen und durch einen Fußgängerinnen­tunnel (T) und eine Straßen­umgehung (U) ersetzt.

Das Bahnhofs­gebäude (B) ist etwa Jahrgang 1880. Der seitliche Anbau war ursprüng­lich ein Fachwerk­bau mit spitzerem Dach und wurde gegen 1900 umgebaut. Gleichzeitig erhielt der Bahnsteig seine Überdachung. Das Wirtschafts­gebäude (W) ist im Kern möglicher­weise das erste Stations­gebäude gewesen und diente später als Aufent­haltsraum bzw. Rumpelkammer.

Die hier orange eingezeichneten Gleise geben den Stand von ungefähr 1920 bis 1960 wieder. Vorher und nachher wurden die Gleis­anlagen mehrfach den wechselnden Bedürfnissen angepaßt. Der Gleisanschluß zur Saatguthalle wurde 1969/70 abgebaut. An der Stelle des Gleises wurde nachträg­lich die Halle erweitert. Um 1970 wurde das Agro­chemische Zentrum (ACZ) Seitschen errichtet, welches über eigene Gleisanlagen mit einem Lokschuppen (O) für die beiden Kleinloks verfügte; das Gelände gehört heute der Firma Hensel Holz. Zunächst war die Verwaltung des ACZ (als es noch ZGE = Zwischen­genossenschaftliche Einrichtung hieß) an der Hauptstraße untergebracht, ehe ein eigenes Verwaltungs­gebäude (AV) mit angeschlossener Kantine (AK) errichtet wurde. In das leer werdende Gebäude zog die LPG Pflanzen­produktion Göda (L) ein. Etwas weiter den Hügel hinauf Richtung Gaußig entstand die BHG (Bäuerliche Handels­genossneschaft, B), heute der Sitz von Hensel Holz.

Mit der Errichtung des ACZ und seines Gleis­anschlusses verbunden war eine Reorga­nisation des Stellwerks, das sich zum Teil innerhalb des Gebäudes befand, teilweise aber auch außerhalb am Bahnsteig links neben dem Gebäude. Die mehrfachen An- und Umbauten des Bahnhofs­gebäudes sind eine eigene Geschichte wert.

Historisch bedingt gehört die Bahnhofs­siedlung sowohl zu Groß­seitschen als auch zu Klein­seitschen (KS). Beide Gemeinden wurden 1936 vereinigt und 1974 Göda zugeschlagen. Die Gemarkungs­grenze der beiden ehemaligen Seitschener Orte verläuft in Verlängerung der von Großseitschen kommenden Staats­straße entlang der Bahnhofs­straße, quert die Bahnstrecke am früheren Übergang, und verläuft dann weiter entlang der alten Straße (A), bis sie wieder die Haupt­straße nach Gaußig erreicht. Die Bahnhofs­siedlung entstand Ende des 19. Jahr­hunderts als Anhängsel des Bahnhofs, um die nicht in der Nähe wohnenden Bediensteten unterbringen zu können.

Der Gleisplan

Die Gleisanlagen des Seitschener Bahnhofs wurden mehrfach verändert. Als das Gütergleis angelegt wurde, konnten die Personenzüge nach Görlitz über zwei Weichen auch am Hausbahn­steig anhalten. Vor und nach dem Güter­schuppen gab es eine Gleis­verbindung vom Görlitzer auf das Gütergleis.

Wohl im Zusammenhang mit der Auflassung des Bahnüber­gangs wurden um 1914 die Gleis­anlagen erstmals grundlegend geändert. Das Gütergleis begann etwa in Höhe des Lokschuppens und endete mit einem Prellbock an der neu errichteten Straßen­unterführung. Das Gütergleis erhielt zwei neue Gleis­anschlüsse. Direkt nach dem Bahnmeister­haus zweigte nach rechts ein Gleis zur Lagerhalle ab. Vom östlichen Ende des Gütergleises aus wurden die Kohlen­waggons rückwärts zum Kohlenlager geschoben. Beide Anschlußgleise kreuzten sich und wurden zusätzlich durch eine kleines Stück Gleis verbunden. Diese Konstruktion war 1960 noch vorhanden, das Kohlengleis verschwand als erstes. Um 1970 wurden die Gleis­anlagen nochmals grundlegend verändert. Der recht schmale Gleis­abstand der beiden Durchgangs­gleise von vier Metern – und dazwischen lag noch ein Mittel­bahnsteig! – wurde erweitert und dafür das südliche Gleis etwas verschoben. Gleichzeitig erhielt das Görlitzer Gleis einen Seiten­bahnsteig. Um hierfür Platz zu machen, wurde das Güter­gleis mitsamt der Anschluß­konstruktion abgebaut. Dieses war ohnehin durch die neue Anschlußstelle des ACZ Seitschen entbehrlich geworden. Über diesen neuen Anschluß wurden nicht nur landwirt­schaftliche Güter verladen, sondern auch Kohlen und Dünger angeliefert.

Gleisplan Seitschen.

Abbildung 2: Gleisplan des Bahnhofs Seitschen um 1990.

1946 wurde das südliche Strecken­gleis zwischen Dresden und Görlitz als Reparations­leistung an die Sowjet­union abgebaut. Seitschen war jahrzehnte­lang Ausweich­stelle. Erst Ende 1979 waren Bautzen und Demitz wieder durch­gehend zweigleisig erreichbar.

Der Anschluß des ACZ überlebte die „Wende“ und auch MORA-C, das von der automobil­hörigen Chefetage der Deutschen Bahn verfügte Vernichtungs­programm der lästigen Konkurrenz für das Speditions­gewerbe. Der Anschluß soll nach dem Eignerwechsel 2020 weiterhin betriebs­fähig gehalten sein, auch wenn Hensel Holz ihn derzeit nicht nutzt. Regulär wurde der Anschluß das letzte Mal 2012 bedient. Während des Abbaus der beiden Verbindungs­weichen zwischen den Hauptgleisen im Juni 2018 wurde der Gleis­anschluß noch einmal kurzzeitig zum Abstellen einer defekten Lokomotive benutzt.

Am Bahnhof

Bahnhofsgebäude mit Restauration.

Bild 3: Das Stations­gebäude und die Bahnhofs­restauration im Januar 2017.

Das Stationsgebäude wurde Ende der 1870er Jahre erbaut; wann der östliche Anbau hinzu­gekommen ist, ist unklar. Bilder der damaligen Zeit lassen vermuten, daß der Flachbau ursprün­glich aus Fachwerk bestand und ein spitzeres Dach mit etwa demselben Winkel wie beim Hauptgebäude besaß. Um 1900 wurde er als Steinbau umgebaut, mit der markanten Flügel­türe versehen und erhielt eine Bahnsteig­überdachung. Schnee gehört im Winter zu einer festen Einrichtung in diesem Teil der Ober­lausitz und kann dann auch einmal mehrere Wochen liegen­bleiben.

Das Bahnhofsensemble.

Bild 4: Das Stations­gebäude mit seinem Wirtschafts­gebäude im April 2017. Im Hintergrund mittig steht die ehemalige Bahnhofs­restauration.

Bahnhof.

Bild 5: Das Stations­gebäude im Dezember 2015.

Bahnhof.

Bild 6: Das Stations­gebäude im August 2019.

Das Stationsgebäude wurde mehrfach umgestaltet. So besaß die westliche Stirnseite ursprüng­lich keine Türe, statt dessen ein Fenster. Vom Treppenhaus ging man und frau durch den Raum des Stations­vorstehers direkt auf den Bahnsteig; und zwar dort, wo sich die verbretterte Fenster­front links neben der Laterne befindet. Die Bretter waren notwendig geworden, nachdem es der hiesigen Dorfjugend wieder einmal langweilig geworden war und sie mit ihrer Langeweile nichts Besseres anzufangen wußte, als mit den Schotter­steinen das Gebäude zu bewerfen. Das Angebot an sinnvoller Freizeit­gestaltung ist ja auch etwas mau und der eigenen Kreativität sind der Generation der Wischgeräte­kiddies wohl Grenzen gesetzt. Der eher häßliche Vorbau diente der besseren Sicht und dem Wetterschutz des Fahrdienst­leiters bei der Abfertigung und scheint schon um 1900 angebaut worden zu sein.

Im oberen Stockwerk war die Dienst­wohnung des Stations­vorstehers eingerichtet. Die beiden äußeren Fenster an der westlichen Stirnseite des oberen Stockwerks sind Blind­fenster, die ausweislich älterer Ansichten jedoch keine aufgemalten Streben besaßen. Bei der Renovierung des Gebäudes durch die Deutsche Bahn in den 1990er Jahren hatte der Denkmal­schutz wohl ein bißchen freie Phantasie durchgehen lassen.

Lange Zeit wurden die Fahrgästinnen und Fahrgäste durch die Schalter­halle im Innern geschleust. Der direkte Zugang zum Bahnsteig war durch ein Gatter versperrt. Vom Vorplatz aus ging frau und man dort, wo sich die Stahltüre befindet, durch eine Flügeltüre ins Innere und holte sich dort eine Fahrkarte oder gab das Gepäck zur Weiter­beförderung ab. Am Vorplatz war zwischen dem Verbots­schild und der Gedenktafel ein Fenster eingebaut, auch diese Tafel hing in den 1950er Jahren an einer anderen Stelle.

In dem Raum zwischen Vorbau und Bahnsteig­überdachung befand sich ein kleines Stellwerk, das beim allgemeinen Umbau der Gleis­anlagen um 1970 in den Nachbar­raum verlagert wurde. Danach diente der Raum dem Fahrkarten­verkauf. Weitere Weichen­hebel waren an der linken Seite des Hauptbaus zu betätigen, was je nach Witterung zu manchem Fluch der Dienst­habenden führte.

Gedenktafel.

Bild 7: Die Gedenktafel im Juni 2021.

Auf der Gedenktafel am Vorplatz ist zu lesen:

„Zum Gedenken der Genossen Volks­polizisten
Alfred Hensel geb. 25.5.1901
Helmut Mühle geb. 25.8.1916
die in Erfüllung ihres Klassen­auftrages am 10.10.1947 ermordet wurden“

Aus Dresden und anderen hunger­geplagten Städten strömten die Menschen in die landwirt­schaftlich geprägte Ober­lausitz. Wer Glück und vor allem Wertgegen­stände hatte, kam schwer beladen zum wartenden und über­füllten Zug zurück. Die Volks­polizisten organisierten das Chaos vor und auf dem Bahnsteig. Nur wenige Meter vom Bahnhof entfernt trafen sie in der Nähe des vormaligen Bahnüber­gangs auf zwei Hamsterer bzw. Schieber, die sich mit Waffen­gewalt die Rückfahrt sichern wollten. – Das Stations­gebäude wurde im Sommer 2015 von der Deutschen Bahn versteigert und befindet sich seither in Privat­besitz. Die vormalige Dienst­wohnung wird wieder genutzt.

Das Wirtschaftsgebäude.

Bild 8: Das Wirtschaftsgebäude, später Rangiererschuppen, im April 2016.

Kachelofen.

Bild 9: Kachelofen in einem Lager- oder Aufenthalts­raum im Dezember 2015. Der Ofen wurde seither abgebaut und die grünen Kacheln in einen neuen Ofen integriert.

Kachelofen Detail.

Bild 10: Die grünen Kacheln vor dem Abbau im September 2018.

Dieser Schuppen diente im Laufe von etwa anderthalb Jahr­hunderten mehreren Zwecken. Er wurde vermutlich in den 1870er Jahren errichtet, worauf auch das Holzpflaster iin einzelnen Räumen verweist. Möglicher­weise handelt es sich um ein erstes provisorisches Stations­gebäude. Bis dahin dürfte der zunächst spärliche Reise­verkehr über den Güter­schuppen abgewickelt worden sein . Der Kachelofen mit seinen schön gemusterten grünen Kacheln stammt wohl aus dem letzten Viertel des 19. Jahr­hunderts und wurde nach 1945 mit einem Untersatz aus typischen DDR-Kacheln neu aufgebaut. Der Ofen wurde später durch einen einfachen Kohle- oder Ölofen abgelöst, worauf einige Spuren hinweisen. In einem hinteren Raum befand sich die Waschküche mit einem kohle­befeuerten Bottich, wohl für die Hausfrau der Wohnung im oberen Stockwerk des Stations­gebäudes. In weiteren Raumäumen wurden Materialien und Kohlen gelagert. Die vordere Stirnseite diente wohl anfänglich als Abort mit zwei Räumen, worauf sowohl eine alte Fotografie wie auch zwei Granitplatten als Entrée verweisen. Zudem gibt es außerhalb eine Grube. Diese beiden Aborte wurden wohl aufgegeben, nachdem im neugebauten Stations­gebäude Toiletten eingerichtet worden waren, welche durch die Schalter­halle zugänglich waren. Die beiden Aborte wurden zusammen­gelegt und anschließend als Aufenthalts­raum für die Rangierer bzw. nachfolgend als Büroraum genutzt. Das Gebäude wurde daher Ende des 20. Jahr­hunderts auch als Rangierer­schuppen bezeichnet. Auch der Schuppen befindet sich in Privatbesitz.

Güterschuppen.

Bild 11: Der Güterschuppen im April 2016. Im Hintergrund der Kleinlok­schuppen.

Bahnsteig.

Bild 12: Der Bahnsteig Richtung Bautzen und Görlitz befindet sich auf der Lage des vormaligen Güter­gleises. Aufnahme vom April 2022.

Güterschuppen.

Bild 13: Der Güter­schuppen im April 2022.

Güterschuppen.

Bild 14: Der Güter­schuppen im Juli 2020.

Der Güterschuppen ist über 150 Jahre alt. Er ist schon auf einem Lageplan der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn von Mitte der 1860er Jahre abgebildet, genauso wie ein drittes Bahnhofs­gleis. Das läßt darauf schließen, daß der Güter­verkehr derart umfangreich geworden war, daß er trotz der damals nur wenigen Personen- und Schnellzüge nicht mehr über die beiden Strecken­gleise abgewickelt werden konnte. Der gepflasterte Zufahrtsweg wird bei der Auflassung des Bahnüber­gangs 1914 hergestellt worden sein. Mit der Errichtung des ACZ Seitschen um 1970 wurde der Schuppen für den Güter­verkehr entbehrlich. In den 1970er und 1980er Jahren beherbergte er das Inventar der HBM (Hochbau­meisterei der Reichsbahn). Irgendwann Ende der 1970er Jahre muß das große Tor an der Stirnseite erneuert worden sein. Die Holzfront wurde durch Stein/Beton abgelöst; hierbei verschwand auch die Nennung des sorbischen Namens von Seitschen. Der Schuppen gehört nunmehr einer der zahllosen Unter­gliederungen der Deutschen Bahn AG und steht derzeit nicht zum Verkauf.

Zwischen dem Güterschuppen und dem Bahnüber­gang errichtete ein J. C. Wobst schon 1846 eine Kalk-Niederlage. Dieser Schuppen scheint 1913 nicht mehr vorhanden gewesen zu sein.

Die Bahnhofsrestauration.

Abbildung 15: Die Bahnhofs­restauration auf einer auf einer Ende 1903 gelaufenen nach­kolorierten Ansichts­karte des Verlags Deubner und Schulze aus Bautzen. Gestellte Szene mit Bahn­übergang, Schranken­wärter und Wärter­häuschen am rechten Bildrand. 

Die Bahnhofsrestauration.

Bild 16: Die Bahnhofs­restauration im April 2016. In der Lücke der Granitmauer befindet sich ein hier nur schwer erkennbarer Treppen­aufgang. Die Lücke wurde um 2010 durch unsach­gemäßes Fällen eines Baumes erweitert.

Die Bahnhofsrestauration.

Bild 17: Die Bahnhofs­restauration im Mai 2016.

Die Bahnhofs­restauration wurde in der ersten Hälfte der 1850er Jahre erbaut und beherbergte von 1858 bis 1866 und von 1883 bis 1895 die Postexpedition. 1911 erwarb die Sächsische Staatseisenbahn das Gebäude und verpachtete das untere Stockwerk als Bahnhofs­wirtschaft. Das obere Stockwerk wurde in zwei Beamten­wohnungen umgewandelt. Jahrzehnte­lang diente das Gebäude somit als Poststelle, Kneipe, Versammlungs­ort, Ausflugs­lokal und Herberge. Mitte der 1980er Jahre konnte der damalige schon recht betagte Wirt die Gaststätte nicht länger betreiben; und mit der Einge­meindung der DDR in das Hoheitsgebiet des ehemaligen Klassen­feindes wurden auch die Übernachtungs­plätze für das einstmals reichliche Reichsbahn­personal entbehrlich.

Das Grundstück samt Gebäude verschwand mit der Bahnreform von 1994 im undurch­dringlichen Dickicht des Aktien­gesellschafts-Konglomerats der Deutschen Bahn. Irgendwie gelang es dieser, das Gebäude dem Denkmal­schutz zu entziehen. Anders als das liebevoll restaurierte Post­gebäude von 1895 und das mehrfach umgestaltete Bahnhofs­gebäude wird ausgerechnet das erste Haus am Ort mit weit­reichender, auch kultur­geschichtlicher Bedeutung nicht auf der Liste der Kultur­denkmäler des Freistaates Sachsen geführt. Folglich wachte auch kein Denkmalschutz darüber, daß die ehemalige Bahnhofs­restauration zumindest vor dem Verfall bewahrt wird. Vor einigen Jahren erwarb die Gemeinde Göda das Gelände, um auf der Freifläche neben dem Gebäude einen Pendlerinnen­parkplatz herrichten zu können. Doch bis es soweit ist, müssen Fördermittel lukriert werden, die Elektrifizierung der Strecke erfolgen und vielleicht dann auch eine S-Bahn nach Dresden verkehren. Zukunftsmusik. Vermutlich werden dann auch weitere Fördermittel akquiriert werden, um das vor sich hinrottende Gebäude abreißen lassen zu können.

Warnbake vor Bahnübergang.

Bild 18: Vorbote einer Zeit, von der keine und niemand weiß, ob und wann sie denn jemals kommen möge. Gesehen im Januar 2017 bei Zockau.

Ursprünglich erfolgte der Zugang durch eine breite Freitreppe direkt vom Vorplatz aus. Diese scheint noch vor Beginn des Ersten Weltkrieges durch eine Seitentreppe ersetzt worden zu sein. Eine weitere Treppe führte von der Ostseite auf die Terrasse. Heute ist dort eine Lücke mit fehlender Granitmauer, die beim Fällen einer Eiche in Mitleiden­schaft gezogen wurde. Zwischen Restauration und Post befindet sich ein länglicher Schmalbau, der ebenfalls aus der Mitte des 19. Jahr­hunderts stammt und als Kegelbahn gedient hatte.

Zu Fuß, per Brief und angeschirrt

Bahnhofsrestaurant.

Abbildung 19: Diese vor 1914 entstandene Aufnahme zeigt den Aufgang zur Restauration direkt vom Vorplatz aus. Das Schild mahnt: „Schritt fahren“. Die Bäume wurden mit angedeuteten Blättern nach­koloriert, obwohl die Aufnahme offen­sichtlich in der Wintersaison angefertigt wurde. Sie wurde 1916 versandt. Zur Verfügung gestellt von Siegfried Casper.

Als die Eisenbahn gebaut wurde, kreuzte sie den Landweg von Groß­seitschen nach Gaußig. Der dadurch entstandene Bahnüber­gang wurde durch einen Bahnwärter gesichert. Als nur enige Züge am Tag vorbeifuhren, blieben die Schranken nur kurz geschlossen. Das änderte sich, als der landwirt­schaftliche Güter­verkehr zunahm. Die Beschwerden über lange Wartezeiten häuften sich auf den Amtsstuben der staatlichen Bürokratie. 1913/14 wurde Abhilfe geschaffen und der Bahn­übergang aufgelassen. An seine Stelle traten die Unterführung vom Vorplatz auf die gegenüber liegende Seite und eine Straßen­umfahrung des gesamten Viertels. Die Ansichtskarte zeigt nicht das kleine Häuschen des Bahnwärters, der hier um 1900 tätig war. Es stand auf der Seitschener Gleisseite direkt neben dem rechten Bildrand.

Der Bahnübergang trug zunächst die laufende Nummer 55, beginnend in Dresden. Um 1870 faßte die Bürokratie der Sächsischen Staats­eisenbahn den Entschluß, die Görlitzer Strecke neu zu vermessen und die Kilo­metrierung wie auch die Numerierung der Bahnposten nunmehr von Görlitz aus vorzunehmen. Der Posten in Seitschen erhielt somit die Nummer 44 und an der Flügeltüre zur Schalterhalle des Stations­gebäudes steht deshalb der Kilo­meter­stein 54.

Zugang zum Tunnel.

Bild 20: Der Zugang zum Tunnel im August 2015.

Mit Granitsteinen vermauert ist der schräge Zugang zum Tunnel von der einen oder mit einer Treppe versehen von der anderen Seite aus. Das seltsame Geländer an der rechten Treppenseite hat einen tieferen Sinn, der sich heute nicht mehr direkt erschließt. Als um 1970 das Stellwerk verlegt wurde, wurden neue Seilzüge für die Signale und Weichen auf der Ostseite des Bahnhofs verlegt, welche den jahrzehnte­alten Tunnel­zugang überqueren sollten. Damit keine und niemand im falschen Moment hineingreift, wurde auf der Treppe per Geländer etwas Abstand zu den Zugseilen geschaffen. Als die Bahnstrecke an ein elektronisches Stellwerk angeschlossen wurde, waren die Züge überflüssig geworden und wurden abgebaut. Der letzte Fahrdienst­leiter in Seitschen schloß am 30. Juni 2006 die Türen hinter sich.

Fußgängerinnentunnel.

Bild 21: Blick durch den Tunnel im August 2016.

Fußgängerinnentunnel.

Bild 22: Blick durch den wasser­gefüllten Tunnel im Mai 2018.

Manchmal, wenn die Zugbe­gleiterinnen und Zugbegleiter des Trilex Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis mehr oder wenig freundlich in Seitschen in der Pampa absetzen, versuchen die Verstoßenen ihr Glück mit dem nächsten Zug oder müssen lange Stunden in der Nacht verbringen. Wenn es nachts dann auch noch kalt wird, dann macht man sich, wie auf dem ersten Bild rechts an den Rußspuren zu sehen, halt ein kleines Feuerchen zum Aufwärmen. Der Hinauswurf im Niemands­land von keinen Läden, keinen Herbergen und keinen Kneipen verführt die Verstoßenen zu den seltsamsten Handlungen. Man schläft auf der Straße, plumpst im Winter in einen Pool, bricht in ein nicht immer leer stehendes Gebäude ein oder macht halt an passenden und unpassenden Orten ein Feuer. Ich habe zwar die Zusage erhalten, daß in Seitschen keine und niemand mehr ausgesetzt wird, aber es kommt offen­sichtlich weiterhin immer wieder vor. Die aller­meisten dieser Ausgewiesenen sind jedoch freundliche und friedliche Zeit­genossen.

So etwa alle zwei Jahre quert eine Regen- oder Gewitter­front Seitschen, und dann weiß das viele Wasser nicht wohin. Da kann die Unterführung kurzzeitig auch einmal zum Planschbecken mutieren.

Bahnmeisterhaus.

Bild 23: Das für zwei Familien angelegte Bahn­wärterhaus im April 2021.

Kohlenschuppen.

Bild 24: Links der Pferdestall und rechts der Kohlen­schuppen im Januar 2023.

Kohlenschuppen.

Bild 25: Der Kohlen­schuppen im April 2022. Direkt davor verlief der Gleisanschluß.

Als die Eisenbahn­strecke gebaut wurde, wurde der Zugverkehr noch anders gehandhabt als heute. Damals wurde mit Zeitabständen zwischen zwei Zügen kalkuliert, das Fahren im Raum- bzw. Block­abstand kam erst spätrer. Deshalb wurde auf der gesamten Strecke im Abstand von etwa einem Kilometer ein Bahn­wärter­haus gebaut. Die Aufgabe des Bahnwärters bestand nicht nur im Öffnen und Schließen von Schranken, sondern vor allem in der Bedienung eines optischen Telegrafen. Dessen Flügel­stellungen zeigten den beiden benachbart stationierten Bahnwärtern an, ob ein Zug kommt oder nicht und auch auf welchem Gleis. Dieses Prinzip wurde in den 1870er Jahren aufgegeben.

Mehrere Bahnwärter­abschnitte wurden zu Bezirken zusammen­gefaßt, für die ein Oberbahn­wärter zuständig war. Dieser wurde ab 1872 als Bahn­meister bezeichnet. In Seitschen bewohnten der Bahnwärter für den Bahnübergang an der Straße von Groß­seitschen nach Gaußig mitsamt Familie und der für den Bezirk von hier bis Bautzen zuständihe Oberbahn­wärter mit Familie ein entsprechend größer angelegtes Wohnhaus. Das Haus mit seinen Neben­bauten gehört einer Unter­gliederung der Deutschen Bahn und ist bewohnt.

Neben dem Haus stand ein Pferdestall. Dieser wurde noch zu DDR-Zeiten als „Schirrkammer“ bezeichnet und diente der Aufbewahrung der Gerätschaften der Bahn­meisterei. Ob im Pferdestall tatsächlich Pferde unter­gestellt waren, und wenn ja, wem sie gehört haben, und ob der Oberbahn­wärter die ihm unter­stehenden Bahn­wärter zu Kontroll­zwecken auf dem Rücken eines Gauls aufgesucht hat, ist dem Buch von Hans von Polenz über die Bahnwärter­häuser der hiesigen Strecke nicht zu entnehmen.

Braunkohlen­verkehr nach Deutschland. Mit 1. Jänner 1880 trat ein Nachtrag XI zum Tarif vom 1. September 1877 für den Transport böhm[ischer] Braunkohlen nach Deutsch­land, in Wirksam­keit. Die Auflage dieses Tarif­nachtrages wurde durch die in Folge Eröffnung der sächs[ischen] Staats­bahnstrecke Nieder­neukirch – Bischofs­werda sich vermindernden Entfernungen und dadurch bedingten Tarif-Regulirungen der Stationen Bischofs­werda und Seitschen der sächs[ischen] Staatsbahn […] veranlasst.“ 

Der Kohlenhandel ist schon recht alt. Er scheint während des Bestehens der Bahnhofs­restauration vom Pächter derselben oder einem Familien­mitglied betrieben worden zu sein. Die Kohlen wurden mit der Eisenbahn angeliefert und in der Umgebung verkauft. Das Anschluß­gleis scheint kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs angelegt worden zu sein und wurde noch vor der Umgestaltung der Bahn­anlagen von 1969/70 wohl in den frühen 1960er Jahren abgebaut.

Die ehemalige Post.

Bild 26: Das nunmehr markant in rot verputzte ehemalige Post­gebäude bei Schnee­gestöber im März 2018.

Die ehemalige Post.

Bild 27: Das Schmuckstück bei Licht betrachtet im Dezember 2015.

Als die Hauptstraße von Groß­seitschen nach Gaußig noch gerade über die Bahngleise verlief, wurde 1895 neben dieser die Postagentur im neu errichteten Post­gebäude eröffnet. Zuvor befand sich die Seitschener Post­expedition entweder im Restaurations­gebäude oder im Rittergut von Groß­seitschen. Mit der Zeit nahm, weitgehend vermittelt durch die Eisenbahn, der Postverkehr derart zu, daß ein eigenes Post­gebäude unumgäng­lich wurde. Es beherbergte alsbald auch die Telefon­vermittlungs­stelle. Mit Aufkommen von Lastwagen wurde ab Mitte der 1930er Jahre die Postaus­lieferung für die Dörfer rund um Seitschen nunmehr von Bautzen aus vorgenommen; die Post diente danach sechs Jahrzehnte lang nur noch als Telefon­knoten und ansonsten als Wohn­gebäude. Um 2010 wurde das Haus grund­legend restauriert und beherbergt seither die Landhaus­keramik von Sandy und Frank Löschau. Die Post von 1895 war nicht rot gestrichen.

Die Villen.

Bild 28: Die beiden Villen im Februar 2019.

In Sichtweite des Bahnhofs wurden zwischen 1895 und 1914 zwei Villen gebaut. Die linke hintere Villa wird auf einer historischen Ansichts­karte als Landhaus Reichel bezeichnet. Beide wurden von ihren jeweiligen Eigentümern nach 2000 renoviert.

Wegweiser.

Bild 29: Wegweiser an der Zufahrt ins Bahnhofs­viertel im Juli 2022.

Derartige viereckige Wegweiser­säulen finden sich an vielen Orten in Sachsen. Sie wurden nach 1820 errichtet, mit Kilo­metrierung ab etwa 1900. Dieses hier steht am Landhaus Reichel und zeigt den Weg zum Bahnhof mit einem Abstand von 200 Metern. Der andere Pfeil verweist nach Birkau, das zweiein­halb Kilometer entfernt angegeben wird. Das ist ein ziemlicher Umweg, aber eine gerade Verbindung von hier nach Birkau hat damals wohl ebenso­wenig bestanden wie heute (es sei denn, wir laufen quer über die Felder). Zuvor wird Groß­seitschen durchquert.

Unterführung.

Bild 30: Die Unter­führung unter die Eisenbahn­strecke nach Bautzen und Görlitz im April 2017. Blick nach Süden.

Die Hauptstraße knickt an der Wegsäule zunächst nach Osten ab und führt nach dem Abzweig nach Klein­seitschen wieder ein Stück nach Süden. Direkt links hinter der Brücke geht es zum Futter­mittelwerk.

Futter und so

Futtermittelwerk.

Bild 31: Das Futtermittel­werk im März 2018.

Futtermittelwerk.

Bild 32: Das Futtermittel­werk im November 2022.

1965 nutzte das Volksgut Gaußig die Nähe der Eisenbahn für ihr Futter­mittelwerk. Das Werk wurde von einem west­deutschen Unternehmen übernommen und firmiert heute als Blattin bzw. Profuma. In der Deutschen Fotothek finden sich dreizehn Aufnahmen des dort als Grünmehl­werk bezeichneten Anwesens des sorbischen Fotografen Kurt Heine (1906–1986), die wohl bei dessen Inbetrieb­nahme aufgenommen wurden und auf „um 1966“ datiert sind .

Die Saatguthalle.

Bild 33: Die Saatguthalle mit dem Verwaltungs­anbau an der Haupt­straße im Februar 2021.

Die Saatguthalle.

Bild 34: Die Saatguthalle, noch mit Silo, im Dezember 2015.

Die Saatguthalle.

Bild 35: Im März 2018 wurde das Silo abgebaut.

Die Saatguthalle.

Bild 36: Die Saatgut­halle bahnseitig im Mai 2022.

Das Verwaltungsgebäude.

Bild 37: Der zugehörige Verwaltungs­trakt im August 2015.

Die Saatguthalle wurde wohl noch kurz vor dem Ersten Weltkrieg erbaut. Wann der Verwaltungs­anbau dazukam, ist unklar. Der linke seitliche Anbau an der Bahnstrecke wurde nach Abbau des Anschlußgleises angelegt; d. h. das Gleis verlief links vom vorderen Anbau weiter an der großen Halle vorbei und endete auf der dahinter­liegenden Freifläche. Zu DDR-Zeiten lagerte hier die DSG (Deutsche Saatgut-Handels­betriebe) ihre Saaten. Nach 1989 ging das Gelände durch mehrere Hände, bis es 2022 von zwei hiesigen Einwohnern gekauft wurde, die gleich an die Wieder­nutzbar­machung der Halle und der umliegenden Fläche gegangen sind.

Auffahrt zur Hauptstraße.

Bild 38: Auffahrt von der Güterhalle zur Hauptstraße im August 2015. Rechts die Baracke der LPG Pflanzen­produktion Göda.

Zwei kleine Vögel.

Bild 39: Im Juni 2018 begrüßen uns diese kleinen Zwitscherlinge, die in der Baracke untergebracht sind.

Schuppen der Handelsgesellschaft.

Bild 40: Der Schuppen der Handels­gesellschaft im März 2018.

Wer bis 2015 Eigentümer des Geländes der LPG Pflanzen­produktion Göda gewesen ist, weiß ich nicht. Danach zog ein Vogelzüchter in die Baracke ein. Seither machen sich die vielen bunten Gesellen vor allem zur Fütterungs­zeit lautstark bemerkbar. Manchmal stimmen die Waldvögel auf der Bahnhofs­seite in den Sprech­gesang ein. Die Vögelchen werden als lokale Attraktion gerne bestaunt.

Einige Meter weiter Richtung Gaußig errichtete die Bäuerliche Handels­genossenschaft einen Schuppen. Dieser wird nunmehr von Hensel Holz als Holzlager genutzt.

Wegweiser.

Bild 41: Wegweiser an der Kreuzung der Straßen nach Gaußig, Zockau, Seitschen und Brösang im Juni 2018.

Diese Wegweiser­säule begrenzt im Süden das Bahnhofs­viertel. An der nordwest­lichen Ecke der Kreuzung ließ das ACZ von fleißigen Brigadisten sein Verwaltungs­gebäude hochziehen.

Das ACZ und seine Umgebung

ACZ Verwaltung.

Bild 42: Die vormalige ACZ-Verwaltung im Juli 2022.

ACZ Kantine.

Bild 43: Die Kantine im Dezember 2015.

Die Verwaltung der/s ZGE/ACZ saß anfangs in dem Barackenbau neben dem Güter­schuppen, bevor sie ein mehr­stöckiges Verwaltungs­gebäude an der Kreuzung der Straßen nach Gaußig und Brösang bezog. Neben der Verwaltung war in einem Flachbau die Kantine des ACZ untergebracht. In den 1990er Jahren gehörte es dem Bauunter­nehmen Dietrich, dessen Unternehmen 2012 insolvent wurde. Drei Jahre später war das Gebäude als Flüchtlings­unterkunft im Gespräch. Ehe die Wellen allzu hoch wogen konnten, kaufte Hensel Holz aus Neukirch das Gelände und entzog es damit den behörd­lichen Planungen. Derzeit ist es, wie die Kantine, an Gewerbe­treibende vermietet.

Die Villen.

Bild 44: Der Bau der Dünger­halle des ACZ Seitschen 1967. 

Das Agrochemische Zentrum als ZGE (Zwischen­betriebliche Einrichtung) wurde Ende der 1960er Jahre etwas außerhalb der Bahnhofs­siedlung angelegt. Die Dünger­halle wurde 1967 errichtet, der Gleis­anschluß bestand zunächst nur aus einem Gleis, das in die Halle geführt wurde. Die noch während des Baus der Halle entstandene Aufnahme zeigt uns eine Rüben­verladung. Rechts oben endet der zweigleisige Abschnitt; daneben liegt das verlängerte Gütergleis.

Gleisanschluß ACZ.

Bild 45: Der Gleis­anschluß im Juni 2021.

Kleinlokschuppen.

Bild 46: Der Kleinlok­schuppen im April 2021.

Kleinlok.

Bild 47: Kleinlok 2 bei der Verladung im August 2019.

Die Kleinloks des ACZ

2019 wurden die beiden im Lokschuppen fest­gehaltenen Klein­lokomotiven an einen Sammler in Mecklenburg-Vorpommern verkauft. Bilder vom Abtransport und Informationen zu den Lokomotiven habe ich auf der Seite zu den Geschehnissen 2019 untergebracht. Die Lokomotiven sollen in den 1980er Jahren mindestens einmal aus eigener Kraft zur Revision nach Großdubrau gefahren sein.

Ende der 1970er Jahre erhielt das ACZ zwei Klein­lokomotiven zum Verschub auf dem nunmehr angewachsenen Gleisareal. Zuvor waren die Güter­waggons mit einem Zweiwege­traktor, wohl einem ZT 300, rangiert worden. Damit ergab sich auch die Notwen­digkeit eines Lokomotiv­schuppens, der somit auf um 1980 zu datieren ist.

Die „Wende“ brachte dem ACZ-Betrieb neue Eigentümer, natürlich aus dem Westen. Zunächst fiel er an die Münchener Lagerland, 2002 an Märka. 2013 erwarb die Haupt­genossenschaft Nord AG in Kiel den Betrieb, der durch die seit 2016 vollständig zum Konzern gehörende Agrarhandel Roth abgewickelt wurde. Als das Geschäft mit Getreide und Dünger in der Lausitz nicht zufrieden­stellend lief, wurde der Standort in Seitschen aufgegeben. Das Betriebs­gelände des ACZ gehört seit 2020 der Firma Hensel Holz, die dort ein Sägewerk betreibt.

Etwas außerhalb

Rechts außerhalb des Bildaus­schnitts in Abbildung 1 finden wir:

Viadukt.

Bild 48: Das Viadukt über das Lange Wasser zwischen Klein­seitschen und Drausch­kowitz im Januar 2017.

Wegweiser.

Bild 49: Wegweiser auf dem Weg von Klein­seitschen nach Klein­förstchen beim früheren (nicht mehr vorhandenen) Abzweig nach Drausch­kowitz im August 2016.

Kurz hinter dem östlichen Ausgang von Klein­seitschen ist es möglich, rechts bergab einen Weg unter der Eisenbahn hindurch nach Brösang zu nehmen und das Viadukt zu bestaunen. Es stammt aus den Zeiten, als schlecht­bezahlte Männer hart arbeiten mußten, um den Granit mit Fuhrwerken an Ort und Stelle zu verfrachten. Feldbahnen zur Arbeits­erleichterung gab es Mitte der 1840er Jahre noch nicht. Der Wegweiser steht einige hundert Meter weiter an der Straße und markiert eine heute nicht mehr vorhandene Straßen­kreuzung.

Ein Fundstück

Auf der Suche nach Feldbahn­material fiel einam aus der hiesigen Region stammenden Eisenbahn­freund ein emailliertes Schild auf. Er erinnerte sich, es in Seitschen gesehen zu haben, und beschloß das Schild zu seinem Heimatort zurück­zubringen. Die sorbische Schreib­weise CŽ̲TSCHEN ist sicherlich gewöhnungs­bedürftig und entsprang wohl einem ernsthaften Versuch, das sorbische Idiom durch eine passende Buchstaben­kombination laut­malerisch wieder­zugeben. Ein herzlicher Dank gilt dem „Finder“ dieses wahrhaft historischen Relikts.

Viadukt.

Bild 50: Die Bahnhofs­tafel leicht gesäubert im Sonnenlicht abfotografiert; Aufnahme vom Februar 2023.

Anmerkungen

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  1. Die Sächsisch-Schlesische Eisenbahn­gesell­schaft war ein auf Rendite ausgerichtetes Unternehmen. Die Eisenbahn war hier nur Mittel zum Zweck. Folge­richtig dachte man sich, die erwartete Dividende über den Fahrpreis hereinholen zu können. Doch man mußte feststellen, daß die Bewohner der Hügel zwischen Dresden und Görlitz da anders darüber gedacht haben. Der Geschäfts­bericht für 1848 beklagt die niedrige Frequenz der Reisenden. Diese hätten angesichts der hohen Fahrpreise lieber Schusters Rappen, das eigene Gespann oder Lohn­fuhrwerke benutzt. In der ersten Klasse wurden im Durch­schnitt pro Tag gerade einmal fünf Passagiere befördert! Ein echtes Bedürnis für diese Vorzugs­klasse war offen­sichtlich nicht vorhanden; aber es wurden hierfür eigene Abteile bereit gestellt, die dann meist kalte oder heiße Luft trans­portiert haben. In allen drei Klassen waren es auf der gesamten Strecke im Gesamt­jahr 1848 immerhin 432.500½ Reisende, also etwa 1200 pro Tag, wobei die halbe Person erster Klasse unterwegs war. Siehe die auszugsweise Wiedergabe des Geschäfts­berichts in der Eisenbahn-Zeitung Nro. 42 vom 20. Oktober 1849, Seite 332–333 [online].   
  2. Siegfried Casper wies mich darauf hin, daß kolorierte Ansichts­karten in der Ober­lausitz erst in der zweiten Hälfte der 1890er Jahre aufge­kommen sind. Dies läßt auf ein Aufnahme­datum um 1900 schließen.   
  3. Internationaler Verkehrs-Anzeiger pro Jänner 1880, in: Verkehrs-Zeitung, Nr. 2, 11. Jänner 1880, Seite 15 [online].   
  4. Wünschens­wert wäre es, eine dieser Aufnahmen hier einzubinden. Doch die Deutsche Fotothek als Teil der SLUB denkt sich, es sei sinnvoll, für die Bild­nutzung im Internet ein Schweine­geld zu verlangen (ein Bild für einen Monat 30€ mit Rabatt­staffel); und dies, nachdem die Digitali­sierung ohnehin schon durch deine und meine Steuern finanziert wurde. Das nennt man dann wohl doppelte Abschöpfung. Zu finden sind die Bilder in ganz brauchbarer Auflösung hier. Zum Volksgut Gaußig siehe den Auszug aus der Chronik von Gaußig. Siegfried Casper gibt 1964/65 als Baujahr des Trockenwerks an, was gut zur Datierung der Aufnahmen von Kurt Heine paßt.   
  5. Bildautor und Recht­einhaber unbekannt. Siegfried Casper, der das Bild in seinem Göda-Bildband auf 1967 datiert, nennt keine Herkunft. Es ist davon auszugehen, daß es in „amtlichen“ Auftrag angefertigt wurde und aus dem Fundus der DDR-Reichsbahn oder des ACZ stammt.