Bahnhofsbild.
Der Bahnhof in Seitschen
Walter Kuhl
Der Bahnhof von Seitschen.
Der Bahnhof.
Ein Schuppen am Bahnhof von Seitschen.
Ein Schuppen.
Die Bahnhofsrestauration.
Die Bahnhofsrestauration.
Bewegung im Bahnhof.
Auf der Durchreise.
Alte Ansicht.
Wie es einmal war.

Der Bahnhof in Seitschen.

1846 eröff­nete die Säch­sisch-Schlesi­sche Eisen­bahn­gesell­schaft die Station Seitschen (sorbisch: Žičeń) an der Strecke von Dresden nach Gör­litz. 160 Jahre später ver­ließ der letzte Fahr­dienst­leiter das Stations­ge­bäude, einige Jahre später wurde es auf einer Auktion in Dresden ver­steigert.

Was 2019 so alles geschieht

Eine subjektive Bestandsaufnahme

Das von den Verkehrsverbünden VVO und ZVON betriebene Ostsachsen­netz II war auch 2019 in ständiger Bewegung. Mal fahren einige Züge mehr, mal fallen andere dafür aus. In der „Sächsischen Zeitung“ finden sich Perlen der Öffentlichkeits­arbeit, die bei genauerem Hinschauen zu Stirnrunzeln und Kopfschütteln führen müßten. Kommunikation ist eben eine Kunst; und den Worten sollten dann auch entsprechend sinnvolle Taten folgen. Außer den Triebwagen des öffentlichen Regionalverkehrs fahren auch Güter- und andere Züge, von denen einige auf meiner Sichtungsseite verewigt werden.

»»  Fortsetzung von: Was 2018 so alles geschah.

Wenn die ODEG mal wieder nicht fährt …

„Bedarfshalt. Wenn Sie aussteigen möchten, drücken Sie bitte eine Haltewunsch­taste.“ Diesen Spruch hören die Reisenden im Verbundgebiet des ZVON zur Genüge, wenn wieder einmal eine der vielen kleinen Stationen naht. Was aber, wenn der Spruch gar nicht erst ertönt, weil nichts naht?

Die Ostdeutsche Eisenbahn, kurz ODEG, bedient seit 2008 die Relation von Görlitz über Löbau und Bautzen nach Bischofswerda, um dort den Anschluß an die Züge von und nach Dresden herzustellen. Ursprünglich wurde die Linie als „OE 60 V“ bezeichnet, wobei das „V“ als Verstärker zu interpretieren ist. Durch eine Neuordnung des Ostsachsen­netzes II im Zuge der Neuaus­schreibung 2018/19 endet die Laufzeit des Vertrages mit der ODEG im Dezember 2019. Dies scheint sich in einer gewissen Lustlosigkeit widerspiegeln, mit der die Verantwortlichen (nicht jedoch das Personal!) des Unternehmens den Betriebsablauf abwickeln. Konnte frau und man sich noch 2018 darauf verlassen, daß einzelne Ausfälle eine Ausnahme und nicht die Regel waren, so häufen sich derartige Ereignisse 2019 in einer Weise, die zumindest subjektiv als signifikant betrachtet werden können. Da ich keine Rundum-Beobachtung betreibe, fallen mir natürlich nicht alle Unregelmäßigkeiten auf. Für 2018 waren es demnach sechs Ausfälle; wobei jede Hin- und jede Rückleistung als einzelne Fahrt gezählt werden, wovon vier mit „Verspätungen aus vorheriger Fahrt“ begründet wurden und zwei der Länderbahn bzw. Trilex anzulasten sind, welche im Dezember für einige Tage Ersatzverkehr für die ODEG geleistet hatte. Insgesamt also überschaubar und im Vergleich zu anderen Verkehrs­unternehmen fast schon vernachlässigbar.

Nebenbei: wenn es heißt, der Grund sei eine Verspätung aus vorheriger Fahrt, dann ist nicht immer die ODEG daran schuld. Bauarbeiten auf der Strecke und dadurch oder aus anderen Gründen verspätete Anschlußzüge in Bischofswerda können dafür sorgen, daß die ODEG in Bischofswerda, weil sie auf die Fahrgästinnen und Fahrgäste aus Dresden wartet, schon einmal Verspätung ansammelt. Wenn sie dann noch von einem langsamen Getreidezug ausgebremst wird, dann werden aus wenigen Minuten schnell zehn, zwanzig oder gar dreißg Minuten. In Bischofswerda kann es dann sogar vorkommen, daß der nachfolgende Regionalexpreß in Richtung Görlitz den Vorzug erhält und der ODEG-Verstärker schon in Seitschen mehr als eine halbe Stunde zu spät ankommt. Das halten die knapp bemessenen Umläufe und Wendezeiten nicht aus.

Dieses Konzept ist vom Oberlausitzer Verkehrsverbund ZVON genau so gewollt, der 2007 den billigsten Anbieter genommen hat. Dabei wurde der Verstärkungs­verkehr auf der Strecke von Görlitz nach Bischofswerda so ausgeklügelt, daß der Betreiber mit nur einem Fahrzeug­umlauf auskommt. Dafür reicht ein Triebwagen vom Typ Regioshuttle RS-1 aus. Nur im morgendlichen und nach­mittäglichen Berufsverkehr wird dann ein zweiter angehängt, es sei denn es sind Schulferien. Selbst­verändlich hat die ODEG ihr Angebot so kalkuliert, daß sie nicht mit einem weiteren Triebwagen und Triebfahrzeug­führer in Görlitz bereitsteht, wenn es mal wieder klemmt. Es sind dann die Fahrgästinnen und Fahrgäste, welche die sächsische Sparbrötchen­politik ausbaden dürfen. Zu den Absonderlich­keiten dieses einen Fahrzeug­umlaufs gehört dann auch, daß es einen quasi Stundentakt von Bischofswerda nach Görlitz gibt, aber aufgrund der Wendezeiten einen Schaukeltakt von 90/30 Minuten für die Fahrt zurück. Wenn die ODEG dann wieder einmal verspätet in Görlitz losfährt, kann es vorkommen, daß die nachfolgende Trilex-Regionalbahn im Blockabstand folgt. Das ist Verkehrspolitik vom Feinsten, genau das, was so eine Verkehrswende gewiß nicht braucht. Etwas Anderes dürfen wir aber auch nicht erwarten, denn der sächsische Verkehrsminister war bis zur Landtagswahl 2019 mit Martin Dulig ein Mitglied der Autopartei SPD. CDU und FDP sind aber auch nicht besser, und von der AfD reden wir hier lieber erst gar nicht.

Infotainment.
Abbildung 1: Wenn es mal wieder dünn wird … – Hinweis auf einen Zugausfall in Seitschen im August.

Doch genug der Vorrede.

Die folgenden Tabellen listen alle Ausfälle auf, die in Seitschen registriert werden konnten. So kann es im Einzelfall sein, daß ein Triebwagen deutlich verspätet in Görlitz losfährt und auf der Strecke die Anweisung erhält, schon in Bautzen oder gar in Löbau zu wenden, um den Fahrplan und Umlauf wieder einhalten zu können. Dies ist dann kein Total-, sondern nur ein Teilausfall; was den Wartenden in Seitschen und Demitz-Thumitz jedoch einerlei ist. In Seitschen gibt es dann häufiger einmal die kuriose Situation, daß auf dem Dresdener Bahnsteig per Laufschrift und Blechelse eine Verspätung von wahlweise zehn, fünfzehn, zwanzig oder gar dreißig Minuten angesagt wird, das Infotainment auf dem Görlitzer Bahnsteig aber schon weiß, das die Rückleistung ausfällt. Kommunikation ist eine Kunst, welche Trilex, ODEG und die Deutsche Bahn nicht wirklich beherrschen. Für die Reisenden Richtung Dresden ist der Ausfall ab Bautzen zwar unangenehm; aber da sie ohnehin schon verspätet unterwegs sind, können sie auch gleich vom direkt nachfolgenden Trilex eingesammelt werden. Blöd ist das allerdings für die Reisenden, die in Bischofswerda aus dem nach Zittau weiterfahrenden Zug aussteigen und ihre Anschluß­bedienung nach Bautzen und Görlitz erwarten. Sie dürfen dann auf dem zugigen Bahnsteig eine ganze Stunde bei Wind und Wetter ausharren, sofern sie nicht zu den Privilegierten gehören, deren Reiseziel vom nachfolgenden Regionalexpreß angefahren wird. So sieht dann konkret die Förderung des Schienen­verkehrs in Ostsachsen aus, die sich Landesregierung und Verkehrs­verbünde auf die Fahnen geschrieben haben. Ich könnte das auch Abschreckung nennen.

Die Verstärkerfahrten der ODEG finden montags bis freitags um 4:41 Uhr nach Bischofswerda und um 5:55 Uhr nach Görlitz (jeweils Abfahrtszeit in Seitschen) statt, und dann ab 8:01 hin bzw. 8:29 zurück zweistündlich bis 20:01 bzw. 20:29. Gegen 22:01 rauscht eine Spätfahrt nach Bischofswerda ohne Halt durch den Ort, die noch in Demitz-Thumitz hält; diese kehrt gegen 22:26 Uhr zurück, ebenfalls ohne Halt in Seitschen. Samstags ist das Angebot wesentlich eingeschränkter; es finden nur noch die Fahrten zur Stunde 10 bis zur Stunde 20 statt. An Sonn- und Feiertagen hat die ODEG auf dieser Strecke Betriebsruhe. Das wäre eigentlich eine geniale Gelegenheit, einmal alle Regioshuttles durchzuchecken. Aber Sonntagsarbeit in der Tradition der Subbotniks will ich hier nicht einfordern.

Tabelle 1: Zugausfälle in Seitschen 2019.
WochentagDatumAbfahrtRichtungAnmerkung
Donnerstag10.01.mehrerebeideunverschuldet; ODEG-Triebwagen fuhr bei Medewitz in einen umgestürzten Baum mit nachfolgender Streckensperrung
Montag14.01.mehrerebeidemindestens die Fahrten von 10:01/10:29 bis 18:01/18:29, evtl. weitere
Samstag19.01.mehrerebeide12.01 und 14.01 nach Bischofswerda, 12.29 und 14.29 nach Görlitz
Montag22.01.??beideunverschuldet; morgendliche Weichenstörung in Bischofswerda
Freitag01.02.12:01/12:29beideunverschuldet; als Grund wird ein umegstürzter Baum im Gleis angesagt
Dienstag02.04.18:01/18:29beideunbekannt, ob auch 20:01/20:29 ausgefallen
Dienstag02.04.22:01/22:26beideAusfall zwischen Löbau und Bischofswerda; die ODEG-Webseite nennt als Grund eine Fahrzeug­störung
Donnerstag25.04.14:01/14:29beideals Grund wird eine Verspätung aus vorheriger Fahrt genannt; wendete wohl schon in Bautzen
Dienstag04.06.10:01/10:29beideam Tag zuvor gab es offensichtliche technische Probleme mit Regioshuttles
Samstag08.06.ganztägigbeideals Grund wird eine technische Störung am Zug angegeben

Der Totalausfall am 8. Juni ist insofern bemerkenswert, als zur gleichen Zeit ein elektrischer ODEG-Triebwagenzug in Hessen gesichtet wurde. Dieser diente als Verstärker für den Hessentag in Bad Hersfeld. Es ist anzunehmen, daß hierfür (mindestens) ein Triebfahr­zeugführer abgestellt wurde, der dann wohl aus Ostdeutschland mitgeschickt wurde. Der fehlte dann natürlich im Osten. Bei der bekannt dünnen Personaldecke der sächsischen Verkehrs­unternehmen muß dann nur ein weiterer Fahrer ausfallen; und das erklärt dann den Totalausfall vom Samstag. Da glaube ich nicht an eine technische Störung. Es kann natürlich sein, daß das Fachpersonal der ODEG in der Werkstätte in Görlitz samstags keine defekten Züge repariert, aber angesichts einer späteren wundersamen Wieder­erweckung an einem Samstag glaube ich daran nicht so recht.

Tabelle 2: Zugausfälle in Seitschen 2019 (Fortsetzung).
WochentagDatumAbfahrtRichtungAnmerkung
Freitag14.06.16:01/16:29beidedie ODEG-Webseite vermeldet eine Fahrzeug­störung mit Ausfall zwischen Löbau und Bischofswerda
Samstag15.06.12:01/12:29beide 
Samstag06.07.10:01/10:29beideschon am 4.7. wußte die ODEG-Webseite von einer zu erwartenden technischen Störung am Zug
Samstag06.07.12:01/12:29beideschon am 4.7. wußte die ODEG-Webseite von einer zu erwartenden technischen Störung am Zug
Donnerstag18.07.16:01/16:29beide 
Donnerstag18.07.20:01/20:29beidedas Regioshuttle dazwischen um 18:01/18:29 war gefahren
Donnerstag25.07.20:01/20:29beidewird am Bahnsteig zunächst als verspätet gemeldet; nachdem schon 18:01/18:29 erheblich verspätet war, wird vermutlich in Bautzen gewendet worden sein
Donnerstag01.08.14:01/14:29beide12:01 hatte längeren Aufenthalt in Seitschen, wohl wegen eines technischen Problems
Donnerstag01.08.18:01/18:29beideschon 16:01/16:29 hatte erhebliche Verspätung, daher vermutlich in Bautzen gewendet
Montag05.08.14:01/14:29beidezunächst halbstündige Verspätung, ohne Grund zu nennen, angesagt, dann mit Verspätung aus vorheriger Fahrt begründet; auf der ODEG-Webesite wird eine Fahrzeug­störung angegeben; die Fahrt ging nur bis Bautzen
Dienstag13.08.14:01/14:29beideunverschuldet, verdächtiges (harmloses) Paket am Bahnhof Bautzen führt zur Sperrung der Strecke, angesagt werden als Grund (nicht vorhandene) Gegenstände im Gleis
Samstag17.08.10:01/10:29beidelaut ODEG-Webseite Fahrzeugstörung
Samstag17.08.12:01/12:29beidelaut ODEG-Webseite Fahrzeugstörung
Samstag17.08.14:01/14:29beidelaut ODEG-Webseite Fahrzeugstörung
Regioshuttle.

Bild 2: Auferstanden von den Toten. Wie von der ODEG-Webseite vorausgesagt, gelang es am 17. August pünktlich um 15.20 Uhr, dieses Regioshuttle 650 066 zur Abfahrt aus Görlitz zu bewegen. War es wirklich ein technisches Problem oder gab es keinen Fahrer für die Frühschicht? Hier im Bild festgehalten beim abendlichen Zwischenhalt in Seitschen.

Tabelle 3: Zugausfälle in Seitschen 2019 (Fortsetzung).
WochentagDatumAbfahrtRichtungAnmerkung
Montag19.08.04:41/05:55beidelaut ODEG-Webseite Fahrzeugstörung
Montag19.08.08:01/08:29beidelaut ODEG-Webseite Fahrzeugstörung
Montag19.08.10:01/10:29beidelaut ODEG-Webseite Fahrzeugstörung

Die Sommerferien sind vorbei. Der insolventen Städtebahn Sachsen ist es gelungen, zumindest auf zwei ihrer Strecken den regulären Verkehr wieder­aufzunehmen. Von Dresden nach Kamenz und zurück fahren wieder die von AlphaTrains geleasten Desiros. Während dessen erfreuen sich die frühen Pendlerinnen und Pendler einer Art kalten Dusche, denn der erste Frühzug von Görlitz nach Bischofswerda fällt ersatzlos aus. Auch der nachfolgende Trilex scheint nur mit einer Notbesetzung von einer Triebwagen­einheit gefahren zu sein. So stellen wir uns in einem der reichsten Länder dieser Erde einen bestens deutsch funktionierenden öffentlichen Personen­verkehr vor – oder besser nicht. Immerhin wußte die ODEG-Webseite schon am Morgen, daß erneut wunderlicher­weise am Mittag wieder ein Triebwagen zur Verfügung steht.

Desiro.

Bild 3: Zu einem weiteren Wunder kam es gegen Mittag am 19. August, als anstelle des zu erwartenden Regioshuttles mal wieder ein Desiro vorbeischaute. Bei diesem Bild sorgte eine pünktliche Fotowolke für eine kongeniale Darstellung des fahrenden Trübsals.

Nun ist der Ersatz der Triebwagenfahrten durch einen Desiro anstelle eines Regioshuttles nichts Neues auf dieser Strecke. Auch letztes Jahr kam es schon häufiger vor, daß anstelle der regulär zwei zur Stunde 16 aneinander­gekuppelten Regioshuttles nur ein Desiro mit fast ähnlicher Platzkapazität gefahren ist. Aber daß gar kein Regioshuttle mehr verfügbar ist, ist kein gutes Zeichen. Bemerkenswert war schon vergangenes Jahr, daß unmittelbar verknüpft mit dem Fahrplan­wechsel zum 9. Dezember 2018 vom 10. bis in die Morgenstunden des 24. Dezember anstelle der ODEG-Triebwagen die Desiros der Länderbahn (Trilex) zum Einsatz gekommen waren. Da beide Unternehmen zum der italienischen Staatsbahn gehörenden Netinera-Konzern gehören, mag die Hilfe­stellung noch relativ einfach möglich gewesen sein. Welches auch immer die Hintergründe gwesen sein mögen, es fuhren ab Ende Dezember jedenfalls andere Regioshuttles als zuvor, die offen­sichtlich von anderen Einsatzgebieten abgezogen worden waren. Da liegt fast schon der Verdacht nahe, daß der Schrott aus anderen Regionen in die Oberlausitz verfrachtet worden ist, weil der Vertrag ja ohnehin ausläuft und man sich keine Mühe mehr geben muß. Auch in der Woche vom 8. bis zum 15. August fuhren durchgängig die gelb leuchtenden Desiros der ODEG.

Tabelle 4: Zugausfälle in Seitschen 2019 (Fortsetzung).
WochentagDatumAbfahrtRichtungAnmerkung
Freitag23.08.18:01/18:29beidezunächst mit 15 Minuten Verspätung angezeigt wegen ebensolcher Verspätung aus vorheriger Fahrt, dann Ausfall zwischen Löbau und Bischofswerda, laut ODEG-Webseite aufgrund einer Fahrzeugstörung
Montag30.09.14:01/14:29beideunverschuldet, da auf der Strecke der Betriebsablauf durch Sturm Mortimer durcheinander geriet; laut ODEG-Webseite Ausfall zwischen Bautzen und Bischofswerda
Montag07.10.14:01/14:29 und alle folgendenbeidelaut ODEG-Webseite bis Betriebs­schluß wegen einer Fahrzeug­störung
Dienstag08.10.14:01/14:29 und alle folgendenbeidelaut ODEG-Webseite bis Betriebs­schluß wegen einer Fahrzeug­störung
Donnerstag10.10.14:01/14:29 und alle folgendenbeidelaut ODEG-Webseite „aufgrund einer Fahrzeug­störung kommt es zu Beeinträch­tigungen im Betriebsablauf“
Freitag11.10.14:01/14:29 und alle folgendenbeideBegründung wie am Tag zuvor
Samstag26.10.10:01/10:29beidelaut ODEG-Webseite „aufgrund einer Fahrzeug­störung kommt es zu Beeinträch­tigungen im Betriebsablauf“
Samstag26.10.12:01/12:29beideTriebwagen oder Fahrpersonal wohl laut Dienstplan nachfolgend für 63910/62913 eingeplant; fallen laut ODEG-Webseite ebenfalls aus
Montag18.11.12:01/12:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall zwischen Bautzen und Bischofswerda aufgrund von Witterungs­einflüssen (es nieselt)
Dienstag19.11.10:01/10:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall aufgrund der bekannt ominösen und schon um 7 Uhr bekannten Fahrzeug­störung
Dienstag19.11.12:01/12:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall aufgrund einer Fahrzeugstörung; Totalausfall nebenbei auch auf der RB 46 zwischen Cottbus und Forst
Mittwoch27.11.04:41/05:55beidelaut ODEG-Webseite Ausfall aufgrund einer Fahrzeugstörung
Mittwoch27.11.08:01/08:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall aufgrund einer Fahrzeugstörung
Mittwoch27.11.10:01/10:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall aufgrund einer Fahrzeugstörung
Mittwoch27.11.14:01/14:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall zwischen Bautzen und Bischofswerda aufgrund einer Störung an der Infrastruktur; auf der Anzeige jedoch zunächst als Verspätung aufgrund Verspätung aus vorheriger Fahrt angekündigt
Mittwoch27.11.16:01/16:29beidelaut ODEG-Webseite Ausfall zwischen Löbau und Bischofswerda aufgrund einer Störung an der Infrastruktur; auf der Anzeige jedoch aufgrund einer außerplanmäßigeh Geschwindigkeits­beschränkung

Nach dem Ausfall an 23. August wurden die Regioshuttles weitgehend von den Desiros verdrängt. Dies führte zu einer angesichts der Vorgeschichte erstaunlich zuverlässigen Verkehrs­bedienung. Nur ab und an wurde ein Regioshuttle eingestreut; und wenn beim nächsten Umlauf ein anderes Regioshuttle zum Einsatz kam, dann wird es wohl mal wieder ein Problem gegeben haben. Normalerweise müßten montags bis freitags die Fahrten 15:20 Uhr ab Görlitz und 16:21 Uhr ab Bischofswerda mit zwei Regioshuttles abgewickelt werden. Sofern Regioshuttles zum Einsatz kamen, war meist nur eines anzutreffen.

Am 7. Oktober fuhr zunächst das Regioshuttle 79 mit dem Taufnamen der Stadt Hoyerswerda, doch mit dem Triebwagen 63937, Görlitz ab 13:20 Uhr, brachen einmal wieder alle Dämme. Weder die anderen Regioshuttles Nummer 66 und 76, die in den beiden Wochen zuvor gesichtet wurden, noch der ersatzweise fahrende Desiro des Unternehmens waren, wenn wir der ODEG-Webseite vertrauen dürfen, verfügbar. Eine simple „Fahrzeug­störung“ des Betreibers zieht die komplette Linie RB 60 V aus dem Verkehr. Das mag ich nicht glauben. Auch hier gehe ich davon aus, daß zwar funktions­tüchtige Fahrzeuge vorhanden waren, aber die Personaldecke zu dünn gewesen ist. Die Ausfallmeldung auf der Webseite wurde in der kommenden Nacht um 01:58 Uhr aktualisiert. Einen halben Tag vor der nächsten, geradezu fahrplan­mäßigen Fahrzeug­störung wußte demnach das Management darüber offen­sichtlich Bescheid. Hätte es nicht für Abhilfe sorgen können? Wohl eher nicht, denn nicht das Fahrzeug war gestört, sondern der Dienstplan. Wie schon am 7. Oktober erschien wohl auch am 8. Oktober der vorgesehene Triebfahrzeug­führer nicht zum Dienst, und ein Ersatz war nicht verfügbar. Am 9. Oktober verkehrte ganztägig ein Desiro, der auch am Vormittag des nachfolgenden Tages zu sichten war. Unglücklicher­weise wußte die ODEG-Webseite schon in der Nacht um 01:13 Uhr, daß das Fahrzeug ab etwa 13 Uhr mit einer Fahrzeug­störung darnieder­liegen würde, und so kam es dann auch. Bemerkenswert parallel fielen auf der Linie RB 41 von Cottbus nach Lübben ebenfalls ab Mittag alle weiteren Fahrten aus.

Am 26. Oktober veröffentlichte die Sächsische Zeitung einige Zahlen zur Pünktlichkeit der regionalen Schienenverkehre. Im Bereich des Verkehrsverbundes ZVON ging demnach die Zahl der unpünktlichen Züge zwischen 2010 und 2015 von 4,2% auf 2,0% zurück. In den Folgejahren nahmen die zu spät ankommenden bzw. abfahrenden Züge wieder zu, und 2018 wurde ein neues Maximum von 7,5% erreicht. Die beiden Unternehmen Länderbahn und ODEG machen externe Faktoren verantwortlich, etwa den Umbau des Zittauer Bahnhofs, die Witterung und die Bäume, die ab und an ein Gleis blockieren [1]. Zu Reichsbahn-Zeiten hätte man und frau über die Bäume nur gelacht. Damals fuhren keine Plastikschachteln durch die Gegend, sondern Züge mit robusten Lokomotiven. So ein Bäumchen hätte eine Ludmilla einfach beiseite gefegt, und wenn nicht, wäre sofort der Hilfstrupp aus Bautzen oder Bischofswerda angerückt. Stundenlange Ausfälle gab es in der Regel nicht, denn es gab ausreichend Personal und Material in unmittelbarer Nähe. Am Personal wird aber heutzutage gespartt, wo es nur abzuknapsen geht. Der Artikel endet mit einem Abschnitt, der die wahren Ursachen der Unpünkt­lichkeit anklingen läßt.

„Die Bahnen, so erklärt [der Geschäftsführer der ODEG], haben an ihren Endhalte­punkten oft nur eine kurze Verweildauer, bevor sie wieder zurückfahren. Das liegt am straffen Zeitplan. Das heißt aber auch: Sie können nicht einfach ihre Pausen verkürzen und damit wieder Zeit gutmachen. In den letzten Wochen habe man bei der Odeg zusätzlich mit Personalausfall zu kämpfen gehabt, so der Chef. Wenn sich mehrere Lokführer kurzfristig krank melden, wird es kritisch. Aber gibt es keinen Ersatzplan? ‚Doch, den gibt es‘, sagt Arnulf Schuchmann. Aber wenn ein Zugführer um 4.30 Uhr seinen Dienst antreten soll, sich aber um 4 Uhr krank meldet, dann könne es schon anderthalb Stunden dauern, bis Ersatz da ist.“ [2]

Den fehlenden Zeitpuffer hat allerdings nicht die ODEG zu verantworten, sondern der ZVON. Bei der Ausschreibung hat er durch einen Fahrplan­entwurf eine Vorgabe zu den Zugumläufen gemacht, die knapp auf Kante genäht ist. Es soll ja möglichst wenig kosten, zumal der Verkehrsverbund von der Politik in Bund und Land knapp gehalten wird. Das liegt weniger an den Schwarzen Nullen, sondern an den Prioritäten: die Automobil-, Logistik- und Luftfahrlobby geht in den Ministerien ein und aus und diktiert, wohin die Reise geht.

Andererseits zeigen die obigen Tabellen, daß der Ausfall von Zügen teilweise schon weit vor vier Uhr bekannt ist und auch nicht nach anderthalb Stunden kompensiert wird. Hier wird die Öffent­lichkeit bewußt ungenau informiert. Und es stellt sich heraus, was ich weiter oben schon vermutet habe. Die Fahrzeug­störungen sind keine, sondern es ist die viel zu knappe Personaldecke. Offensichtlich ist das Fahren bei der ODEG nicht attraktiv genug und manch Fahrer oder Fahrerin geht dann eben dahin, wo die Bedingungen besser sind.

Die nur allzu bekannte Ansage „fällt heute aus. Wir bitten um Entschuldigung“ ist ohnehin ermüdend. Warum soll ich etwas nachsichtiger sein, wenn die Betreiber unwillig oder inkompetent sind, einen vertragsgemäßen Schienenverkehr auf die Reihe zu bekommen? Sie haben sich dafür beworben, also sind sie in der Pflicht, ihre Leistung auch zu erbringen. Doch in der Servicewüste Deutsch­land sind Anspruch und Wirklichkeit zwei vollkommen verschiedene paar Schuhe. Schon bei der Welt­ausstellung 1876 in Philadelphia spottete man nicht zu Unrecht über deutsche Produkte: billig und schlecht!

Aber auch die zum selben Netinera-Konzern gehörende Länderbahn läßt ihre Trilex-Triebwagen häufiger einmal ausfallen. Doch hier wird offener kommuniziert, warum das so ist: Fahrermangel.

Die beiden Kleinen werden abgeholt

In der letzten Augustdekade wurden die beiden im Seitschener Lokomotiv­schuppen abgestellten Klein­lokomotiven aus ihrem Gehäuse herausgebracht und auf einen Sattelschlepper verladen. Die Reise ging zunächst nach Lutherstadt Wittenberg. Über den endgültigen Verbleib ist derzeit nichts Näheres bekannt.

Lokschuppen.

Bild 4: Der Lokomotiv­schuppen des Seitschener Getreide­handels beherbergte schon zu DDR-Zeiten zwei kleine Rangier­lokomotiven. Aufnahme vom April 2017.

Am Vormittag des 20. August wurde die erste der beiden Werks­lokomotiven heraus­gezogen. Am Nachmittag kam ein Sattelschlepper auf das Werksgelände und lud die Kleine auf. Die an der Aktion Beteiligten gewährten mir freundlichst ein paar letzte Aufnahmen.

Die 1956 von LKM gebaute Kleinlok der Normaltype N4 mit der Fabriknummer 251098 war zuletzt 2012 im Einsatz bei der Getreide­verladung gesehen worden.

Die Lokomotive Nummer 2

Die Lokomotive wurde im März 1956 an das Splittwerk in Seelingstädt, BT Zinkenberg, ausgeliefert. 1970 wurde sie vom Agro­chemischen Zentrum (ACZ) in Groß­steinberg erworben, das später als Agrotrans Groß­steinberg firmierte. 1997 kam sie zu Lagerland nach Seitschen und erhielt dort die Nummer 2.

Zu diesem Zeitpunkt gab es in Seitschen schon eine andere Lokomotive mit der Nummer 2. Diese 1957 gebaute Kleinlok war mit der Fabriknummer 251195 im Januar 1958 an das VEB Steinwerk Koschenberg in Großkoschen, heute Statteil von Senftenberg, geliefert worden. Sie wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt vor Mitte 1972 an die VEB Natur­steinwerke Dubring-Schwarzkollm weitergegeben, bevor sie im Dezember 1979 nach Seitschen kam. Sie war 2000 schon als Ersatzteil­spender ausgemustert, stand später längere Zeit auf einem Außengleis herum und muß schon vor 2010 entsorgt worden sein. [3]

Kleinlok.

Bild 5: Die kleine Lokomotive wartet auf den Sattelschlepper.

Kleinlok.

Bild 6: Kurz vor der Abreise.

Der Getreide-Gleisanschluß in Seitschen

Als 1845/47 die Strecke von Dresden nach Görlitz in Teilabschnitten eröffnet wurde, wurde ausgerechnet beim beschaulichen Seitschen mit seinen winzigen Dörfern eine Bahnstation errichtet. Als einzig denkbarer Grund ist die Landwirtschaft und die Versorgung der größeren Städte Dresden und Görlitz mit agrarischen Produkten anzunehmen. Alsbald wurde eine Güterhalle errichtet, während das Empfangs­gebäude erst Ende der 1870er Jahre erbaut wurde. Personen­verkehr wurde wohl zunächst als zweitrangig betrachtet. Das Verkehrs­aufkommen wuchs derart, daß beim Rangieren auf den nach und nach errichteten Gütergleisen die Schranken am Wegübergang von Seitschen nach Gaußig häufig geschlossen waren. Deshalb wurde der Bahn­übergang noch 1914 durch eine Unterführung ersetzt.

In der DDR wurde die Landwirtschaft nach pseudo­sozialistischen Prinzipen umgeplant. In Seitschen entstand 1967 oder 1968 ein Agro-Chemisches Zentrum (ACZ). Schon um 1970 herum genügten die bestehenden Gleisanlagen direkt am Stations­gebäude nicht mehr den Erfordernissen; auch sollte das dritte Gleis, das Gütergleis vor der Güterhalle, zugunsten einer besseren Spurführung der beiden Hauptgleise verschwinden. Zu dieser Zeit war die halbdemontierte Hauptstrecke noch eingleisig, mit Seitschen als Ausweiche. Der Bahnsteig für die Reisenden nach Bautzen war sehr schmal und lag zwischen den beiden Hauptgleisen. Diesen Zustand galt es zu verändern, und dafür konnte man und frau nunmehr das Gütertgleis opfern. Dennoch dauerte es bis Ende 1979 oder Anfang 1980, bis etwa einen halben Kilometer weiter westlich des Bahnhofs ein neuer Gleis­anschluß mit größerer Güterhalle angelegt wurde.

Mit den rund zwei Kilometern Gleisen, elf Weichen und zwei Kleinloks dieser Anschlußbahn konnte der LKW-intensive Ladeverkehr beispiels­weise des Trockenwerks Seitschen des VEB Gaußig (heute Blattin) drastisch reduziert werden. Anstatt die Kohlen aus Bautzen auf der Straße zu beziehen, konnte nunmehr das Anschlußgleis mitbenutzt werden. So fiel nur noch der Transport von der Ladestelle zum Werk auf einer Länge von etwa einem halben Kilometer an. Im Gegensatz zu den vollmundigen Versprechungen heutiger Politikerinnen und Politiker, den Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen zu wollen, ohne daß den Worten auch Taten folgen, machte man und frau mit dem damaligen Volks­wirtschafts- und Haushaltsplan des Kreises Bautzen ernst. 1983, für dieses Jahr liegen Zahlen vor, wurden über diese Anschlußbahn 11.000 Tonnen Rohbraun­kohle, 1.200 Tonnen Saat- und Pflanzgut, 1.800 Tonnen Baustoffe, 45.200 Tonnen Zuckerrüben ins Zuckerwerk Löbau oder an andere Orte, 3.000 Tonnen Naßschnitzel und 21.000 Tonnen Mineraldünger umgeschlagen. [4]

Nach der „Wende“ erblühten die Landschaften mit frischem Asphalt und Beton und die Treuhand vollzog ganz im Sinne ihrer Auftraggeber ihr zerstörerisches Werk [5]. Im Zuge der Treuhandisierung muß aus dem ACZ Seitschen die Lagerland Landhandel Sachsen GmbH geworden sein, übernommen von der Münchener Lagerland. Der Seitschener Lagerland-Ableger wurde 2002 von Märka erworben. Damals faßte das Getreidelager eine Lager­kapazität von 12.000 Tonnen, hinzu kam ein ebenfalls 12.000 Tonnen fassendes Düngerlager. 2012 überlegte Verbio mit Sitz in Leipzig, die Konzernmutter von Märka, neben den Gleisanlagen eine 30 Megawatt leistende Biogasanlage zu errichten. Für die Anlieferung des zerkleinerten Strohs als Energiequelle und die Abfuhr der Gärreste erwartete man 50 Last­kraftwagen am Tag. Eine Anlieferung mit der Bahn war gar nicht erst vorgesehen. Wo Investoren wortklingeln, schlägt die Politik in voraus­eilendem Gehorsam die Hacken zusammen, in Sachsen sowieso. Der Gemeinderat von Göda glaubte den voll­mundigen Versprechungen einer Investition von 30 bis 40 Millionen Euro und der Schaffung von 20 Arbeits­plätzen und stimmte mit 13:4 Stimmen einem entsprechenden Bebauungsplan und der Änderung des Flächen­nutzungsplans zu. [6]

Doch 2013 verkaufte Märka neben anderen Standorten auch ihre Filiale in Seitschen an die Haupt­genossenschaft Nord AG in Kiel; und damit war das Geschäft mit dem Biogas geplatzt. Auch die BayWa hatte versucht, den Standort zu erwerben; das scheint jedoch an kartell­rechtlichen Bedenken gescheitert zu sein. Örtlicher Betreiber ist nunmehr die Roth Agrarhandel GmbH, in die sich die Haupt­genossenchaft 2009/2016 eingekauft hat. Da der Verkauf vor der Erntesaison 2013 statt­gefunden und der neue Betreiber auf die Nutzung des Gleisanschlusses verzichtet hat, fand die letzte Verladung unter Mitwirkung einer der beiden Klein­lokomotiven im Sommer und Herbst 2012 statt.

Der Gleisanschluß ist weiterhin befahrbar; in Absprache mit dem zuständigen EStW muß hierfür eine verschlossene Handweiche umgelegt werden. Die Zuführung erfolgt als Rangierfahrt von Bautzen her. Zuletzt geschah dies im Sommer des Vorjahres im Zuge des Weichenausbaus auf der Hauptstrecke.

Kleinlok.

Bild 7: Am 21. August wurde auch die andere Werklok aufs Außengleis gestellt und am späten Nachmittag des 22. August mit dem Sattelschlepper abgeholt.

Getreideverladung in Seitschen.

Bild 8: Ein Bild „aus besseren Tagen“. Am Abend des 26. Juli 2007 rangiert die Lok „1“ auf dem Zufahrtsgleis zum Lokschuppen. Bildautor: Marcel Bührdel, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.

Die Lokomotive Nummer 1

Die Lokomotive mit der Fabriknummer 251120 wurde 1956 an das VEB Kombinat Schwarze Pumpe „09.01.“ ausgeliefert. Sie gelangte im Juli 1966 zu den VEB Natur­steinwerken Dubring (Paul Weiland'sche Hartstein- und Schotterwerke KG), und dort in das Schotterwerk Schwarzkollm. Dort traf sie 1972 auf die spätere Lokomotive Nummer 2, als die Werke in Dubring und Schwarzkollm als gemeinsamer VEB zusammengelegt wurden. Deshalb müssen beide Lokomotiven im Dezember 1979 gemeinsam nach Seitschen gelangt sein. In Seitschen erhielt sie die Nummer 1; in weißer Farbe war bis zu ihrem Abtransport „HU bis 31 12 00“ aufgemalt. Sie muß jedoch mindestens bis 2007 im Einsatz gewesen sein. Seither war sie weitgehend in den Schuppen verbannt und wurde nur ab und an anreisenden Fotografen vorgeführt.

Getreideverladung in Seitschen.

Bild 9: Eine der letzten Getreide­verladungen in Seitschen, aufgenommen am 18. September 2012. Bildautor: Marcel Bührdel, Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.

Mehr zu den Lokomotiven

  • »»  Bahn Express zu Märka Landhandel Sachsen GmbH [online].
  • »»  Andreas Christopher : Lokomotivbau Karl Marx – N4 [online].
  • »»  Axel Klatt : Verbleibliste LKM Kleinloks (N2, N3 und N4) [online].
  • »»  Sichtungsmeldungen auf Drehscheibe Online mit anschließender Diskussion, Daten und weiteren (historischeren) Bildern [online] und [online].

Neue Fahrer aus Serbien

Während die ODEG ihre Zugausfälle auf die unzuverlässigen Triebwagen schiebt, gibt sich die Länderbahn hier offener. Sie kommuniziert den Fahrermangel und verspricht längerfristig Abhilfe. Nun ist Fahrermangel auf Deutschlands Bahnen ein Grundproblen mit mehreren Ursachen. Ältere Fahrer gehen in Rente, jüngere wurden jahrelang nicht oder viel zu wenig ausgebildet, und außerdem ist das Berufsbild mit Schichten, Überstunden und mäßiger Bezahlung nicht gerade attraktiv.

Es gibt jedoch auch einen strukturellen Grund, der in der Bahnreform begründet liegt. Solange es mit Bundesbahn und Reichsbahn im jeweiligen Netzgebiet nur einen Anbieter gab, gab es auch einen großen Pool an Triebfahrzeug­führerinnen und -führern, auf den bei Ausfällen zugegriffen werden konnte. Die seitherige Markt­zersplitterung führt dazu, daß eine Reihe von Unternehmen, um wettbewerbsfähig zu sein, ihr Personal so gering wie möglich hält. Ganz unmöglich ist es dann, einen Springer von einer anderen Kostenstelle abzurufen; und das gilt sogar innerhalb der verschachtelten Strukturen des DB-Konzerns. Da läßt DB Regio [Name der Region einsetzen] lieber einen Zug ausfallen, als eine Kollegin von DB Cargo oder der Fernverkehrs­abteilung anzufordern. Und was innerhalb der Deutschen Bahn nicht geht, geht natürlich erst recht nicht mit den ganzen privaten Gesellschaften, die alle ihr zu knapp kalkuliertes Süppchen köcheln. Die Pönalen, welche von Verkehrs­verbünden und anderen Aufgaben­trägern ausgesprochen werden, mögen zwar schmerzen, aber sind immer noch viel günstiger, als das Personal aufzustocken. Die Leidtragenden, Fahrgästinnen und Fahrgäste, kommen in dieser Gleichung ohnehin nicht vor. Als bloße Beförderungs­fälle sind sie angehalten, keine Ansprüche zu stellen. Dies ist die wahre Dienstleistungs­mentalität des so häufig euphorisch gepriesenen Marktes. Der Politik ist es einerlei, denn sie fährt Auto statt Bahn oder fliegt genüßlich auf Kosten der Steuerzahlerinnen.

Das neue Jahr fängt jedenfalls gar nicht gut an. Für die Freundinnen und Freunde des Silvester­feuerwerks in Dresden hatte die Länderbahn den Auftrag erhalten, einen zusärtlichen Nachtzug nach Zittau und Görlitz zu fahren. Der Zugteil nach Zittau verkehrte dann auch, aber da für die Zugtrennung in Bischofswerda für den Zugteil nach Görlitz kein Fahrer vorhanden war, fiel dieser aus; genauso wie die damit verknüpften vorherigen Fahrten. [7]

Tabelle 5: Zugausfälle der Länderbahn (Trilex) in Seitschen 2019.
WochentagDatumAbfahrtRichtungAnmerkung
Montag31.12.21:25Görlitz 
Montag31.12.23:28Bischofswerda 
Dienstag01.01.02:54Görlitz 
Donnerstag10.01.tagsüberbeideunverschuldet; Bäume im Gleis; mehrere Stunden kein Zugverkehr
Donnerstag10.01.18:28DresdenFolgewirkung, nachdem zwischen­zeitlich wieder Züge gefahren waren
Montag21.01.morgensbeideunverschuldet; Weichenstörung in Bischofswerda
Freitag01.0212:28Dresdenunverschuldet, Baum im Gleis
Montag25.02.RE 15:15Dresdenunverschuldet; Großbrand in Görlitz
Dienstag05.03.12:28Dresden 
Freitag22.03.RE 9:15Dresden 
Ostermontag22.04.06:51Dresden 
Dientag23.04.18:28DresdenGrund: Stürmchen
Dientag30.04.NachmittagGörlitzzwischen Arnsdorf und Bischofswerda gestrandet [8]
Dientag18.06.23:28Dresdenunverschuldet; Notarzteinsatz am Gleis
Freitag12.07.15:25Görlitzkein Fahrer
Freitag12.07.RE 17:15Dresdenkein Fahrer
Freitag12.07.19:25Görlitzkein Fahrer
Dientag13.08.RE 14:50Görlitzunverschuldet; Bahnhof Bautzen gesperrt; Panikmache wegen harmlosem verdächtigen Paket
Dientag13.08.RE 15:15Dresdenunverschuldet; Bahnhof Bautzen gesperrt; Panikmache wegen harmlosem verdächtigen Paket
Montag09.09.12:28Dresdenzunächst als Verspätung aus vorheriger Fahrt angesagt
Montag09.09.13:25Görlitz 
Sonntag15.09.13:25Görlitz 
Sonntag15.09.15:25Görlitzsomit Zuglücke: sechs Stunden
Sonntag22.09.07:25Görlitz 
Sonntag22.09.10:28Dresdenauch Ausfall der Folgeleistung nach Zittau
Mittwoch02.10.18:28Dresdenauch Ausfall der Folgeleistung nach Zittau
Mittwoch16.10.11:25Görlitz 
Mittwoch16.10.RE 15:55Görlitz 
Samstag26.10.17:25Görlitz 
Samstag26.10.20:28Dresdenauch Ausfall der Folgeleistung nach Zittau; um 21:23 verkehrt außerfahr­planmäßig ein Trilex Desiro (regulär wäre RE 21:15 mit zwei roten DB Desiros)

Im Gegensatz zu den Ausfällen der ODEG kann die Länderbahn ab und an auch einen Schienen­ersatzverkehr organisieren. Wenn dieser dann per Lautsprecher angekündigt wird, kann die oder der Reisende däumchen­drehend warten, weil es hier in der Natur der Sache liegt, daß es keine festen Abfahrtszeiten gibt. In Seitschen gibt es hierzu eine nicht als solche gekennzeichnete Bushaltestelle ohne Witterungsschutz.

Die zahlreichen Ausfälle der ODEG-Triebwagen aufgrund einer ominösen Fahrzeug­störung bleiben weitgehend unbeachtet. Als jedoch am 12. Juli gleich drei oder sogar vier Trilex-Fahrten ausfielen, war dies der Sächsischem Zeitung dann doch einen längeren Artikel wert. Nur die Deutsche Bahn zu bashen, ist auf die Dauer langweilig, wenn auch berechtigt.

„Zwei Trilex-Züge der Länderbahn sind am Freitag ausgefallen, bestätigt Unternehmens­sprecher Jörg Puchmüller. Einer sollte von Dresden nach Görlitz fahren, der andere von Zittau nach Dresden. Der Grund für den Ausfall: kurzfristige Krankmeldung eines Lokführers. Und niemand da, der hätte kurzfristig einspringen können. ‚Wir haben ein Bereitschafts­system von Lokführern. Wenn jemand krank wird, kann er in der Regel ersetzt werden‘, erklärt Puchmüller. Doch diese Bereitschaft war am Freitag schon ausgereizt, als sich plötzlich noch ein Lokführer krankmeldete. ‚Da hatten wir keinen Ersatz mehr‘, bedauert der Länderbahn-Sprecher. Glücklicher­weise meldete sich noch eine Lokführerin zum Dienst, die eigentlich frei hatte. Dank ihres Einsatzes konnte ein Abendzug fahren, der sonst auch noch ausgefallen wäre.“

Ich frage mich, wie viel mehr als sanfter Druck die Bereitschaft gefördert haben mag, und ob diese Überstunden irgendwann auch wieder als zusammenhängende Freizeit auftauchen m­ögen. Abgesehen davon habe ich allein in Seitschen drei Ausfälle beobachten können, demnach stimmt die Aussage so nicht. Immerhin verrät uns die Länderbahn über diesen Zeitungsartikel auch, daß man die ersten zehn Lokführer ausbilde. Da der deutsche Markt leergefegt ist, kommen sie aus Serbien. Nach Sprachausbildung, Praxistrainings und dem Besuch einer Eisenbahn­schule „dürfen die Serben Triebwagen der Länderbahn steuern.“ [9]

Wie in vielen Bereichen, in denen deutsche Fachkräfte fehlen, nicht weil es sie nicht gäbe, sondern weil sie nicht wie Fachkräfte, statt dessen wie Hilfs­arbeiterinnen bezahlt werden [10], geht man den leichten Weg des brain drains und fegt den Markt eine Drittwelt­landes leer. Apropos: Wenn es hier heißt, die Serben werden dann die Triebwagen der Länderbahn steuern, heißt das nicht, daß dies auch in der Oberlausitz geschieht.

Schon im Februar informierte das Unternehmen über eine Kooperation mit der Belgrader Eisenbahnschule. Um dem Vorwurf des brain drain zu begegnen, wird darauf verwiesen, daß selbige ausgebildete Serben dann nach deutschen Lohn- und Sozialstandards beschäftigt werden sollen, bevor sie „nach einigen Jahren“ als „gut ausgebildete und hoch qualifizierte Mitarbeiter“ nach Serbien zurückkehren werden, „wo sie den Grundstock für die eingeleitete Modernisierung der Eisenbahn bilden sollen“. Soweit die Theorie. Denn warum sollten sie anschließend nach Serbien zurückkehren, wenn hier das bessere Geld lockt? [11]

Andernorts fallen noch viel mehr Züge der Länderbahn aus. In Bayern fahren Busse statt Bahnen auf den Strecken von München über Regensburg nach Prag und Hof, zwischen Marktredwitz und Regensburg und zwischen Schwandorf und Domazlice. Hier blüht der Schienen­ersatzverkehr zur ungemeinen Freude der Fahrgästinnen und Fahrgäste. Auf eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks hieß es, man habe bereits Maßnahmen gegen den Lokführer-Mangel getroffen.

„So hat die Länderbahn einerseits zehn Lokführer aus Serbien nach Deutschland geholt. Wie es heißt, machen sie gerade ihre Fachausbildung und werden bis Ende des Jahres fertig sein. Sie sollen ausnahmslos in Bayern als Lokführer eingesetzt werden, so der Länderbahn-Sprecher.“

Andererseits setzt man bei der Länderbahn auf Quereinsteiger aus anderen Branchen und die Umschulung des eigenen Personals [12]. Ob das reichen wird? Oder sehen wir in den kommenden Jahren ebenfalls regelmäßigen Ausfällen zwischen Dresden, Zittau und Görlitz entgegen?

Die Deutsche Bahn verliert eine gewonnene Ausschreibung

Personalmangel der ganz eigenen Art wurde dem Startup Start Ostsachsen GmbH zum Verhängnis. Bei der Ausschreibung für das Ostsachsennetz II, zu dem auch die Verstärkerfahrten zwischen Görlitz und Bischofswerda gehören, die bislang von der ODEG ausgeführt werden, konkurrierte es gegen den bisherigen Betreiber Länderbahn aka Trilex. Im März 2017 bekam die Regional­verkehrs­abteilung der Deutschen Bahn für die Bundesländer Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen mit Wolfgang Weingold einen neuen Chef. Seine Aufgabe war es, die verlorenen Strecken in der Oberlausitz für den Konzern zurückzugewinnen. Sein Vorgänger Frank Klingenhöfer ging schon im Herbst zuvor mit einem aufgemotzten Desiro auf Kundenfang. Mit WLAN und Kinderecke wollte er für seine Deutsche Bahn bei der Verantwortlichen von ZVON, VVO & Co. punkten. Im Grunde genommen ging das Konzept auch erst einmal auf. Das Startup gewann im April 2018 die Ausschreibung.

Innerhalb der vorgeschriebenen Wartefrist bis zur Zuschlags­erteilung beantragte die unterlegene Länderbahn das Nachprüf­verfahren. Ein halbes Jahr später kam die Vergabekammer des Freistaates Sachsen zu dem Ergebnis, daß das Startup nicht über die notwenigen Voraussetzungen verfüge, um berücksichtigt zu werden. Die DB Regio-Tochter hatte gedacht, mit Minimalpersonal und minimalistischer Kapitaldecke den Antrag stellen zu können. Das benötigte Kapital fließt dann nach erfolgreicher Vergabe von der Konzernmutter und die Lokführer und Zugbegleiterinnen hätte man ohnehin erst mit der Betriebsübergabe vorweisen müssen. Auch die Aufgabenträger hatten darin zunächst kein Problem gesehen, weil vorgesehen war, daß die Länderbahn-Beschäftigten ohne Einbußen an Löhnen und Sozialstandards einfach zum neuen Startup wechseln können. Die DB-Tochter zog vor der Oberlandes­gericht in Dresden und verlor. Das Pikante daran ist, daß hier die Rechtsprechung nicht einheitlich ist. Die Eignungskriterien für die Vergabe waren nämlich in der öffentlichen Ausschreibung nur verlinkt worden, weshalb Start argumentiert hatte, das reiche nicht aus. Das OLG Dresden war dann anderer Meinung. Theoretisch hätte es eine Neuausschreibung geben können, was den geplanten Betriebsstart zum Dezember 2019 gefährdet hätte. Doch dazu kam es nicht. Die Verträge mit Laufzeit bis 2031 wurden am 24. Mai 2019 unterzeichnet. Dies wäre, nebenbei bemerkt, auch der früheste realistische Zeitpunkt für die Fertigstellung der Elektrifizierung der Strecke von Dresden nach Görlitz. [13]

Die Länderbahn wird ihre vertraglich vereinbarten Verkehrs­leistungen mit demselben Wagenmaterial wie bislang erbringen, und mit einigen zusätzlichen Regioshuttles. Die Desiros 301 bis 309 wurden 2000 und die Desiros 310 bis 324 wurden 2002 abgenommen und haben 2015 bis 2019 ihre zweite Haupt­untersuchung erhalten. Die beiden Desiros 325 und 326 sind einige Jahre jünger, nämlich von 2008, und haben ihre erste Haupt­untersuchung 2016 bekommen. Der Wagenpark ist also schon in die Jahre gekommen und soll nunmehr weitere zwölf Jahre durchhalten. 25 bis 30 Jahre gelten als betriebs­wirtschaftlich angemessen. Daß man den Fahrgästinnen nicht mehr die Standards der Jahrtausend­wende unterjubeln kann, ist auch beim ZVON angekommen, der jedoch auf dem billigeren Wagenmaterial besteht. Also erhalten die Triebwagen eine Art Frisch­zellenkur. Es gibt neue Polster für die zerschlissenen Sitze, auch der Boden wird erneuert. Die Toiletten erhalten Wickeltische, die Kinder haben jetzt schon ihre Spielecke, und WLAN soll es auch geben. Schließlich ist es ganz wichtig, während der Fahrt Filme streamen zu können. Das kann einer, vielleicht auch zwei, und dann ist die Bandbreite tot. Deshalb will die Länderbahn das Datenvolumen kontingentieren. Steckdosen hingegen gibt es nur an den Tisch-Abteilen, man sei ja nicht in der Schweiz, wo das Geld zu Hause sei, meint Jörg Puchmüller. Überwachungskameras wird es auch zukünftig keine geben, was ich begrüße, was hier aber ebenfalls am Geld liegt, und den minimalistischen Bordservice mit Snacks und Getränken, wie ihn die ODEG bietet, wird es auch weiterhin nicht geben. Die Halte­wunschtaste, für die sich Kinder und Rollstuhl­fahrerinnen vergeblich strecken müssen, um sie nicht zu erreichen, wird wohl auch weiterhin auf Überkopfhöhe angebracht sein. Dafür ist kein Geld da, aber für Schnickschnack wie eine Neulackierung der Züge mit orangenem Zierstreifen. Eigentlich hätte der Ausschreibungs­gewinner diese Features mit Betriebsbeginn im Dezember 2019 bereitstehen haben müssen, aber aufgrund des juristischen Hickhacks wird das anders laufen. Zunächst wird die Länderbahn einen Wagen bis Dezember fertig haben, die anderen folgen sukzessive 2020/21. [14]

Trilex Regionalexpreß.

Bild 10: Nur zwei- statt dreiteilig und sieben Minuten zu spät durcheilt ein Regionalexpreß Seitschen. Aufnahme vom August 2019.

Das bedeutet demnach, daß in den kommenden zwei Jahren ganz regulär ein Wagen fehlen wird. Mindestens ein weiterer wird zusätzlich fehlen, weil die Unbilden der Bahnreform wieder einmal zugeschlagen haben. Die Länderbahn-Tochter vlexx nämlich hat eine Ausschreibung im Saarland gewonnen, verfügt aber noch nicht über die hierbei benötigten Triebwagen. Also wird einfach Material aus Sachsen abgezogen.

Aber auch ohne diese betriebsbedingten Maßnahmen fährt die Länderbahn häufiger einmal nicht mit der Anzahl der bestellten Triebwagen. Zu beobachten ist, daß der Regionalexpreß, der Seitschen um 16.50 Uhr erreicht, nicht mit den vorgeschriebenen drei, sondern nur mit zwei Einheiten unterwegs ist. Auf dem hügeligen Land hinter Bischofswerda mag das noch angehen. Aber wenn er in Dresden losfährt und die Pendlerinnen und Pendler für Langebrück, Radeberg und Arnsdorf mitnimmt, reichen die Sitzplätze auch bei normaler Traktion nicht wirklich aus. Die Länderbahn mag dann zwar ihre Pönale blechen müssen, aber die Fahrgästin hat davon rein gar nichts. Unbilden mit Geld abzugelten, ist keine Lösung. Jörg Puchmüller spricht von Ausnahmefällen:

„in der Regel halte das Unternehmen die vereinbarte Zahl der Fahrzeuge ein. Die Ausnahmen hätten ihren Grund beispielsweise in ungeplanten Reparaturen, etwa nach Kollisionen mit Bäumen. Die Werkstätten hätten einen Wartungsstau abzuarbeiten – der Bedarf an Fachleuten ist mittlerweile auch hier angekommen, so Puchmüller.

Die nächsten Kritiken ahnt er schon, wenn von September bis Mitte Dezember drei Züge der Strecke Dresden –Zittau aus noch kleineren Triebwagen vom Typ Regio-Shuttle bestehen. Doch die Desiros werden vorübergehend im Saarland gebraucht – und den Zuschlag für die Strecke hatte die Länderbahn schon in der Tasche, als sie noch gar nicht wusste, dass sie auch weiter durch die Oberlausitz fahren und die Desiros hier brauchen würde.“ [15]

Nun, im Sommer sollten die Sturmschäden wohl behoben sein, und dennoch fehlt mal der eine oder andere Triebwagen. Mal beschweren sich die morgendlichen Pendler über exquisites Kuschelklima, mal hat der Regionalexpreß, der hier um 16.50 Uhr durchfährt, nur zwei Einheiten, mal ist es aber auch die nachfolgende, um 17.25 Uhr haltende Regionalbahn, die halbiert daherkommt. Ich führe ja nicht täglich Buch darüber, aber es fällt schon auf. Aufgrund der gewonnenen Ausschreibung im Saarland wird der Regionalexpreß, der in Dresden um 17.08 Uhr abfährt, nicht mehr in Bischofswerda geflügelt. Der Görlitzer Teil fehlt. Dieser wird mit dem im Seitschen um 17.15 Uhr durchfahrenden Regionalexpreß aus Görlitz als dritte Einheit leer mitgeführt und in Bischofswerda abgekuppelt und umgesetzt. Da dieser RE aber häufiger nur mit zwei Einheiten unterwegs ist, heißt dies – was? Daß dem RE nach Dresden ab Bischofswerda eine Einheit fehlt?

Ende Oktober veröffentlichte die Länderbahn auf ihrer Webseite den ab dem 15. Dezember geltenden Jahres­fahrplan 2019/20. Der ZVON hatte in seinen bisherigen Entwürfen noch geplant, die kleineren Stationen wie Seitschen tagsüber auszuhungern, sprich: nur noch alle zwei Stunden bedienen zu wollen. Dies rief zurecht den Protest der Anlieger­gemeinden hervor. Nunmehr hat man sich zu (fast) einem Stundentakt für beide Richtungen durchgerungen. Der Wermutstropfen: die Verstärker­fahrten am Samstag zugunsten eines Stundentaktes wurden gestrichen, dafür verkehren ab und an am Wochenende zusätzliche Regional­expreßzüge. Da gibt es gewiß einen finanziellen Zusammenhang. Demnach wurden die Samstags-Verstärker nicht mangels Bedarfs eingestellt, sondern sind Manövriermasse, um zusätzliche Fahrten gegenzu­finanzieren. Schließlich möchte DB Netz mit seinen intransparent kalkulierten Trassen- und Stationsgebühren einen Anteil aus den Regionalisierungs­mitteln abzwacken. Seit Dezember 2008, solange also wie die ODEG diese Verstärker durchführt, ist zu beobachten, daß je nach Konjunkturlage die Samstage angeboten oder abgeplant werden.

Die bisherigen Bedarfshalte des ZVON wurden beibehalten. Auch am Abendverkehr wurde gedrechselt; so fährt nunmehr die letzte Regionalbahn ab Görlitz nach Dresden nicht mehr um 22.43 Uhr, sondern anderthalb Stunden vorher ab 21.17 Uhr. Der letzte Zug ist dann ein Regionalexpreß aus Zgorzelec, Görlitz ab 23.18 Uhr, der erst ab Demitz-Thumitz an jeder Station hält. Für manche Reisende, die hintenrum von Berlin oder Cottbus spätabends noch in ihre Dörfer heimkehren wollen, ist dies eine Verschlechterung. Mit den Tageskarten der Verkehrs­verbünde kann dies nämlich günstiger sein als mit dem DB-Tarif über Dresden. Aber irgendwo muß der ZVON ja seine Sparbrötchen backen …

Tabelle 6: Fahrten von Seitschen nach Dresden ab 15. Dezember 2019, mit oder ohne Umsteigen nach Dresden in Bischofswerda. Zug 76518 beginnt Sa-So in Zgorzelec, Zug 76522 beginnt in Bautzen.
 76500765607650276504765067656276508765647651076566
WochentageMo-FrtäglichSa-SoMo-FrtäglichMo-FrtäglichMo-FrtäglichMo-Fr
Görlitz ab3.564.565.296.277.238.259.2710.2511.2712.25
Seitschen ab4.405.406.137.118.079.0910.1111.0912.1113.09
Dresden Hbf. an5.346.347.058.059.0510.0511.0512.0513.0514.05
umsteigenneinjaneinneinneinjaneinjaneinja
 765127656876514765707651676572765187652076522 
WochentagetäglichMo-FrtäglichMo-FrtäglichMo-Frtäglichtäglichtäglich 
Görlitz ab13.2714.2515.2716.2517.2718.2519.2321.17  
Seitschen ab14.1115.0916.1117.0918.1119.0920.0722.0123.01 
Dresden Hbf. an15.0516.0517.0518.0519.0520.0521.0522.5323.53 
umsteigenneinjaneinjaneinjaneinneinnein 
Tabelle 7: Fahrten von Dresden nach Seitschen ab 15. Dezember 2019, mit oder ohne Umsteigen aus Dresden in Bischofswerda. Zug 76519 verkehrt eine Station weiter bis Zgorzelec, Zug 76521 fährt nur von Bischofswerda nach Bautzen. In den Nächten Freitag/Samstag, Samstag/Sonntag und in einen Feiertag hinein fährt zusätzlich als Lumpensammler Zug 76527, Dresden Hbf. ab 1.06, Seitschen 1.57 und Görlitz an 2.43 Uhr. – Nachtrag, Juli 2020: Einzelne Fahrten am Nachmittag und Abend werden in Bischofswerda geflügelt, so daß kein Umsteigen erforderlich ist.
 76501765037656176563765057656576507765677650976569
WochentageMo-FrMo-FrSa-SoMo-FrtäglichMo-FrtäglichMo-FrtäglichMo-Fr
Dresden Hbf. ab3.584.585.275.556.587.558.589.5510.5811.55
Seitschen ab4.495.506.156.497.508.499.5010.4911.5012.49
Görlitz an5.346.367.027.348.369.3410.3611.3412.3613.34
umsteigenneinneinjajaneinjaneinjaneinja
 76511765717651376573765157657576517765197652176525
WochentagetäglichMo-FrtäglichMo-FrtäglichMo-Frtäglichtäglichtäglichtäglich
Dresden Hbf. ab12.5813.5514.5815.5516.5817.5718.5820.5821.2723.27
Seitschen ab13.5014.4915.5016.4917.5018.5119.5021.5022.160.22
Görlitz an14.3615.3416.3617.3418.3619.3520.3622.36 1.07
umsteigenneinjaneinjaneinjaneinneinjaja

Der tiefere Sinn, weshalb ausgerechnet Zug 76575 abends nicht in Rauschwalde hält, erschließt sich mir nicht. Will dort eine oder jemand ein- oder aussteigen, dann reicht doch ein Bedarfshalt. Die gewonnene Minute kann nun wirklich nicht weltentscheidend sein. Zumal der vergleichbare Zug des Vorjahres­fahrplans eine Durchfahrt nicht vorgesehen hat. An den Stationsgebühren der Deutschen Bahn AG wird es ja wohl nicht liegen … oder doch? Fehlten im Haushalt 2.000 Euro, die möglichst elegant unsinnig aus dem Fahrplan heraus­gequetscht werden mußten? Zuzutrauen ist es den Verantwortlichen ja. Aber vielleicht hat es sich bei diesen Nichtbahn­nutzern noch nicht herumgesprochen, daß ein verläßlicher und gut strukturierter Fahrplan die Akzeptanz einer Verbindung zu steigern hilft.

Schienenersatzverkehr

Besonders beliebt bei Fahrgästinnen und Fahrgästen sind die über die holprigen Landstraßen zuckelnden Busse des Schienen­ersatzverkehrs. Wenn die Deutsche Bahn aufgrund von Bauarbeiten einmal wieder die Strecke sperrt oder ein laues Lüftchen kleine Bäumchen auf die Gleise befördert, dann ist es an der Zeit, alternative Verkehrsmittel kennenzulernen. Bekanntlich sinkt die Zahl der Reisenden bei solchen Gelegenheiten drastisch, denn keine und niemand, die es vermeiden können, tut sich das zeitraubende Geruckel freiwillig an.

2019 traf es die Strecke von Dresden nach Görlitz gleich mehrfach. In Bischofswerda wurde eine Brücke erneuert, was zu zwei Sperrungen zwischen Bautzen und Arnsdorf vom 8. (abends) bis zum 11. März (noch nachts) und vom 31. Oktober (abends) bis zum 4. November (noch nachts) sowie zu drei weiteren Ausfällen in der Nacht vom 6. auf den 7. November führte. In Löbau mußten Weichen erneuert werden, was vom 10. bis zum 15. April an einigen Tagen für Behinderungen und für Ausfälle zwischen Reichenbach und Bautzen sorgte.

Schienenersatzverkehr.

Bild 11: Zwei Busse rollen am 2. November über die Landstraße hinunter nach Groß­seitschen (ohne Halt) und weiter über die Dörfer nach Demitz-Thumitz. Der vordere Bus gibt sich als RB 60 zu erkennen, während den hinteren eine Dampflok auf dem Display ziert.

Benötigt der Regionalexpreß 21 Minuten von Bautzen nach Arnsdorf und die Regionalbahn derer 28, so verlängert sich die Fahrzeit nit dem Bus auf 62 bzw. 79 Minuten. Für die Länderbahn waren, je nach Tageszeit, ein oder zwei Gelenkbusse unterwegs, die zumindest bei ihrer Durchfahrt in Seitschen reichlich über­dimensioniert wirkten. Zudem war die Zittauer Strecke zwischen Bischofswerda und Neukirch betroffen. Diesmal war die Ersatz­bushaltestelle in Seitschen ordentlich mit einem Haltestellen­schild ausgerüstet, jedoch fehlte dort der Fahrplan. Der wiederum hing in den Schaukästen an den Bahnsteigen.

Was gab es sonst noch?

Der ZVON erhöhte zum 1. August wieder einmal seine Fahrpreise. Weiterhin bleibt die Fahrt von Seitschen nach Bautzen (eine Station) teurer als die nach Bischofswerda (zwei Stationen).

Der Aufzug im Bautzener Bahnhof ist ein stetes Ärgernis. Mal fährt er, häufiger jedoch nicht. Für Menschen, die auf Rollatoren oder gar Rollstühle angewiesen sind, ist dies nicht zumutbar. Der Betreiber, hier die Deutsche Bahn AG, zuckt hilflos mit den Schultern und verweist Fahrgästinnen aus Dresden, die in Bautzen aussteigen wollen, auf den Umweg über Görlitz, weil sie dann auf der „richtigen“ Seite ankommen. Ernsthaft. Eine Rollstuhl­fahrerin war nämlich

„am Mittwoch von Dresden nach Bautzen mit dem Zug unterwegs. Von einer Freundin erfuhr sie, dass der Aufzug immer noch oder schon wieder nicht funktioniert. Daraufhin rief sie eine Servicenummer der Deutschen Bahn an und erhielt zur Antwort, sie solle doch mit dem Zug bis Görlitz fahren, wo die Aufzüge intakt sind. Dort solle sie in den Gegenzug nach Bautzen umsteigen und könne diesen dann in der Spreestadt auf Bahnsteig 1 verlassen.“ [16]

Die Länderbahn war in einem Fall immerhin so flexibel, das elektronische Stellwerk in Leipzig zum Gleiswechsel überreden zu können, so daß diese Frau ohne das Umwegsprozedere an ihr Ziel gelangen konnte. Ansonsten – gäbe es nicht Menschen, die dann eben anpacken und den Rollstuhl die Treppe hochhieven, würden wohl manche Frauen und Männer im Untergrund des Bahnhofstunnels versauern. Das kleinere Bischofswerda hingegen wäre froh, überhaupt einen Aufzug zu haben. Da dürfen die Fahrgästinnen und Fahrgäste, die gezwungen werden umzusteigen, eben sehen, wie sie damit klar kommen. Von der ganz speziellen Zugangs­konstruktion in Demitz-Thumitz reden wir dann erst gar nicht. Barriere­freiheit ist im Osten offen­sichtlich ein Fremdwort. [17]

Bahnsteigzugang in Demitz-Thumitz.

Bild 12: Der 2008 errichtete Bahnsteig­zugang in Demitz-Thumitz. Der Zugang ist für Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, unmöglich gemacht worden. Um das auch sicher­zustellen, wurden als Tritt­stufen Metallroste eingebaut. Aufnahme vom Juli 2018.

Bautzen soll Nutznießer eines neuen Förder­programms werden, mit dem die Deutsche Bahn ihre Bahnhöfe in fünfzehn sächsischen Mittelstädten mit Hilfe von insgesamt 82 Millionen Euro ertüchtigen will. Bischofswerda fällt nicht darunter. Mit dem Geld wird jedoch nicht der immer wieder ausfallende Aufzug an Gleis 1 ertüchtigt, sondern ein bißchen Kosmetik betrieben, etwa im dunklen Tunnelbereich. [18]

Das bisherige kleine Reisezentrum der Deutschen Bahn im Bautzener Bahnhof, das aufgrund der Umbauarbeiten auf eine zugige Bude außerhalb ausgelagert worden war, wird ab Dezember wieder ins Gebäude zurückkehren. Diesmal jedoch wird als Betreiber die Länderbahn auftreten, die dort und im Bahnhof von Bischofswerda ihre Tickets verkaufen soll. Fernverkehrs­fahrscheine soll es dort auch geben. Ansonsten sind die Reisenden darauf angewiesen, was die Zugbegleiterin in den Trilex-Zügen über ihren Fahrschein­knochen ausgeben kann. Wer seine Daten gerne abgibt, kann natürlich auch den Onlineservice der Deutschen Bahn nutzen. [19]

Zum Jahreswechsel

Am Abend des 30. Dezember erklomm der letzte Getreidezug des Jahres den Aufstieg von Bautzen nach Bischofswerda. Die Stellwerker (und vielleicht auch Stellwerkerinnen) in Leipzig versäumten es nicht, dieser Fracht ihren ganz eigenen Stempel aufzudrücken. Der Güterzug mit seinen 29 Waggons durchfuhr Seitschen um 18:03 Uhr, und die nachfolgende Regionalbahn sollte um 18:11 Uhr von Seitschen aus ihre Fahrt nach Dresden fortsetzen. Der Zug kam auch pünktlich an; aber da der früher existente Block in Demitz-Thumitz aus vermeintlichen Effizienzgründen längst ausgebaut worden ist, mußte der Trilex-Desiro mit seinen Fahrgästinnen und Fahrgästen sieben Minuten auf dem öden Bahnsteig von Seitschen verplempern. Erst dann nämlich wurde der Streckenabschnitt wieder frei. So ein Güterzug nämlich benötigt trotz starker Motorisierung wersentlich mehr Zeit als so eine leichte Plastikschachtel, wie sie zwischen Görlitz und Dresden zum Einsatz kommt. Sieben Minuten sind natürlich nichts im Vergleich zu den Verspätungen, mit welchen die im Auftrag der Automobil­wirtschaft herunter­gewirtschaftete Deutsche Bahn AG glänzt. Sie erfüllen sogar fast, aber nur fast, das absurde Pünktlichkeits­kriterium des verkehrsroten Platzhirsches; ein Kriterium, über das die gesamte Bahnwelt außerhalb Deutschlands schallend laut lacht. Vielleicht hätten die Stellwerker den Güterzug einfach passender in Löbau ablassen sollen, denn die Lücken zwischen Regionalexpressen und Regionalbahnen geben das her. Aber wenn schon die Bahnoberen kein Interesse an einer funktionsfähigen Bahn verspüren, warum sollen die Untergebenen motivierter sein?

Am 30. Dezember meldete die Sächsische Zeitung in einer knappen Mitteilung, daß vom Silvester­nachmittag um 14 Uhr an vierundzwanzig Stunden lang einzelne Bahnen ausfallen. Die auf Kante genähte Personaldecke war wieder einmal gerissen und die Reisenden dürfen das Elend deutscher Bahnen einmal mehr ausbaden. Schon am Scheinheiligen Abend mußte aus demselben Grund die Fahrt um 18:11 Uhr nach Dresden entfallen; ebenso die daran anschließende Tour nach Zittau.

Dafür kam der Silvesterpartyzug der OSEF von Löbau ins Elbtal pünktlich kurz nach halb sieben durch den verschlafenen Ort gedüst, um die Raketen und Feuerzeuge in der Dresdener Luft zu bestaunen. Sozusagen: der Feinstaubzug bringt die Leute dorthin, wo noch mehr Feinstaub zu bewundern ist. Na dann, wünsche ich allen ein staubiges neues Jahr!