Die Straßenbahn in Darmstadt
Das Liniennetz zu Beginn des Nationalsozialismus
auf einem Stadtplan von 1933
1886 errichtete ein privates Konsortium die ersten beiden Straßenbahnstrecken in die Vororte Eberstadt und Griesheim, denen 1890 eine weitere Strecke nach Arheilgen folgte. Im Grunde handelte es sich um die Schmalspurausführung einer dampfbetriebenen Eisenbahn. Alle drei Linien standen in Konkurrenz zur parallel verlaufenden Eisenbahn. Die Stadt Darmstadt sah die innerstädtischen Verkehrsbedürfnisse des Bürgertums nicht abgedeckt und ließ ein eigenes elektrisches Straßenbahnnetz aufbauen. Aus der Verschmelzung beider Gesellschaften entstand 1912 die Hessische Eisenbahn Aktiengesellschaft, kurz HEAG. Die Dampfstrecken wurden elektrifiziert; ein Vorgang, der aufgrund des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden französischen Besatzung Arheilgens und Griesheims erst 1926 abgeschlossen war.
Ende der 1920er Jahre begann die HEAG, mit Bussen als Nahverkehrsmittel zu experimentieren. Neben eine Linie R (Ringlinie), die mit mehreren Versuchsvarianten am Orpheum oder am Ostbahnhof begann und am Botanischen Garten oder der Heidenreichstraße im Woogsviertel endete, trat alsbald eine Linie O vom Böllenfalltor nach Ober-Ramstadt. Auf der Grundlage von ähnlichen Stadtplänen, die den damaligen Darmstädter Adreßbüchern beigelegt waren, ließ die HEAG einen Linienplan der Straßenbahnen und Omnibusse erstellen. Dieser Plan zeigt den Linienverlauf von 1933.
Der Luisenplatz ist schon nach dem obersten Antisemiten und Nationalsozialisten benannt, welcher am 5. März 1933 von der Hälfte der Darmstädterinnen und Darmstädter begeistert gewählt worden war. Die Ausgrenzung der Darmstädter jüdischen Bevölkerung begann alsbald und fand keinen offenen Widerspruch in der spießig-evangelischen südhessischen Provinz. Das Darmstädter Adreßbuch von 1934 – Stichtag war der 20. November 1933 – vermerkt schon einen Dietrich-Eckart-Platz, der anstelle des vorherigen Reichspräsidenten Friedrich Ebert nach einem frühen Ideengeber und Anhänger Hitlers umbenannt wurde. Offenkundig war der Drucker dieses Stadtplans nicht so recht in die Geheimnisse der nationalsozialistischen Frühgeschichte eingeweiht oder (eher unwahrscheinlich) es handelt sich um einen Akt des passiven Widerstandes, denn hier erscheint der Nachname als Eckert. Da die benachbarte Schuknechtstraße gleich in zwei Variationen eines Namens auftaucht, ist eher eine Nachlässigkeit des Kartenmachers anzunehmen.