Die Straßenbahn in Darmstadt
Mit der Dampfstraßenbahn auf den Truppenübungsplatz
Eine Ansichtskarte
1886 errichtete ein privates Konsortium die ersten beiden Straßenbahnstrecken in die Vororte Eberstadt und Griesheim, denen 1890 eine weitere Strecke nach Arheilgen folgte. Im Grunde handelte es sich um die Schmalspurausführung einer dampfbetriebenen Eisenbahn. Alle drei Linien standen in Konkurrenz zur parallel verlaufenden Eisenbahn. Die Stadt Darmstadt sah die innerstädtischen Verkehrsbedürfnisse des Bürgertums nicht abgedeckt und ließ ein eigenes elektrisches Straßenbahnnetz aufbauen. Aus der Verschmelzung beider Gesellschaften entstand 1912 die Hessische Eisenbahn Aktiengesellschaft, kurz HEAG. Die Dampfstrecken wurden elektrifiziert; ein Vorgang, der aufgrund des Ersten Weltkriegs und der nachfolgenden französischen Besatzung Arheilgens und Griesheims erst 1926 abgeschlossen war.
Auf halber Strecke zwischen Darmstadt und Griesheim führte ein Abzweig zu dem bei Griesheim gelegenen Truppenübungsplatz. Dieser stark frequentierte Ort, auf dem auch Einheiten aus anderen deutschen Landen das Kriegshandwerk einübten, war, wie die hier gezeigte Ansichtskarte zeigt, offensichtlich nicht nur das Ziel von Soldaten, sondern auch von Ausflüglerinnen und Ausflüglern.
Der offizielle Fahrplan verzeichnet nur einzelne Fahrten auf dem Stichgleis. Demnach wurde bei Möllers Brauerei abgebogen und am Ende des Stichgleises in der Regel nach einer Minute wieder zurückgesetzt bis zur Hauptstraße; von dort anschließend die Fahrt in gewohnter Richtung fortgeführt. Auf dem Rückweg von Griesheim nach Darmstadt wurde bei Möllers Brauerei einfach angehalten, auf das Stichgleis rückwärts eingebogen; und nach kurzem Aufenthalt die Fahrt nach Darmstadt angetreten. Vermutlich gab es auch Gütertransporte, aber diese tauchen in offiziellen Dokumenten nicht auf.
Bild 1: Ansichtskarte aus dem Verlag von C. Bethke auf dem Übungsplatz. Der Vertrieb derartiger Postkarten dürfte ein einträgliches Geschäft gewesen sein, denn der Versand von Mitteilungen der Rekruten bzw. Soldaten an ihre Freunde, Freundinnen und Angehörigen war angesichts nicht vorhandener anderer Möglichkeiten nur per Post zu befriedigen. Der „Durchsatz“ auf dem Übungsplatz lag bei etwa 20.000 Soldaten pro Jahr.
Bild 2: Detailansicht mit der Dampfstraßenbahn. Dieses der Wirklichkeit sicher nachempfundene, aber auch stilisierte Abbild eines derartigen Zuges zeigt eine aufgehübschte Szenerie. Frauen dürften sich ansonsten dem Lager nur als Waschfrauen oder Prostituierte genähert haben.